Philosophieren mit Bilderbüchern, am Beispiel von "Mause Märchen - Riesen Geschichte" (Annegert Fuchshuber) für Kinder


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

39 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Problemstellung des Buches
1.1 Philosophische Fragestellung
1.2 Übertragen der philosophischen Fragestellung auf das Bilderbuch

2. Aktualität der Problemstellung

3. Interdisziplinarität

4. Fachliche Recherchen
4.1 Fachliche Recherchen zu unserer philosophischen Fragestellung im Allgemeinen
4.2 Fachliche Recherchen zu den Fächern Kunst, Musik und Deutsch im Bezug auf unsere philosophische Fragestellung

5. Didaktische Modelle
5.1 Kybernetische Didaktik
5.2 Lernzielorientierung der Didaktik
5.3 Kritisch-kommunikative Didaktik
5.4 Vorstellung des Projektes
5.4.1 Lernziele
5.4.2 Methodische Verlauf
5.4.3 Verlaufskizze des Projekts

6. Anhang

7. Quellen

1. Problemstellung des Buches

1.1 Philosophische Fragestellung

Im Folgenden werde ich mich mit der philosophischen Fragestellung „ob Freundschaften von gesellschaftlichen Normen beeinflusst werden und wie wichtig zwischenmenschliche Beziehung für jedes Individuum sind“, beschäftigen.

Um diese Fragestellung zu analysieren muss man sich zu nächst mit Freundschaft im Allgemeinen befassen, da diese den Kernpunkt meiner Fragestellung darstellt.

„Freundschaft, das ist eine Seele in zwei Körpern.“ - Aristoteles

„Gleichheit ist die Seele der Freundschaft.“ - Aristoteles

„Die Freundschaft ist das edelste Gefühl, dessen das Menschenherz fähig ist.“ - Carl Hilty, „Briefe“

„Wahre Freundschaft setzt eine Seelenidentität voraus, die man selten im Leben findet. Nur zwischen gleichen Naturen kann eine Freundschaft dauerhaft bestehen.“ - Mahatma Gandhi

„Auf der höchsten Stufe der Freundschaft offenbaren wir dem Freunde nicht unsere Fehler, sondern die seinen.“ - François de La Rochefoucauld

„Der Wunsch nach Freundschaft entsteht rasch, die Freundschaft aber nicht“. – Aristoteles

Es gibt viele Meinungen und Definitionen von Freundschaft, in diesem Kontext möchte ich mich jedoch nur auf einen Aspekt von Freundschaft beschränken, dem Antrieb zur Schließung einer Freundschaft. Warum ist es für viele Menschen ein tiefes Bedürfnis Freundschaften zu schließen. Ein mögliches Motiv ist das Streben nach Liebe und Geborgenheit. Um auf das Bedürfnis nach Liebe näher einzugehen ziehe ich die Bedürfnispyramide des Psychologen Abraham Maslow ( 1908 – 1970), die er 1954 veröffentliche hinzu.

Jeder Mensch ist nach Maslow fünf übergeordneten Bedürfnissen unterworfen. Maslow bildete eine 5-stufige Pyramide aus den Bedürfnissen des Menschen. Die unterste und breiteste Stufe nehmen die Grundbedürfnisse ein: Essen, Trinken, Schlafen, Sexualität und Wärme (Sexualität ist auf dieser Stufe umstritten). Darauf folgt die zweite Stufe, das Sicherheitsbedürfnis, Abgrenzung, Recht und Ordnung sowie Schutz. Auf der dritten Stufe sind Liebe, Zugehörigkeit zu einer Gruppe, ganz allgemein soziale Bedürfnisse angesiedelt. Die vierte Stufe umfasst Dinge wie Anerkennung, Ruhm und Aufmerksamkeit. Die fünfte, letzte und in der Pyramide auch kleinste Stufe wird vom Bedürfnis nach Selbstverwirklichung eingenommen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Betrachtet man den von Aristoteles beschrieben Wunsch nach der Freundschaft unter dem Hintergrund der 5-stufige Pyramide von Maslow wird die Freundschaft nur zum Mittel um das Bedürfnis nach Liebe und Anerkennung zu stillen. Es geht nicht primär um das Gegenüber, den einzelnen Freund, sondern nur um die eigene Befriedigung.[1]

Die Einsamkeit als Triebfeder für Freundschaft ist lediglich die Folge aus dem Unbefriedigten Bedürfnis nach Liebe und einer fehlenden Gruppenzugehörigkeit.

