Theodor Fontane begann mit seiner Arbeit an der Novelle L’Adultera im Dezember 1879. Bereits im April des folgenden Jahres schloss er die Korrekturen an seinem ersten Entwurf mit dem Titel „Melanie van der Straaten“ ab. Dieser relativ kurze Entstehungszeitraum wird heute darauf zurückgeführt, dass langwierige Vorstudien und die Auswertung historischer Quellen - im Gegensatz zu anderen Werken Fontanes - nicht notwendig gewesen seien. Vorlage für die Novelle bildete der zeitgenössischer Ehebruchsskandal von 1874 in der Berliner Gesellschaft um die Industriellenfamilie Ravené. Therese Ravené verließ ihren Ehemann und die gemeinsamen drei Kinder und flüchtete mit ihrem Geliebten dem Bankier Gustav Simon. Fontane wurde auf den Skandal aufmerksam durch einen Artikel im Juni 1879 in der Vossischen Zeitung.
Umso schwieriger gestaltete sich die Suche nach einem geeigneten Verleger. Ein Vorabdruck erschien im Juni und Juli 1880 in der Monatzeitschrift „Nord und Süd“,aber erst zwei Jahre später wurde die Novelle als Buch im Verlag Schottländer verlegt, zu groß waren die Entrüstung und die moralischen Bedenken. Ähnliche Schwierigkeiten bereitete die Wahl des Titels. Während Fontane ursprünglich den Namen der Hauptgestalt „Melanie van der Straaten“ als Titel vorgesehen hatte, drängte sein Verleger Schottländer auf eine Änderung in L’Adultera. Fontanes Bedenken gegenüber diesem Titel bezogen sich auf die noch lebende Person, deren Geschichte verschlüsselt erzählt sollte. Gleichzeitig wirkt der Titel typisierend und verallgemeinernd. Die endgültige Wahl fiel auf L’Adultera und spricht damit explizit das Kunstobjekt als ein Leitmotiv der Erzählung an die Tintorettokopie, die die biblische Geschichte der Ehebrecherin und Christus darstellt und von der aus, sich das Geschehen weiterentwickelt.
Inhaltsverzeichnis
- I. Analyse und Interpretation
- 1.1 Zur Editions— und Entstehungsgeschichte
- 1.2 Kurze Inhaltsangabe
- 1.3 Zum strukturellen Aufbau der Novelle
- 1.3.1 Zum Textaufbau
- 1.3.2 Figurenkonstellation
- 1.4 Zu den inhaltlichen Aspekten
- 1.4.1 Zeitroman oder psychologische Studie
- 1.4.2 Zum Aspekt der Kunst in Fontanes L 'Adultera
- II. Didaktische Umsetzung
- 2.1 Planung einer Unterrichtssequenz
- 2.1.1 Richtziele
- 2.1.2 Grobziele
- 2.1.3 Vorschlag einer Stundensequenz zur Novelle L 'Adultera von Theodor Fontane
- 2.1 Planung einer Unterrichtssequenz
- 3 _ Zusammenfassung
- 4 _ Bibliographie
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert und interpretiert Theodor Fontanes Novelle L 'Adultera. Im Fokus steht die literarische Analyse und Interpretation des Textes sowie die Entwicklung einer möglichen Stundensequenz zur Behandlung der Novelle im Deutschunterricht der gymnasialen Oberstufe. Die Arbeit soll einen Einblick in die Thematik des Ehebruchs und die gesellschaftlichen Konventionen des 19. Jahrhunderts bieten, insbesondere im Kontext der Berliner Gesellschaft. Darüber hinaus werden die Stärken und Schwächen von Fontanes Novelle in Bezug auf seine literarische Charakterisierungskunst und seinen Erzählstil beleuchtet.
