Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Verortung und Aufgaben der Jugendorganisationen in der Parteiorganisation
2.1. Verortung im Konzept der „Three Faces Of Party Organization“ sowie Konzept der Ebenen der Parteiorganisation
2.2. Das Linkage Konzept
2.2.1. Arten von Linkage
2.2.2. Umweltbeziehungen der Partei
2.2.3. Jugendorganisationen – Kollateralorganisationen ihrer Partei
3. Vergleich der Einflussmöglichkeiten der Jugendorganisationen
3.1. Operationalisierung
3.2. Untersuchungskriterien und -variablen
3.3. Berechnung des Einfluss-Index
3.4. Besonderheiten/Ausnahmefälle
3.4.1. Bei der Benennung
3.4.2. Bei der Codierung
3.4.3. Vergleich (und Interpretation)
4. Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Linkage zwischen Partei und Gesellschaft
Abbildung 2: Einflussmöglichkeiten zwischen Jugendorganisation und Partei
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
Jugendorganisationen von Parteien sind in letzter Zeit wieder stärker in den öffentlichen Fokus geraten. Dabei spielt auch immer die Frage nach dem innerparteilichen Einfluss und der damit verbundenen Wirkungsmacht der Jugendorganisationen eine Rolle. Den Impuls, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, gab die Debatte um eine Regierungsbeteiligung und dem damit verbundenen Mitgliedervotum innerhalb der SPD nach der Bundestagswahl 2017. Die Jusos als Jugendorganisation der SPD bezogen lautstark und medienwirksam unter dem Motto „#nogroko“ Stellung gegen eine Neuauflage der Großen Koalition auf Bundesebene. Damit versuchten sie die Mitglieder zu überzeugen, nach den erfolgreichen Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU gegen die Große Koalition zu stimmen und so Einfluss auf ihre Mutterpartei auszuüben.
Doch welche Möglichkeiten haben die Jugendorganisationen außerhalb des Umwegs über die Mitglieder, Einfluss auf ihre Mutterpartei zu nehmen? Ferner handelt es sich um ein relevantes Thema, da Jugendliche und junge Erwachsene für die Gesellschaft, Demokratie und Parteien eine wichtige gesellschaftliche Gruppe darstellen. So wird die Stabilität eines demokratischen Systems als von der Unterstützung und Partizipation der zukünftigen bzw. nachwachsenden Generationen abhängig bezeichnet (vgl. Almond & Verba, 1963, zitiert nach Godewerth-Pollmann, 2007, S. 2). Allerdings ist die Altersklasse der Jugendlichen in Deutschland besonders von einem parteipolitischen Desinteresse und einer stetig zurückgehenden Partizipation gekennzeichnet (vgl. Godewerth-Pollmann, 2007, S. 5). Jugendliche sind dabei nicht unbedingt unpolitischer als in dem „goldenen Zeitalter“ der Parteien in den 1970er Jahren, sondern engagieren sich, wenn dann, eher in kleineren Organisationen oder Initiativen für bestimmte Themen. So konstatiert auch die 17. Shell Jugendstudie ein wieder steigendes Interesse an Politik bei Jugendlichen – nicht aber an Parteien (vgl. Shell Deutschland Holding GmbH, 2015). Jugendorganisationen versuchen junge Menschen in Kontakt mit den Parteien zu bringen, fungieren als Sprachrohr der Jugend innerhalb der Partei und stellen so eine Verbindung (Linkage) zwischen Politik und Jugend dar.
Da sich die Parteien in Deutschland in ihrer Geschichte und Entwicklung sehr stark voneinander unterscheiden und von verschiedenen Parteitypen her entstanden sind (vgl. Detterbeck, 2011, S. 89-99), ist auch davon auszugehen, dass sich die Einbindung ihrer Jugendorganisationen unterscheidet. Aus diesem Grund sollen hier die Einflussmöglichkeiten aller Jugendorganisationen der im 19. Deutschen Bundestag vertretenen Parteien (vgl. Stemmer, 2017, S. 81) miteinander verglichen werden. Für eine genaue Bestimmung des tatsächlichen Einflusspotentials wären dabei Daten über die aktive Parteipartizipation erforderlich, das ist jedoch im Rahmen dieser Arbeit nicht zu leisten. Aus diesem Grund konzentriert sich die Arbeit auf die sogenannte „official story“ (Katz & Mair, 1994), und wird die in den Parteisatzungen statuierten Einflussmöglichkeiten über die Organe der Mutterparteien untersuchen. Es soll also im Folgenden der Frage nachgegangen werden, wie sich insbesondere die formalen Einflussmöglichkeiten der Jugendorganisationen auf ihre im Deutschen Bundestag vertretene Mutterpartei unterscheiden.
An bisherigen wissenschaftlichen Arbeiten zu diesem Thema zu nennen sind ein Aufsatz von Timo Grunden, der sich mit Einflusspotentialen von Jugendorganisationen auseinandersetzt und dabei vier relevante Indikatoren herausarbeitet sowie den Einfluss von Jusos und JU näher miteinander vergleicht (vgl. Grunden, 2006). Mit der juristischen Stellung von Jugendorganisationen beschäftigt sich zum einen Uwe Volkmann (vgl. Volkmann, 2006) im selben Sammelband (vgl. v. Alemann, Morlok & Godewerth, 2006), der anlässlich eines politikwissenschaftlichen Symposiums zum Thema „Jugend und Politik“ an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf im Jahr 2006 erschien, sowie Guido Westerwelle in seiner Dissertation (vgl. Westerwelle, 1994). Die meisten Veröffentlichungen zum Thema Jugendorganisationen untersuchen hauptsächlich die Karrierefunktion von Jugendorganisationen wie Andreas Gruber (vgl. Gruber, 2009) oder auch Hooghe und Stolle (vgl. Hooghe & Stolle, 2005). Alice Neuhäuser beschäftigt sich allgemeiner mit der Durchsetzung von Interessen der Jugendlichen und ihren Besonderheiten (vgl. Neuhäuser, 2009).
Im weiteren Verlauf werden zunächst die Jugendorganisationen in der Parteiorganisation theoretisch verortet sowie deren Aufgaben beschrieben. Daran anschließend wird im dritten Kapitel die Methode, die für den Vergleich der Jugendorganisationen zu Grunde gelegt wird, erläutert, bevor dann die verschiedenen Jugendorganisationen miteinander verglichen und die Ergebnisse interpretiert werden. Die Arbeit schließt in ihrem letzten Kapitel mit einem Fazit ab.
2. Verortung und Aufgaben der Jugendorganisationen in der Parteiorganisation
Nachfolgend werden Jugendorganisationen in verschiedenen theoretischen Konzepten verortet. Im besonderen Maße wird dabei auf das Linkage-Konzept eingegangen, um die Funktion der Jugendorganisationen für die Parteien genauer zu betrachten.
2.1. Verortung im Konzept der „Three Faces Of Party Organization“ sowie Konzept der Ebenen der Parteiorganisation
Theoretisch verorten lassen sich Jugendorganisationen in verschiedenen parteiorganisatorischen Konzepten. So sind Jugendorganisationen im „Konzept der drei Parteigesichter“ (Katz & Mair, 1994) als Organisation an der Parteibasis, der „party on the ground“ angesiedelt, da zumindest allen jüngeren Parteimitgliedern die Mitgliedschaft in der Jugendorganisation angeboten wird oder sogar, wie im Falle der Jusos automatisch mit der Parteimitgliedschaft einhergeht (vgl. SPD, 2012, Grundsätze I Nr. 2a). Neben der „party on the ground“ stellen danach die „party in central office“ sowie die „party in public office“ die anderen beiden Parteigesichter dar (Katz & Mair, 1994, S. 594).
Nach dem Konzept der „Ebenen der Parteiorganisation“ sind Jugendorganisationen dabei, gegenüber von z.B. Ortsvereinen, welche in der vertikalen Ebene der Parteiorganisation agieren, mit den anderen Arbeitsgemeinschaften und Vereinigungen der horizontalen Parteiorganisation zuzuordnen und nehmen damit als Sonderorganisationen einen jeweils unterschiedlichen Status innerhalb der Parteien ein (vgl. v. Alemann, 2010, S. 175).
2.2. Das Linkage Konzept
„Linkage ist die Essenz politischer Parteien in Demokratien“ (Poguntke, 2000, S. 23). Man versteht darunter einen Mechanismus, der die Politik der Eliten an die Präferenzen der Bürger zurückbindet. Um diese Verbindung zu ermöglichen werden allerdings zwischengeschaltete Vermittlungsinstanzen gebraucht, die also die politischen Präferenzen der Bürgen selektieren und aggregieren, damit diese von den politischen Entscheidungsträgern berücksichtigt und verarbeitet werden können. Diese Aufgabe nehmen in der repräsentativen Demokratie politische Parteien und intermediäre Organisationen wahr. Allerdings beteiligen sich in der Regel nur Parteien an öffentlichen Wahlen, während Verbände meist versuchen einen Einfluss auf die Politik der Parteien zu nehmen. Damit sind Parteien also das wichtigste Verbindungsglied zwischen Bürgern und den Organen staatlicher Willensbildung. Da generell alle Parteien, egal welche primären Organisationsziele sie verfolgen, auf Wählerstimmen angewiesen sind, liegt es in ihrem Interesse ihr Handeln an den Präferenzen der Bürger auszurichten (vgl. Poguntke, 2000, S. 23-26).
