1. Einleitung
Bereits im 17. und 18. Jahrhundert untersuchten europäische Entdecker außereuropäische Sprachen auf Merkmale unterschiedlichen Sprachgebrauchs von weiblichen und männlichen Mitgliedern der jeweiligen Sprachgemeinschaft. Es wurden sowohl Unterschiede bezüglich gender festgestellt, d.h. unterschiedliche Formen von Adjektiven u.a. für feminine und maskuline Bezugsworte, als auch Unterschiede in der Sprache von Frauen und Männern.
Im 19. Jahrhundert prägte der Sprachforscher Frazer hierfür die Begriffe objective gender und subjective gender. Er nahm an, dass diese beiden Phänomene miteinander durch die historische Entwicklung verknüpft und nicht etwa Ausdruck von sozialen, psychologischen oder kognitiven Tendenzen seien, was später für plausibler gehalten wurde.
Die Studien regten jedoch auch im 19. Jahrhundert in Europa kein gesteigertes Interesse für dieses Thema an. Bei der Untersuchung der Sprachen fanden die Forscher sex-exclusive differentiation, also Sprachelemente, die entweder nur bei den Sprechern oder nur bei den Sprecherinnen auftraten, und sex-preferential differentiation, die bevorzugte Verwendung bestimmter Sprachelemente von Männern oder Frauen. Einen Zusammenhang zu ihrer eigenen Gesellschaft stellten die Wissenschaftler nicht her. Man war sich einig, dass sex-exclusive differentiation in europäischen Sprachen nicht vorkam. Andererseits hielt man die Tatsache, dass Frauen und Männer unterschiedlich sprechen, für so trivial und weitläufig bekannt, dass man sich nicht genötigt sah, diesen Punkt weiter zu verfolgen. Unter den Sprachforschern herrschte allgemein die Auffassung, dass die Frauen des europäischen Sprachraums auf ihre eigene Weise sprächen, "using trivial vocabulary, avoiding harsh and unseemly words, speaking a conservative form of the language, talking too much..." (Bodine, S. 131).
Erst 1954 machte Reik in einem Rückblick einen ersten ernsthaften Versuch, geschlechtsspezifische Sprachunterschiede im europäischen Sprachraum mit den "exotischen" Sprachen zu vergleichen. In den 70er Jahren kam neues Interesse für das Thema auf. Es wurden unter anderem im Zuge der Frauenbewegung Gründe und Konsequenzen für die Unterschiede im Sprachgebrauch untersucht.
Auch die amerikanische Linguistin Robin Lakoff stellte sich in "Language and Woman′s Place" von 1975 die Frage, was Sprache und Sprachgebrauch über die Ungleichheiten der Frauen- und Männerrollen in der Gesellschaft sagen können.
[...]
Inhaltsangabe
1. Einleitung
2. Lakoffs Unsicherheitshypothese
2.1 Merkmale der Frauensprache
2.1.1 Lexikalische Unterschiede
2.1.2 Syntaktische Unterschiede
2.1.3 Höflichkeit
2.2 Erklärungen und Schlüsse
3. Andere Studien
3.1 Brouwer et al. “Speech differences between women and men: On the wrong track? “
3.2 Crosby, Nyquist “The female register: An empirical study of Lakoff’s hypotheses “
3.3 Cameron, McAlinden, O’Leary “Lakoff in context: the social and linguistic functions of tag questions “
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Bereits im 17. und 18. Jahrhundert untersuchten europäische Entdecker außereuropäische Sprachen auf Merkmale unterschiedlichen Sprachgebrauchs von weiblichen und männlichen Mitgliedern der jeweiligen Sprachgemeinschaft. Es wurden sowohl Unterschiede bezüglich gender festgestellt, d.h. unterschiedliche Formen von Adjektiven u.a. für feminine und maskuline Bezugsworte, als auch Unterschiede in der Sprache von Frauen und Männern.
Im 19. Jahrhundert prägte der Sprachforscher Frazer hierfür die Begriffe objective gender und subjective gender. Er nahm an, dass diese beiden Phänomene miteinander durch die historische Entwicklung verknüpft und nicht etwa Ausdruck von sozialen, psychologischen oder kognitiven Tendenzen seien, was später für plausibler gehalten wurde.
Die Studien regten jedoch auch im 19. Jahrhundert in Europa kein gesteigertes Interesse für dieses Thema an. Bei der Untersuchung der Sprachen fanden die Forscher sex-exclusive differentiation, also Sprachelemente, die entweder nur bei den Sprechern oder nur bei den Sprecherinnen auftraten, und sex-preferential differentiation, die bevorzugte Verwendung bestimmter Sprachelemente von Männern oder Frauen. Einen Zusammenhang zu ihrer eigenen Gesellschaft stellten die Wissenschaftler nicht her. Man war sich einig, dass sex-exclusive differentiation in europäischen Sprachen nicht vorkam. Andererseits hielt man die Tatsache, dass Frauen und Männer unterschiedlich sprechen, für so trivial und weitläufig bekannt, dass man sich nicht genötigt sah, diesen Punkt weiter zu verfolgen. Unter den Sprachforschern herrschte allgemein die Auffassung, dass die Frauen des europäischen Sprachraums auf ihre eigene Weise sprächen, „ using trivial vocabulary, avoiding harsh and unseemly words, speaking a conservative form of the language, talking too much...“ (Bodine, S. 131).