- Die Rolle des Ehebruchs als Konfliktpunkt in der Gesellschaft
- Die gesellschaftlichen Konventionen und Normen des 19. Jahrhunderts
- Die Darstellung von Frauengestalten und deren Emanzipation
- Die literarische Analyse und Interpretation von Fontanes Novelle
- Die didaktische Umsetzung der Novelle im Deutschunterricht
Zusammenfassung der Kapitel
Die ersten vier Kapitel der Novelle L 'Adultera widmen sich der Einführung der Familie van der Straaten, ihrer Lebensumstände und ihrem sozialen Umfeld. Bereits im ersten Kapitel wird Ezechiel van der Straaten als ein Geschäftsmann dargestellt, der zwar im wirtschaftlichen Bereich erfolgreich ist, aber in der Gesellschaft aufgrund seiner „Vorliebe für drastische Sprüchwörter und heimische ,geflügelte' Worte" (3) nicht gut angesehen ist. Er ist ein Mann, der an Altbewährtem festhält und Veränderungen ablehnt. Melanie van der Straaten, seine Frau, wird als eine Vereinigung aller Vorzüge französischer Wesen beschrieben, gleichzeitig werden aber auch mögliche Schwächen angedeutet. Der Altersunterschied zwischen den Eheleuten wird explizit erwähnt und deutet auf ein mögliches Konfliktpotential hin. Der letzte Satz des ersten Kapitels kann als eine Andeutung des späteren Geschehens gewertet werden: „Aber während die Augen der Mutter immer lachten, waren die der Tochter ernst und schwermütig, als sähen sie in die Zukunft" (5). Die Anspielung auf Gutzkows Trauerspiel Uriel Acosta lässt jedoch vermuten, dass die Novelle kein tragisches Ende nehmen wird.
Das zweite Kapitel trägt den Namen L 'Adultera und beschreibt, wie die Gemäldekopie in das Haus van der Straaten gelangt. Die darauf folgenden Kapitel stellen weitere Figuren der Novelle vor, wobei der allwissende Erzähler sich weitgehend zurückhält und die Figuren gewissermaßen für sich selbst sprechen lässt. Im fünften Kapitel kommt es zu einer ersten Schlüsselszene: „Bei Tisch" (23). An dieser Stelle wird die Diskrepanz zwischen dem Individuum und der Gesellschaft deutlich. Van der Straaten stößt mit seiner Sprache auf wenig Verständnis und wird als ungehobelt und rücksichtslos empfunden, so dass Melanie sich für seine Außerungen schämt. Ihre Scham und ihre Unzufriedenheit in der Ehe treiben sie in die Arme des jungen Lieutenant Rubehn, der in Kapitel sieben in das van der Straatensche Haus und somit das Geschehen eintritt.
Die folgenden Kapitel beleuchten die wachsende Vertrautheit zwischen Melanie und Rubehn. Es werden immer wieder Hinweise gegeben, die einerseits auf die Affäre, andererseits aber auch auf die Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft verweisen. Melanie wirft in „Auf der Stralauer Wiese" einen großen Ball ihrem Mann zu, zielt aber nicht genau genug und trifft stattdessen Rubehn (vgl. 54). Die Zeichen mehren sich und werden selbst für Ezechiel nicht mehr übersehbar, wie die folgende Textstelle deutlich macht: „[...] aber enfin, ein Mann müsse nicht bloß gut sein, ein Mann müsse seine Frau verstehen. Darauf komm' es an, sonst sei die Ehe niedrig: so niedrig, mehr als niedrig. Und dann seufzt er zum dritten Mal." (60). Die ehebrecherische Gemeinschaft von Melanie und Rubehn verdeutlicht im zehnten Kapitel mit dem programmatischen Titel „Wohin treiben wir?" das Bild, das „beide in einem Boot sitzen".
Im elften Kapitel kommt es zur körperlichen Vereinigung der Geliebten und damit zum Höhepunkt der Affäre im Kapitel „Unter Palmen" (81). Der konkrete Ehebruch wird zwar wieder nur angedeutet und nicht explizit berichtet, dennoch lassen Textstellen wie „[...] dabei war es. Als ob hunden Geheimnisse sprächen, und Melanie fühlte, wie dieser berauschende Duft ihre Nerven hinschwinden machte." (82) oder „[...] aber diese weiche, schlaffe Luft machte sie selber weich und schlaff und die Rüstung ihres Geistes lockerte sich und löste sich und [...] und sie flüsterten Worte: so heiß und so süß, wie die Luft, die sie lassen [...]" (82) nur wenige Zweifel an dem Verhältnis zwischen Rubehn und Melanie. Die Liebschaft wird für die Gesellschaft offensichtlicher, wie der Ausspruch der Freundin Anastasia verdeutlicht: „'Und du wunderst dich über Kopfschmerz? Man wandelt nicht ungestraft unter Palmen.' Melanie wurde rot bis an die Schläfe." (83). Die gemeinsame Liebesnacht hat Auswirkungen auf die weiteren Ereignisse und die Ehe der van der Straatens, wie der Schlusssatz des elften Kapitels zeigt: „[...] von diesem Tag an datiert sich eine neue Ära des Hauses van der Straaten." (84).
