Ansatz der "semantischen Urheberschaft" in der Willensfreiheitsdebatte


Hausarbeit, 2005

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Semantische Urheberschaft: Thesen und Argumentation

3. Kritische Prüfung…
3.1. Vereinbarkeit mit dem Indeterminismus?
3.3. Wann ist ein Wille mein Wille?
3.3. Relevanz von routinierten Handlungen für die Willensfreiheit

4. Schluss: Kritische Würdigung, mögliche Weiterentwicklung

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die gegenwärtige philosophische Diskussion über das Phänomen der Willensfreiheit wird vor allem von zwei Positionen dominiert, in deren Zentrum die Frage nach der Vereinbarkeit der Willensfreiheit mit dem Determinismus steht. Während die so genannten Kompatibilisten den Standpunkt zu verteidigen versuchen, dass Willensfreiheit mit dem Determinismus verträglich ist, verneinen dies die Inkompatibilisten.

Der in dieser Hausarbeit behandelte Ansatz, den man als „semantische Urheberschaft“ bezeichnen könnte, und der von Jürgen Schröder in seinem Buch “Einführung in die Philosophie des Geistes“[1] dargestellt wurde, versucht der Diskussion über die Willensfreiheit eine völlig neue Perspektive zu verleihen, indem in ihm dafür argumentiert wird, dass für die Willensfreiheit nicht die alternativen Willensmöglichkeiten, sondern die Urheberschaft wesentlich ist. Diese soll dabei nicht kausal verstanden werden, sondern als eine Sache richtiger semantischen Beziehungen zwischen den Inhalten des Selbst einer Person und ihrer Überlegungen und dem Inhalt ihrer Entscheidungen, wobei sich „das eigentliche Problem der Willensfreiheit auf die Frage reduzieren lässt, unter welchen Bedingungen ein Wille mein eigener Wille ist“[2].

In dieser Arbeit möchte ich eine kritische Beurteilung einiger Aspekte dieses Ansatzes vornehmen. Dafür werde ich ihn zunächst mit seinen Thesen und seiner Argumentation im Kapitel 2 darstellen. Im Anschluss darauf werde ich im Kapitel 3 in mehreren Unterkapiteln auf einige Aspekte dieses Ansatzes kritisch eingehen. Im vierten und letzten Kapitel werde ich dann zusammenfassend meine Sicht der Leistung, der Mängel und der möglichen Weiterentwicklung dieses Ansatzes schildern.

2. Konzept der semantischen Urheberschaft

In einem ersten Teil der Argumentation für die semantische Urheberschaft will Schröder zeigen, dass die Urheberschaft nicht kausal verstanden werden soll. Dieser Teil besteht aus zwei Schritten. In einem Schritt soll gezeigt werden, dass Kausalität für die Begründung der Urheberschaft noch nicht ausreichend ist, und in einem anderen soll mit Hilfe eines Gedankenexperiments gezeigt werden, dass die Urheberschaft darüber hinaus auch nicht von den Beziehungen der Kausalität oder Determination abhängt. Im Anschluss darauf wird im zweiten Teil der Argumentation nach einem Verzicht auf kausale Erklärungsversuche ein semantischer Begriff der Urheberschaft eingeführt und plausibel gemacht.

Zur Begründung der Urheberschaft könnte man versuchen zwei unterschiedliche Begriffe der Kausalität heranzuziehen, nämlich die so genannten Ereignis- und Agenskausalitäten. Die zwei wichtigen Unterschiede zwischen diesen Begriffen der Kausalität bestehen im Folgenden.[3] Die Ereigniskausalität wird zum einen dadurch charakterisiert, dass die beiden Relata – die Ursache und die Wirkung – bei ihr homogen sind, und zwar in beiden Fällen Ereignisse. Und das zweite Charakteristikum ist, dass die Ursache-Wirkungsbeziehungen bei der Ereigniskausalität Ketten von unbestimmter Länge sind. Der Begriff der Agenskausalität beruht seinerseits auf unserer alltäglichen Intuition von aktiven Substanzen, die selbst Urheber ihres Handelns sind, und für die eine intuitive Unterscheidung zwischen „etwas tun“ und „etwas erleiden“ zentral ist. Als ein paradigmatisches Beispiel für solche aktiven Instanzen könnten Lebewesen genannt werden. Die Relata sind im Fall der Agenskausalität unterschiedlich, nämlich eine Substanz und ein Ereignis. Der zweite Unterschied besteht darin, dass bei der Agenskausalität die Kausalketten bei der Substanz ihr natürliches Ende finden. Eine Wirkung geht nur bis auf sie zurück, aber nicht weiter.

