Kreationismus in den USA


Seminararbeit, 2004

22 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Gliederungszahl

Überschrift

Deckblatt

Einleitung

1. Definitionen des protestantischen Fundamentalismus

2. Definition des Kreationismus
2.1 Glaubensinhalte und Standpunkte des Kreationismus
2.2 Selbstbezeichnung versus Fremdbezeichnung

3. Geschichte und Entwicklung des Kreationismus

4. Fundamentalistische Organisationen
4.1 Kreationistische Organisationen
4.2 Kreationistische und fundamentalistische Anhänger

5. Gesellschaftliche und politische Standpunkte

6. Ziele des Kreationismus

7. Fazit

8. Literaturverzeichnis

Einleitung

In dieser Arbeit werden die Geschichte des christlich-fundamentalistischen Kreationismus in den USA und seine heutige Ausprägung untersucht. Das Phänomen des Kreationismus ist weltweit in den USA am stärksten vertreten und auch am einflussreichsten, weshalb auf kreationistische Strömungen in anderen Ländern nicht eingegangen wird[1].

Kreationismus existiert auch im Islam[2], im Judentum und im Hinduismus, worauf in dieser Arbeit aus Gründen des Umfangs nicht eingegangen werden kann, dies gilt auch für die starken kreationistischen Strömungen bei den Zeugen Jehovas.

Da der hier betrachtete Kreationismus eine aus dem christlichen Fundamentalismus entstandene Ideologie ist und seine Glaubensinhalte daher nur im Zusammenhang mit diesem zu verstehen sind, wird der christliche Fundamentalismus in der vorliegenden Arbeit zuerst betrachtet. Es werden verschiedene Definitionen des protestantischen Fundamentalismus vorgestellt, woraufhin eine eigene Definition erarbeitet wird. Danach wird der Kreationismus definiert. Nach einem Überblick über die Geschichte und Entwicklung des Kreationismus folgt eine Darstellung der kreationistischen Überzeugungen, Standpunkte und Ziele, danach werden die wichtigsten kreationistischen Organisationen und Führer vorgestellt.

Der zeitliche Rahmen der Arbeit erstreckt sich von 1859, dem Erscheinungsjahr von Darwins „On the Origin of Species by Means of Natural Selection“ über das erste Aufkommen des Begriffes Fundamentalismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die 1980er Jahre.

Die Hauptquellen, auf die sich diese Arbeit stützt, sind die Bücher von Martin Mahner, Philip Kitcher, Raymond A. Eve mit Francis B. Harrold sowie von Erich Geldbach und George Marsden, wobei letzterer als einer der wichtigsten Experten zu diesem Thema angesehen werden kann. Insgesamt ist das Thema recht gut untersucht, und es gibt relativ viele Veröffentlichungen. Allerdings wäre eine breit angelegte, repräsentative Untersuchung des heutigen Kreationismus in den USA wünschenswert, um genaue und vor allem aktuelle Daten zu erhalten.

Des Weiteren wurden in Vorbereitung zu dieser Arbeit mehrere kreationistische Internetseiten wie z.B. vom „Institute for Creation Research“ sowie von der „Creation Research Society“ herangezogen[3], auf denen sich detaillierte Argumentationen gegen die Evolutionstheorie finden lassen. Dies erschien mir insofern sinnvoll, als dass sich Kreationisten mit Vorliebe des Internets bedienen, um ihre Inhalte zu verbreiten und neue Anhänger zu gewinnen.

Die sozialwissenschaftliche Relevanz des untersuchten Themas ist insofern gegeben, als dass Fundamentalismus in jeder Form ein wichtiges Thema der heutigen Zeit ist, meist richtet sich der Blick allerdings aus aktuellen Anlässen (wie dem 11. September, dem Irakkrieg etc.) auf den muslimischen Fundamentalismus: Der christliche Fundamentalismus mitsamt der Strömung des Kreationismus ist jedoch ebenso stark und radikal und greift in den USA mit seinen Forderung in das tägliche Leben ein.

1. Definitionen des protestantischen Fundamentalismus

Eine Grunddefiniton von Fundamentalismus lautet folgendermaßen: Als Fundamentalismus (vom Lateinischen „fundamentum“ = Grund, Grundlage) bezeichnet man „Weltanschauungen und Bewegungen, die ihre Ideologie diskussionslos als absolut gültig und anderen Auffassungen überlegen darstellen und sie auf aggressive Weise vertreten“[4]. In dieser Definition ist das meiner Meinung nach wichtigste Merkmal des Fundamentalismus enthalten: Der Anspruch an die absolute Gültigkeit der eigenen Sichtweise. Der Fundamentalist sieht sich selbst stets als den einzig wahren Vertreter und Verfechter seines Glaubens an.

