Die Demokratisierung des Wissens. Vorstufen, Bedeutung und Auswirkungen des Buchdruckes auf das literarische und geistige Leben in Deutschland


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

25 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Zur Person Johannes Gutenbergs- Wer war der „Mann des Jahrtausends“?

3. Gutenbergs Technik und seine Vorgänger
3.1 Ältere Druckverfahren
3.1.1 Die frühesten Vorgänger
3.1.2 Die Zeit unmittelbar vor Gutenberg
3.2 Gutenbergs Technik

4. Gesellschaftlicher Kontext

5. Die Folgen und die Bedeutung der Erfindung
5.1 Bildungseinrichtungen
5.2 Kommunikation und Wahrnehmung
5.3 Der Buchdruck als Katalysator des Fortschritts
5.4 Auswirkungen auf die Reformation und die Entwicklung der Volkssprache
5.5 Vorboten der Neuzeit

6. Fazit

Literatur

1. Einleitung

Deutschland gehört heute zu den führenden Buchnationen, jedes Jahr erscheinen 80.000 neue und neu aufgelegte Titel, die Gesamtproduktion der deutschen Buchverlage umfasst rund 770 Millionen Bücher,[1] der deutsche Literaturmarkt erwirtschaftete im Jahr 2003 ein Gesamtvolumen von über 9 Milliarden Euro[2]. Die Konkurrenz ist immens und ob der ungeheuren Zahl an Neuerscheinungen sieht sich der vielzitierte „geneigte Leser“ einem unüberschaubaren Angebot an Literatur gegenüber. Zumindest in der westlichen Welt sind Bücher zu einem selbstverständlichen und wesentlichen Teil der Medienindustrie geworden.

Das darf freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch heute noch große Teile der Weltbevölkerung keinen oder nur sehr beschränkten Zugang zum „Wissen der Welt“ in Buchform haben. Hier spielen soziale, kulturelle und wirtschaftliche Faktoren eine Rolle, doch auch wenn man sich auf unseren Kulturraum beschränkt, weist die Geschichte der flächendeckenden Alphabetisierung und Zugänglichkeit zu literarischen Erzeugnissen noch nicht allzu lange in die Vergangenheit zurück. Noch in der Zeit der Aufklärung im 18. Jahrhundert konnten im ganzen deutschen Sprachraum kaum 100.000 Personen zusammenhängende Texte lesen.[3] Doch selbst diese gering erscheinende Zahl spiegelt einen Fortschritt wieder, der erst ermöglicht wurde, durch viele mal kleinere, mal größere Wegmarken auf dem Weg zur Verbreitung des Buches, wie es heute der Fall ist. Eines der folgenreichsten Ereignisse war hierbei die Erfindung des Buchdrucks von Johannes Gutenberg Mitte des 15. Jahrhunderts in Mainz. Erstmals in der Geschichte der Menschheit war es möglich, Bücher massenhaft und in industrieller Form zu vervielfältigen.[4] Dies hatte weitreichende und einschneidende Folgen für die Gesellschaft.

Diese Arbeit geht nach einigen Informationen zur Person auf die technischen und gesellschaftlichen Wegmarken, die zu der „Jahrhunderterfindung“ führten ein und gibt nach einem kurzen Überblick über den Zustand der Literaturlandschaft vor Gutenberg einen Ausblick auf die Konsequenzen und Veränderungen, die diese technische Innovation nach sich zog. Der Erfolg der Erfindung war dabei unmittelbar an die geschichtlichen Rahmenbedingungen gebunden und stand stets in Wechselwirkung mit gesellschaftlichen und historischen Prozessen an der Schwelle zur Neuzeit. Dieser These soll im Besonderen in dieser Arbeit nachgegangen werden.