Erst 1954 machte Reik in einem Rückblick einen ersten ernsthaften Versuch, geschlechtsspezifische Sprachunterschiede im europäischen Sprachraum mit den „exotischen“ Sprachen zu vergleichen. In den 70er Jahren kam neues Interesse für das Thema auf. Es wurden unter anderem im Zuge der Frauenbewegung Gründe und Konsequenzen für die Unterschiede im Sprachgebrauch untersucht.
Auch die amerikanische Linguistin Robin Lakoff stellte sich in „ Language and Woman’s Place “ von 1975 die Frage, was Sprache und Sprachgebrauch über die Ungleichheiten der Frauen- und Männerrollen in der Gesellschaft sagen können. Sie stellte die These auf, dass, obwohl es in der englischen Sprache kein Wort gibt, das ausschließlich von einem Geschlecht verwendet werden darf, sich der gesellschaftlich geringere Status der Frau in ihrer sich von der männlichen unterscheidenden Sprache widerspiegelt.
Als Reaktionen auf ihre Veröffentlichung erschienen in den folgenden Jahren viele Studien, die versuchten, Lakoffs Hypothesen zu bestätigen, zu widerlegen, oder einige Punkte genauer zu untersuchen. Lakoffs allgemeine und relativ ungesicherte Annahmen regten viele weiter führende Untersuchungen an und gaben den Anstoß, dieses Feld der Linguistik grundlegender zu erforschen.
2. Lakoffs Unsicherheitshypothese
Die amerikanische Linguistin Robin Lakoff stellte sich in den 70er Jahren die Frage, was der unterschiedliche Sprachgebrauch von Frauen und Männern über die Ungleichheiten ihres gesellschaftlichen Status aussagen kann. Da der Sprachgebrauch einer Person durch ihr soziales Umfeld bestimmt wird, kann man durch die Analyse der Sprache auch Aussagen über die Gesellschaft treffen.
Aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen und Intuition untersuchte Lakoff ihren eigenen Wortschatz, den von Bekannten und den in den Medien vorkommenden auf Ungleichheiten von Frauen- und Männersprache. Sie kam mithilfe von Introspektion zu dem Schluss, dass Frauensprache durch gewisse Merkmale gekennzeichnet ist, die auf den Status der Frau in der Gesellschaft zurückzuführen sind. So müssen Frauen in der Regel zwei „Sprachen“ beherrschen: die Frauensprache, die bei Frauen akzeptiert, bei Männern aber als lächerlich empfunden wird, und die Männersprache, die „neutrale“ Sprache. Frauen haben oft die Wahl zwischen diesen beiden Varianten und müssen sich je nach Situation entscheiden, welche die angemessene ist.
Während die von den Männern verwendete Variante von Lakoff als neutral eingeschätzt wird, schreibt sie der Frauensprache eine bestimmte Wirkung auf den Zuhörer zu: Wer die Frauensprache benutzt, wirkt schwach, unentschlossen, nicht fähig, wichtige Entscheidungen zu treffen und unsicher.
2.1 Merkmale der Frauensprache
Die Merkmale, anhand derer sich Frauen- von Männersprache unterscheidet, sind weit gestreut. Lakoff fand Unterschiede in der Häufigkeit und im Gebrauch bestimmter lexikalischer Items, in der Verwendung gewisser syntaktischer Regeln, im Grad der Höflichkeit und in der Intonation.
2.1.1 Lexikalische Unterschiede
Lakoff untersuchte das Vokabular der Frauensprache und fand, dass Frauen in Themenbereichen, die auch typischerweise als Frauendomäne angesehen werden, einen besonders ausgeprägten Wortschatz haben. Diese Bereiche, etwa Kochen, Mode oder Dekorieren, werden von ihr als nicht relevant für die „wirkliche Welt“ angesehen, da sie keine wichtigen Entscheidungen erforderten. Daher seien sie für Männer nicht interessant, die dort demzufolge auch keinen so differenzierten Wortschatz benötigten.
Es werde wahrscheinlich niemandem seltsam vorkommen, wenn Frauen einen großen Wortschatz für Farben hätten, die ja dem Themenbereich „Dekorieren“ zugeordnet werden können. Wenn jedoch ein Mann Wörter wie mauve, beige, ecru, aquamarine oder lavender benutze, sei dies lächerlich und werde als unmännlich angesehen, da vorausgesetzt werde, dass Männer sich mit solch trivialen Themen nicht beschäftigten. Ob also ein Satz wie „ Look, the wall is mauve “ lächerlich klingt oder nicht, hänge vom Geschlecht der Person ab, die den Satz äußert.
Die Frauensprache weist noch andere lexikalische Besonderheiten auf. So verwenden Frauen viele „ leere“ Adjektive (z.B. adorable, charming, sweet, lovely, divine), die im Gegensatz zu „neutralen“ Adjektiven wie great, terrific, cool oder neat stehen. Lakoff gibt an, dass eine Sprecherin, die „leere“ Adjektive benutzt, impliziert, dass das behandelte Thema keine Relevanz für die Wirklichkeit hat, also keine wichtigen Dinge beschreibt. Die neutralen Adjektive könnten zwar sowohl von Frauen als auch von Männern verwendet werden, die „leeren“ jedoch nur von Frauen. Lakoff zieht daraus den Schluss, dass Frauensprache keine an sich femininen Eigenschaften hat, sondern dass sie „nicht eingebunden in das wirkliche Leben“ oder „ in keiner mächtigen Position“ signalisiert.