Oft wird Fundamentalismus vor allem aufgrund seiner Einstellung gegen die Unabhängigkeit des Individuums als Anti-Aufklärung und als Abkehr von der Moderne gesehen. Damit wird dem Fundamentalismus also eine reaktive Eigenschaft zugesprochen. Auch Eisenstadt bezeichnet Fundamentalismus als reaktiv, fügt jedoch hinzu, dass dies auch für andere Bewegungen gelte und dass dies keine spezifische Eigenschaft von fundamentalistischen Bewegungen sei[5]. Eisenstadt spricht dem Fundamentalismus andererseits sogar eine enge Beziehung zur Moderne zu, da Fundamentalisten moderne Kommunikationstechnologien wie das Internet sowie ebenso moderne Propagandatechniken benutzen. Trotzdem sei die Grundideologie antimodern[6]. Dem möchte ich mich anschließen. Meiner Meinung nach verhält es sich tatsächlich so, dass der amerikanische protestantische Fundamentalismus als Reaktion auf das „anything goes“ der Postmoderne eine Rückkehr zu traditionellen Werten propagiert, speziell zu einer von der klassischen Rollenteilung dominierten Familie. Der angebliche Verfall der Moral wird gern mit dem Vormarsch des Liberalismus sowie dem der Aufklärung mit ihren weltlichen und wissenschaftlichen Werten erklärt. Eine häufige Sichtweise von protestantischen Fundamentalisten ist auch, dass Amerika einst als „God’s own country“ die ausgewählte Nation gewesen, im Laufe der Zeit aber davon abgefallen sei und dorthin zurückkehren müsse.

Betrachtet man nun die Ausprägung des protestantischen Fundamentalismus, so existiert in der entsprechenden Literatur eine Vielzahl von Definitionen, die sich teilweise überschneiden. Die meiner Meinung nach treffendste formuliert der Historiker George M. Marsden: „an American fundamentalist is an evangelical who is militant in opposition to liberal theology in the churches or to changes in cultural values or mores, such as those associated with ‘secular humanism’“[7] sowie „a fundamentalist is an evangelical who is angry about something“[8]. Marsden weist selbst daraufhin, dass dies eine ziemlich klare Definition wäre, wenn man denn wüsste, was genau ein Evangelikaler sei, und fährt fort, dass Evangelikalismus heute jeden Christen einschließe, der traditionell genug sei, um die grundlegenden Überzeugungen des alten, aus dem 19. Jahrhundert stammenden Konsens zu bejahen. Diese grundlegenden Glaubensinhalte sind folgende:

- die endgültige, absolute Autorität der Bibel;
- der tatsächliche historische Charakter von Gottes rettendem Werk, das in der Bibel beschrieben wird;
- die Rettung zum ewigen Leben durch das erlösenden Werk Christi;
- die Wichtigkeit der Verkündigung des Evangeliums und von Missionen;
- die Wichtigkeit eines spirituell transformierten Lebens.

Diese Standpunkte sind zu einem großen Teil identisch mit den „Five Points Statement of Doctrine“, von denen später noch die Rede sei wird.

Meine Arbeitsdefinition von protestantischem Fundamentalismus stützt sich also zum größten Teil auf Marsden, erweitert sie jedoch um das Kriterium des Glaubens, dass die Bibel wörtlich zu nehmen sei, und lautet folgendermaßen: Ein protestantischer Fundamentalist ist jemand, der die Bibel wörtlich nimmt und sie als unfehlbar ansieht; außerdem wendet er sich in militanter Weise gegen die liberale Theologie, gegen Bibelkritik sowie gegen den Verfall der traditionellen Werte.