„ Eine innigste Verbindung von Liebe und Achtung besteht in der Freundschaft. Diese ist, in der Vollkommenheit, „ die Vereinigung zweier Personen durch gleiche wechselseitige Liebe und Achtung. Sie ist ein Ideal der Teilnehmung und Mitteilung an dem Wohl eines jeden dieser durch den moralischen guten Willen Vereinigten. Freundschaft unter Menschen ist Pflicht.“[2] Diese Definition setzt als Grundlage für eine Freundschaft einen gegenseitigen Respekt voraus, sowie Liebe. Dieser .Respekt steht außerhalb einer diktierten Normvorstellung, da dieser durch den „ moralischen guten Willen“ entsteht.

Für Kant ist der moralische Wille die Basis für eine fruchtbare Zwischenmenschliche Beziehung.

Wie schon zu Anfang erwähnt, beschäftige ich mich mit dem Problem, welche Auswirkungen Normen und soziale Zwänge auf das Schließen von Freundschaft haben. Hierbei muss man sich zunächst damit befassen was man unter Normen versteht. Normen sind allgemein gültige und akzeptierte soziale Gesetze, die von der Mehrheit definiert werden. Norme sind nicht Konstante, sondern wandeln sich mit einer sich wandelnden Gesellschaft. Jedes Individuum, was in einem sozialen Gefüge lebt, muss sich unmittelbar mit den dort vorherrschenden Normen auseinandersetzen und sich ihnen fügen. Geschieht dies nicht, so besteht die Gefahr für das Individuum aus der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden. Meist aus dem Grund, dass ein Aufbegehren gegen die Normen eine Unsicherheit und Angst bei den einzelnen Individuen der Gemeinschaft auslöst. Diese Angst resultiert primär aus dem fehlenden Wissen im Umgang mit einem Ablehnen der allgemein akzeptierten Regeln. Diese Unsicherheit entlädt sich in Form von Angst und Ausgrenzung.

Jeder Mensch ist abhängig von einem sozialen Gefüge. Der Mensch braucht nicht nur die Stillung der physischen Bedürfnisse. Er braucht die Annerkennung andere, er braucht Liebe und das Gefühl zu einer Gruppe zugehören. Der Mensch ist nicht fähig alleine zu sein. Wird er von einer Gruppe isoliert ist es sein tiefes Bedürfnis diesen Zustand zu ändern. Dieses Streben wird zum Ziel seines Seins.

1.2 Übertragen der philosophischen Fragestellung auf das Bilderbuch

Die oben erörterte Fragestellung lässt sich auch auf das Bilderbuch von Annegret Fuchshuber „ Riesengeschichte und Mausemärchen“[3] übertragen. Die Interdependenz zwischen Freundschaft und Normen ist innerhalb des Bilderbuches jeweils in den Anfangssequenzen zu finden, der Riese der Angst hat und die Maus die mutig ist.

Das Bilderbuch hat den Untertitel „ ein halbes Bilderbuch“, da es zwei Anfänge hat und in der Mitte des Buches endet. Die erste Hälfte beschreibt die Geschichte der kleinen Maus Rosinchen, die andere Hälfte beschreibt die Geschichte des Riesen Bartolo. Beide Geschichten werden in der Mitte des Buches zusammengeführt.

Zunächst beschäftige ich mich ausschließlich mit einer Hälfte des Bilderbuches, die Reise der Maus.

Zu Beginn der Geschichte sieht man die Maus auf einer kleinen Pflanze sitzen, und einem Gewitter trotzend. Die Maus blickt dem Gewitter unerschrocken entgegen. Fast das ganze Bild besteht aus einer dunklen und bedrohlich wirkenden Gewitterfront. Das einzig Helle auf dem Bild ist die Maus, ihr Fell heb sich ganz deutlich von der dunklen Kulisse des Gewitters ab. Sie bildet ein helles Gegenstück zu dem Rest des Bildes.