Ein weiterer Punkt, den Lakoff als Merkmal der Frauensprache anführt, ist der Gebrauch von Partikeln, also Ausrufen und Schimpfwörtern. Lakoff hat beobachtet, dass schon Mädchen anders erzogen werden als Jungen. Sie dürfen nicht laut sein, sondern sollen sich still und unauffällig verhalten. Dies stellt sie in ähnlicher Form auch bei Erwachsenen fest: Männern ist es erlaubt, laut ihrem Unmut Luft zu machen, Flüche zu gebrauchen und starke Gefühle zu zeigen (z. B. Wut, Freude). Frauen hingegen dürfen zwar leise jammern und sich beschweren, es ist für sie jedoch nicht schicklich, wütend herumzuschreien und starke Schimpfworte zu benutzen. So ist es viel wahrscheinlicher und stößt auf mehr Akzeptanz, einen Mann sagen zu hören „ Oh shit, you did it again!“ als eine Frau. Diese könnte vielleicht eine Äußerung wie „ Oh dear / oh fudge / oh goodness, you did it again!“ machen. Durch das Herabspielen ihres Ärgers oder ihrer Enttäuschung zeigt sie nach Außen nicht ihre wahren Gefühle. Lakoff sieht dies als eine äußerst wichtige Tatsache an, da sie annimmt, dass nur eine Person, die ihre Gefühle zum Ausdruck bringt, in der Gesellschaft als eigenständiges Individuum anerkannt wird. Zeigt man seine Gefühle nicht und unterdrückt sie, so wird man im Umkehrschluss nicht als eine Person mit eigenen Rechten angesehen. Eben dies wird also den Benutzern der Frauensprache entgegen gebracht, und die Männer, die ja ihre Gefühlsregungen stark zum Ausdruck bringen, bestätigen ihre gesellschaftliche Machtposition.
2.1.2 Syntaktische Unterschiede
Robin Lakoff geht bei der Betrachtung der syntaktischen Unterschiede vor allem auf die vermehrte Verwendung von tag questions ein. Sie ordnet tag questions als ein Mittelding zwischen einer Ja- / Nein-Frage und einer Aussage ein. Sie nimmt an, dass tags an Aussagen angehängt werden, die nicht völlig belegt werden können (“John is there, isn’t he? “), oder um einen Partner in ein Gespräch miteinzubeziehen, wenn die eigene Meinung gesagt wird ( „ The way prices are rising is horrendous, isn’t it? “). Sie sind außerdem ein Zeichen von Höflichkeit, da man durch eine tag question die eigene Aussage relativieren und so Konflikte mit Anderen vermeiden kann. Die gleiche Wirkung schreibt Lakoff modifiers (so, kind of, etc.) zu. Der Effekt, der durch den Gebrauch vieler tag questions und modifiers entsteht, ist nach Lakoffs Meinung, dass der Sprecher unsicher wirkt und den Eindruck macht, sich nicht zu einer klaren Meinung durchringen zu können.
Ein den tag questions ähnliches Merkmal der Frauensprache sind die Intonationsmuster. Lakoff beobachtete, dass Frauen auf Fragen oft mit einer, möglicherweise sehr zögernden, Aussage antworten, die jedoch die Intonation einer Frage hat, d.h. mit steigender Stimme am Satzende (-„ When will dinner be ready? “ -„ Oh... around six o’clock...? “). Als Folge davon erwecken Frauen beim Zuhörer wiederum den Eindruck, dass sie unsicher und nicht fähig sind, Entscheidungen zu treffen.
2.1.3 Höflichkeit
Als all diesen Merkmalen der Frauensprache übergeordnet kann man die Höflichkeit betrachten. Mädchen werden dazu erzogen, nett und höflich zu sein. Frauen behalten dies bei: Durch das Verbergen ihrer Gefühle belästigen sie niemand anderen damit; durch tag questions geben sie auch anderen Personen die Möglichkeit, sich am Gespräch zu beteiligen und der geäußerten Meinung deren Sichtweise hinzuzufügen; durch Aussagen in Frageform räumen sie ihrem Gegenüber Platz ein, um eigene Wünsche anzubringen (man könnte die Frageform durch das Anhängsel „wenn es Dir recht ist“ ersetzen).
Ein verschiedener Grad an Höflichkeit äußert sich auch in der unterschiedlichen Art, in der Männer und Frauen Anweisungen ausdrücken. Während Männer meist einen direkten Befehl geben, kleiden Frauen ihre Anweisungen in Frageform und fügen ihnen viele Partikel hinzu. Lakoff führt an, dass eine Frage höflicher ist als ein Befehl, und dass diese um so höflicher wird, je mehr Partikel sie enthält. In dem folgenden Beispiel werden die Anweisungen in aufsteigender Reihenfolge immer höflicher:
(1) Close the door.