2.2.1. Arten von Linkage
Um dies zu erreichen, gibt es für Parteien verschiedene Arten Linkages zu ihren Wählerschaften herzustellen. Zunächst wird hierbei zwischen der direkten Ansprache der Wähler (direkte Linkage) und der organisatorisch vermittelten Linkages unterschieden. Im Falle der direkten Linkage handelt es sich um individuelle sozialpsychologische Bindungen, welche die Wähler über Medien oder auch individuelle Netzwerke versuchen anzusprechen. Allerdings liefert diese Form der Verbindung den Parteien keine ganz genauen Informationen über die Ansichten und Präferenzen ihrer Wählergruppen. Es lässt sich also feststellen, dass direkte Linkages nicht besonders verlässlich, stabil oder steuerbar sind (vgl. Poguntke, 2000, S. 27).
Die organisatorisch vermittelten Linkages hingegen sind leistungsfähiger und, da auch Jugendorganisationen hierunter fallen, für diese Untersuchung relevanter. Dabei handelt es sich um Interaktionsprozesse zwischen Parteieliten und anderen Organisationen, deren Breite von der eigenen Mitgliederorganisation über lose strukturierte soziale Bewegungen bis hoch zu formalisierten Interessenverbänden reicht. Demzufolge verfügen Parteien über ein breites Spektrum an Umweltbeziehungen, die sich je nach Parteityp auf unterschiedliche Weise entwickelt haben. Im Kern geht es dabei um Tauschgeschäfte von bestimmten, durch vorgeschaltete Aggregationsprozesse bestimmte Policies gegen die wahlpolitische Mobilisierung der Mitglieder der Organisation oder deren Anhänger zugunsten der jeweiligen Partei, um das Wahlergebnis im Aggregat zu beeinflussen. So erhält die Partei also Informationen über relevante Bürgerpräferenzen und dadurch Zugang zu den entsprechenden Wählersegmenten, die mit Unterstützung der Organisation mobilisiert werden können (vgl. Poguntke, 2000, S. 27-31).
Mit diesen „Tauschgeschäften“, der innerparteilichen Politik und dem programmatischen Wandel von Parteien beschäftigen sich auch Hennl und Franzmann (vgl. Hennl & Franzmann, 2017). Dabei ist generell festzustellen, dass Parteien so lange wie möglich den Status quo beibehalten zu versuchen. Wenn sie sich wandeln, dann stellen meist äußere Umwelteinflüsse den dominierenden Faktor dabei dar. Kommt es allerdings zu einem programmatischen Wandel aufgrund innerparteilicher Einflüsse, dann stehen hierbei meist vote- bzw. office-seeking Interessen gegen policy-seeking Interessen, welche gegeneinander ausgehandelt werden.
„On the one hand, vote-seeking (and eventually office-seeking) actors perceive manifestos as adaptive tools and wish to include those issues that match the exogenous preferences of voters. […] On the other hand, policy-seeking actors perceive manifesto politics as an opportunity to translate their intrinsic policy preferences into a party programme” (Hennl & Franzmann, 2017, S. 253).
Die Parteielite ist dabei generell mehr an Wählerstimmen und Ämtern orientiert als die innerparteilichen Aktivisten wie z.B. Mitglieder der Jugendorganisation. Zusammenfassend daraus haben Hennl und Franzmann drei Hypothesen zum Einfluss von Parteiaktivisten auf den programmatischen Wandel aufgestellt:
„ H1: The greater the relative power over manifesto development of activists, members and supporters compared to the party elite, the lower the degree of programmatic change.
H2: The greater the relative power over manifesto adoption of activists, members and supporters compared to the party elite, the lower the degree of programmatic change.
H3: In cases where activists vote on manifesto adoption, the level of programmatic change is lower than in cases where they do not hold veto power. [Hervorheb. i. O.]” (Hennl & Franzmann, 2017, S. 264 f).
Die ersten beiden Hypothesen machen dabei deutlich, dass Parteiaktivisten als Gegenpol zur Parteielite fungieren, welche als Bremse im Prozess der programmatischen Erneuerung agieren. Dies ist möglich, da sie einerseits zwar innerhalb der Partei, aber auch innerhalb ihrer (Kollateral-)Organisation (vgl. u.,2.2.3) stark integriert sind, welche ihrerseits eigene Ressourcen bereitstellt, die falls notwendig gegen die Wünsche der Parteielite unterstützend wirken.