Die kleine Maus zeigt keine Angst. Auch ihre Körpersprache lässt darauf schließen, dass sie sich nicht fürchtet. Sie reckt die Hände offen dem Gewitter entgegen, man könnte sogar so weit gehen ein Lächeln auf ihrem Gesicht zusehen. Die ganze Körperhaltung ist sehr offen und Entspannt, der Schwanz der Maus hängt hinunter.

In dem Text zu dem Bild wird die Maus, als die mutigste Maus, die je gesehen wurde beschreiben. Sie hat vor nichts Angst nicht einmal vor einem Gewitter.

Diese Aussage, sowie die Darstellung durch das Bild ist eine untypische Charakterisierung einer Maus. Es entspricht nicht den Normvorstellungen einer Maus. In den meisten Märchen steht die Maus für Furch und Angst. Doch in diesem Bilderbuch wächst die Maus über sich hinaus. Die kleine Maus, die keine Angst hat.

Die Maus wird bei ihrer zweiten Begegnung mit einem Tier aus dem Wald nicht nur als mutig, sondern auch als sehr schlau dargestellt. Sie trifft auf eine Eule, der natürliche Fressfeind von Mäusen. Die Eule wird als sehr bedrohlich dargestellt. Sie nimmt fast den ganzen Platz des rechten Bildes ein. Ihre Flügel sind weit auseinander gespannt, selbst die Krallen der Füße sind deutlich zu erkennen. Der Hintergrund besteht aus einem dunklen Laubgemisch. Es scheint fast so, als würde die Eule mit dem Laub verschmelzen. Auf der rechten Seite des Bildes befindet sich die Maus in einem kleinen Astloch. Hier ist der Hintergrund viel heller gestaltet. Ungefähr ein drittel des Bildes wird durch den Himmel eingenommen. Auch das Laubgemisch wirkt nicht so dicht und bedrohlich, man kann einzelne Äste und Zweigen erkennen. Die Farben sind viel leuchtender und heller. Im Gegensatz zur anderen Seite kann man hier nicht die einzelnen Blätter erkenne. Die einzigen roten Töne findet man im Feld der Maus und in den Augen der Eule. Durch diese Farbe sticht die Maus aus dem Astloch heraus. Im Vergleich zu dem Gewitterbild ist die Farbe des Fells hier ein bis zwei Nuancen heller. Dies kann eventuell auf die Thematik des Bildes hinweisen, denn bei dieser Begegnung ist der helle Verstand der Maus gefragt. Die Augen der Eule stechen ebenfalls aus dem Bild hervor, dies könnte auf das sehr gute Sehvermögen einer Eule hinweisen. Doch trotz einer solchen Ausprägung dieses Sinnes kann die Eule die Maus nicht finden. Bezieht man nun den Text in die Bildanalyse mit ein spiegelt sich der Text in dem Bild wieder. In dem Text wird die Maus, wie schon zuvor charakterisiert. „ Sie wusste genau vor welchen Feinden sie sich verstecken musste und welche zu langsam waren sie zu fangen“[4]. Dies beschreibt die zweite wichtige Charaktereigenschaft der Maus „Rosinchen“, ihre Intelligenz. Bei dem Gewitter zeigte sie ihren Mut und ihre Tapferkeit nun kommt noch ihre Intelligenz hinzu. Schon nach diesen beiden Sequenzen kann man erkennen, dass diese Maus anders ist als andere Mäuse.

Die nächsten beiden Bilder zeigten dass Verhältnis der Maus zu den anderen Mäusen. Wieder ist das Bild über zwei Buchseiten verteilt. Auf der einen Seite befinden sich drei Mäuse, die auf einem Beerenstrauch sitzen und die Köpfe „ zusammenstecken, ihr Fell hat die gleiche Farbe wie das der Maus Rosinchen“. Der Strauch befindet sich in Mitten mehrer großer Bäume, man könnte sogar sagen im Schutz mehrer Bäume. Das Bild stahlt eine gewisse Geborgenheit aus. Die Maus Rosinchen steht Abseits der Bäume und dieser Geborgenheit. Sie hat eine Haselnuss in den Händen und man könnte meinen sie bietet diese den anderen Mäusen an.