(2) Please close the door.
(3) Will you close the door?
(4) Will you please close the door?
In den Fragen (3) und (4) wird die Entscheidung über das Ausführen der Aufgabe formal dem Adressaten überlassen, er wird in seiner Entscheidungsfreiheit nicht so eingeschränkt wie durch einen offenen Befehl. Ist eine Aussage sehr höflich, so wird sie typischerweise eher der Frauensprache zugeschrieben und als uncharakteristisch für eine Mann betrachtet, da die Frauensprache darauf ausgelegt ist, Meinungen und starke Aussagen zu vermeiden.
2.2 Erklärungen und Schlüsse
Aus ihren Beobachtungen zieht Robin Lakoff den Schluss, dass im Gebrauch der englischen Sprache bei Frauen und Männern eine Diskrepanz besteht, die die Diskrepanz der sozialen Positionen von Frauen und Männern in der Gesellschaft widerspiegelt.
Sie ist der Meinung, dass wir im Allgemeinen die Unterschiede zwischen Frauen- und Männersprache so verinnerlicht haben, dass wir bestimmte Sätze, die sich durch die Merkmale der Frauensprache voneinander unterscheiden, eher mit Sprechern oder mit Sprecherinnen assoziieren. Ohne die Person zu kennen, die eine Äußerung gemacht hat, ist es wahrscheinlich, dass Sätze anhand der Merkmale, die von Lakoff vorgeschlagen wurden, Frauen oder Männern zugeordnet werden.
(a) Oh my goodness, there’s the president.
(b) Oh shit, there’s the president.
Vermutlich wird man (a) einer weiblichen Person zuordnen, (b) einer männlichen, da in (a) kein Schimpfwort verwendet wurde, sondern nur ein abgemilderter Ausruf.
Lakoff meint, dass diese Non-Parallelismen, die nicht nur in der Sprache der Frauen sondern auch in der Sprache über Frauen vorkommen, nur existieren können, weil sie durch das Muster ihres Gebrauches die Unterschiede zwischen dem Status der Frauen und Männer in der Gesellschaft reflektieren. Es hat also nicht viel Sinn, nur den Sprachgebrauch ändern zu wollen und dann zu hoffen, dass die Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern aufgelöst würden, sondern vor allem die Gesellschaft muss sich ändern.
Als Konsequenz aus ihrer Studie sieht Lakoff aber auch, dass Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer darauf achten müssen, welche Form von Englisch sie ihren Schülerinnen und Schülern beibringen, damit diese nicht später durch einen unangemessenen Sprachgebrauch der Lächerlichkeit preisgegeben werden, etwa wenn ein männlicher Schüler die Frauensprache verwendet, oder wenn eine Schülerin durch die Verwendung der Männersprache als unfeminin eingeschätzt wird.
3. Andere Studien
Mit ihrer Veröffentlichung regte Lakoff viele andere Sprachwissenschaftler, vor allem aber Sprachwissenschaftlerinnen, dazu an, sich genauer mit diesem Thema zu beschäftigen. Die Methode, mit deren Hilfe Lakoff ihre Untersuchung durchgeführt hat, lässt einige Kritik zu. Da Lakoff die Daten aus ihrem eigenen Umfeld gesammelt und mithilfe ihrer eigenen Intuition ausgewertet hat, hat sie sich der Introspektion bedient, eine Möglichkeit, die zwar einen Einstieg in ein bestimmtes Gebiet eröffnen kann, die jedoch sehr anfällig ist für subjektive Eindrücke. Die Ergebnisse von Lakoffs Studie sind also wissenschaftlich nicht gesichert, was Lakoff auch durchaus bewusst war. Sie wollte selbst zu weiteren, ausführlicheren Studien und Untersuchungen anregen und nicht endgültige Ergebnisse vorlegen, denen nichts mehr hinzuzufügen gewesen wäre.
Einige Wissenschaftler haben sich mit der Frauensprache, oder dem female register, generell beschäftigt und versucht zu überprüfen, wer sich in welchen Situationen der Frauensprache bedient. Andere haben sich auf bestimmte Merkmale konzentriert und diese einer genaueren Untersuchung unterzogen. Viele Wissenschaftler haben sich vor allem mit den tag questions auseinander gesetzt, die ja ein besonders augenscheinliches Merkmal des female register sind. Die Herangehensweisen waren dabei recht unterschiedlich. Während manche die Aussagen von Männern und Frauen aufzeichneten und dann die Anzahl der verwendeten tag questions auszählten, versuchten andere zuerst, die unterschiedlichen Funktionen der tags im Gespräch zu bestimmen.
Die Schwierigkeiten beim Vergleich der einzelnen Studien liegen also darin, dass die Wissenschaftler nicht einheitlich vorgingen. Sie untersuchten Sprache nach unterschiedlichen Merkmalen, die sie selbst als typisch für das female register ansahen, und oft gaben sie nicht an, wer in den untersuchten Sprachproben wie viel gesprochen hatte, so dass man keinen Schluss aus einer Aussage ziehen kann wie „Frauen stellten mehr Fragen als Männer“. Wenn Frauen in der gesamten Untersuchung mehr redeten als Männer, so wäre es nur natürlich, dass sie auch mehr Fragen stellten. Nur die Proportion von der Häufigkeit bestimmter sprachlicher Formen zu der Länge der Äußerung kann Aufschluss darüber geben, wie aussagekräftig eine solche Feststellung ist.
