Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Begriffsdefinition „Antisemitismus“
3 Antisemitismus vor dem Zweiten Weltkrieg
4 Der Antisemitismus in Österreich nach 1945
4.1 Die politische Landschaft Österreichs nach 1945
4.1.1 Die Parteien der Zweiten Republik
4.1.1.1 Sozialistische (Sozialdemokratische) Partei Österreichs (SPÖ)
4.1.1.2 Österreichische Volkspartei (ÖVP)
4.1.1.3 Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ)
4.1.1.4 Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ)
4.1.2 Die Fälle Kunschak und Borodajkewycz als Beispiele
4.2 Antisemitismus ohne Antisemiten
4.3 Schichtenspezifische Antisemitismen
4.4 Antisemitismus ohne Juden
5 Fazit
Literatur
1 Einleitung
„Antisemitismus grassiert nach wie vor in Österreich“1 – dieses äußerst bedenklich klingende Zitat fungierte am 15. März 2019 als Titel eines Artikels der österreichischen Tageszeitung Der Standard. Anlass war eine im selben Jahr erschienene Studie seitens der Regierung, die sich mit dem Antisemitismus in Österreich auseinandersetzte und zu diesem Zweck landesweit 2700 Menschen befragte. Die Ergebnisse2 zeigten etwa, dass nach wie vor ein gewisser unterschwelliger Antisemitismus in Österreich vorhanden ist, glauben doch beispielsweise noch immer 19 Prozent der Befragten, dass Jüdinnen und Juden zu einem gewissen Teil selbst schuld an ihrer wiederholten Verfolgung seien. Bei zwei Türkisch bzw. Arabisch sprechenden Untergruppen stimmen dieser Aussage sogar 50 bzw. 40 Prozent zu.3 Auch global gesehen ist es Fakt, dass der Antisemitismus nach wie vor Aktualität in dieser Welt besitzt und sich vehement seiner Auslöschung erwehrt, was etwa durch Attentate wie dem von 2018 in Pittsburgh in den USA verdeutlicht wird, dem elf Jüdinnen und Juden zum Opfer fielen, während der Täter wiederholt „Alle Juden müssen sterben!“ schrie.4
Diese Arbeit setzt es sich nun zum Ziel, konkret die Entwicklung des Antisemitismus in Österreich nach 1945 zu untersuchen, wobei vor allem die Jahre direkt nach Kriegsende näher beleuchtet werden sollen. Beginnend wird der Antisemitismus selbst zu diesem Zweck hinsichtlich der Terminologie genauer definiert werden, damit Verwechslungen mit Begriffen wie „Antijudaismus“ vorgebeugt werden kann. Zudem muss, um den Antisemitismus nach dem Krieg verstehen zu können, zuerst ein Blick auf die Lage vor dem Krieg geworfen werden, weshalb auch kurz auf die Situation der Jüdinnen und Juden in Österreich vor 1945 eingegangen werden wird.
Darauffolgend behandelt der Hauptteil dieser Arbeit die Ressentiments gegen das Judentum nach 1945 und untersucht diesbezüglich als ersten Schritt die politische Landschaft Österreichs, indem die Ansichten, Ziele und Aktivitäten der Parteien in der Zweiten Republik in Augenschein genommen werden. Dadurch soll ergründet werden, wie die politische Spitze, die Österreich schließlich im internationalen Raum repräsentierte, die Situation handhabte.
Weiters erfolgt eine Auseinandersetzung mit den durch Bernd Marin geprägten Begriffen „Antisemitismus ohne Antisemiten“ und „Schichtenspezifische Antisemitismen“. Ersterer impliziert, dass der Antisemitismus nach 1945 an sich aus der Öffentlichkeit verschwunden und durch das Fehlen von bekennenden Antisemitinnen und Antisemiten somit „privatisiert“ worden war, während letztere sich darauf beziehen, dass es in den unterschiedlichen Sozialschichten auch unterschiedlich geprägte „Antisemitismen“ gab, weshalb nicht von DEM Antisemitismus in der Zweiten Republik die Rede sein kann. Zuletzt soll der „Antisemitismus ohne Juden“ nach Paul Ledvai ins Blickfeld des Interesses gerückt werden. Dieser Begriff stammt aus Lendvais gleichnamigem Standardwerk, das sich mit dem nachkriegerischen Judenhass in Osteuropa, der trotz der beinahe ausgelöschten jüdischen Bevölkerung noch immer fortbestand, auseinandersetzt. Dieser Zugang kann ebenso für Österreich angewandt werden, in dem der Anteil der Jüdinnen und Juden noch geringer war, ohne dass die Abneigung gegen sie nach 1945 direkt signifikant abgenommen hätte.