Auch der Text malt diese Bild von der Abseits stehenden Maus und dem gegenüber die sich aneinander stärkenden Gemeinschaft. Dies wird auf der nächsten vertieft, im Text, sowie im Bild. Wieder steht die Maus auf der einen Seite und die drei Mäuse befinden sich auf der andern Seite, im Schutz des Waldes. Bei dem vorangegangenen Bild befand sich noch ein Baum und grünes Gras auf der Bildseite von der Maus Rosinchen, dies hat sich bei diesem Bild geändert. Nun steht die Maus vor einem ganz weißen Hintergrund. Dies verstärkt das Gefühl der Isolierung durch die Gemeinschaft.

In diesem Textabschnitt werden noch einmal die Auswirkungen ihrer „ Andersartigkeit“ auf ihre soziale Stellung, und somit auf ihre Möglichkeit Freunde zu finden aufmerksam gemacht.

Auf Grund des Bruches mit den Normvorstellungen der Allgemeinheit, in diesem Fall der „ Mäusegesellschaft“ findet die Maus keine Freunde und wird innerhalb der Gesellschaft ausgrenzt. Da aber jeder das Bedürfnis nach Liebe, Geborgenheit und Freundschaft hat geht die Maus auf Wanderschaft, um einen Freund zu finden. Dieses Ziel wird im Weiteren das Ziel ihres Seins, „ Ich gehe solange, bis ich einen Freund finde. Ohne Freunde ist das Leben nicht lebenswert.“[5].

Im Laufe ihrer Wanderschaft trifft die Maus verschieden Waldbewohner „ Spitzmäuse und Buntspechte und einen dicken fetten Dachs und eine große Schlange. Aber einen Freund fand sie nicht.“[6] Dies wird in den Texten als Konsequenz ihrer Normabweichungen beschrieben.

An dieser Stelle kann man deutlich erkennen, dass die Normvorstellung weit über die „ Mäusegesellschaft“ hinausgeht. Die Maus wird nicht als Individuum gesehen, sondern nur als eine Maus und eine Solche muss vor allem Angst haben.

Die philosophische Fragestellung, ob Freundschaften von gesellschaftlichen Normen beeinflusst werden und wie wichtig zwischenmenschliche Beziehung für jedes Individuum sind kann man während der Reise der Maus Rosinchen deutlich erkenne. Die Maus unterscheidet sich in essentiellen Eigenschaften von anderen Mäusen. Die Folge ist, dass die Mäuse, sowie andere Waldbewohner ihr mit Respekt begegnen, aber eine Freundschaft wollen sie nicht mit einer so seltsamen Maus eingehen. Aber „ ein Leben ohne Freunde nicht lebenswert ist“[7] macht sich die Maus auf die Suche nach einem Freund. Diese Aussage und die Suche der Maus spiegeln die Konsequenz der Fragestellung wieder. Zwischenmenschliche Beziehungen sind lebensnotwendig.

Die zweite Hälfte des Bilderbuchs befasst sich mit der Geschichte eines ängstlichen Riesen, der vor allem und jedem davon läuft. Der Riese hat vor allen anderen Tieren Angst und kann keine Freunde finden, weil er seine Angst nicht überwinden kann. Schon zu Beginn der Erzählung wird geschildert, dass der Riese sogar von Tieren Angst, die es in dem Wald gar nicht gibt, wie zum Beispiel vor einem Drachen. Die Angst bestimmt sein ganzes Handeln und seine Entscheidungen.

Er sieht bei jeder Begegnung mit einem anderen Lebewesen eine Gefahr für sein eigenes Leben. Der Riese ist sich dessen zwar bewusst, kann aber die Angst nicht bezwingen und wird immer trauriger aus Einsamkeit.

Zu Beginn der Erzählung sieht man auf dem ersten Bild einen großen grünen Drachen vor einem schwarzen Hindergrund. Der Drache wirkt sehr bedrohlich. Der Drache und der schwarze Hintergrund nehmen fast das ganze Bild ein. Es bleibt nur ein schmaler Rand an der oberen Seite des Bildes. Hier befinden sich fünf Laubbäume und ein Riese mit feuerroten Haaren und einem roten Schnurrbart, der auf allen Vieren Kniet. Er schaut ängstlich in die Richtung des Drachen. Am Ende des Drachenschwanzes steht“ Stell dir vor, wie wäre dass….“, diese Satz weißt auf die unbegründeten Ängste des Riesen hin. Da diese Begegnung zwischen dem Riesen und dem Drachen sich nur in der Phantasie des Riesen abspielen.