Die Argumentation dafür, dass die Ereigniskausalität zur Begründung der Urheberschaft nicht ausreicht, besteht im Folgenden[4]: In Fällen, in denen wir uns mit einer Entscheidung identifizieren, meinen wir nicht, dass es in uns bestimmte Gefühle oder Gedanken gab, die diese Entscheidung verursacht haben. Denn es hätten auch andere Gefühle und Gedanken sein können, die dieselbe Entscheidung begründet hätten, wobei wir uns ebenso als Urheber fühlen würden. Und es ist nicht die Tatsache (wenn es eine Tatsache ist), dass diese Gefühle und Gedanken unsere Entscheidung verursachen. Denn es könnte so sein, dass diese Gefühle und Gedanken die Entscheidung zwar verursachen, und wir trotzdem das Gefühl haben, dass diese Gefühle und Gedanken uns fremd sind. Deswegen reicht die Ereigniskausalität, die zwei Ereignisse oder zwei Tatsachen miteinander verbindet und die zwischen mentalen Ereignissen besteht oder bestehen könnte, für die Begründung der Urheberschaft nicht aus. „Wenn ich als Urheber einer Entscheidung diese Entscheidung verursachen soll, dann muss ich selbst die Ursache der Entscheidung sein und nicht nur bestimmte Zustände von mir.“[5]

Die Agenskausalität weist ihrerseits eine andere Schwierigkeit auf. Während bei der Ereigniskausalität der Zeitpunkt des Auftretens eines Ereignisses dadurch erklärt wird, dass zu einer Menge bereits bestehender Bedingungen zu einem Zeitpunkt eine weitere - diese Menge vervollständigende - Bedingung hinzukommt, soll bei der Agenskausalität diese Menge durch die Kausalität der Person bzw. durch ihr „Eingreifen“ vervollständigt werden. Wenn dieses Eingreifen allerdings nicht auch ein Ereignis sein soll, wodurch es zur Ereigniskausalität keinen Unterschied mehr gäbe, ergibt sich ein folgendes Problem. „Wenn die Person selbst diese Menge vervollständigt, die Person aber von Dauer ist, […], dann versteht man nicht, warum die Entscheidung gerade zu einer bestimmten Zeit […] auftritt“. Keiner der beiden Begriffe der Kausalität kann also deswegen eine Begründung der Urheberschaft leisten.

Für die Argumentation dafür, dass für die Urheberschaft Beziehungen der Kausalität oder Determination keine Rolle spielen und sie darüber hinaus auch mit dem Indeterminismus verträglich ist, benutzt Schröder ein Gedankenexperiment, das ein bereits bekanntes Gedankenexperiment von Van Iwangen weiterführt. Das ursprüngliche Gedankenexperiment sollte die Unverträglichkeit der Willensfreiheit mit dem Indeterminismus zeigen und besteht im Folgenden.[6] Wir stellen uns eine Person, Alice, vor, die in einer schwierigen Situation mit der Wahl konfrontiert ist, die Wahrheit zu sagen oder zu lügen. Sie entscheidet sich dafür, die Wahrheit zu sagen. Wenn Gott das Universum in genau denjenigen Zustand zurückversetzten würde, in dem es sich eine Minute vor der Entscheidung befand, und wenn der Indeterminismus gilt, dann können wir auch beim zweiten Mal nicht sagen, wofür sich Alice diesmal entscheiden wird. Wir nehmen nun an, dass Gott diese Operation tausendmal wiederholt und Alice in 50% der Fälle die Wahrheit sagt und genauso oft lügt. In diesem Fall ist es klar, dass jede Entscheidung relativ zu der vorhergehenden mentalen Situation, d. h. zu Überlegungen und Gründen, vollkommen zufällig ist, und dass diese keine ursächliche Rolle haben können.