Als Literatur dienten mir unter anderem „Der Buchdruck in der frühen Neuzeit“ von Michael Giesecke[5], welches eine sehr facettenreiche Darstellung der Auswirkungen der Erfindung auf verschiedenste Bereiche der Gesellschaft liefert, Aloys Ruppels Werk „Die Technik Gutenbergs und ihre Vorstufen“[6], das einen Überblick über die technischen Aspekte gibt, „Die menschheitsgeschichtliche Bedeutung des Buchdrucks“ von Alfred Petrau[7], welches besonderes Augenmerk auf die historischen Prozesse und die Bedeutung der Erfindung legt, der anlässlich des 600. Geburtstags von Gutenberg von der Stadt Mainz herausgegebene Ausstellungsband „Gutenberg. aventur und kunst. Vom Geheimunternehmen zur ersten Medienrevolution.“[8] sowie diverse weitere Werke, die sich mit dem Thema Buchdruck, dessen Auswirkungen und den Kommunikationsformen im Mittelalter beschäftigen.

2. Zur Person Johannes Gutenbergs- Wer war der „Mann des Jahrtausends“?

Über das Leben des Mannes, der die zahlreiche Aufzeichnung, Vervielfältigung und Archivierung von Wissen ermöglichte, ist ironischerweise kaum etwas bekannt. Aber da im Mittelpunkt dieser Arbeit nicht die Person selbst, sondern die Vorläufer und Auswirkungen seiner Erfindung stehen sollen, folgt an dieser Stelle nur ein kurzer Abriss über das Leben Gutenbergs, um seinen Kontext zu verstehen.

Der genaue Geburtsort und -tag sind nicht bekannt, Sabine Wagner gibt sich aufgrund der dürftigen Quellenlage vage und gibt die Geburt mit „um die Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert“[9] an, Aloys Ruppel wird konkreter und datiert das Geburtsjahr auf die Jahre zwischen 1394 und 1399 in Mainz.

Johannes Gensfleisch Gutenberg war Sohn eines Patriziers und hatte zwei Geschwister. Nach einem Streit zwischen dem alten Stadtpatriziat und dem in Zünften organisierten Bürgertum verließ Gutenberg als Vertreter der Patrizier 1428 Mainz, in einem Versöhnungsvertrag wurde ihm die Rückkehr gestattet, wenn er sich der neuen demokratischen Stadtverwaltung unterwerfe, was Gutenberg ablehnte und daraufhin nach Straßburg zog.[10] Als Goldschmiedemeister war er mit verschiedenen Techniken vertraut, die ihm bei der Entwicklung seiner Druckerwerkzeuge zugute kamen (siehe Kapitel 3.2), mit der er bereits in Straßburg begann. Als er 1455 wieder nach Mainz zurückkehrte war er hoch verschuldet, die Kosten für seine Experimente waren immens und schnelle Gewinne waren ebenfalls nicht zu erwarten.[11] Schließlich starb er am 3. Februar 1468 völlig verarmt in Mainz.[12]

Doch bereits kurz vor seinem Tod begann sich seine Erfindung durchzusetzen, und bis zum Jahre 1500 gab es in 260 Städten Europas rund 1120 Druckereien, die nur bis dahin eine Gesamtauflage von ca. 10 Millionen Exemplaren hervorbrachten.[13] Gutenberg gelang es also Zeit seines Lebens nicht, aus seiner Technik Kapital zu schlagen, er wurde nicht „reich und berühmt“, und auch ihm selbst dürfte die Tragweite seiner Erfindung kaum bewusst gewesen sein.

3. Gutenbergs Technik und seine Vorgänger

Um den Stellenwert des Buchdrucks bewerten zu können, ist es notwendig, einen Überblick über die Situation vor und während Gutenbergs Lebenszeit zu erhalten. Ganz aus dem Nichts entwickelte Gutenberg seine Technik nicht, er fügte vielmehr bereits vorhandene Techniken zusammen und entwickelte sie weiter, um daraus sein in der Tat bahnbrechendes Verfahren zu konstruieren.[14]

Von den ersten, in Holz oder andere weiche Materialien geritzten Schriftzeichen bis zur Ausbildung einer breiteren Leserschicht außerhalb des Adels und des Klerus, die sich eigentlich erst mit dem aufstrebenden Bürgertum im 18. Jahrhundert ausbildete, war es ein langer Weg. Erst dieses vergrößerte Lesepublikum ließ einen Markt für Bücher entstehen, der abseits von Gelehrtenstuben bestand hatte. Das Buch wurde von einer der geistigen, bzw. geistlichen, Elite vorbehaltenen Exklusivität (siehe Kapitel 3.1 und 4) zu einem Massenprodukt. Wesentlichen Anteil an diesem Prozess hatte die Technik des Buchdrucks, wie sie Gutenberg entwickelte.