Die Haltung des Riesen weißt darauf hin, dass er sich kleiner macht und er geht vor einem Drachen vor Angst in die Knie. In dem begleitenden Text steht, dass sein Herz „ wie ein Hasenherz“ ist und er fürchtet sich nicht nur vor kleinen Tieren, wie „Spinnen und Wespen“, sondern auch vor Tieren, die schon seit „ urewigen Zeiten niemand“ mehr gesehen hat, wie vor einem Löwen, Tiger und einem Drachen.

Die nächste Seite ist ähnlich angeordnet wie die erste Begegnung der Maus mit den anderen drei Mäusen. Auf der einen Seite des Bildes finden wir einen großen und dichten Wald auf der anderen Seite den Riesen. Doch im Gegensatz zu dem Bild mit der Maus wirkt der Wald hier nicht gemütlich und heimelich, vielmehr scheint er etwas bedrohliches und bedrückendes an sich zu haben. Im Wald befindet sich ein großer Hirsch, dessen Fell fast die gleiche Farbe wie die umstehenden Bäume hat. Dies Bild könnte als Synonym für die Gemeinschaft der Waldbewohner stehen. Von dem Riesen auf der anderen Bildseite kann man nur seinen halben Kopf, sowie seine rechte Schulter erkennen. Es scheint so, als würde er sich vor dem Hirsch und vor dem ganzen Wald verstecken. Die Farbe seiner Haar und seines Hemdes ähneln den Farben des Hirsches und der Bäume. Dies könnte darauf hindeuten, dass er sich niemals vor dem Rest der Welt verstecken kann, da er ein Teil von ihr ist.

Auf dem nächsten Bild setzt sich das Thema fort, der Riese sticht durch seine rot-braune Hose aus der Schneelandschaft hervor. Er versucht sich vor einem kleinen Vogel in einer Höhle zu verstecken, auch an dieser Stelle sieht sich der Riese anders als er ist. Er versucht sich in einem Loch zu verstecken, dass für seine Körpergröße viel zu klein ist, „ aber er ist entweder zu groß oder zu dick oder zu lang“[8]. Dies spiegelt sein verzogenes Selbstbild wieder.

Das nächste Bild spiegelt die Harmonie der Waldgemeinschaft wieder. Alle Bäume sind in einem blau – grünen Farbton gehalten. Nur der Riese sticht mit seinem roten Bart und seinen roten Haaren hervor. Es erweckt den Eindruckt, dass er ein Fremdkörper im Wald ist. Der Riese weiß selbst, dass „ wer vor jedem davonläuft, keine Freunde findet“[9]. Nun versucht der Riese im folgenden Bild seine Ängste vor anderen zu überwinden. Dies wird auch farblich in den Bildern dargestellt. Der Riese versucht Freundschaft mit einer Amselmutter zuschließen, hierbei ist das gesamte Bild sehr hell gehalten er scheint mit den Farben des Bildes zu harmonieren. Doch bei jedem Versuch des Riesen mit den Waldbewohnern eine Freundschaft einzugehen scheitert es letzten Endes nicht nur an der Angst des Riesen vor der anderen, sondern an den Vorurteilen der Waldbewohner vor einem Riesen, die Amselmutter zum Beispiel schaut den Riesen „ mit großen Angsterfüllten Augen an“. Unter dem Baum versteckt sich ein kleiner roter Fuchs. Sein Fell hat die gleiche Farbe wie die Haare und der Schnurrbart des Riesen. Auch der Fuchs wirkt ängstlich. Nach dieser Erfahrung ergreift der Riese auf dem nächsten Bild die Fluch. Er hält die Hände vor sein Gesicht und beugt den Oberkörper Richtung Boden, auch hier erweckt es den Eindruck, als würde er sich kleiner machen.

Zum Schluss jedoch treffen die beiden Tiere auf einer Lichtung zusammen, und haben die Chance Freunde zu werden. Der Schluss ist zwar offen, aber die Maus fühlt sich in der großen Hand des Riesen sicher und geborgen, und der Riese fängt an die kleine Maus in seiner Hand zu streicheln, ohne vor Angst davon zu laufen.