Schröder führt dieses Gedankenexperiment folgendermaßen weiter.[7] Wir lenken unser Interesse auf das Vorhandensein bei Alice eines Gefühls der Identifikation mit ihrer Entscheidung einerseits und auf den Abwägungsprozess andererseits, wobei die Annahme, dass Alice in 50% der Fälle die Wahrheit sagt und in 50% der Fälle lügt beibehalten wird. Während der Zeit des Entscheidungsprozesses gibt es eine Folge von mentalen Gesamtzuständen, wobei sie wegen der Annahme des Indeterminismus in jedem Fall eine andere sein kann, sodass ganz unterschiedliche Folgen zu einer gleichen Entscheidung führen würden. Wir nehmen nun an, dass Alice in jedem Fall das Gefühl hat, dass sie die Entscheidung getroffen hat. In diesem Fall sind es dann auf jeden Fall nicht die Beziehungen der Kausalität oder Determination, die dieses Gefühl zu einem rationalen machen, sondern Beziehungen zwischen dem Inhalt der Überlegungen und der Entscheidung. Für diese Beziehungen ist es irrelevant, ob eine Entscheidung sich genau auf eine bestimmte Folge hin einstellt oder auf eine andere Folge. Und zwar, weil sich die Angemessenheit des Gefühls der Urheberschaft danach richtet, ob bestimmte semantische „constraints“, d. h. einschränkende Bedingungen, zwischen den Inhalten der Überlegungen und dem Inhalt der Entscheidung respektiert werden, wobei eine und dieselbe Entscheidung von unterschiedlichen Folgen von Gesamtzuständen rationalisiert werden kann. Die Respektierung der einschränkenden Beziehungen ist also etwas Schwächeres als eine Determinationsbeziehung. Für die inhaltliche Verträglichkeit zwischen den Überzeugungen und der Entscheidung sind dabei vor allem Kriterien wie thematische Verbundenheit, die logische Kompatibilität und Relevanz grundlegend.[8] Mit dem Blick darauf, dass die Gesamtzustände unterschiedliche Teile haben, denen unterschiedliche Überzeugungen entsprechen, wird von Schröder die Hypothese zur Erklärung des Gefühls der Urheberschaft folgendermaßen formuliert: „Mit je mehr und je stärker subjektiv gewichteten Teilen eines Gesamtzustandes eine Entscheidung übereinstimmt, als desto freier wird sie erlebt.“[9]

[...]


[1] J. Schröder: Einführung in die Philosophie des Geistes. Frankfurt 2004. Vor allem S. 337 – 361. Alle weiteren Seitenangaben in diesem Text beziehen sich auf dieses Buch.

[2] S. 355f.

[3] Vgl. S. 327f.

[4] Vgl. S. 349f.

[5] S. 350. Vgl. dazu auch die Darstellung eines Beispieles für eine solche Situation von D. Davidson auf S. 332.

[6] Vgl. S. 341f.

[7] Vgl. S: 342-348.

[8] Vgl. S. 347f.

[9] S. 348.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Ansatz der "semantischen Urheberschaft" in der Willensfreiheitsdebatte
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Philisophisches Seminar)
Veranstaltung
Seminar: Einführung in die Philosophie des Geistes
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
15
Katalognummer
V58763
ISBN (eBook)
9783638528672
ISBN (Buch)
9783656775072
Dateigröße
523 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit behandelt kritisch den neuen Ansatz der "semantischen Urheberschaft" in der Willensfreiheitsdebatte. Es wird die Argumentationsstruktur des Ansatzes herausgearbeitent und dargestellt. Dabei werden einige zentrale Aspekte dieses Ansatzes kritisch beurteilt, wobei der Autor der Hausarbeit seine Sicht sowohl der Stärken und Schwächen dieses Ansatzes als auch die Richtung seiner möglichen Weiterentwicklung darstellt.
Schlagworte
Ansatz, Urheberschaft, Willensfreiheitsdebatte, Seminar, Einführung, Philosophie, Geistes
Arbeit zitieren
Waldemar Kunz (Autor:in), 2005, Ansatz der "semantischen Urheberschaft" in der Willensfreiheitsdebatte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58763

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Ansatz der "semantischen Urheberschaft" in der Willensfreiheitsdebatte



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden