Die vorliegende Arbeit befaßt sich mit der russischen Emigration zwischen 1917 und 1945 und dem Nationalsozialismus in Deutschland. Untersucht wurde, ob und wie die russische Emigration Einfluß auf den Nationalsozialismus in Deutschland hatte. Anhand von ausgewählten Personen und Organisationen - wie z.B. der Vlasov-Bewegung - soll dargelegt werden, daß der Nationalsozialismus - besonders in seiner frühen Phase - stark von der russischen Emigration profitierte. Im Laufe der Zeit versuchte sowohl die russische Emigration den deutschen Nationalsozialismus für ihre Zwecke als auch die deutschen Nationalsozialisten die Emigranten für ihre Zwecke zu benutzen. Beide Seiten zogen Vorteile aus der Zusammenarbeit, aber letzendlich verhinderten zu verschiedene Vorstellungen eine konkrete, bedeutendere und vor allem koordinierte Zusammenarbeit zwischen ihnen.
Inhaltsverzeichnis
Einführung
1. Russen und russische Organisationen im Dritten Reich
2. Die Vlasov-Bewegung
3. Fazit
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Einführung:
Bereits in den frühen 1920er Jahren wimmelte es in München und Berlin von zwangsumgesiedelten Russen, Deutschbalten und ukrainischen Rechten die in der noch jungen Nazi-Bewegung gleichgesinnte fanden. Sie glaubten, daß Juden und Asiaten hinter der Oktoberrevolution in Rußland steckten und nun dasselbe in Europa vorhätten.
Einige dieser Emigranten hatten großen Einfluß auf Adolf Hitler. Eine Hand voll hatten sogar verantwortungsvolle Positionen im Dritten Reich inne. Zwischen 1919 und 1923 bildeten die Deutschbalten eine besonders starke Verbindung zwischen den Rechten der russischen Diaspora und den aufsteigenden deutschen Nationalsozialisten. Einer dieser Deutschbalten war Max Erwin von Scheubner-Richter.1 Er träumte von einer deutsch-russischen Allianz gegen den Bolschewismus und war fasziniert von Hitler den er einen Prophet eines völkischen Deutschlands nannte, während Hitler in von Scheubner-Richter eine gute Möglichkeit sah, um an Finanzmittel für die NSDAP zu kommen sowie Verbindungen zur geachteten Gesellschaftsschicht aufzubauen. Kaum war von Scheubner-Richter der NSDAP beigetreten begann er sogleich Geld von wohlhabenden Freunden für die Partei aufzutreiben. Seine Bemühungen als Mittelsmann und Geldauftreiber verstärkten seinen Wunsch einer Allianz zwischen deutschen Rechten und russischen Monarchisten zum Kampf gegen den Bolschewismus um die Romanov-Dynastie wieder einzusetzen.2 Er gründete 1920, zusammen mit Vasilij Biskupskij, den Verein Aufbau der deutsche Rechte und russische Emigranten gleicher Denkweise zusammenbrachte. Er war der Überzeugung, daß die Zusammenarbeit aller Fraktionen des Rechten Flügels der russischen Emigration Voraussetzung für eine Kollaboration mit den deutschen Nationalisten sei. Um dieses Ziel zu erreichen organisierte er mit Vasilij Biskupskij im Frühling 1921 den Kongreß von [Bad] Reichenhall der „alle russischen Monarchisten – von den eher liberalen bis zu den weit rechts stehenden auf eine Linie einschwören und die Geschlossenheit der Monarchisten demonstrieren sollte.“3 Dieses Ziel wurde jedoch aufgrund von Meinungsverschiedenheiten jedoch nicht erreicht.