Mit der dritten Hypothese stellen Hennl und Franzmann die These auf, dass Parteiaktivisten Abstimmungen über Parteiprogramme erreichen möchten, um ihre organisatorische Kraft gegen die Parteiführung einzusetzen. Dabei habe die Einbindung der Parteiaktivisten meistens einen negativen Effekt auf eine programmatische Veränderung, so dass letztendlich also weniger verändert wird und sich eher der Wille der Parteiführung durchsetzt (vgl. Hennl & Franzmann, 2017, S. 265). Hier ließe sich eventuell sogar das eingangs erwähnte Beispiel, die Aktivitäten der Jusos unter ihrem Vorsitzenden Kevin Kühnert im Rahmen des SPD Mitgliedervotums, nennen. Der Parteivorstand hat die Jusos ihre Kampagne durchziehen lassen, hat sie also mehr oder weniger aktiv und mittelbar in den Abstimmungsprozess eingebunden. Auch hier wurde beim letztendlichen Abstimmungsprozess mit einer breiten Mehrheit von 66,02 % (Schulz, 2018) dem Willen der Parteiführung, in eine neue Große Koalition einzusteigen, gefolgt.
Es ist also offensichtlich, dass alle Parteien allein schon aufgrund des Wahlwettbewerbs auf Linkage angewiesen sind. Es stellt sich allerdings die Frage wie im Speziellen ein Linkage zwischen Partei durch die Jugendorganisationen und damit zur spezifischen Wählergruppe hergestellt wird. Die Beantwortung dieser Frage wird Gegenstand im nächsten Abschnitt sein (vgl. u. 2.2.2f).
2.2.2. Umweltbeziehungen der Partei
Parteien als Organisationen verfügen über zahlreiche unterschiedlich ausgestaltete Verbindungen zu den für sie relevanten Umwelten. „Entscheidend für die Stetigkeit dieser Beziehungen ist der Grad der Verbindlichkeit dieser Interaktionsbeziehungen, der von der Art der Umwelt abhängt“ (Poguntke, 2000, S. 31).
Es wird dabei zwischen vier relevanten Umwelten unterschieden. Die Massenmedien und Umfrageforschung stellen dabei direkte Linkages her, ermöglichen aber keine stabilen Beziehungen zwischen dem Wähler und der Parteielite. Daneben gibt es drei relevante Umwelten für Parteien, die formal oder informell organisierte Formen von Linkage herstellen. Neben meist lose strukturierten und deshalb meist schwachen Bindungen zu Neuen Sozialen Bewegungen sowie eine starke Rückkopplung über die eigenen Mitgliederorganisation, gibt es Verbindungen zu Kollateralorganisationen, zu denen auch die Jugendorganisationen zählen, welche sich erneut in verschiedene Untertypen gliedern (vgl. ebd.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Quelle: Poguntke 2000, S. 32: Schaubild 2.1)
Abbildung1: Linkage zwischen Partei und Gesellschaft
2.2.3. Jugendorganisationen – Kollateralorganisationen ihrer Partei
„Unter diesem Oberbegriff [Kollateralorganisationen] werden alle Organisationen zusammengefasst, die im Vorfeld politischer Parteien interessenartikulierend formell oder informell mit politischen Parteien verbunden sind“ (Poguntke, 2000, S. 35 f). Ihre besondere Funktion liegt darin begründet, dass sie, anders als die Parteien selbst, ausschließlich eine bestimmte Interessenlage oder ein spezifisches Bevölkerungssegment, wie im Fall der Jugendorganisationen die Jugend, ansprechen. Damit sind sie in der Lage auch Individuen, die organisatorisch aufgrund ihrer politischen Überzeugungen nicht direkt für die jeweilige Partei zu gewinnen wären, in ein parteipolitisches Lager einzubinden und damit zur Stabilisierung der Wählerschaft der jeweiligen Partei beizutragen (vgl. Poguntke, 2000, S. 36). Aufgrund der unterschiedlichen Art ihrer Bindung zu den jeweiligen Parteien wird zwischen unabhängigen und korporativ verbundenen Kollateralorganisationen, welche meist einen externen Interessenbezug aufweisen, sowie zwischen Nebenorganisationen (affiliated organizations) und Unterorganisationen (ancillary organizations) mit meist internem Interessenbezug, unterschieden.
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