3.1 Ältere Druckverfahren

„Das finstere Mittelalter“ ist ein vielbenutztes Schlagwort, galt die Antike lange als das kulturelle und zivilisatorische Maß aller Dinge, wurde das Mittelalter lange als verrohte Periode gemieden und gebrandmarkt, in der die Menschen in archaischere Lebensformen „zurückgefallen“ seien und eine Verarmung der geistigen Ressourcen vonstatten ging. Dieses Bild ist aufgrund neuerer Forschungen und veränderter Perspektiven heute nicht mehr haltbar und fällt weitaus differenzierter aus, fest steht jedoch, dass bis zur Erfindung des Buchdrucks das Wissen der Welt nur sehr wenigen, meist geistlichen, Führungsschichten zur Verfügung stand. Die im Titel dieser Arbeit angesprochene „Demokratisierung des Wissens“ war stets nicht nur an die technischen Voraussetzungen der Zeit gebunden, sondern hing auch sehr stark von gesellschaftlichen Zuständen und Veränderungen ab (siehe Kapitel 4 und 5).

Im Mittelalter, an dessen Schwelle zur frühen Neuzeit Gutenbergs Erfindung epochal einzuordnen ist,[15] waren Bücher nur einer kleinen Elite vorbehalten.

Es existierten nur relativ wenige Manuskripte in Klosterbibliotheken, der Zugriff war dem Klerus vorbehalten, zudem war die Praxis der handschriftlichen Abschrift nicht nur langwierig und mühsam, sondern auch oft fehlerhaft.[16] Die Gesellschaft teilte sich in die wenigen „literati“, also die des Schreibens und Lesens Mächtigen, und die große Masse der „illiterati“, der Analphabeten.

Im in den größer werdenden Städten aufstrebenden Bürgertum regte sich zusehends das Bedürfnis, Anteil am Wissen zu haben; Gutenbergs Erfindung ermöglichte eine massenhafte schnellere Herstellung identischer Kopien in hoher Stückzahl, eine Verbilligung und somit eine höhere Verfügbarkeit: So wurde das „Wissen vergangener Jahrhunderte aus den Schränken der Klosterbibliotheken befreit“ und neues Gedankengut schneller verbreitet (Ruppel spricht hier vom Geist des Humanismus, der Renaissance und dem etwas nebulösen Begriff der „neuzeitlichen Gesinnung“).[17] Doch die Geschichte der Druckverfahren reicht weit in die Vergangenheit zurück.

[...]


[1] Internet: http://www.boersenverein.de/de/64626 [zuletzt gesichtet am 12.04.05]

[2] Ebd.: genannte Zahl zu Endverbraucherpreisen, inklusive Fach- und wissenschaftlicher Zeitschriften sowie audiovisueller Medien.

[3] Baasner: Die Formationsphase der deutschsprachigen Literaturkritik. In: Anz, Baasner (Hgg.): Literaturkritik. Geschichte. Theorie. Praxis. Verlag C.H. Beck, München 2004. S.8.

[4] Es gibt auch Forscherstimmen, die die Erfindung der Buchdrucktechnik nicht Gutenberg zuweisen, sondern schon früheren Epochen, wie den Chinesen. (Sie kannten schon sehr früh den Holztafeldruck, siehe Richard Mummendey: Von Büchern und Bibliotheken. 6. Auflage, Verlag Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1984. S.54.) Klar ist, dass Gutenbergs Technik nicht aus dem Nichts entstand, sondern Ergebnis eines Prozesses war, wie es in Kapitel 3 dieser Arbeit auch dargestellt wird. Unstrittig ist aber, dass Gutenbergs Entwicklung in Europa bahnbrechend und die entscheidende und folgenreichste war, wie ebenfalls im Laufe der Arbeit erläutert wird.