Insgesamt ergaben sich aus den Studien widersprüchliche Aussagen. Manche Untersuchungen brachten die erwarteten Ergebnisse, die die Unterschiede in der Frauen- und Männersprache zu bestätigen schienen. Andere jedoch konnten dies nicht verifizieren und kaum sprachliche Unterschiede feststellen. Lakoffs These, dass Frauensprache Unsicherheit signalisiere, konnte insgesamt somit nicht bestätigt werden. Auch die Behauptung, dass Frauen von vorneherein einen geringeren Sozialstatus haben als Männer, muss überdacht werden.
3.1 Brouwer et al.: Speech differences between women and men: on the wrong track?(1979)
Eine Studie, um die Lakoffsche Hypothese generell zu überprüfen, führten Brouwer, Gerritsen und de Haan im Jahre 1979 durch. Sie konzentrierten sich nicht auf nur ein von Lakoff genanntes Merkmal, sondern werteten Gespräche nach der Anzahl der Wörter, dem Gebrauch von Verkleinerungsformen und Verniedlichungen, nach Höflichkeit und Zögern aus.
Die Autorinnen verfolgten Gespräche am Fahrkartenschalter eines niederländischen Bahnhofs und untersuchten sie auf die Verwendung von geschlechtsspezifischen Sprachunterschieden. Es wurden auch das Geschlecht der/s Bahnangestellten und der/s Reisenden miteinbezogen.
Die Studie konnte Lakoffs These nicht bestätigen. Es gab keine geschlechtsspezifischen Unterschiede im Sprachverhalten bis auf häufigeres Zögern der Frauen, die auch mehr Fragen stellten. Einen signifikanten Unterschied des Geschlechts des Sprechers ergab die Studie nicht. Entgegen Lakoffs These verwendeten sowohl Frauen als auch Männer die Merkmale der Frauensprache häufiger, wenn sie mit einem männlichen Fahrkartenverkäufer sprachen. Es ist allerdings nicht sicher, ob dies auf das Geschlecht oder auf die größere Freundlichkeit des Verkäufers zurückzuführen ist. Es kann gefolgert werden, dass es wichtig ist, mit wem man spricht, was allerdings nicht unbedingt abhängig vom Geschlecht der anderen Person sein muss. Der Gesprächspartner beeinflusst die Art, wie der Sprecher sich ausdrückt.
3.2 Crosby & Nyquist:The female register(1977)
Auch Crosby und Nyquist führten eine Studie durch, die mehrere Merkmale der Frauensprache und somit Lakoffs Hypothese als Ganzes untersuchen wollte.
Die Autorinnen nahmen an, dass es keine eigentliche Frauensprache gibt, sondern ein spezielles Sprachregister mit bestimmten Merkmalen, wie es unterschiedliche Register gibt etwa für informelle oder formelle Sprache. Die Sprache der Frauen an sich ist unabhängig von den Merkmalen, die diesem „weiblichen Register“ zugeschrieben werden. Crosby und Nyquist definieren das female register (FR) nach den Merkmalen, die Lakoff angegeben hat: Lexikalische Unterschiede, Verwendung von leeren Adjektiven, Frageintonation bei Aussagen, häufiger Gebrauch von tag questions und modifiers sowie Höflichkeit. Ihre Annahme war, dass das Geschlecht Einfluss auf das Sprachverhalten hat, dass jedoch vor allem der Status den Gebrauch des female register beeinflusst. Das Hauptmerkmal des FR ist ihrer Ansicht nach nicht, dass es nur von Frauen verwendet würde, sondern dass es den sozialen Status der Sprecher in der Gesellschaft verkörpert. Dieser These entsprechend nahmen sie an, dass Menschen mit niedrigerem Sozialstatus das female register öfter verwenden als solche mit einem höheren gesellschaftlichen Status. Da sie davon ausgingen, dass Frauen einen geringen Sozialstatus in ihrer Gesellschaft haben, vermuteten sie daher, dass Merkmale des FR eher von Frauen verwendet werden als von Männern, und dass außerdem eine Person, die mit einer sozial höher gestellten Person spricht (also beispielsweise eine Frau mit einem Mann), das FR anwenden wird.
In ihren drei Studien untersuchten die Autorinnen die Anwendung des FR bezüglich der Situation und sowohl des Geschlechts der Sprecherin bzw. des Sprechers als auch der / des Angesprochenen.
Die erste Studie wurde unter kontrollierten Bedingungen im Labor durchgeführt. Die Versuchspersonen führten hierbei jeweils dreiminütige Gespräche mit einer Person des gleichen Geschlechtes. Jeweils die Hälfte dieser Gespräche fand zwischen Freunden statt, die andere zwischen Fremden. Die Gespräche wurden auf den Gebrauch von leeren Adjektiven, tag questions, Zögern und dem Wort so ( als modifier) untersucht. Diese Merkmale wurden von Frauen häufiger verwendet als von Männern, es gab aber keinen signifikanten Unterschied in den Gesprächen zwischen Freunden und Fremden.