„Das Scheitern dieser Bemühungen[…] stellte die weitere Zusammenarbeit zwischen russischen Emigranten und deutschen Nationalisten aber nicht in Frage.“4
Die russischen Emigranten finanzierten weiterhin die nationalsozialistische Bewegung. Sie finanzierten unter anderem die Organisation Aufbau und anscheinend auch den Völkischen Beobachter. Als Gegenleistung konnten Emigranten Artikel in dieser Zeitung veröffentlichen.5
Eine sehr großzügige Geldgeberin in den Jahren 1922 – 1924 war die Großfürstin Viktoria, die wann immer Geld gebraucht wurde sofort bereit war ihre Juwelen „zu Schleuderpreisen zu verkaufen “.6 Finanzielle Unterstützung kam jedoch nicht nur aus Deutschland, selbst Henry Ford ließ sich von einem Repräsentanten Großfürst Kirill’s überzeugen einen enormen Geldbetrag von ca. 500.000 Goldmark zu spenden. Dieses Geld gelangte über die Emigranten zu Ludendorff bis schließlich zu Hitler. Die russische Emigration lieferte der NSDAP vermutlich nicht nur dringen benötigte finanzielle Unterstützung. Denkbar ist auch daß Hitler durch Emigrantenliteratur, die ihm u.a. von Scheubner-Richter vermittelt wurde, in seinen Ideen bestärkt wurde. Diese antijüdischen Hetzschriften, vermittelt durch russische Emigranten, lieferten den deutschen Rechten vermutlich Argumentationshilfen für ihre Ideologie.7
Die Zusammenarbeit von russischen und deutschen Rechten währte bis zum Hitler-Putsch im Jahre 1923. Aufgrund von Hitlers Haft und dem Niedergang der rechten Bewegung verringerte sich ebenfalls die Aktivität der beiden Gruppen. Nach Hitlers Freilassung gelang es den Russen nicht wieder an die alten Beziehungen anzuknüpfen. Die Russen hielten die NSDAP nach ihrem scheitern für wertlos während die Stabilisierung des Regimes der Bol’ševiki dem Ansehen der Emigranten schadete.8
1. Russen und russische Organisationen im Dritten Reich
Zwischen 1923 und 1933 verringerte sich die Zahl der Russen in Deutschland von 250.000 auf 50.000. Die Gründe lagen in den sich verschlechternden politischen und wirtschaftlichen Umständen. Die meisten zog es nach Paris, Prag oder auf den Balkan. Von denen die blieben versuchten einige ihren Patriotismus zu Rußland sowie ihre Loyalität zum Dritten Reich in Einklang zu bringen.9
Einer von ihnen war Vasilij Biskupskij der die Jahre nach dem Hitler-Putsch nuzte, um sich mit Hilfe von politischen Gruppen und Emigranten ein Informationsnetz aufzubauen. Der Wahlerfolg der NSDAP 1930 weckte in Biskupskij neue Hoffnung für einen aktiven Kampf gegen die Sowjetregierung. Doch es zeigte sich bald, daß die NSDAP und die Großrussen unterschiedliche Vorstellungen hatten. Biskupskij wollte ein Rußland innerhalb der Grenzen von 1914, eine Wiedereinführung der Monarchie unter Vorherrschaft der Romanov-Dynastie sowie eine Rücknahme der Bodenreform.10
Die Nazis dagegen forderten Lebensraum im Osten. Dies stand in Gegensatz zur Zielsetzung der Monarchisten. Doch trotz dieser unterschiedlichen Zielsetzungen glaubten die Emigranten weiterhin, „dass … Deutschland seinen Bevölkerungsüberschuß an tüchtigen Ingenieuren und Erfindern einfach dem kommenden Rußland zur Verfügung stellen müsse. “11 An einen Interessenkonflikt dachte man nicht. Nach der Machtergreifung durch die Nazis wurde Biskupskij im Juni 1933 durch die Gestapo in Schutzhaft genommen. Nach dreimonatiger Haft entließ man ihn, da man ihm keine Gesetzesverstöße nachweisen konnte. Er gab nicht auf und strebte eine Stellung innerhalb der NSDAP an. Seit Ende 1933 hatte er Briefkontakt zu Himmler, dem er Informationen über die monarchistische Emigrantenbewegung zukommen ließ. Unter anderem schrieb er 1935 einen Bericht über die monarchistische Emigrantenbewegung für Himmler, der von Biskupskij’s Fach- und Detailwissen beeindruckt war.
