Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Der Dialog
Begriffserklärung
Durchführungen und die damit verbundenen Voraussetzungen des Dialogs
Fürein friedliches Miteinander: Dialog in Verantwortung für alle Menschen
(Inter-) Religiöse Bildung
Der Religionsunterricht
Conclusio
Literaturverzeichnis
Internetquellen
Einleitung
In Deutschland leben etwa vier Millionen Muslime.1 Von diesen vier Millionen Muslimen sind ca.
850.000 muslimische Schülerinnen und Schüler, die nach dem Artikel 7 Absatz 3 des Grundgesetzes das Recht auf Erteilung von Religionsunterricht an öffentlichen Schulen unter staatlicher Aufsicht haben.2 Muslimische Eltern konkretisieren Forderungen nach einem islamischen Religionsunterricht, den sie mit politischer Unterstützung einführen wollen, deutlich. Christen und Muslime begegnen einander aber nicht nur in der Schule, sondern auch in der Berufswelt und im Alltag. Das SI-EKD, das gesellschaftliche und kirchliche Entwicklungen erforscht, hat 2018 eine Befragung zum Islam in der deutschen Bevölkerung durchgeführt. Während 69 Prozent der befragten deutschen Bevölkerung festhalten, dass Muslime zum Alltagsleben dazugehören, finden 67 Prozent der Befragten, dass der Islam nicht in die deutsche Gesellschaft passt. Fast 70 Prozent der Befragten finden also, dass Muslime zwar zum Alltag dazugehören, aber trotzdem nicht in die deutsche Gesellschaft passen. Dies könnte eventuell damit zusammenhängen, dass rund 71 Prozent der Deutschen angaben, dass sie sehr schlecht, eher schlecht oder nur teils/teils über den Islam Bescheid wissen würden.3
Aufgrund der steigenden Zuwanderungszahlen und der weit verbreiteten Unkenntnis über den Islam bzw. den muslimischen Glauben, ist es naheliegend den Dialog mit dem Islam in allen Lebensbereichen zu intensivieren bzw. sich des Dialoges bewusst zu werden.
Doch woher kommt eigentlich das Wort „Dialog“ und welche Definition hat es? Um diese Frage beantworten zu können, gebe ich als erstes eine Begriffserklärung des Wortes „Dialog“. Daraufhin werden Bedingungen zum Erfolg eines Dialoges genannt und die Durchführung eines Dialogs wird kurz thematisiert. Mir persönlich liegt das darauffolgende Kapitel auf dem Herzen, denn in diesem wird die Verantwortung für Menschen in Bezug auf den Dialog thematisiert. Im letzten Teil dieses Essays wird auf die interkulturelle Bildung und den Religionsunterricht an Schulen eingegangen, denn besonders in den Schulen treffen Christen und Muslime aufeinander.
Der Dialog
Begriffserklärung
Damit verständlich ist, was eigentlich ein „Dialog“ ist, wird mit einer Begriffserklärung begonnen und gängige Übersetzungsmöglichkeiten aus der Literatur werden aufgeführt.
Das Wort „Dialog“ stammt ursprünglich aus dem Griechischen4 und leitet sich von dem Wort „διάλογος“5 (Unterredung, Gespräch) ab. Zusammen setzt sich das Wort aus den griechischen Wörtern „διά“ (durch)6 und „λόγος“ (Rede).7
Im deutschen Wörterbuch Duden8 wird das Wort „Dialog“ zum einen beschrieben durch eine abwechselnd geführte Rede und Gegenrede, die von zwei Personen geführt wird. Es wird auch von einem Zwiegespräch oder einer Wechselrede gesprochen. Zum anderen wird erörtert, dass es sich um Gespräche, die zwischen zwei Interessengruppen mit dem Zweck des Kennenlernens der gegenseitigen Standpunkte führen, handelt. Typische Verbindungen, die sich mit dem Wort „Dialog“ verbinden, sind politisch, intensiv, witzig, kritisch, geschliffen und auch interreligiös. 9
Man kann also zusammenfassen, dass es sich bei einem Dialog um ein wechselseitiges Sprechen zwischen Interessengruppen, zum Zweck des Kennenlernens handelt. Dies kann sowohl politisch als auch interreligiös sein. Es kann sowohl kritisch und intensiv ausgetragen werden als auch witzig und geschliffen. Während der Duden nicht genau festlegt wie viele Personen/Interessengruppen an einem Dialog beteiligt sein können („zwei oder mehrere Personen“)10, wird in Fachkreisen auch von einem „Trialog“ gesprochen, falls an einem Gespräch drei Parteien teilnehmen. Diese Wortneubildung sei, laut dem römisch-katholischen Fundamentaltheologen Prof. Dr. Wolfgang Klausnitzer,11 wohl dem Missverständnis geschuldet, dass das Wort „διάλογος“ von dem griechischen Wort „δυο“(zwei)12 abgeleitet wurde. Vom Inhalt her, ist es nicht festgelegt, wie viele Partner an der Rede und Gegenrede teilnehmen.