Die zweite Studie wurde als Feldstudie an einem Informationshäuschen einer Gemeindeverwaltung durchgeführt. Die untersuchten Gespräche konnten daher nicht in ihrer Dauer kontrolliert werden, waren aber in den meisten Fällen kürzer als eine Minute. Die Umgebung war andererseits natürlicher, und die Gespräche wurden nicht durch die ungewöhnliche Situation beeinflusst, wie dies möglicherweise im Labor der Fall gewesen sein konnte. Die Untersuchung der Gespräche bezog sich hier vor allem auf die Verwendung des FR in Abhängigkeit des Geschlechtes der Versuchsperson und der Person im Empfangsschalter und auf die Verwendung von Höflichkeitsformeln: Welche Verbform wurde verwendet (z. B. could you, would you u.ä .), wie direkt verhielt sich die / der Informationssuchende in ihren / seinen Äußerungen (Show me the way to room 122. vs. Could you tell me where I can find room 122?) und wie wurde das Gespräch begonnen (hi oder excuse me)?
Als Ergebnis erhielten die Forscherinnen hier, dass zwar Männer untereinander das FR am wenigsten verwendeten, es aber keinen signifikanten Unterschied im Sprachgebrauch bezüglich des Geschlechtes der Empfangsperson gab.
Um auf ihre These einzugehen, dass die Verwendung des FR vor allem mit sozialen Unterschieden und Rollen zu erklären sei, untersuchten Crosby und Nyquist in ihrer dritten Studie Gespräche mit Autoritätspersonen. Sie zeichneten Gespräche auf, die auf einer Polizeiwache stattfanden, während die Beamten Anzeigen aufnahmen. Auch hier kamen Unterhaltungen unterschiedlicher Dauer zustande, die auf die Verwendung des FR bezüglich des Status und Geschlechts der/ des Polizeibeamten, der Rolle und des Geschlechtes der Sprecherin bzw. des Sprechers untersucht wurden.
Die Auswertung der Daten zeigte, dass der Status der/s Polizeibeamten keine Rolle spielte; für die Verwendung des FR war es nicht von Bedeutung, welchen dienstlichen Rang der Polizist hatte. Es ergab sich aber, dass die Rolle, in der sich der jeweilige Gesprächsteilnehmer befand, hohe Auswirkungen auf die Verwendung des FR hatte. Die Bürger verwendeten das FR öfter als die Beamten. Auch zeigte sich hier wieder ein Einfluss des Geschlechtes der/s Sprechenden in Lakoffs Sinne, d. h. Frauen verwendeten das FR häufiger als Männer. Auswirkungen des Geschlechtes des Gesprächspartners konnten nicht gemessen werden.
Zwei der drei Studien bestätigten Lakoffs Hypothese, dass Frauen sich in ihrem Sprachgebrauch durch bestimmte Merkmale von Männern unterscheiden. Die zweite Studie brachte jedoch keine solchen Resultate, was von den Autorinnen mehreren möglichen Ursachen zugeschrieben wurde. Die zweite Studie unterscheidet sich von den beiden anderen insofern, als die Unterhaltungen am Informationshäuschen extrem kurz waren und daher keine große Aussagekraft hatten. Außerdem lag bei der Studie der Fokus der Untersuchung auf der Höflichkeit. Die Autorinnen schließen, dass Höflichkeit möglicherweise kein entscheidendes Merkmal des FR ist, was durch andere Studien weiter untersucht werden müsste. Am plausibelsten erscheint jedoch die Erklärung, dass Unterschiede aufgrund der hohen Ritualisierung der Situation ausblieben. Studien I und III ließen freiere Gespräche zu, die Sprecher/innen waren also in ihrem Sprachverhalten nicht so festgelegt wie in der zweiten Studie, und Sprachunterschiede konnten auftreten. Als Folgerung dieser Erklärung kann gesagt werden, dass Sprachunterschiede bei Frauen und Männern kontextabhängig und in ritualisierten Situationen weniger ausgeprägt sind.
Die Studien bestätigten Lakoffs Annahme, dass das female register öfter von Frauen verwendet wird als von Männern. Sie konnten allerdings nicht die These unterstützen, dass der Gebrauch des FR abhängig ist vom Sozialstatus der Frauen in der Gesellschaft. Dies erscheint durch Studie III als extrem unwahrscheinlich, da der Status des Polizisten keine Unterschiede im Sprachverhalten hervorrief. Hoch signifikant waren jedoch die Rollen der Gesprächsteilnehmer in Bezug zur Verwendung des FR. Wenn Frauen also das FR häufiger gebrauchen als Männer, so ist dies eher auf die soziale Rolle der Frau zurückzuführen als auf ihren sozialen Status.