2. Definition des Kreationismus

Die Bezeichnung Kreationismus kommt von dem lateinischen Wort „creatio“ (Erschaffung). Kreationismus ist eine Weltanschauung, die auf der Unfehlbarkeit („inerrancy“) der Bibel und auf ihrer wörtlichen Auslegung beharrt, da die Bibel als verlässliches und direktes Wort Gottes anzusehen sei[9]. Dies bezieht der Kreationismus speziell auf die Schöpfungsgeschichte in der Bibel, nach der die Welt von Gott in sechs Tagen erschaffen worden sei. Da dem fundamentalistischen Schriftverständnis zufolge sich der Verstand in jeder Hinsicht dem Wort Gottes (= der Bibel) beugen muss, wird dieses ganz klar über wissenschaftliche Erkenntnisse gestellt. Darum steht der Kreationismus in Konflikt zum Darwinismus, zu der Evolutionstheorie und zu der Theorie des Urknalls, er lehnt aber auch die Inhalte mehrerer Naturwissenschaften ab, nämlich der Geologie, der Biologie und der Astronomie.

Es gibt fließende Abstufungen von Kreationismus. Manche Strömungen gehen von einem Schöpfer aus, über den sich nichts Näheres aussagen lasse und der deswegen bei der wissenschaftlichen Betrachtung außen vor bleiben müsse. Manche Kreationisten akzeptieren die geologische Zeitskala, andere erarbeiten eigene, der Evolutionstheorie entgegen gesetzte pseudowissenschaftliche Theorien zur Entstehung der Welt, wobei sie sich stets auf die Bibel berufen und versuchen, die Naturwissenschaft in Einklang mit ihrem Glauben zu bringen (und nicht umgekehrt). So gibt es zum Beispiel Theorien über die Sintflut und wie viel Wasser nötig gewesen sei, um die ganze Welt zu überfluten.

Außerdem existiert noch ein kleiner Kreis von ultra-orthodoxen Kreationisten, die auch als „Geozentristen“ bezeichnet werden; diese Gruppierung besteht trotz Galileo darauf, dass sich die Sonne um die Erde drehe. Sie hat allerdings kaum Einfluss und wird sogar von anderen Kreationisten aufgrund ihrer Radikalität als schädlich für die gesamte Bewegung angesehen.

Es ist also falsch, wenn von „den Kreationisten“ wie von einer homogenen Gruppe gesprochen wird. Einerseits gibt es zwar einige grundlegende Positionen, die von den meisten geteilt werden, andererseits existieren aber auch Spannungen und verschiedene Untergruppen, die sich durchaus nicht einig sind.

Diejenigen Kreationisten, von denen in dieser Arbeit die Rede sein wird, beharren auf der in der Bibel beschriebenen Erschaffung der Welt in sechs Tagen und lehnen darum die Evolutionstheorie nach Darwin ab. Sie versuchen, ihre religiös motivierten Anschauungen wissenschaftlich zu untermauern und werden deshalb in der entsprechenden Literatur manchmal als „scientific creationists“ bezeichnet.

2.1 Glaubensinhalte und Standpunkte des Kreationismus

Daraus ergeben sich folgende, grundlegende Meinungen, die der Naturwissenschaft klar widersprechen:

- das Universum sei nicht von selbst entstanden, sondern sei von Gott aus dem Nichts erschaffen worden;
- die Erde sei in sechs Tagen geschaffen worden[10];
- die Erde und das Universum seien nur einige tausend Jahre alt (oft wird von einem Alter von 6000-7000 Jahren gesprochen) und den Menschen gebe es etwa ebenso lange[11];
- alle Tier- und Pflanzenarten, auch der Mensch, hätten vom Beginn der Welt an unverändert existiert, diese Position lehnt die Evolutionstheorie und die Theorie der natürlichen Auslese nach Darwin („survival of the fittest“) inklusive der These, dass sich der Mensch aus den Menschenaffen entwickelt hat, klar ab (es wird also eine getrennte Abstammung von Mensch und Affe propagiert);
- außerdem wird angenommen, dass Adam und Eva historische Personen seien, die das erste menschliche Kind auf Erden bekommen haben;
- und schließlich wird die Geologie der Erde durch eine Katastrophentheorie erklärt, einschließlich des Auftretens einer weltweiten Flut (Sintflut).