Als im Mai 1936 die inoffizielle Vertrauensstelle für russische Emigranten aufgelöst wurde, ernannte man Biskupskij zum Leiter der neu gegründeten Russische Vertrauensstelle in Deutschland (RVst). Die RVst sollte alle in Deutschland lebenden Emigranten organisatorisch erfassen und betreuen und verfügte über die Möglichkeit den erfaßten Emigranten auch Ausweise ausstellen. Für die Emigranten hatte die Vertrauensstelle die Funktion eines Konsulats. Ganz uneigennützig war diese Tätigkeit jedoch nicht, die Gestapo konnte jederzeit bei der RVst anfragen was sie über die erfaßten Emigranten interessierte.12
Bis 1938 arbeitete die RVst auch daran, die russischen Emigranten unter einer
Organisation zu einen, was aber aufgrund von Widerständen in der Emigration selber nicht gelang. Es existierten aber bereits geförderte Organisationen wie die Russische Nationale und Soziale Bewegung (RNSD). Als 1939 der Hitler-Stalin Pakt geschlossen wurde, wurden die Nachrichten über die RVst eher spärlich. Während des Zweiten Weltkriegs vermittelte die RVst ca. 1.200 Emigranten an die Wehrmacht, in der sie als Dolmetscher dienten.13
Kurz nach Ende des Krieges verstarb Biskupskij in München im Alter von 65 Jahren.
Ob Biskupskij ein Nazi war, der an deren Ideologie glaubte, ist nicht erwiesen. Wahrscheinlicher ist, daß er die Nazis benutzen wollte um „die politischen Verhältnisse in der Sowjetunion mit Hilfe der Deutschen verändern zu können. “14 So gesehen war er eher ein Kollaborateur als ein Anhänger. Die Nazis dagegen nutzten seine Kontakte und Informationen über die russischen Emigranten und deren Gruppierungen, „sonst wollte man nichts von ihm wissen “.15
[...]
1 Vgl. Stephan, John J.: The Russian Fascists: Tragedy and Farce in Exile 1925-1945, London 1978, S. 18.
2 Vgl. ebenda, S. 19.
3 Vgl. Dodenhoeft, Bettina: Vasilij Biskupskij – Eine Emigrantenkarriere in Deutschland, in: Schlögl, Karl (Hrsg.): Russische Emigration in Deutschland 1918 bis 1941: Leben im europäischen Bürgerkrieg, Berlin 1995, S. 220.
4 Dodenhoeft, Bettina: „Laßt mich nach Rußland heim“: Russische Emigranten in Deutschland von 1918 bis 1945, Frankfurt/Main u.a. 1993, S. 192.
5 Vgl. ebenda, S. 192f.
6 Ebenda, S. 193.
7 Vgl. ebenda, S. 199.
8 Vgl. ebenda, S. 202.
9 Vgl. Stephan, John J.: The Russian Fascists: Tragedy and Farce in Exile 1925-1945, London 1978, S. 23f.
10 Vgl. Dodenhoeft, Bettina: Vasilij Biskupskij – Eine Emigrantenkarriere in Deutschland, in: Schlögl, Karl (Hrsg.): Russische Emigration in Deutschland 1918 bis 1941: Leben im europäischen Bürgerkrieg, Berlin 1995, S. 222.
11 Dodenhoeft, Bettina: „Laßt mich nach Rußland heim“: Russische Emigranten in Deutschland von 1918 bis 1945, Frankfurt/Main u.a. 1993, S. 239.
- Quote paper
- Thomas Müller (Author), 2005, Politik und politische Verstrickungen der russischen Emigration 1917-1945 - Die russische Emigration und der Nationalsozialismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/53354
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