Insbesondere die in Europa nach dem in Frankreich 2003 ausgesprochenen Kopftuchverbot für muslimische Schülerinnen an öffentlichen Schulen geführte „Kopftuchdebatte“ sorgte für vermehrte Beachtung der muslimischen Bevölkerung. In Deutsch-land gab das BVerfG 2003 den Fall der angehenden Lehrerin Fereshta Ludin, welche sich weigerte, das Kopftuch während des Unterrichts abzulegen, an die Landesparlamente ab. Bis dato sprachen sich sechs Landesparlamente für ein Verbot des Kopftuchtragens von Lehrerinnen aus.
Viele europäische Gesellschaften werden sich öffentlich wie auch politisch verstärkt ihrer nationalen Minderheiten bewusst. Zumeist werden hierbei Problematiken im Zusammenhang mit Integration und der öffentlichen Wahrnehmung von Menschen mit Migrationshintergrund debattiert. In solchen gesellschaftlichen Spannungsfeldern erkennt man die Notwendigkeit für sachlichere und vermehrt akademischere Diskussionen, welche sich mit den neuen multikulturellen Gegebenheiten befassen und nach adäquaten Lösungen suchen, um den demographischen und ethnischen Veränderungen zu begegnen.
Solche normativen Grundentscheidungen bezüglich des Verhältnisses von Staat und Religion, wie sie in der Kopftuchdebatte in Frankreich oder auch Deutschland getroffen wurden, betreffen die Chancen und Grenzen kultureller Pluralisierung einer Gesellschaft. Norwegen hat in ähnlich geführter Debatte eine der französischen entgegengesetzte Entscheidung getroffen und gegen ein Kopftuchverbot votiert. Norwegen ist eine sehr junge Nation, welche erst 1905 gegründet wurde. Sie setzt sich stark für Menschenrechte und Prinzipien der Nicht-Diskriminierung ein. Doch Norwegen ist ebenso ein Staat mit einer christlichen Staatskirche. Seit den siebziger Jahren muss sich auch Norwegen der Situation stellen, ein Einwanderungsland zu sein und sich mit religiöser Pluralität zu befassen. Ausgehend von der historischen und soziokulturellen Gesamtsituation soll diese Arbeit am Beispiel von Norwegen aufzeigen, inwieweit sich die Beziehungen von Christen und Muslimen entwickelt haben. Ich werde diese Thematik anhand des veränderten Selbstverständnisses dieser noch sehr jungen Nation diskutieren und den Schwerpunkt auf Religion in der Schule und das Verhältnis zwischen Staat und Religion und damit einhergehende Debatten und Problematiken setzen, um daraufhin die Kopftuchdebatte einzubeziehen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Multiethnizität in Norwegen
- Historie und Demografie - Einwanderung in Norwegen
- Selbstverständnis einer Nation
- Zentralität von Gender-Thematik in der Norwegischen Gesellschaft
- Religion und Kirche in Norwegen
- Die Lutherisch-Evangelische Staatskirche - Ein Historischer Überblick
- Organisierte Religion
- Religionsunterricht an Schulen
- Reformprozess des Staatskirchen-Systems
- Pro und Contra der Kopftuchdebatte in Norwegen
- Der Human Rights Service und Hege Storhaug
- Das Gleichstellungszentrum und Long Litt Woon
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die sich entwickelnden Beziehungen zwischen Christen und Muslimen in Norwegen vor dem Hintergrund der zunehmenden Multiethnizität der Gesellschaft. Sie beleuchtet das veränderte Selbstverständnis der jungen Nation und analysiert die Rolle der Religion in der Schule sowie das Spannungsfeld zwischen Staat und Religion im Kontext der Kopftuchdebatte.
- Entwicklung der Beziehungen zwischen Christen und Muslimen in Norwegen
- Verändertes Selbstverständnis der norwegischen Nation
- Rolle der Religion in der Schule
- Spannungsfeld zwischen Staat und Religion
- Kopftuchdebatte in Norwegen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die aktuelle Debatte um Islam und Kopftuch in Europa, wobei Norwegen als Beispiel für einen anderen Umgang mit dieser Thematik herangezogen wird.
Kapitel 2 geht auf die Geschichte der Einwanderung in Norwegen ein. Es wird die Entwicklung der multiethnischen Gesellschaft sowie die Bedeutung von Gender-Thematik für das norwegische Selbstverständnis betrachtet.
Kapitel 3 behandelt die Geschichte der lutherisch-evangelischen Staatskirche in Norwegen und untersucht die Rolle der Religion in der Schule. Der Schwerpunkt liegt auf dem Reformprozess des Staatskirchen-Systems und der aktuellen Kopftuchdebatte in Norwegen.
Schlüsselwörter
Multiethnizität, Norwegen, Einwanderung, Selbstverständnis, Nation, Religion, Kirche, Schule, Kopftuch, Integration, Kultur, Gesellschaft, Debatte, Staat, Menschenrechte, Pluralismus, Islam, Christen, Muslime.
- Quote paper
- Birgit George (Author), 2005, Multiethnizität in Norwegen. Das Selbstverständnis einer Nation im Wandel, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56916