Durchführungen und die damit verbundenen Voraussetzungen des Dialogs
Nachdem nun festgelegt wurde, woher das Wort „Dialog“ stammt und welche Bedeutung es hat, widme ich mich der Frage, wie ein Dialog gelingen kann.
Nach Klausnitzer gelingt ein interreligiöser Dialog, indem die Gesprächspartner die eigene Position/den eigenen Glauben, die/den sie vertreten auch kennen und in der Lage sein können ihn in einer verständlichen Weise auszudrücken. Der Fundamentaltheologe betitelt diese Bedingung für einen gelingenden Dialog mit dem Wort Kompetenz.13 Der iranisch-deutsche Islamwissenschafter Prof. Dr. Abdoldjavad Falaturi, der besonders aktiv im Feld des christlich-islamischen Dialogs und bei der Erforschung des schiitischen Islams ist, verfasst sogar, dass ein lebendiger, weiterführender Dialog ausschließlich dort stattfinden kann, wo jeder der Gesprächspartner aus Überzeugung und Bewusstsein seiner Verantwortung seine Religion vertritt.14
Es muss gemeinsam nach der Wahrheit gesucht werden, d.h., dass die Gesprächspartner einander ohne Täuschungs- oder Betrugsabsicht die relevanten Informationen geben und sich vergewissern, dass sie die Darlegung des jeweils anderen verstanden haben.15 Die Führung eines Dialogs ist die Bereitschaft selbstkritisch und differenziert mit den eigenen Glaubensinhalten umzugehen und den Mut zu haben, die Schwächen und Fehlentwicklungen in der Geschichte der Religion selbst zuzugeben. Ansonsten gibt es nur einen Schlagabtausch, der bei sich selbst nur das positive und bei dem Anderen nur das Negative sieht.16 Das Ziel des interreligiösen Dialogs ist weder, dass ein Kompromiss gemeinsam formuliert wird, noch dass die eigenen Überzeugungen aufgegeben werden oder der andere Gesprächspartner bekehrt wird, sondern dass keiner der beiden Gesprächspartner erwarten sollte, dass der jeweils andere seinen Glaubensstandpunkt aufgibt.17 Der iranisch-deutsche Islamwissenschafter Falaturi macht darauf aufmerksam, dass nicht jedes Zwiegespräch gleich als Dialog betitelt werden kann, sondern, dass nur dasjenige Zwiegespräch als Dialog betitelt werden kann, dass das Bemühen eines jeden Dialogpartners zeigt sich durch die ganze Begegnungszeit hindurch dem Anderen annährend so zu verstehen zu geben und zu begreifen, wie jener sich selbst versteht und seine eigene Religiosität empfindet. Für einen „echten“18 Dialog sei es wichtig, dass sich innerlich von dem Beharren auf den Besitz einer exklusiven Wahrheit distanziert wird, denn ansonsten sei die Basis für einen Dialog von vornherein entzogen. Werden diese Punkte beachtet, kann ein Dialog gelingen. Aber was heißt das für die Praxis? Wie kann ein Dialog durchgeführt werden und was sind die Voraussetzungen?
