Stereotype in der soziologischen und soziolinguistischen Forschung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

24 Seiten, Note: gut


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Definition des Stereotypenbegriffs
2.1. Der Lippmannsche Stereotypenbegriff in den Sozialwissenschaften
2.2. Abgrenzung der Begriffe ‚Vorurteil’ und ‚Stereotyp’
2. 3. Stereotyp in der Linguistik
2.3.1. Wertende Stereotype
2.3.2. Normative Stereotype

3. Soziologischer Aspekt des Stereotyps
3.1. Die Entstehung und das Erlernen von Stereotypen
3.2. Ethnozentrismus
3.3. Gruppenaspekte

4. Funktionen von Stereotypen
4.1. Kognitive Kategorisierung
4.2. Soziale Funktionen
4.3. Psychische Funktionen

5. Schlussbetrachtung

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Stereotype als Bestandteile des menschlichen Denkens, Sprechens und Handelns sind seit der Einführung des Begriffs in den zwanziger Jahren ein Interessenpunkt für verschiedene Disziplinen, wie etwa für Sozialpsychologie, Soziologie, Psychologie, Linguistik und Literaturwissenschaft, was natürlich zur Folge hat, dass der Begriff und seine Definition stark umstritten wird.

Die vorliegende Arbeit wird sich mit verschiedenen Aspekten des Stereotypenbegriffs aus der Sicht verschiedener Disziplinen, jedoch hauptsächlich aus (sozio-)linguistischer Perspektive, befassen. Dies ist ein Versuch einen Querschnitt von diversen Stereotypenkonzepten anzubieten, doch aufgrund des begrenzten Rahmens können nicht alle Aspekte detailliert dargestellt werden.

Die Arbeit gliedert sich grundsätzlich in drei Teile. Im ersten Teil verfolgt die Arbeit das Ziel, von der Entstehungsgeschichte des Begriffs ausgehend, insbesondere die von Wenzel und Quasthoff formulierten Definitionen von Stereotyp zu vergleichen und als Grundlage für die linguistische Analyse des Begriffs darzulegen. Auch auf Gülichs Klassifizierung der Stereotype wird eingegangen. Der zweite Teil befasst sich hauptsächlich mit dem kulturellen Aspekt des Stereotyps, welcher Gegenstand der soziologischen Forschung ist, und erläutert den Entstehungsmechanismus und die Ursachen von Stereotypen, jedoch nur grob, da dies auch in Verhältnis mit den Funktionsweisen steht und im letzten Teil genauer betrachtet wird. Bei einer Arbeit von sehr begrenztem Umfang ist es einzusehen, dass viele interessante Aspekte in bezug auf Stereotype, wie z.B. der literaturwissenschaftliche Standpunkt über Stereotypen oder empirische Forschungen, nicht berücksichtigt werden können.

2. Definitionen des Stereotypenbegriffs

2.1. Der Lippmansche Stereotypenbegriff in den Sozialwissenschaften

Walter Lippmann, Publizist und Sozialwissenschaftler, entnahm den Begriff Stereotyp aus der Buchdrucksprache und verwendete ihn sozialwissenschaftlich zum ersten Mal 1922 in seinem Buch „Public Opinion“. In der Sprache des Buchdrucks bedeutet ‚Stereotypie’, so erklärt Angelika Wenzel, ein Verfahren zur Vervielfältigung von Hochdruckformen, dessen Ergebnis Schriftsätze sind, „die aus unbeweglich verbundenen Druckzeilen bestehen“.[1] Zur weiteren Bestimmung des Begriffs tragen die Gleichförmigkeit und die Unveränderlichkeit der in diesem Verfahren entstandenen Sätze bei. Der Begriff Stereotyp wird seit dem 19. Jh. auch in übertragener Bedeutung von ‚feststehend’, ‚unveränderlich’, ‚sinnentleert’ und ‚ständig wiederkehrend’ gebraucht.[2] Die eigentliche Verwendung dieses Begriffs in der Sozialwissenschaft geht jedoch über die umgangssprachliche Verwendung hinaus. Lippmann führt diesen Begriff ein, um damit die Prozesse der sozialen Urteilsbildung zu benennen. „Er versteht das Stereotyp als ein rationelles Verfahren des Individuums zur Reduktion der Komplexität seiner realen Umwelt.“[3]