Ezechiel van der Straaten deutet die Zeichen nicht richtig, denn „In der Tat, unser kommerzienrätlicher Freund hätte bei mehr Aufmerksamkeit und wenige Eigenliebe stutzig werden müssen." (87). „In seiner Scharfsicht oft übersichtig und Dinge sehend, die gar nicht waren, übersah er ebenso oft andere, die klar zutage lagen." (87). Während van der Straaten das Verhältnis seiner Frau nicht sieht oder nicht sehen will, muss Melanie sich die Folgen ihres Ehebruchs eingestehen. Am Ende des Kapitels wird das Motiv der „gefallenen Frau" (89) aufgegriffen, um die Untreue Melanies zu verdeutlichen. Schließlich muss sie ihrem Mann ihre Affäre und deren Folge - eine Schwangerschaft - offenbaren. Entgegen den Vorschlägen ihres Ehemannes entschließt sich Melanie nicht, die eheliche Gemeinschaft aufrecht zu erhalten, sondern flieht mit ihrem Geliebten, Rubehn, in Richtung Süden nach Rom.
Die Kapitel „Entschluß" (107), „Die Vernezobres" (109) und „Abschied" (111) thematisieren die Entscheidung Melanies für ihr persönliches Glück, das sie mit Rubehn gefunden zu haben scheint. Dafür verzichtet sie gleichzeitig auf den Reichtum und die finanzielle Sicherheit, die ihr Ezechiel während der Ehe gegeben hat. Auf diese ökonomischen Bedenken macht sie ebenso das Hausmädchen Christel mit ihrer Bemerkung „Jott, der Mensch gewöhnt sich an alles. Und wenn man reich ist und hat so viel, da kann man auch viel aushalten." (96) aufmerksam. Melanie entscheidet sich aber bewusst gegen die Konvenienzehe und für ihre individuelle Erfüllung. „So verwöhnt: willst du sagen. Ja, Christel, das bin ich. Aber Verwöhnung ist kein Glück. Ihr habt ein Sprichwort: ,Wenig mit Liebe.' Und die Leute lachen darüber. Aber über das Wahrste wird immer gelacht." (95). Diese Textstelle macht deutlich, dass Melanie sich durchaus darüber im Klaren ist, welche gesellschaftliche und finanzielle Stellung sie aufgibt. Andererseits kommt ihr Drang nach Glück, wahrer Liebe und Erfüllung zum Ausdruck.
Genauso wie Christel versucht Ezechiel, seine Frau von ihrer Flucht abzuhalten. „Er schob ein Fauteuil an das Feuer, ließ sich nieder, so dass er jetzt Melanie gegenübersaß, und sagte leicht und geschäftsmäßig: 'Du willst fort, Melanie?'" (99). Dieser sachliche Ausspruch offenbart explizit Ezechiels Haltung in der Ehe, die er lediglich als ein Geschäft betrachtet. Im weiteren Verlauf des Gesprächs wird ebenso seine Haltung gegenüber Frauen angesprochen:
„Und ich sage dir, es geht vorüber, Lanni. Glaube mir, ich kenne die Frauen. Ihr könnt das Einerlei nicht ertragen: auch nicht Einerlei des Glücks. Und am verhaßtesten ist euch das eigentlich, das höchste Glück: das Ruhe bedeutet [...] Ihr wollt gar nicht ruhen. Es soll euch immer was kribbeln und zwicken: und ihr habt den überspannt sinnlichen oder meinetwegen auch den heroischen Zug: dass ihr dem Schmerz die süße Seite abzugewinnen wisst." (99)
Dass Ezechiel mit seiner Kenntnis von Frauen Unrecht hat, beweist die Reaktion Melanies, die sich trotz dieser Worte für eine Zukunft mit Rubehn entscheidet. „Es soll klar zwischen uns werden. Ich habe diese schnöde Lüge satt. [...] Und wenn ich's nicht bin, so bild ich es mir wenigstens ein." (101). Damit weist Melanie zugleich van der Straatens Einwände, dass es sich bei der Affäre nur um eine weibliche Laune handelt, zurück. „'Du meinst es gut, Ezel', sagte sie. 'Aber es kann nicht sein. Es hat eben alles eine natürliche Konsequenz, und die, die hier spricht, die scheidet uns.'" (103). Melanie ist bereit, sich zu ihrer Schuld zu bekennen und die Folgen ihres Handels zu tragen. Damit emanzipiert sie sich von der passiven Rolle, die sie standesgemäß als Ehefrau van der Straatens gewohnt war.