2 Begriffsdefinition „Antisemitismus“
Die Aversion gegen Angehörige des Judentums erhielt im Laufe der Geschichte ein trauriges wie umfangreiches Sammelsurium an Begriffen, wobei terminologisch vor allem der „Antijudaismus“ und der „Antisemitismus“ für diese Arbeit von Relevanz sind. Während ersterer das Judentum aus konfessionellen Gründen ablehnt, geht der Antisemitismus noch einen Schritt weiter und vertritt die Ansicht, dass Jüdinnen und Juden „im Blut andersartig“ seien und diese „Andersartigkeit“ auch nicht durch Konversion zum Christentum ablegen könnten. Somit wurde Angehörigen des Judentums nun die Wahl genommen, sich komplett in die christliche Gesellschaft einzufügen, da die Unterschiede nun zu „physischen“ anstatt theologischen wurden.
Wenngleich der Ursprung dieser Ansichten bereits im 15. Jahrhundert anzusiedeln ist, kann der Antisemitismus im Sinne eines Terminus als Neubildung des 19. Jahrhunderts verstanden werden, die durch den deutschen Journalisten Friedrich Wilhelm Adolph Marr mit seiner judenfeindlichen Schrift Der Sieg des Judentums über das Germanentum – vom nichtkonfessionellen Standpunkt betrachtet geschaffen wurde. Von nun an wurde der Antisemitismus „wissenschaftlich“ erforscht und der Begriff „Jude“ zusehends säkularisiert, wodurch sich das Judentum in weiterer Folge immer mehr als eine „Rasse“ darstellen ließ. Diese Ansichten fanden schnell Verbreitung in der Politik, die Jüdinnen und Juden nun praktischerweise als Sündenböcke für Missstände jeglicher Art verantwortlich machen konnte.5 So war es möglich, Anhängerinnen und Anhänger des Judentums je nach Bedarf als Schuldige anzuprangern, ohne dass man sich selbst für vorherrschende Probleme zu verantworten hätte. Theodor Adorno formuliert dieses Phänomen sehr treffend aus:
Indem er den Juden angreift, gilt sein Angriff eigentlich allen Kräften der Gesellschaft, an denen er [der Antisemit, G.G.] etwas auszusetzen findet. Der Jude wird das Symbol, auf das der Agitator seinen ganzen eigenen ohnmächtigen Zorn gegen das Ungenügen der Zivilisation projiziert.6
Zudem wurde nationalistisches Denken immer wichtiger und damit verbunden auch die Überhöhung der eigenen Nation, Gesellschaft oder gar „Rasse“. Um sich als überlegen darstellen zu können, müssen andere herabgestuft werden, wofür sich Jüdinnen und Juden als stetige Minderheit und als die „Fremden“ in den meisten Staaten immer wieder anboten. Definiert wurde dieses Phänomen der Überbewertung der eigenen Gruppe auf Kosten einer anderen bereits 1927 von Arnold Zweig als sogenannter „Zentralitätsaffekt“.7 Dadurch konnten verlorene Kriege, Wirtschaftskrisen, umherziehende Krankheiten oder andere Probleme immer auf jemanden abgewälzt werden, ohne sich selbst dafür verantwortlich fühlen zu müssen. Diese kollektive Abneigung gegen eine als fremd angesehene Gemeinschaft stärkte zudem auch den Zusammenhalt in der eigenen, da man einen gemeinsamen Feind hatte.