Kreationisten verneinen, dass die darwinistische Evolution Wissenschaft ist und behaupten, dass sie lediglich eine unbewiesene Theorie darstelle, sich aber nicht auf Fakten gründe. „Evolution is not part of science because, as evolutionary biologists themselves concede, science demands proof, and, as other biologists point out, proof of evolution is not forthcoming.”[12] Kreationisten empfinden die Evolutionstheorie als ein Dogma, das unberechtigterweise als Tatsache dargestellt werde. Ihrer Meinung nach werden Kinder in den staatlichen Schulen durch den Unterricht in Evolutionstheorie gezwungen, dieses Dogma als Wahrheit zu akzeptieren, obwohl es sich auf nicht mehr wissenschaftliche Beweise berufen könne als die Bibel. Die Forderung der Kreationisten lautet deshalb, beide Modelle, die Evolution und den Schöpfungsbericht, im Unterricht der staatlichen Schulen als gleichberechtigte Alternativen präsentieren zu dürfen. Dem Grundsatz der amerikanischen Verfassung, dass staatliche Institutionen (also auch öffentliche Schulen) keine religiösen Anliegen unterstützen oder verbreiten dürfen, begegnen Kreationisten häufig mit dem Argument, dass akademische Freiheit das höchste Gut sei.

Evolutionsbiologie ist zumindest teilweise eine historische Wissenschaft, das heißt, dass sie einen in der Vergangenheit einmalig stattgefundenen Vorgang beschreibt[13]. Genau diese Tatsache wird oft von Kreationisten genutzt, indem sie argumentieren, dass die Evolution nicht empirisch bewiesen werden könnte, weil sie „untestbar“ sei, d.h. weil sie nicht mit wissenschaftlichen Methoden erreicht und auch nicht zurzeit beobachtet werden kann[14]. Diesen Argumenten begegnet der Mathematiker und Wissenschaftshistoriker Philip Kitcher mit der Aussage, dass die momentan vorhandenen Beweise zwar nicht ausreichten, um Evolution zweifelsfrei nachweisen zu können, dass sie aber überwältigend dafür sprächen und überwältigend gegen die Schöpfungstheorie. .

Ein weiterer Hauptkritikpunkt des Kreationismus an der Evolutionstheorie ist die Tatsache, dass die Wissenschaft bei einem Entwicklungsübergang von einer Art zur nächsten große Wissenslücken zugestehen muss. Die Kreationisten beharren deswegen darauf, dass es bei solchen Übergängen einen „Schöpfungsmoment“ geben müsse, der diese Lücken schließt.

[...]


[1] Dazu sei nur am Rande die deutsche Studiengemeinschaft „Wort und Wissen“ erwähnt, die hierzulande die Hauptvertretung von Kreationismus darstellt. http://wort-und-wissen.de/

[2] Hierzu sei wiederum nur als Randbemerkung die Website http://www.evolutionsschwindel.com/ genannt, die von islamischen Kreationisten betrieben wird.

[3] Für alle herangezogenen Internetquellen siehe Literaturverzeichnis.

[4] Aus: Carsten Lenz / Nicole Ruchlak, 2001.

[5] S. N. Eisenstadt, 1998, S. 84.

[6] S. N. Eisenstadt, 1998, S. 77ff.

[7] George M. Marsden, 1991, S.1.

[8] Ebenda.

[9] Allerdings gibt es hier einen Streitpunkt, ob die Bibel das Wort Gottes ist oder es enthält. Vergleiche Erich Geldbach, 2001, S. 51ff.

[10] Manche der gemäßigteren Kreationisten gestehen ein, dass der Begriff „Tag” nicht unbedingt als 24-Stunden-Abschnitt gesehen werden müsse, sondern auch eine andere Bedeutung haben könne.

Vergleiche Erich Geldbach, 2001, S. 142-146.

[11] „Adam was created 4004 B.C. About 6000 years ago“, Charlie Liebert,

www.sixdaycreation.com/cgi-bin/jump.cgi

[12] Philip Kitcher, 1982, S. 31.

[13] Vergleiche Martin Mahner, 1986, S. 39ff.

[14] “Since ‘[n]either evolution nor creation is accessible to the scientific method, both can aptly be described as ‘religion’’ ”, Henry M. Morris 1974, zitiert nach: Philip Kitcher, 1982, S. 55. Vergleiche auch Philip Kitcher, 1982, S. 38ff.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Kreationismus in den USA
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Sozialwissenschaften)
Veranstaltung
Proseminar: Fundamentalismus
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
22
Katalognummer
V56705
ISBN (eBook)
9783638513258
ISBN (Buch)
9783638744973
Dateigröße
510 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kreationismus, Proseminar, Fundamentalismus
Arbeit zitieren
Franziska Gerhardt (Autor:in), 2004, Kreationismus in den USA, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56705

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