John F. Kennedy soll einmal den Satz gesagt haben: „Es gibt nur eines, was auf Dauer teurer ist als Bildung: Keine Bildung.“ Dieser Satz ist ebenso einfach wie aussagekräftig. Und er impliziert ein Stückweit das, was ich im Folgenden darstellen werde. Ein Blick auf die aktuelle politische Debatte: Die politische Linke unterstellt, Bildung werde mehr und mehr zu einem Luxusgut, während die Mitte-rechts-Parteien sich daran machen
gegebene „Bildungsfreiheit“ durch Studiengebühren einzudämmen. Was meinen wir
beziehungsweise was meint die Politik aber mit diesem Begriff der Bildungsfreiheit, wenn bezogen auf „Die Illusion der Chancengleichheit“, einer statistischen Analyse der Studenten Frankreichs in den 70er Jahren, die Chance für Söhne leitender Angestellter eine höhere Schule (Lycée) zu besuchen vierzig mal höher ist als für Arbeitersöhne? Gibt es dann überhaupt Bildungsfreiheit? Impliziert der Begriff, dass das System jeden bildet,
der gebildet werden möchte? Oder bildet es nur die, die es sich aufgrund von „Privilegien“ leisten können? Lässt dies den Schluss zu, dass das Bildungssystem nur ein Abbild der gesellschaftlichen Strukturen ist? Oder vielmehr noch, untermauert und zementiert es sogar die Gesellschaftsstruktur? Diese und ähnliche Fragen ergeben und erschließen sich zum Teil auch für Bourdieu und andere in der Analyse des französischen Bildungssystems. Als ein zentrales Kernelement stellt Bourdieu hierbei die relative gesellschaftliche
Autonomie des Bildungssystems heraus. Bourdieus Kernaussage bezieht sich hierbei auf den Zusammenhang zwischen Bildungssystem und Klassenstruktur der Gesellschaft. Die übergreifende Funktion der relativen Autonomie des Bildungssystems ist nach Bourdieu einerseits die Reproduktion der Klassenstruktur und andererseits die Verschleierung dieser Funktion unter dem Deckmantel technischer Funktionen, so zum Beispiel der Vermittlung
von Qualifikationen. Ich werde mich in meiner Hausarbeit mit dem soziologischen Begriff der relativen Autonomie des Bildungssystems nach Bourdieu auseinandersetzen. Im Wesentlichen geht es mir darum unter Verwendung der Basisterminologie Bourdieus oben gestellte Fragen
näher zu erörtern. Im Anschluss stelle ich Bourdieus Ansatz in Abgrenzung zur Grundidee des Luhmannschen Konzepts der funktionalen Autonomie des Erziehungssystems dar. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung
- Pierre Bourdieu - Das Bildungssystem und seine spezifische Eigenlogik
- Die Funktionen des Bildungssystems
- Die Funktion des Examens
- Die relative gesellschaftliche Autonomie des Bildungssystems
- Einbettung der Darstellung in das theoretische Konzept Pierre Bourdieus
- Niklas Luhmann - Die funktionale Autonomie des Erziehungssystems
- Niklas Luhmann und die Grundgedanken der Systemtheorie
- Die funktionale Autonomie des Erziehungssystems
- Bourdieu und Luhmann - Ein Vergleich unter dem speziellen Aspekt ihrer Analyseansätze des Bildungssystems
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit befasst sich mit dem soziologischen Begriff der relativen Autonomie des Bildungssystems nach Pierre Bourdieu. Sie untersucht, wie das Bildungssystem die Klassenstruktur der Gesellschaft reproduziert und diese Funktion gleichzeitig unter dem Deckmantel technischer Funktionen verschleiert.
- Die Funktionen des Bildungssystems und ihre Rolle bei der Reproduktion der Klassenstruktur
- Die Bedeutung des Examens als Mechanismus zur Verschleierung der Reproduktion
- Die Illusion der absoluten Autonomie des Bildungssystems
- Ein Vergleich des Bourdieuschen Konzepts der relativen Autonomie mit dem Luhmannschen Konzept der funktionalen Autonomie des Erziehungssystems
- Die Einbettung des Begriffs der relativen Autonomie in Bourdieus theoretisches Konzept, insbesondere im Hinblick auf Habitus und Feld
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Analyse der vielschichtigen Funktionen des Bildungssystems nach Bourdieu, wobei die Eigenfunktion der Lehre und die äußeren Funktionen, die nicht direkt mit der Lehre zusammenhängen, unterschieden werden. Im Anschluss wird die Funktion des Examens als ein zentraler Mechanismus zur Verschleierung der Reproduktion gesellschaftlicher Strukturen behandelt.
Weiterhin wird die Illusion der absoluten Autonomie des Bildungssystems und ihre Bedeutung für die gesellschaftlichen Strukturen erörtert, um die relative gesellschaftliche Autonomie des Bildungssystems nach Bourdieu zu verdeutlichen. Die Arbeit schließt mit einer Einbettung des Begriffs der relativen Autonomie in Bourdieus theoretisches Konzept, wobei insbesondere auf Habitus und Feld eingegangen wird.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die zentralen Begriffe der relativen gesellschaftlichen Autonomie des Bildungssystems, die Reproduktion der Klassenstruktur, die Funktion des Examens, die Illusion der Chancengleichheit, der Habitus, das Feld und die funktionale Autonomie des Erziehungssystems nach Niklas Luhmann.
- Arbeit zitieren
- Katarina Wessling (Autor:in), 2005, Die Autonomie des Bildungssystems bei Bourdieu und Luhmann, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58902