Weil für diese Arbeit konkret der Degout gegen das Judentum aus „rassischen“ Gründen von Interesse ist, wird im Folgenden immer von „Antisemitismus“ als Begriff Gebrauch gemacht werden, da der Antijudaismus in diesem Kontext weniger von Bedeutung ist.
3 Antisemitismus vor dem Zweiten Weltkrieg
Ab der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts siedelten Jüdinnen und Juden nachgewiesenermaßen langfristig auf österreichischem Staatsgebiet, wenngleich Funde, wie etwa der eines Amuletts aus dem 3. Jahrhundert mit der griechischen Umschrift einer jüdischen Gebetsformel im Burgenland, darauf schließen lassen, dass auch schon früher Angehörige dieser Religion hierzulande lebten.8 Ihre Stellung als Geldverwalter und -verleiher brachte ihnen im Laufe der Geschichte oft den Neid ihrer christlichen Mitbürgerinnen und Mitbürger ein, der sich dahingehend entlud, dass Angehörigen des Judentums die vermeintliche Schuld an Unglücken wie der Pest angekreidet wurde, was wiederum blutige Pogrome gegen sie nach sich zog. Trotz der Abneigung gegen Jüdinnen und Juden nahm ihre Zahl dennoch stetig zu, wobei speziell Wien zu einem Ballungszentrum wurde und 1923 bereits 201.000 jüdische Menschen, die zum Teil sogar als deutschnational eingestuft werden konnten, beheimatete.9 Nach dem Ersten Weltkrieg war das Judentum als „das Fremde“ ein gefundenes Fressen, um als Sündenbock für alles durch Krieg entstandene Unheil verantwortlich gemacht zu werden, wodurch der Antisemitismus Konjunktur erlebte.
In der Zwischenkriegszeit kam es zur Einwanderung zahlreicher „Ostjuden“, die von der österreichischen Bevölkerung misstrauisch beäugt wurden. Dies machten sich wiederum die österreichischen Parteien zunutze und integrierten unter anderem den Antisemitismus in ihre Werbung. Vor allem der Neid der hungerleidenden Bevölkerung auf die Jüdinnen und Juden, denen es angeblich auf ihre Kosten bessergehe, begünstigte judenfeindliches Gedankengut. Wenig Beachtung fand die Tatsache, dass die meisten der „Schuldigen“ selbst Not litten und keineswegs privilegiert lebten. Nachdem jedoch die NSDAP, deren Parteiprogramm sich wie kein anderes auf die Aversion gegen das Judentum, speziell auf „rassischer“ Ebene, stützte, in Deutschland die Macht übernommen hatte, verlor der Antisemitismus in Österreich zunehmend an Bedeutung für die regierende Christlichsoziale Partei, da alle Feinde der Jüdinnen und Juden ohnehin braun wählten. Auch spielte in Österreich der „rassische“ Antisemitismus eine viel kleinere Rolle als der religiöse und der wirtschaftliche. Sprich, die österreichische Bevölkerung war bestrebt, die Jüdinnen und Juden aus der Wirtschaft, die nach dem Glauben vieler Menschen von diesen kontrolliert wurde, zu vertreiben, sie jedoch nicht als „Rasse“ auszulöschen.10
Die Regierung des Ständestaates trat in der Öffentlichkeit als vehementer Gegner der NSDAP auf und verurteilte offiziell den Antisemitismus, auf den sich die braune Ideologie stützte. Dies hatte den Vorteil, dass dadurch auch jüdische Gelder und Stimmen generiert werden konnten. Um der NSDAP jedoch durch ein allzu „judenfreundliches“ Gebärden nicht noch mehr Zulauf zu bescheren, distanzierte sich die Politik zwar vom „rassischen“ Antisemitismus, nicht jedoch vom praktischen.11 Das bedeutet, dass zwar von Seiten der Christlichsozialen keine öffentliche Hetze betrieben, jedoch immer wieder über antisemitische Handlungen oder Äußerungen hinweggesehen wurde, was nicht weniger schlimm ist. Ähnlich sah es in der zunehmend nationalsozialistisch unterwanderten österreichischen Justiz aus, die judenfeindliche Handlungen weitaus weniger streng ahndete als „reguläre“ und Verbrechen von jüdischer Seite viel härter bestrafte.12 Hauptsächlich kann das Verhalten der ständestaatlichen Regierung jedoch so aufgefasst werden, dass sie nach Möglichkeiten versuchte, die „Judenfrage“ zu ignorieren, um nicht Teile der ambivalenten Wählerschaft zu brüskieren.
