Ungarns politischer Weg nach der Wende 1989 bis Ende 2004


Wissenschaftliche Studie, 2005

36 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Ungarns politischer Weg nach der Wende 1989 bis Ende 2004
1.1 Vier Wahlen und vier Regierungen seit 1990
1.2 Erste freie Wahl 1990
1.3 Zweite freie Wahl 1994
1.4 Dritte freie Wahl 1998
1.5 Vierte freie Wahl 2002
1.6 EU – Plebiszit 2003
1.7 EU – Beitritt 2004
1.8 EU – Parlamentswahlen
1.9 Weitere wichtige politische Entwicklungen in Ungarn
1.9.1 Statusgesetz sowie Plebiszit über Staatsbürgerschaft und private Krankenhäuser
1.9.2 EU-Verfassung von Ungarn ratifiziert
1.9.3 Visegrád Gruppe
1.10 Statistisches Datenmaterial
1.10.1 Wie stark sind die Ungarn in Politik interessiert:
1.10.2 Wie stark vertrauen die Ungarn ihrem Parlament?
1.10.3 Wie stark vertrauen die Ungarn ihren Politikern?
1.10.4 In welcher Partei sind die Ungarn Mitglied?
1.10.5 Haben die Ungarn in den letzten 12 Monaten ein Volksbegehren unterschrieben?
1.10.6 Wie zufrieden sind die Ungarn mit ihrem nationalen Parlament?
1.10.7 Wie stark ist das Vertrauen der Ungarn in das Europäische Parlament
1.11 Zusammenfassung

1 Ungarns politischer Weg nach der Wende 1989 bis Ende 2004

Zu Beginn dieses Kapitel wird anhand einer Zeittafel (siehe Abbildung 1) ein allgemeiner Überblick über die Geschichte Ungarns gegeben, um auch über die politische Entwicklung Ungarns vor der politischen Wende Bescheid zu wissen und den gesamten politischen Weg Ungarns zu verstehen. Im Anschluss daran wird speziell auf Ungarn nach 1989 eingegangen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Chronologie Ungarns (Eigene Darstellung in Anlehnung an: MAGYARORSZÁG: Chronologie Ungarns. Online im WWW unter URL: http://www.magyarorszag.hu/nemet/orszaginfo/tortenelem [08.01.2005])

Zu Jahresende 1988, Anfang 1989 war der politische Umbruch in Ungarn in eine Phase getreten, in der entscheidende Grundlagen für den Wandel des politischen Institutionensystems und für die Transformation der Wirtschaft geschaffen wurden. Der zu Beginn von Außenminister Gyula Horn[1] mitinitiierte Befehl zum endgültigen Abbau des Eisernen Vorhangs von August bis September 1989 und der zur offiziellen Genehmigung der Ausreise von Zehntausenden DDR-Bürgern im September des selbigen Jahres, nachdem das „Kádár – System“ Ende 1989 infolge einer Neubewertung des Revolutionsjahres 1956 offiziell zu Grabe getragen wurde und durch Imre Pozsgays (ung. Politiker) Radiosendung „168 óra“ damit noch bestätigt wurde, stand diesem Wechsel nichts mehr im Wege. Am 8. Mai 1989 wurde Kádár[2] seines Postens als Ehrenvorsitzender der USAP (Ungarische Sozialistische Arbeiterpartei) enthoben und aus dem Zentralkomitee ausgeschlossen, nachdem sich dieses auf seiner Plenarsitzung vom 10./11. Februar 1989 für die Einführung des Mehrparteiensystems ausgesprochen hatte. Am 16. Juni 1989 wurden der politisch rehabilitierte Imre Nagy und seine Gefährten auf einem Budapester Friedhof feierlich beigesetzt. Auf dem Heldenplatz in der ungarischen Hauptstadt verabschiedeten sich ca. 250.000 Bürger von den Märtyrern, darunter sowohl Mitglieder der radikalen Opposition als auch der Regierung.[3]

Am 6. Juli 1989 meldeten die internationalen Nachrichtenagenturen ein einmaliges historisches sog. „Doppelereignis“ aus Ungarn: Einerseits starb an diesem Tag János Kádár im Alter von 77 Jahren, der für das ungarische Volk in seiner seit über drei Jahrzehnten andauernden politischen Ära einen relativen, wenngleich auch teuer erkauften Wohlstand und kleine Freiheiten im Alltag ermöglicht hat. Andererseits hob der Oberste Gerichtshof in Budapest die Urteile gegen den damaligen Ministerpräsidenten Imre Nagy und seine Schicksalsgefährten aus dem Jahr 1958 wegen erwiesener Unschuld auf.

Vom 19. bis 20. August (ungarischer Nationalfeiertag) dieses Jahres fand das „Paneuropa Picknick“ an der österreichisch-ungarischen Grenze bei Sopron statt, das zahlreiche DDR-Bürger zum Anlass nahmen, die Grenzen vor den Augen der nicht eingreifenden ungarischen Grenzbeamten illegal zu überschreiten. Währenddessen liefen zeitgleich Verhandlungen zwischen der Regierung und der außerparlamentarischen Opposition „Ellenzéki Kerekasztal“ („Oppositioneller Runder Tisch“) auf Hochtouren, wo letztlich die Transformation Ungarns von einem posttotalitären Staat zu einer pluralistischen Demokratie eingeleitet wurde. Die politisch verantwortlichen Reformkräfte zogen aus diesem Geschehen Konsequenzen und ließen auf ihrem XIV. Parteikongress unter dem Motto „Demokratie, Rechtsstaat, Sozialismus“ am 6./10. Oktober 1989 die Partei USAP umformen. Diese benannte sich danach in MSZP (Magyar Szocialista Párt = Ungarische Sozialistische Partei). [4]

Am 23. Oktober 1989, am 33. Jahrestag der Revolution von 1956[5] erfolgte durch den Präsidenten des Parlaments die Proklamation der Magyar Köztársaság (Republik Ungarn). In der Folgezeit verabschiedete das Parlament die neue Übergangsverfassung (welche an Stalins Verfassung angelehnt war und „nur“ modifiziert wurde), das Parteiengesetz sowie das neue Wahlgesetz und löste sich sodann am Ende der Legislaturperiode auf.

[...]


[1] * 1932 in Budapest, ist ein ungarischer Politiker. Er war 1989 Außenminister und von 1994 bis 1998 Premierminister Ungarns. International bekannt wurde Gyula Horn 1989 durch die Öffnung des Eisernen Vorhangs bei Sopron, die vielen DDR-Bürgern die Ausreise ermöglichte und zum Zusammenbruch des Kommunismus entscheidend beitrug.

Nach einer Mechanikerlehre bei den ungarischen Siemenswerken studierte er von 1949 bis 1954 an der Hochschule für Finanzen in Rostow (Sowjetunion). Danach bekleidete er bis 1959 verschiedene Posten im ungarischen Finanzministerium.

1959 wechselte er in den diplomatischen Dienst des Außenministeriums, wo er von 1969 bis 1982 Mitarbeiter, ab 1974 stellvertretender Leiter der Abteilung für auswärtige Angelegenheiten beim ZK der USAP war. 1982 stieg er zum Leiter dieser Abteilung auf und wurde 1985 Staatssekretär des Äußeren.

1989 schließlich wurde er Außenminister Ungarns und 1990 Abgeordneter im ungarischen Parlament und Parteivorsitzender der Ungarischen Sozialistischen Partei (USP). Von 1994 bis 1998 war er dann Premierminister von Ungarn. Im Jahre 1990 erhielt er den Karlspreis der Stadt Aachen.“

Quelle: NETLEXIKON: Gyula Horn. Online im WWW unter URL:
http://www.lexikon-definition.de/Gyula-Horn.html [08.01.2005]

[2] „* 26. Mai 1912,† 6. Juli 1989 war ein Kommunist und ungarischer Politiker. Von 1956 bis 1988 war er Erster bzw. Generalsekretär der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei. Von 1956 bis 1958 und von 1961 bis 1965 war er auch Ministerpräsident von Ungarn.

János Kádár war von 1949 bis 1950 Innenminister von Ungarn und u.a. für die Verhaftung von László Rajk verantwortlich. 1951 wurde Kádár unter Mátyás Rákosi der Unterstützung Titos angeklagt, 1953 unter der Regierung von Imre Nagy jedoch freigelassen. János Kádár was maßgeblich an der Niederschlagung der Ungarischen Revolution 1956 beteiligt. Während seiner Zeit als Parteichef (1956-1988) verfolgte Kádár außenpolitisch einen streng mostkautreuen Kurs. Im Gegenzug ließ ihm die Sowjetunion innenpolitisch größeren Spielraum, der ab den 60er Jahren zu wirtschaftlichen und politischen Reformen in Ungarn führte.“

Quelle: WIKIPEDIA: Janos Kadar. Online im WWW unter URL:

http://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%A1nos_K%C3%A1d%C3%A1r [08.01.2005]

[3] Vgl. FISCHER, H., GÜNDISCH, K.: Eine kleine Geschichte Ungarns.- Frankfurt am Main: edition suhrkamp, 1999, S. 241 f

[4] Vgl. HAUSZMANN, J.: Ungarn. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart.- Regensburg: Verlag Friedrich Pustet, 2004, S. 272 f

[5]Der Ungarische Volksaufstand, der in Ungarn als Revolution bezeichnet wird, begann am 23. Oktober 1956 in Budapest mit einer Großdemonstration von Studenten, der sich Zehntausende Arbeiter und Sympathisanten anschlossen. Am Abend befanden sich 300.000 Menschen vor dem Parlament und forderten Meinungs- und Pressefreiheit, freie Wahlen, mehr Unabhängigkeit von der Sowjetunion sowie die Einsetzung des reformorientierten Kommunisten Imre Nagy als Regierungschef. Nagy, der die Demonstranten aufforderte, nach Hause zu gehen, wurde überraschend noch in derselben Nacht vom Zentralkomitee der Partei der Ungarischen Werktätigen zum Ministerpräsidenten berufen. Unterdessen hatte die Sowjetunion begonnen, militärisch einzugreifen, noch bevor Parteichef Ernő Gerő darum ersucht hatte. Im Laufe des Abends hatten Demonstranten das Stalin-Denkmal gestürzt und das Rundfunkgebäude gestürmt.

Verlauf

Ab dem 24. Oktober weitete sich der Aufstand auf andere Städte aus. Es entstanden Arbeiter-, Revolutions- und Nationalräte. Ein landesweiter Generalstreik setzte ein. Die ersten unabhängigen Zeitungen erschienen.

Am 25. Oktober wurde Parteichef Ernő Gerő abgesetzt. Vor dem Parlamentsgebäude schossen Mitglieder des gefürchteten Staatssicherheitsdienstes ÁVH in die Menge, wobei mehr als 100 Menschen starben.

Am 27. Oktober gab Imre Nagy seine neue Regierung und die Auflösung des ÁVH bekannt, am darauf folgenden Tag die Anerkennung der Revolution.

Am 30. Oktober verkündete Nagy das Ende der Einparteienherrschaft und bildete eine Mehrparteienregierung. Die Sowjetunion ließ sich zunächst scheinbar auf Verhandlungen über einen Abzug ein, bereitete jedoch bereits einen erneuten Angriff vor.

Als Nagy die Neutralität Ungarns erklärte und das Land aus dem Warschauer Pakt austrat, begannen die Truppen der Sowjetunion und einiger ihrer Vasallstaaten mit der blutigen Niederschlagung der Revolution und besetzten u.a. das Parlamentsgebäude. Bewaffnete Gruppen nahmen den Widerstand wieder auf.

Vom 4. bis 15. November tobten heftige Kämpfe im Land, speziell in der Hauptstadt Budapest. Die Zivilbevölkerung griff für die Regierung zu den Waffen, litt jedoch an Munitionsmangel und war den sowjetischen und verbündeten Panzern und Flugzeugen auch an sonstigem Material hoffnungslos unterlegen, so dass die totale Niederlage vorprogrammiert war. Die Kämpfe forderten Tausende Tote.

Vor und während des Aufstandes wurde den Aufständigen über Radio Free Europe militärische Unterstützung durch den Westen versprochen und so zum Aufstand angespornt; ein Versprechen, das aber nicht eingehalten wurde.

Niederschlagung und Säuberungen

Imre Nagy wurde am 22. November verhaftet und im Juni 1958 hingerichtet. Außerdem kam es im Anschluss an den Aufstand zu Säuberungswellen. Neuer Ministerpräsident wurde János Kádár, der außenpolitisch einen streng moskautreuen Kurs verfolgte, nach einer Phase der Restauration innenpolitisch jedoch Reformen durchführte.

Ziele und Forderungen der Aufständischen

Der Aufstand hatte sowohl nationalen als auch anti-totalitären Charakter.

Nationale Unabhängigkeit

Die Studenten der Budapester Technischen Universität forderten, als notwendige Voraussetzung für Reformen, den Abzug der sowjetischen Truppen und darüber hinaus die Wiedereinführung der ungarischen Nationalfeiertage und Staatssymbole. Außerdem forderten sie die Entfernung der Stalin-Statue. Bezeichnenderweise begann ihre Demonstration am 23. Oktober am Denkmal des polnischen Generals József Bem, der 1849 als Befehlshaber für die Revolution und die nationale Unabhängigkeit kämpfte.

In Forderungskatalogen tauchte auch die Forderung auf, das Kossuth-Wappen, welches das Emblem der Revolution von 1848 und 1946 Staatswappen war, wiedereinzuführen, ebenso den 15. März (Gedenktag der Revolution von 1848) als Nationalfeiertag, sowie die nach sowjetischem Vorbild gestalteten Uniformen abzuschaffen. Nach Ausbruch des Aufstandes wurde die Forderung erhoben, den 23. Oktober zum Nationalfeiertag zu erklären.

Die Forderung nach Überprüfung der internationalen Vereinbarungen und Außenhandelsverträge richtet sich gegen den Abhängigkeitsstatus gegenüber der Sowjetunion. Generell wurde die Beendigung der militärischen, politischen und wirtschaftlichen Abhängigkeit gefordert.

Nach der sowjetischen Intervention am 24. Oktober hatte sich aus dem Aufstand gegen die stalinistische Diktatur ein nationaler Freiheitskampf entwickelt. Die wichtigste Forderung war nun der sofortige Abzug der gegen die Revolution eingesetzten sowjetischen Truppen. Ein Erfolg der demokratischen Umgestaltung schien nur ohne Präsenz sowjetischer Truppen möglich, da diese das alte System mit militärischer Gewalt verteidigten.

Um den 29. Oktober reichten die Entmachtung Ernő Gerős und des bisherigen Ministerpräsidenten András Hegedűs und die Auflösung des Staatssicherheitsdienstes für eine Stabilisierung der Lage jedoch nicht mehr aus. Die bewaffneten Aufständischen, die politischen Gruppierungen, Arbeiterräte und Revolutionskomitees forderten neben dem vollständigen Abzug der sowjetischen Truppen den Austritt Ungarns aus dem Warschauer Pakt und die Erklärung der Neutralität Ungarns.

Der Aufstand richtete sich zwar gegen die Unterdrückung durch die Sowjetunion, aber im Allgemeinen nicht gegen den Sozialismus. So zählte zu den Forderungen stets auch die Bewahrung der sozialen Errungenschaften wie der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen der Jahre 1945 bis 1948. Zur alten Ordnung der Großgrundbesitzer wollte kaum jemand zurückkehren. Gefordert wurde eine „wahrhaft sozialistische“ Gesellschaft.

Demokratie und politische Freiheiten

In ihrer Erklärung forderten die Studenten der Technischen Universität von Budapest ein Mehrparteiensystem, freie Wahlen und bürgerliche Freiheitsrechte. Sie verlangten die Bestrafung der Schuldigen des Rákosi-Regimes, darunter Mátyás Rákosi und der ehemalige ZK-Sekretär Mihály Farkas, die Abschaffung der Ablieferungsquoten in der Landwirtschaft, das Streikrecht, Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit.

Während der Demonstrationen am Nachmittag und Abend des 23. Oktober forderten die Massen u. a. die Verlesung der studentischen Forderungen im Rundfunk und die Übernahme der Regierungsgeschäfte durch Imre Nagy.

Die von den Studenten formulierten Forderungen wurden schnell Allgemeingut unter den Aufständischen. Die Arbeiterräte forderten ausnahmslos das Streikrecht. Der Arbeiterrat im Industrierevier Csepel forderte bereits am 24. Oktober ausdrücklich die Religionsfreiheit.

Nachdem am 25. Oktober Einheiten des Staatssicherheitsdienstes bei einer Demonstration vor dem Parlamentsgebäude durch Schüsse in die Menge mehr als 100 Menschen töteten, wurde überall die sofortige Auflösung des Sicherheitsdienstes gefordert.

Ferner erhoben die Arbeiterräte, die etwa anderthalb Millionen arbeitende Menschen vertraten, Anspruch auf Beteiligung an der Macht.“

Quelle: NETLEXIKON: Ungarische Revolution 1956. Online im WWW unter URL:

http://www.lexikon-definition.de/Ungarischer-Volksaufstand.html [10.01.2005]

Ende der Leseprobe aus 36 Seiten

Details

Titel
Ungarns politischer Weg nach der Wende 1989 bis Ende 2004
Hochschule
Universität Wien
Note
1
Autor
Jahr
2005
Seiten
36
Katalognummer
V53346
ISBN (eBook)
9783638488181
ISBN (Buch)
9783638708760
Dateigröße
932 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ungarns, Wende, Ende
Arbeit zitieren
Dr. Christoph Themel (Autor:in), 2005, Ungarns politischer Weg nach der Wende 1989 bis Ende 2004, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/53346

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