Als Voraussetzung zur Durchführung eines Dialogs ist in erster Linie die Gleichberechtigung der beiden Gesprächspartner zu nennen. Ist ein Gesprächspartner dem Anderen überlegen, liegt die Gefahr der Einseitigkeit aus Hochmut vor. Jeder kann einen Dialog führen, allerdings ist zu beachten, dass ein Dialog auch eine bestimmte Qualität haben sollte. Damit eng verbunden ist die gegenseitige Toleranz den anderen in seinen Glaubensüberzeugungen zu respektieren und somit das Bemühen um das Verstehen der anderen Religion. Zugespitzt kann man sagen, dass auch Empathie eine Voraussetzung für einen gelingenden Dialog ist. Der Islamwissenschaftler Tariq Ramadan legt dar, dass es beim Führen eines Dialogs sehr wichtig sei, dass alle Gesprächspartner voneinander lernen möchten und keine Arroganz vorliegen sollte.19
Für ein friedliches Miteinander: Dialog in Verantwortung für alle Menschen
Wichtig zu beachten ist, dass den beiden Dialogpartnern bewusst ist, dass beide einer gemeinsamen Verantwortung für die Welt und allen Menschen ohne Unterschied unterliegen. Dies ist, wie auch Falaturi festhält, eine schwer erfüllbare, aber unerlässliche Anforderung. Wer könne als Christ, Muslim, als Jude oder als Buddhist von sich behaupten, dass er wirklich alle Menschen gleich behandeln und alle Menschen gleich akzeptieren würde?20 Der Politikwissenschaftler Bassam Tibi21, der den Begriff des Euro-Islam eingeführt hat, betont, dass es notwendig sei sich Wissen über die anderen Zivilisationen anzueigenen, damit man mehr übereinander weiß und es nicht zu Missverständnissen oder Konflikten kommen kann. Dies gilt als Grundvoraussetzung für eine friedliche Nachbarschaft und ein friedliches Miteinander. Werden andere Zivilisationen kennengelernt heißt das, dass man sich mit ihren Weltanschauungen vertraut macht und es kommt die Notwenigkeit dazu, dass Sensibilität dem Anderen gegenüber entwickelt und sein Ehrgefühl respektiert wird.22
Die Evangelische Kirche Deutschlands (kurz EKD) verweist darauf, dass der „Dialog zwischen Menschen unterschiedlicher Glaubensüberzeugungen für die friedliche und konstruktive Gestaltung des Zusammenlebens in einer pluralen Gesellschaft unverzichtbar ist.“23 Gerade in unserer heutigen Gesellschaft ist eine aktive Beteiligung an diesem Dialog auch Ausweis der Verständigungsbereitschaft und Friedensfähigkeit.
Ein wirkungsvoller Dialog hat also eine Verantwortung für alle Menschen, denn er dient als Friedensinstrument. Bereits im Kindergarten und später auch in der Schule begegnen sich Christen und Muslime, wodurch es zu einem religiösen Konflikt kommen kann, der -vermutlich- besonders durch Unkenntnis geprägt wird. Auf diese Weise muss interreligiöses Lernen in den Bildungsauftrag mit einfließen, denn die Achtung vor dem Leben anderer Menschen muss nicht nur als anerkanntes Menschenrecht, sondern auch als religiöser Wert wieder in Erinnerung gerufen werden. Damit dies gelinge brauche es, wie der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz Markus Dröge betont, religiöse Bildung und eine grundlegende Kompetenz in Glaubensangelegenheiten24.
(Inter-) Religiöse Bildung
Die religiöse Orientierung wird von den Eltern oder dem Kind nahestehenden Menschen zum Kind weitergegeben. Dadurch beginnt in der frühen Kindheit der religiöse Weg für die meisten Gläubigen. Die religiöse Sozialisation umschreibt einen „vielschichtigen Prozess, der dazu befähigt, als Individuum bezogen auf den Leib, den man hat, und die Gruppe, aus der man kommt, zu einer christlichen oder muslimischen Identität zu finden.“25 Durch die drei Sozialinstanzen26 Familie, die gläubige Gemeinde und den Kindergarten, die Schule und die Berufswelt erschließen sich Räume religiöser Erfahrungen. In einen Konflikt geraten die Gläubigen, wenn sie außerhalb ihrer Familie oder ihrer Gemeinde, in der sie in ihrer jeweiligen religiösen Sozialisation sind, im Kindergarten, der Schule und auch in der Berufswelt mit Andersgläubigen in Kontakt und z.T. auch in einen Konflikt geraten. Einige Familien und Gemeinden lehnen die gegenseitige Interdependenz27 ab oder weisen sie zurück. Dadurch behindern sie den Prozess der religiösen Sozialisation ihrer Kinder und die Isolierung des Religiösen verengt den Prozess der Sozialisation und verhindert notwendige Lernprozesse. Ein Dialog zwischen allen Verantwortlichen und auch den Kindern ist nötig, denn „die gegenseitige Öffnung der Sozialinstanzen schafft den Boden für ein erfolgreiches soziales Lernen in der gegeben Welt mit dem Ziel der religiösen Selbstfindung für junge Menschen.“28 Somit dient der interreligiöse Dialog der Aufgabe, dass religiöse Verantwortung gemeinsam von Eltern, Lehrern und Gesprächspartnern übernommen wird.29
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1 Vgl. Richard Heinzmann u.a. (Hg.), Lexikon des Dialogs: Grundbegriffe aus Christentum und Islam, Freiburg im Breisgau 2013.