Der Lippmannsche Stereotypenbegriff wird von verschiedenen Autoren in ähnlicher Interpretation aufgegriffen. Die Sozialpsychologin Waldemar Lilli bemerkt, ebenso wie andere Autoren, dass Lippmann Stereotype als ‚Bilder in unserem Kopf’ bezeichnet, mit denen er die Vorstellungen meint, die wir über die äußere Welt haben, die aber mit der wirklichen Welt nicht übereinstimmen müssen, jedoch unser Verhalten stärker beeinflussen als die wirklich bestehenden Bedingungen. In dem er die ‚Pseudo-Welt’ bzw. die ‚Bilder in unserem Kopf’ und die äußere, wirkliche Welt grundlegend voneinander trennt, weist Lippmann, so interpretiert Lilli, auf den Zwiespalt zwischen den inneren Vorgängen des Wahrnehmens und Denkens und den äußeren Vorgängen in der Umwelt hin, sowie darauf, dass die im Kopf entstehenden Bilder Vorstellungen sind, die noch vor der wirklichen Erfahrung entstehen.[4] Die Grundlage für das menschliche Handeln ist also nicht die Welt so wie sie in der Wirklichkeit existiert, sondern die Welt so wie wir sie kennen.

Angelika Wenzel erklärt den Stereotypenbegriff bei Lippmann in ähnlicher Weise als Bezeichnung für Konzepte, mit denen man die äußere Welt wahrnimmt und interpretiert. Diese Konzepte der Wahrnehmung sind von der Kulturgemeinschaft vorgeprägt und werden dem Individuum z.B. durch bildende Kunst, Literatur, Philosophie, Erziehung und Religion als Denkschemata vermittelt.

Folgendes Zitat von Lippmann belegt die Aussagen von Lilli und Wenzel:

We do not first see and then define, we define first, and then see. In the great blooming, buzzing confusion of the outer world we pick out what our culture has already defined for us, and we tend to perceive that which we have picked out in the form stereotyped for us by our culture.[5]

Also ist der Prozess der Stereotypisierung als wichtiger Wahrnehmungs- und Kategorisierungsprozess für die Ermöglichung einer erfolgreichen Bewältigung der äußeren Welt zu verstehen.

Eine andere Interpretin des Lippmanschen Stereotypenbegriffs, Uta Quasthoff, weist auf weitere Aspekte seiner Definition hin. Stereotype sind, so zitiert sie Lippmann, „ein geordnetes mehr oder minder beständiges Weltbild, dem sich unsere Gewohnheiten, unser Geschmack, unsere Fähigkeiten, unser Trost und unsere Hoffnung angepaßt haben. Sie bieten vielleicht kein vollständiges Weltbild, aber sie sind das Bild einer möglichen Welt, auf das wir uns eingestellt haben.“[6] In diesem Sinne stellen Stereotype ein System von Einstellungen, Meinungen und Überzeugungen dar, das die Wahrnehmung strukturiert und selektiv steuert.[7]

Wenzel führt aus, dass laut Lippmann Stereotype nicht neutral sind, sondern sowohl positive, als auch negative Funktionen erfüllen. Stereotype haben die positive Funktion der Verteidigung; das bedeutet, dass der Mensch durch Orientierung und Kategorisierung seinen eigenen Platz in der Gesellschaft bestimmt. Ohne Stereotype wäre man also nicht imstande in der Welt zurecht zu kommen. Darüber hinaus sparen Stereotype Zeit und Mühe beim menschlichen Handeln. Sie erfüllen also eine ökonomische Funktion:

[...]


[1] Wenzel: Stereotype in gesprochener Sprache, S. 19.

[2] Siehe: Duden. Fremdwörterbuch.

[3] Heringer: Interkulturelle Kommunikation, S. 198.

[4] Lilli: Grundlagen der Stereotypisierung, S.3.

[5] Wenzel: Stereotype in gesprochener Sprache, S. 19 -20.

[6] Quasthoff: Soziales Vorurteil und Kommunikation, S. 18.

[7] Vgl. Ebd.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Stereotype in der soziologischen und soziolinguistischen Forschung
Hochschule
Universität zu Köln  (Germanistik)
Veranstaltung
Topos, Metapher, Stereotyp
Note
gut
Autor
Jahr
2004
Seiten
24
Katalognummer
V57399
ISBN (eBook)
9783638518703
ISBN (Buch)
9783656112716
Dateigröße
526 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Stereotype, Forschung, Topos, Metapher, Stereotyp
Arbeit zitieren
Kader Aki (Autor:in), 2004, Stereotype in der soziologischen und soziolinguistischen Forschung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57399

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