[5] Michael Giese>

[6] Aloys Ruppel: Die Technik Gutenbergs und ihre Vorstufen. VDI Verlag, Düsseldorf 1961.

[7] Alfred Petrau: Die menschheitsgeschichtliche Bedeutung des Buchdrucks. Ein Beitrag zur entwicklungsganzheitlichen Geschichtsauffassung. Essener Verlagsanstalt, Essen 1944.

An dieser Stelle noch ein Hinweis zur Literatur: Das Buch von Alfred Petrau ist mit Vorsicht zu genießen, heißt es doch im Vorwort zu den Zielen des Buches, dass „hier dargelegt wird, wie die der Geschichte der Europiden immanente Entwicklungsgesetzmäßigkeit zwangsläufig nicht nur zur Erfindung des Buchdrucks, sondern ausdrücklich zur Erfindung durch einen Deutschen und zum Vorrang deutscher Menschen bei der ersten weltweiten Verbreitung des Buchdrucks führt.“ (S.III/IV) Zunächst ist die These der zwangsläufigen Gesetzmäßigkeit von historischen Prozessen, die dem Werk zugrunde liegt, an sich fragwürdig, eine Wechselwirkung von geschichtlichen Entwicklungen und der Erfindung halte ich jedoch, wie im Laufe der Arbeit ausgeführt, für gegeben. Kritischer muss man die übermäßige Betonung des „Deutschen“ sehen und die Einteilung der Menschen in „Rassen“, was auch als Tribut an den historischen Kontext zu bewerten ist, das Buch stammt aus dem Jahre 1944. Die Faktenlage des Werkes ist jedoch sehr ergiebig und steht mit anderer Forschungsliteratur in Einklang.

[8] Wolfgang Dobras: Gutenberg. Aventur und Kunst. Vom Geheimunternehmen zur ersten Medienrevolution. Verlag Hermann Schmidt, Mainz 2000.

[9] Sabina Wagner: Bekannter Unbekannter- Johannes Gutenberg. In: Gutenberg. Aventur und Kunst. S.114.

[10] Ruppel: Die Technik Gutenbergs und ihre Vorstufen. S.99/100.

[11] Giese>

[12] Ruppel: Die Technik Gutenbergs und ihre Vorstufen. S. 103-105.

[13] Ruppel: Die Technik Gutenbergs und ihre Vorstufen. S. 108/109.

[14] Ruppel: Die Technik Gutenbergs und ihre Vorstufen. S.5.

[15] Einige Historiker sehen dementsprechend die Erfindung des Buchdrucks als den Beginn der Neuzeit an (anstelle der Entdeckung des amerikanischen Kontinents durch Christoph Kolumbus im Jahre 1492, wie es heute allgemeiner Konsens ist). Vgl.: Ruppel: Technik Gutenbergs und ihre Vorstufen. S. 3/4.

[16] Ruppel: Die Technik Gutenbergs und ihre Vorstufen. S.2.

[17] Ebd.: S.3.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Die Demokratisierung des Wissens. Vorstufen, Bedeutung und Auswirkungen des Buchdruckes auf das literarische und geistige Leben in Deutschland
Hochschule
Universität Karlsruhe (TH)  (Institut für Literaturwissenschaften)
Veranstaltung
Sprach- und Kommunikationsgeschichte des Deutschen bis zur frühen Neuzeit - Vom Leib zum Buch.
Note
2,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
25
Katalognummer
V55048
ISBN (eBook)
9783638500975
ISBN (Buch)
9783656785859
Dateigröße
552 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Demokratisierung, Wissens, Buchdruck, Gesellschaft, Schwelle, Neuzeit, Vorstufen, Bedeutung, Auswirkungen, Johannes, Gutenbergs, Erfindung, Leben, Deutschland, Kontext, Entwicklung, Sprach-, Kommunikationsgeschichte, Deutschen, Neuzeit, Leib, Buch
Arbeit zitieren
Jan Wirschal (Autor:in), 2005, Die Demokratisierung des Wissens. Vorstufen, Bedeutung und Auswirkungen des Buchdruckes auf das literarische und geistige Leben in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55048

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