Die Stalin-Note 1952: Ernsthaftes Angebot zur Wiedervereinigung oder taktisches Manöver?


Seminararbeit, 2001

14 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Gliederung

I. Einleitung: Die Stalin-Note 1952

II. Positionen zur Stalin-Note

III. Kritische Betrachtung der Diskussion und Einschätzung

Literaturverzeichnis:

Die Stalin-Note 1952:

Ernsthaftes Angebot zur Wiedervereinigung

oder taktisches Manöver?

I. Einleitung: Die Stalin-Note 1952

In jedem Geschichtsbuch in der Bundesrepublik Deutschland mit einem Kapitel über den Neubeginn nach 1945 und den Anfang der 50er Jahre taucht die Stalin-Note von 1952 auf. Folglich kam sie jedem/r in der Schülerschaft schon einmal unter, auch wenn die Erklärung dazu nicht immer sehr ausführlich war. In der Erinnerung an meinen Leistungskurs Sozialkunde/Geschichte glaube ich, dass dieses Thema damals nur ganz kurz behandelt wurde. Der Geschichtslehrer erklärte, dass es sich bei der Stalin-Note 1952 um einen Propagandatrick der Sowjetunion gehandelt hat, mit dem Stalin versuchte die Bundesrepublik Deutschland vom Eintritt in die Europäische Verteidigungsgemeinschaft {EVG} und westliche Strukturen und Bündnisse abzuhalten. Als wahres Glück schien es den meisten Schülern, dass Adenauer diesen Trick gleich erkannt und sich auf keine Verhandlungen mit der Sowjetunion eingelassen hat. Diese Erklärung schien logisch und angesichts der drängenden Fülle an weiterem Material und dem Lehrplan, wurde eine Diskussion über die Ernsthaftigkeit der Note gar nicht in Erwägung gezogen. Besonders im Rückblick stellen sich da viele Fragen nach der möglichst objektiv richtigen historischen Interpretation, auch wenn Objektivität und Richtigkeit im Bezug auf historische Ereignisse gerader solcher unklarer Vorgänge wie der Stalin-Note wohl nicht erreichbar sind.

So stellen sich Fragen, zum Beispiele, ob es nicht unter anderem Ziel des Unterrichts war, zu verheimlichen, dass der erste Bundeskanzler, Dr. Konrad Adenauer, als erzkatholischer ehemaliger Kölner Oberbürgermeister aus den Reihen der Zentrums-Partei in der Weimarer Republik, schon damals gegen den berlinerischen Zentralismus eingestellt, und damalige Vorsitzende der Christlich-Demokratischen-Union {CDU} mehr Interesse an der Westbindung der Bundesrepublik als der Wiedervereinigung hatte?

Für die Diskussion um die Stalin-Note sind die politische Situation Anfang der 50er Jahre in der Bundesrepublik Deutschland, die Führungselite der Bundesrepublik insbesondere der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer sowie die Interessen der drei West-Alliierten besonders relevant.

Was wollte Stalin mit diesen Noten erreichen, in denen, in „allerdings vagen und mehrdeutigen Begriffen, die Möglichkeit eines vereinten Deutschland mit neutralem Status in Aussicht gestellt wurde“ (Eppelmann 1996: S.163)? Lag Adenauer mit seiner Einschätzung richtig, dass Stalin nicht daran dachte, die DDR unter der Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands {SED} zur Disposition zu stellen? Oder wollte die Sowjetische Führung damals nur die sich abzeichnende Westbindung der Bundesrepublik Deutschland verhindern oder aufschieben? Waren die Sowjets bereit den Deutschen die Selbstbestimmung {und damit die Einheit} und Freiheit zu gewähren? Was brachte die Sowjetunion, deren Volk am meisten unter dem Krieg der Hitler-Diktatur gelitten hatte, dazu, sogar vorzuschlagen, dass „allen ehemaligen Angehörigen der deutschen Armee, einschließlich der Offiziere und Generale, allen ehemaligen Nazis, [...] die gleichen bürgerlichen und politischen Rechte wie allen anderen deutschen Bürgern gewährt werden zur Teilnahme am Aufbau eines friedliebenden, demokratischen Deutschland“ (Jäckel 1957: S.24)?

Bundeskanzler Adenauer setzte sich 1952 heftiger Kritik der Opposition im Bundestag aus, weil er bei den West-Alliierten nicht darauf gedrängt hatte, mit Stalin zumindest Gespräche aufzunehmen, um das Angebot aus der sogenannten März-Note genauer zu erkunden. Das Erkenntnisinteresse beruht auf der Frage: Wurde damals eine Chance zur Wiedervereinigung verpasst?

Die Frage nach der Wiedervereinigung ist spannend, denn sie hat die Deutschen angesichts der 40jährigen Teilung bewegt wie kaum eine andere Frage. Nicht nur für die Wissenschaft, sondern für breite Masse ist diese Frage daher interessant und hat daher auch immer wieder zu Diskussionen geführt, die noch nicht beendet sind – und wohl niemals beendet werden. Spannung liegt in der Luft, wenn man versucht sich vorzustellen, was bei einer Wiedervereinigung schon 1952 gewesen wäre. Hätten wir uns die DDR und damit Unfreiheit für viele Millionen Deutsche ersparen können?