2 Vgl. Inken Wöhlbrand / Martin Affolderbach (Hg.), Was jeder vom Islam wissen muss, Gütersloh3 2016, 213.
3 Vgl. Petra-Angela Ahrens, Islam und Muslim*innen in Deutschland: Die Sicht der Bevölkerung. Ergebnisse einer bundesweiten Umfrage, 24.09.2018, https://www.ekd.de/ekd_de/ds_doc/Islambefragung-SI-EKD-für%2024-09-18.pdf [Zugriff: 10.03.2019].
4 Vgl. Werner Scholze-Stubenrecht u.a. (Hg.), Art. Dialog, in: Duden23 1 (2004), 288.
5 Vgl. Rudolf Kassühlke, Kleines Wörterbuch zum Neuen Testament. Griechisch – Deutsch, Stuttgart 62013.
6 Vgl. ebd.
7 Vgl. ebd.
8 Vgl. Werner Scholze-Stubenrecht u.a. (Hg.), Art. Dialog, in: Duden23 1 (2004), 288.
9 Vgl. Werner Scholze-Stubenrecht u.a. (Hg.), Art. Dialog, in: Duden, https://www.duden.de/rechtschreibung/Dialog [letzter Zugriff: 17.03.2019].
10 Vgl. ebd.
11 Vgl. Wolfgang Klausnitzer, Voraussetzungen des Dialogs aus christlicher Sicht, in: Thull, Phillip u.a. (Hg.), Interreligiöse Toleranz. Von der Notwendigkeit des christlich-islamischen Dialogs, Darmstadt 2014, 33 – 41.
12 Vgl. Kassühlke, Wörterbuch.
13 Vgl. ebd.
14 Vgl. Abdoldjavad Falaturi, Voraussetzungen des Dialogs aus islamischer Sicht, in: Thull, Phillip u.a. (Hg.), Interreligiöse Toleranz. Von der Notwendigkeit des christlich-islamischen Dialogs, Darmstadt 2014, 41 – 52.
15 Vgl. Klausnitzer, Voraussetzungen, 33 – 41.
16 Vgl. Falaturi, Voraussetzungen, 41 – 52.
17 Vgl. Klausnitzer, Voraussetzungen, 33 – 41.
18 Falaturi, Voraussetzungen, 41 – 52.
19 Vgl. Tariq Ramadan, Muslimsein in Europa. Untersuchung der islamischen Quellen im europäischen Kontext, Köln 2001.
20 Vgl. Falaturi, Voraussetzungen, 43.
21 Vgl. Bassam Tibi, Europa ohne Identität?. Europäisierung oder Islamisierung, Stuttgart 2016.
22 Vgl. ebd.
23 Carsten Splitt, Evangelische Kirche will Dialog mit Islam vertiefen. Studie belegt starken Wunsch der Bevölkerung nach gesellschaftlichem Zusammenhalt, 24.09.2018, https://www.ekd.de/evangelische-kirche-will-dialog-mit-islam- vertiefen-37762.htm [Zugriff: 10.03.2019].
24 Vgl. ebd.
25 Peter Graf, Religiöse Sozialisation in Familie, Gemeinde und Schule – Orte des interreligiösen Dialogs, in: Peter Graf/ Bülent Ucar (Hg.), Religiöse Bildung im Dialog zwischen Christen und Muslimen. Interreligiöser Dialog in gesellschaftlicher Verantwortung (Band 1), Stuttgart 2011, 165 – 187.
26 Vgl. ebd., 173.
27 Vgl. ebd., 175.
28 Ebd. 175.
29 Vgl. ebd. 165 – 187.