Melanie ist bereit, sich zu ihrer Schuld zu bekennen und die Folgen ihres Handels zu tragen. Damit emanzipiert sie sich von der passiven Rolle, die sie standesgemäß als Ehefrau van der Straatens gewohnt war. „[...] Ich will fort, nicht aus Schuld, sondern aus Stolz, und will fort, um mich vor mir selber wieder herzustellen. [...] ich will wieder klare Verhältnisse sehen und will wieder die Augen aufschlagen können. Und das kann ich nur: wenn ich gehe: wenn ich mich von dir trenne und mich offen und vor aller Welt zu meinem Tun bekenne. [...] Ich will wieder in Frieden mit mir selber leben: und wenn nicht in Frieden, so doch wenigstens ohne Zwiespalt und zweierlei Gesicht." (104). In dieser Passage wird deutlich, wie sich Melanie vom stereotypen Klischee der schwachen Frau distanziert und ihr Schicksal in ihre eigenen Hände nimmt. Nur durch ihre eigene Tatkraft und Entschlossenheit gelingt es ihr, aus der vermeintlichen Idylle in der Ehe mit Ezel van der Straaten auszubrechen.
Mit der Verwirklichung ihres individuellen Glücksanspruchs distanziert sie sich zumindest vorübergehend von der Gesellschaft und den herrschenden Traditionen und Konventionen. Ihre spätere Rückkehr nach Berlin, die gewohnte Umgebung mit ihren Freunden und Bekannten, kann wiederum als ein Versuch der Reintegration gewertet werden. Folglich stellen die gesellschaftlichen Normen teilweise eine Bürde für das Individuum dar. Dem gegenüber steht allerdings das glückliche Ende der Novelle, d.h. die erneute Integration der Rubehns in die Berliner Gesellschaft.
Man kümmerte sich wieder um sie: ließ sie gesellschaftlich wieder aufleben: und selbst solche, die bei dem Zusammenbrechen der Rubehnschen Finanzherrlichkeit nur Schadenfreude gehabt und je nach ihrer klassischen oder christlichen Bildung und Anlage von „Nemesis" oder „Finger Gottes" gesprochen hatten, bequemten sich jetzt, sich mit dem hübschen Paar zu versöhnen: [...] (142). Die Wiederaufnahme Melanies und Ebenezer in die Berliner Gesellschaft am Ende der Novelle verdeutlicht die Hoffnung auf die Versöhnlichkeit und Toleranz der Gesellschaft. Dennoch endet die Erzählung nicht für alle Figuren glücklich. Während Melanie erfolgreich eine neue Familie gründet, bleiben van der Straaten und die beiden Töchter zurück. Aus Sicht der Verlassenen nimmt die Novelle somit ein weniger glückliches Ende.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den Ehebruch, die gesellschaftlichen Konventionen des 19. Jahrhunderts, die Emanzipation von Frauen, die Berliner Gesellschaft und die literarische Analyse von Fontanes Novelle L 'Adultera. Die Arbeit beleuchtet die Problematik des Ehebruchs im Kontext der Zeit und die Folgen für die beteiligten Personen. Besonderes Augenmerk wird auf die Entwicklung der Protagonistin Melanie van der Straaten gelegt, die sich gegen die gesellschaftlichen Erwartungen durchsetzt und ihren individuellen Glücksanspruch verwirklicht. Darüber hinaus werden die Stärken und Schwächen von Fontanes Novelle in Bezug auf seine literarische Charakterisierungskunst und seinen Erzählstil analysiert.
- Quote paper
- Anja Reiff (Author), 2003, Theodor Fontanes 'L'Adultera': Eine Analyse und Interpretation sowie ein Entwurf einer Stundensequenz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57269
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