Im Folgenden möchte ich versuchen die beiden Positionen in der seit damals anhaltenden Diskussion darzustellen. Aus dem historischen Blick fast 50 Jahre später ergeben sich andere Dimensionen und Möglichkeiten der empirisch analytischen Herangehensweise, vor allem angesichts der Tatsache, dass die Sowjetunion nicht mehr existiert. Dies öffnete nicht nur den Zugriff auf Archive, sondern erlaubt auch einen tieferen Einblick in das System. Daraus ergeben sich vielleicht interessante Analyseeinheiten zum Weiterverfolgen. Ich habe für den Ansatz der Analyse der unterschiedlichen Positionen die beiden Autoren, Gerhard Wettig und Wilfried Loth, ausgewählt, weil ihre Positionierung nach dem Ende des Kalten Krieges unter Berücksichtigung russischer Quellen. Die beiden Werke sind 1994 erschienen, während sich der Zeithistoriker Rolf Steininger Mitte der 80er Jahre aufgrund britischer und amerikanischer Quellen in die Diskussion einmischte.

Mir stellt sich daher die Frage, ob das Angebot ernst gemeint war oder nicht.

Die Arbeitshypothese lautet, dass es 1952 eine reelle Chance zur Wiedervereinigung gegeben hat, die von den Westmächten und Adenauer aber nicht weiter ausgelotet wurde.

Ziel ist es in Anbetracht der Erkenntnisse diese Arbeitshypothese zu verifizieren oder zu verwerfen, und entsprechend zu kommentieren.

II. Positionen zur Stalin-Note

1) Stalins Botschaft an die drei West-Alliierten

Die sogenannte Stalin-Note wurde den Botschaftern der Westalliierten, also der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs, in Moskau von der sowjetischen Regierung überreicht. Diese Note enthielt unter anderem folgende Angebote:

1. Wiederherstellung Deutschlands als einheitlicher Staat, und zwar in den Grenzen, „die durch die Beschlüsse der Potsdamer Konferenz der Großmächte festgelegt wurden.“
2. Selbstverpflichtung Deutschlands, „keinerlei Koalitionen oder Militärbündnisse einzugehen, die sich gegen irgendeinen Staat richten, der mit seinen Streitkräften am Krieg gegen Deutschland teilgenommen hat“.
3. Abzug sämtlicher Besatzungstruppen spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten des Friedensvertrages, an dessen Vorbereitung eine gesamtdeutsche Regierung teilnehmen sollte.
4. „[...] eigene nationale Streitkräfte {Land-, Luft und Seestreitkräfte} [...], die für die Verteidigung des Landes notwendig sind.“
5. Eigene Rüstungsproduktion für diese Streitkräfte.
6. Keinerlei Beschränkung der Friedenswirtschaft, des Handels, der Seeschifffahrt und des Zutritts zu den Weltmärkten.
7. Freie Betätigung für demokratische Parteien und Organisationen.
8. Gleichberechtigte Teilnahme aller ehemaligen Angehörigen der deutschen Armee und Nazis {mit Ausnahme verurteilter Kriegsverbrecher} am Aufbau eines friedliebenden, demokratischen Deutschland.

[Zitiert nach: Steininger, 1985 #1: S.9]

2) Gerhard Wettig: Ein Trick als Versuch der Sowjetunion, um die Verankerung der BRD im Westen zu verhindern

Im Sammelband „Die Deutschlandfrage von der staatlichen Teilung Deutschlands bis zum Tode Stalins“ beschreibt Gerhard Wettig in seinem Aufsatz „Die Deutschland-Note vom 10.März 1952 nach sowjetischen Akten“, warum seiner Meinung nach Stalins Angebot zur Wiedervereinigung nichts Neues als Verhandlungsgrundlage brachte. Wettigs sieht seinen Beitrag als Antwort auf Historiker, die der „Ansicht [sind], dass die Note eine Ost-West-Veränderung über die Wiederherstellung eines einheitlichen Deutschland avisiert habe“. Wettig kritisiert deren Beweisführung als schwach, da ihr nur britische und amerikanische Unterlagen zu Grunde liegen, also ausschließlich westlich orientiert ist. Wettig stellt dagegen fest: „Der Umstand jedoch, dass Adenauer und/oder seine Partner nicht willens waren, für ein demokratisches Gesamtdeutschland den Preis einer Neutralisierung des westdeutschen Gebietes zu zahlen, und im übrigen fürchteten, der sowjetische Führer könne dies mit der Note im Sinn haben, lässt noch keinen sicheren Rückschluss auf die Existenz des vermuteten Angebots“.

[...]

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Die Stalin-Note 1952: Ernsthaftes Angebot zur Wiedervereinigung oder taktisches Manöver?
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Otto-Suhr-Institut)
Veranstaltung
Das geteilte Berlin 1948-1989 (PS)
Note
2,0
Autor
Jahr
2001
Seiten
14
Katalognummer
V57114
ISBN (eBook)
9783638516433
ISBN (Buch)
9783656515135
Dateigröße
471 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Stalin-Note, Ernsthaftes, Angebot, Wiedervereinigung, Manöver, Berlin
Arbeit zitieren
Dipl. Pol. Tobias Raschke (Autor:in), 2001, Die Stalin-Note 1952: Ernsthaftes Angebot zur Wiedervereinigung oder taktisches Manöver?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57114

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