4 Der Antisemitismus in Österreich nach 1945
4.1 Die politische Landschaft Österreichs nach 1945
Es wäre unsinnig abzustreiten, dass die nationalsozialistische Rassenpropaganda bei manchen Österreichern einen gewissen Widerhall gefunden hat; aber als sie sahen, mit welchen Mitteln der Antisemitismus in die Tat umgesetzt wurde, da waren sie geheilt. Man kann ruhig behaupten, dass das Mitleid mit den verfolgten Juden den Antisemitismus in Österreich ausmerzte. Ich glaube nicht, dass diese Frage jemals wieder auch nur die geringste Bedeutung erlangen wird.13
Beruhigend klingende Worte, die Bundeskanzler Leopold Figl 1947 verlauten ließ und mit denen er den Anschein zu wecken versuchte, dass der Antisemitismus in Österreich zu dieser Zeit bereits nur mehr dunkle Vergangenheit gewesen sei. Mit der gleichzeitigen Rechtfertigung, dass Österreich dem Antisemitismus ohnehin immer eher reserviert bis ablehnend gegenübergestanden sei, wurde der Versuch unternommen, diesen mit dem Nationalsozialismus gleichzusetzen und im selben Atemzug die autochthone Judenfeindlichkeit vor dem „Anschluss“ zu bagatellisieren.14 Ganz in diesem Sinne meinte der erste Bundepräsident der Zweiten Republik Karl Renner: „Als die Österreicher aber mitansahen, wie sich die Nationalsozialisten den Juden gegenüber benahmen, lehnte die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung die Nazimethode ab und half, wo sie nur konnte.“15 Im besiegten Österreich, das sich nun als Opfer des nationalsozialistischen Deutschlands präsentieren wollte, um Milde seitens der Siegermächte zu erfahren, wurde dieser Glaube schnell zur „Staatsreligion“, da sich dadurch die nach wie vor vorhandene Abneigung gegen das Judentum verleugnen ließ. Ein Blick in die politische Landschaft Nachkriegsösterreichs zeigt, dass die Realität nämlich weit weniger rosig als vom Bundeskanzler und Bundespräsidenten beschrieben aussah.
Der politischen Elite Österreichs wurde nach 1945 keine leichte Aufgabe damit auferlegt, einen funktionierenden Staatapparat aus den Kriegstrümmern zu schaffen, welche die NS-Zeit zurückgelassen hatte. Von vielen Bürgerinnen und Bürgern wurde der radikale Wechsel von einer extrem rechtsorientierten Führung hin zu einer linksgerichteten als das bloße Ersetzten eines Regimes durch das nächste empfunden, da sie noch nicht recht wussten, was sie von diesem durch die Siegermächte aufgezwungenen Richtungswandel wirklich halten sollten. In diesem Kontext wird oft von einer „gespaltenen Nation“ geredet, womit die Diskrepanz zwischen den Regierenden und der Basis der Gesellschaft gemeint ist.16 Eine kleine Minderheit, die aktiv Widerstand gegen den Nationalsozialismus geleistet hatte, stand nun an der Spitze einer „Mehrheit, die mehr oder minder unbeeindruckt oder mehr oder minder gezwungen, aber doch eindeutig passiv abseits gestanden ist.“17 Diese wiedererweckte Demokratie fußte demnach auf einer Basis der Gesellschaft, die sie nun zwar alternativlos akzeptierte, das herrschende Regime bis 1945 jedoch per se nicht als Feind angesehen hatte. Obwohl die Demokratie als „Herrschaft des Volkes“ allein schon dem Namen nach gerade die Ansichten dieser Mehrheit des Volks vertreten sollte, herrschte in Österreich nach dem Krieg in dieser Hinsicht eine starke Bewusstseinsspaltung zwischen der Regierung und den Regierten.