3.3 Cameron, McAlinden, O’Leary:Lakoff in context: the social and linguistic functions of tag questions(1989)
Vor allem methodische Kritik an Robin Lakoff übten Deborah Cameron, Fiona McAlinden und Kathy O’Leary. Lakoff hatte nicht nur die die Frauensprache kennzeichnenden Merkmale willkürlich ausgewählt und auf keine empirische Basis gestellt, sie war auch nicht auf das Funktionsproblem einer jeden sprachlichen Form eingegangen. Die meisten Formen können nicht einer einzigen sprachlichen Funktion zugeordnet werden, sondern können im Gespräch eine Vielzahl von möglichen Funktionen erfüllen, unter Umständen mehrere gleichzeitig. Daher muss auch die Verwendung der verschiedenen Funktionen einer Form in die Untersuchung miteinbezogen werden, bevor man Aussagen darüber machen kann, welchen Schluss die häufige oder seltene Verwendung einer Sprachform zulässt. Die Autorinnen versuchten, diese linguistischen Funktionen für eins der Merkmale, die Lakoff für die Frauensprache vorgegeben hatte, für tag questions, näher zu bestimmen, um sodann Aussagen über die Verwendung machen zu können. Sie führten hierfür zwei Studien durch.
Um die Funktionen der tag questions erfassen zu können, wurden diese nach Janet Holmes in zwei verschiedene Formen untereilt, in modale tags und affektive tags.
Modale tags werden verwendet, um Informationen oder Bestätigung von Informationen zu erfragen, wie etwa in John is there, isn’t he?. Die tag question fordert den Zuhörer auf, eine Bestätigung oder Korrektur der gemachten Aussage zu geben. Die modalen tags signalisieren also Unsicherheit und müssten nach Lakoff öfter von Frauen als von Männern verwendet werden.
Affektive tags hingegen zeigen keine Unsicherheit auf Seiten des Sprechers sondern vielmehr Interesse an den Bedürfnissen des Adressaten.
Zu den affektiven tags zählen facilitative tags und softeners, die eine Form von „negativer Höflichkeit“ dadurch ausdrücken, dass man an eine Aussage, die verletzend wirken könnte, ein tag anhängt, das die Aussage abschwächt (Open the door for me, could you.). Die facilitative tags haben eine interaktionale Funktion. Sie zeigen Solidarität mit oder Interesse am Adressaten. Sie bieten dem Gesprächspartner die Möglichkeit, am Diskurs teilzunehmen, indem sie ihn zu Äußerungen auffordern (Quite a nice room to sit in actually, isn’t it?) und sind daher gesprächsfördernd.
Während also modale tags sprecher-orientiert sind, sind affektive tags adressaten-orientiert. Um Lakoffs Unsicherheitshypothese zu bestätigen, müsste sich bei der Untersuchung der Gespräche eine vermehrte Verwendung modaler tags bei Frauen abzeichnen, die ja durch das Erfragen von Informationen Unsicherheit signalisieren. Bei der Verwendung von modalen tag questions müssten vor allem softeners in der Frauensprache auftauchen, da diese Ausdruck von Höflichkeit sind und somit zu den kennzeichnenden Merkmalen der Frauensprache gehören.
Bei der Analyse der Gesprächsdaten traten Probleme bei der Klassifizierung der tag questions auf, da diese durch die gleichzeitige Erfüllung mehrerer Funktionen nicht eindeutig in modal oder affektiv einzuteilen waren. Obwohl die Autorinnen alle tags schließlich in diese Kategorien einteilten, war es nicht immer eindeutig, da manche tags sowohl sprecher- als auch adressaten-orientiert waren. “You were missing last week, weren’t you? “ kann sowohl modale Funktion haben, da Informationen erfragt werden, es kann aber auch als softener eine affektive Funktion erfüllen, da die Aussage als Anschuldigung gedeutet werden kann, die durch das tag gemildert werden soll.
Die Untersuchung eines Korpus von 45000 Wörtern des Survey of English Use (SEU) der Boston University ergab 96 tag questions, die wie in Tabelle 1 aufgeteilt wurden. Die Wissenschaftlerinnen verglichen ihre Ergebnisse mit denen einer Studie von Janet Holmes von 1984.
Tabelle 1
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Während bei Holmes die Frauen mehr tags gebrauchten, verwendeten in der SEU-Studie die Männer den größeren Anteil. In beiden Studien konnte beobachtet werden, dass Frauen tag questions nicht überwiegend in ihrer modalen sondern in der gesprächsfördernden Funktion einsetzten. Männer hingegen verwendeten die tag questions, um Informationen zu erhalten. Es ist auffällig, dass in der SEU-Studie außerordentlich viele facilitative tags von Männern benutzt wurden. Die Autorinnen führen dies darauf zurück, dass sich während der Untersuchung drei Männer der Tatsache bewusst waren, dass ihre Gespräche aufgenommen wurden und sich für möglichst produktive Gespräche verantwortlich fühlten.
Die Resultate der Studie legen nahe, dass Frauen tag questions verwenden, um gesprächsfördernde Aufgaben zu übernehmen. Cameron, McAlinden und O’Leary nehmen an, dass Frauen in Gesprächen kooperativer und mehr an ihrem Verlauf interessiert sind als Männer. Der unterschiedliche Gebrauch von tag questions hat also möglicherweise nicht von vorneherein etwas mit dem Geschlecht des Sprechers zu tun, sondern mit der Rolle, die man sich im Gespräch zuschreibt, was durch die vermehrte Verwendung affektiver tags durch Männer in der SEU-Studie unterstützt wird. Wer sich als Gesprächsleiter oder -koordinator empfindet, wird mehr facilitative tags benutzen als ein anderer Gesprächsteilnehmer. Diese Rolle wird typischerweise häufiger von Frauen als von Männern eingenommen.