Diese Annährung der beiden Tiere ist unabhängig von Normvorstellungen, in diesem Moment ist nur die Befriedigung des Bedürfnisses nach Geborgenheit und Liebe wichtig. Beide Tiere wurden passiv oder aktiv durch die Gesellschaft ausgegrenzt. Die Maus verließ freiwillig die Gemeinschaft, weil sie von allen gemieden wurde, der Riese konnte sich keiner Gemeinschaft anschließen, weil er vor der Gemeinschaft Angst hatte. Doch dieses Bedürfnis nach Freundschaft trieb beide Charaktere an und schließlich überwanden sie die sich selbst geschaffenen Grenzen.

Die Einsamkeit der beiden Charaktere hat unterschiedliche Quellen. Der Riese grenzt sich selbst aus der Gemeinschaft der Waldbewohner aus, die Maus wird ausgegrenzt.

Doch einen gemeinsamen Punkt lässt sich finden, beide Charaktere haben ein atypisches Verhaltensmuster. Wie schon zu Anfang erwähnt sind die Charaktereigenschaften der beiden vertauscht, so wird auf der einer Seite deutlich, dass es für jede im Wald lebende Lebensform festgelegte Normen existieren und Abweichungen von diesen Normen mit Konsequenzen verbunden sind. Eine Beziehung mit Anderen ist nur auf der Basis einer Einhaltung der festgelegten Verhaltensmuster möglich.

Die Maus und der Riese überwinden diese normalen Grenzen. Aber während ihrer Reise lassen sie nicht nur die sozialen Grenzen hinter sich, viel wichtiger ist es, dass sie über sich selbst hinauswachsen. Sie überwinden ihre eigenen tief sitzenden Ängste und lösen sich auch ihren eigenen festgelegten Normen. Die Maus lässt ihre Sehnsucht nach Geborgenheit zu, der Riese überwindet seine Angst und lässt die Maus in seiner Hand schlafen, ohne vor Angst wegzulaufen. Beide Tiere haben auf zwei verschieden Ebenen eine Wandlung in dem Bilderbuch vollzogen. Sie haben sich selbst gefunden. Und dadurch haben sie gleichzeitig das Ende ihrer Reise erreicht. Einen Freund zu finden.

[...]


[1] http://www.methode.de/pm/ps/pmps01.htm, gelesen am 16.02.2005

[2] Eisler, R, Kant Lexikon , Georg Olm Verlag 2002, S. 171 ff

[3] Fuchshuber, Annegret, Mause Märchen, ein halbes Bilderbuch; Thienemann Verlag 1983, Wien

[4] Fuchshuber, Annegret, Mause Märchen, ein halbes Bilderbuch; Thienemann Verlag 1983, Wien, S.4

[5] Fuchshuber, Annegret, Mause Märchen, ein halbes Bilderbuch; Thienemann Verlag 1983, Wien

[6] Fuchshuber, Annegret, Mause Märchen, ein halbes Bilderbuch; Thienemann Verlag 1983, Wien

[7] Fuchshuber, Annegret, Mause Märchen, ein halbes Bilderbuch; Thienemann Verlag 1983, Wien

[8] Fuchshuber, Annegret, Mause Märchen, ein halbes Bilderbuch; Thienemann Verlag 1983, Wien

[9] Fuchshuber, Annegret, Mause Märchen, ein halbes Bilderbuch; Thienemann Verlag 1983, Wien

Ende der Leseprobe aus 39 Seiten

Details

Titel
Philosophieren mit Bilderbüchern, am Beispiel von "Mause Märchen - Riesen Geschichte" (Annegert Fuchshuber) für Kinder
Hochschule
Pädagogische Hochschule Heidelberg
Veranstaltung
Philosophieren mit Kindern
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
39
Katalognummer
V59429
ISBN (eBook)
9783638533737
ISBN (Buch)
9783656246435
Dateigröße
631 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Philosophieren, Bilderbüchern, Beispiel, Mause, Märchen, Riesen, Geschichten, Kinder, Philosophieren, Kindern
Arbeit zitieren
Julia Sonnenwald (Autor:in), 2004, Philosophieren mit Bilderbüchern, am Beispiel von "Mause Märchen - Riesen Geschichte" (Annegert Fuchshuber) für Kinder, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59429

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