Ersichtlich wird dies allein schon daran, wie das Ende des Zweiten Weltkrieges empfunden wurde. Nach der Moskauer Deklaration erlebte Österreich das Ende des Weltkriegs offiziell als befreites – nicht als besiegtes – Land und die politische Elite tat alles dafür, in der Weltöffentlichkeit den „Opfermythos“ aufzubauen bzw. diesen zu erhalten. Diese Ansicht wurde von der breiten Masse der Österreicherinnen und Österreichern jedoch nicht geteilt, denn diese feierte die eigenen Gefallenen nicht als die ersten Opfer, sondern viel mehr als die „Helden des Krieges von 1939 bis 1945“, die trotz aller Tapferkeit besiegt wurden.18 Neben einer Bewusstseinsdiskrepanz hinsichtlich der Auslegung des Kriegsendes teilten sich die Ansichten auch, wenn es um den Umgang mit den überlebenden Jüdinnen und Juden ging. Die Regierung distanzierte sich offiziell von judenfeindlichen Anschauungen, da sie unter Beobachtung der Siegermächte stand, ein Umstand, der die Einzelnen der Bevölkerung weitaus weniger betraf. Wie der nach wie vor vorhandene Antisemitismus nach 1945 von den unterschiedlichen Bevölkerungsschichten praktiziert wurde, soll weiter unten erläutert werden.
Dieser zugegeben schon in die Jahre gekommenen und durch Anton Pelinka sowie weiterführend von Bernd Marin geprägten These einer „gespaltenen Nation“ halten kritische Stimmen wie Doris Sottopietra und Robert Knight entgegen, dass, trotz offizieller Ächtung des Antisemitismus, seitens der Regierung kaum Anstrengungen bemerkbar gewesen seien, die nach wie vor unter der Oberfläche brodelnde Abneigung gegen das Judentum zu bekämpfen. Wenngleich die politische Elite Österreichs erklärter Gegner des Faschismus war, entspreche eine tatsächliche Diskrepanz – zumindest hinsichtlich der „Judenfrage“ – zwischen Spitze und Basis der Nation dennoch nicht der Realität, da eine antifaschistisch eingestellte Regierung nicht gleich auch eine „anti-antisemitische“ sein müsse.19 Zudem kommt Rudolf Pucher in seiner Arbeit zu den jüdischen Bemühungen um eine materielle Gutmachung durch die österreichische Republik zu dem Fazit, dass die österreichische Regierung von sich aus mit hoher Wahrscheinlichkeit nie bereit gewesen wäre, den überlebenden Jüdinnen und Juden eine Entschädigung zukommen zu lassen, da sie die Ansicht vertreten habe, es sei ohnehin schon genug für sie geschehen.20 Ebenso wenig konnte ein großes Interesse an einer Rückkehr der ins Ausland geflüchteten jüdischen Menschen festgestellt werden, worin die Regierung wiederum laut einer Studie von 1946 ganz im Sinne eines großen Teils der österreichischen Bevölkerung zu handeln schien, von der 46 Prozent eine Rückkehr dieser ablehnte.21 Der Frage, wie sich nun die einzelnen Parteien jeweils verhielten, soll sich im folgenden Teil gewidmet werden.
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1 Nina Weißensteiner, Antisemitismus grassiert nach wie vor in Österreich, in: Der Standard, o. O. 15.03.2019. (online abrufbar unter: https://www.derstandard.at/story/2000099612519/studie-zehn-prozent-manifeste-und-30-prozent-latente-antisemitische-einstellungen, 10. 12. 2019)
2 Die Ergebnisse dieser Studie sind nicht ohne Vorsicht zu behandeln, da unter anderem auch grundsätzliche Kritik am umstrittenen Verhalten des Staates Israel gegenüber Palästina im Nahen Osten als antisemitische Einstellung gewertet wird.