Um zusätzlich zum Einfluss des Geschlechtes auf die Verwendung von tag questions auch die Rolle in der Konversation und den Status des Sprechers zu untersuchen, führten die Linguistinnen eine zweite Studie durch. Sie untersuchten neun Stunden Konversation, die in einer medizinischen Radiosendung, einer für Open University Educational TV aufgenommenen Unterrichtssituation und einer Fernsehdiskussionsrunde aufgenommen worden waren.
Die Autorinnen erwarteten, dass im Gespräch mächtigere Personen mehr tag questions verwenden würden als machtlose. Nach neueren Erkenntnissen sind Fragen ein Machtmittel im Gespräch, da der Adressat durch eine Frage gezwungen wird, seiner Antwort eine bestimmte Richtung und einen bestimmten Inhalt zu geben, damit er auf die Frage relevant antwortet. Es wurde festgestellt, dass machtlose Teilnehmer vermieden, Fragen zu stellen, während die höher gestellten außerordentlich viele Frageformen verwendeten.
Es war demnach zu erwarten, dass die Personen, die sich in der Rolle eines Gesprächsleiters sahen, mehr tag questions, vor allem affektive tags, benutzen würden als die anderen Personen. Wie in Tabelle 2 zu sehen ist, war dies der Fall.
Tabelle 2
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Wie in der ersten Studie verwendeten Männer mehr modale tags als affektive, Frauen mehr affektive und vor allem gesprächsfördernde tag questions. Keine Person, die im Gespräch eine weniger mächtige Stellung hatte, verwendete auch nur ein einziges affektives tag.
Vermutlich sind tag questions also verbunden mit den Rechten und der Verantwortung der gesprächsleitenden Personen. Nicht machtdemonstrierend scheinen aber die modalen tags zu sein, da diese von den im Gespräch machtloseren Teilnehmern benutzt wurden.
Die facilitativen tag questions fordern den Adressaten dazu auf, sich in einiger Länge zu äußern. Das Recht dieser Verwendung steht vor allem den mächtigeren Teilnehmern zu. (It’s compulsive, isn’t it?, Fernsehmoderator). Da die modalen tag questions sowohl von den Gesprächsleitern als auch von den anderen Teilnehmern verwendet wurden, muss man hier weiter differenzieren. Die Gesprächsleiter wendeten sie an, um Informationen zusammenzufassen oder die Fakten einer Sache zu etablieren, andere Gesprächsteilnehmer hingegen, um Bestätigung zu erhalten (Arzt zum Anrufer: It’s become notorious, has it. ; Schüler zum Lehrer: It is this one, isn’t it?).
Man kann daher nicht, wie Lakoff dies versucht hat, ohne den Kontext einer Äußerung zu kennen sagen, welche Funktion eine Sprachform hat, in diesem Fall eine tag question. Wenn Frauen mehr tags verwenden als Männer, so kann dies unter Umständen das genaue Gegenteil von Lakoffs Annahme bedeuten: Frauen kennzeichnen durch tag questions nicht ihre Unsicherheit, sondern übernehmen die Rolle der Gesprächsleiterin und somit eine Machtposition.
Das Sprachverhalten scheint außerdem nicht nur vom Geschlecht einer Person abhängig zu sein, sondern von einer Reihe von Faktoren, wie etwa von der Rollenverteilung im Gespräch oder vom relativen Status des Teilnehmers in diversen Dimensionen. Offen bleibt die Frage, ob die Rolle des Gesprächsleiters eine subkulturelle Norm aller Frauengruppen ist, ob Untergeordnete diese Rolle übernehmen müssen, oder ob es eine Mischung aus beidem ist.
Literaturverzeichnis
Aries, E. Men and Women in Interaction. Oxford 1996
Bodine, A. “Sex differentiation in language“, Thorne/Henley (eds.). 1975
Brower, D. et al. “Speech differences between women and men: On the wrong track?“, Language in Society 8 (1979)
Cameron, D./McAlinden, F./O’Leary, K. “Lakoff in context: the social and linguistic functions of tag questions“, Coates J./Cameron, D. 1989
Coates, J./Cameron, D. (eds.). Women in Their Speech Communities. London 5/1994 (1989)
Crosby, F./Nyquist, L. “The female register: An empirical study of Lakoff’s hypotheses“, Language in Society 6 (1977)
Dubois, B.L./Crouch, I. “The question of tag questions in women’s speech: They don’t really use more of them, do they¯“, Language in Society 4 (1975)
Holmes, J. “Functions of you know in women’s and men’s speech“, Language in Society 15 (1) (1986)
Lakoff, R. Language and Woman’s Place. New York 1976
McConnell-Ginet, S./Borker, R./Furman, N. (eds.). Women and Language in Literature and Society. New York 1980
O’Barr, W./Atkins, B. “ ‘Women’s language‘ or ’powerless language‘?“ McConnell-Ginet et al. (eds.). 1980
Thorne, B./Henley, N. (eds.) Language and Sex: Difference and Dominance. Rowley, Mass.
- Arbeit zitieren
- Annika Rönchen (Autor:in), 2002, Geschlechtsspezifischer Sprachgebrauch - Lakoffs Unsicherheitshypothese, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/5138