3 Eva Zeglovits / Paul Unterhuber / Franz Sommer, Antisemitismus-Studie 2018: Ergebnisanalyse im Überblick, Wien 2019, 17. (online abrufbar unter: https://www.antisemitismus2018.at/die-studie/, 20.12.2019)
4 Vgl. N. N., Entsetzen in USA nach Angriff auf Synagoge, in: OÖ-Nachrichten, Linz 28.10.2018. (online abrufbar unter: https://www.nachrichten.at/nachrichten/weltspiegel/Entsetzen-in-USA-nach-Angriff-aufSynagoge;art17,3045877, 25.12.2019)
5 Vgl. Doris Sottopietra, Variationen eines Vorurteils. Eine Entwicklungsgeschichte des Antisemitismus in Österreich, Wien 1997, 58.
6 Theodor W. ADORNO, Der autoritäre Charakter. Studien über Autorität und Vorurteil, Amsterdam 1968, 73.
7 Vgl. Arnold Zweig, Caliban oder Politik und Leidenschaft. Versuch über die menschlichen Gruppenleidenschaften dargetan am Antisemitismus, Berlin 2000, 13.
8 Vgl. Kurt Schubert, Die Geschichte des österreichischen Judentums, Wien / Köln / Weimar 2008, 137.
9 Vgl. Peter George Julius Pulzer, The Rise of Political Anti-Semitism in Germany and Austria, New York 1964, 12.
10 Vgl. Angelika Königseder, Faschistische Bewegungen in Österreich vor 1938, in: Herman Graml / Angelika Königseder / Juliane Wetzel, Hg., Vorurteil und Rassenhaß. Antisemitismus in den faschistischen Bewegungen Europas, Berlin 2001, 75f.
11 Vgl. Angelika Königseder, Antisemitismus 1933-1938, in: Emmerich Tálos / Wolfgang Neubauer, Hg., Austrofaschismus. Politik – Ökonomie – Kultur 1933 - 1938, 7. Auflage, Wien 2014, 55.
12 Vgl. Gabriele Schneider, Antisemitismus in der Alltagsjustiz zwischen Juliabkommen 1936 und »Anschluss« 1938, in: Gertrude Enderle-Burcel / Ilse Reiter-Zatloukal, Hg., Antisemitismus in Österreich 1933–1938, Wien 2018, 1016.
13 Zit. nach: Richard Mitten, Die Juden, die er meint … Jörg Haider und die Rhetorik antijüdischer Vorurteile, in: Anton Pelinka / Ruth Wodak, Hg., „Dreck am Stecken“. Politik der Ausgrenzung, Wien 2002, 101.
14 Vgl. Andreas Peham, Antisemitismus in Österreich: Ein (unvollständiger) Überblick, Wien 2019, 24.
15 Zit. nach: Mitten, Juden, 101.
16 Vgl. Bernd Marin, Nachwirkungen des Nazismus. Ein Reproduktionsmodell kollektiver Mentalität, in: John Bunzl / Bernd Marin, Hg., Antisemitismus in Österreich. Sozialhistorische und soziologische Studien, Innsbruck 1983, 198.
17 Anton Pelinka, in: Österreichische Lagergemeinschaft Auschwitz, Hg., Österreicher im „Tausendjährigen Reich“. Podiumsdiskussion an der Innsbrucker Universität am 25. Oktober 1976, Wien 1976, 4.
18 Vgl. ebd., 3ff.
19 Vgl. Sottopietra, Variationen, 97.; Robert Knight, „Ich bin dafür, die Sache in die Länge zu ziehen.“ Wortprotokolle der österreichischen Bundesregierung von 1945 bis 52 über die Entschädigung von Juden, Frankfurt am Main 1988, 14f.
20 Vgl. Rudolf Pucher, Die jüdischen Bemühungen um eine materielle Wiedergutmachung durch die Republik Österreich, in: Franz Pototschnig / Peter Putzer / Alfred Rinnerthaler, Hg., Semitismus und Antisemitismus in Österreich. Ein Unterrichtsversuch, 2. Auflage, München 1988, 259.
21 Vgl. Bruce Pauley, Eine Geschichte des österreichischen Antisemitismus. Von der Ausgrenzung zur Auslöschung, Wien 1993, 363f.