Arthur Schopenhauer. Philosophie zwischen Pessimismus und Mitleid


Hausarbeit, 2020

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Schopenhauers Metaphysik
2.1 Die Welt als Vorstellung
2.2 Die Welt als Wille
2.3. Die Welt als Ort des Leidens

3. Mitleid als Fundament der Moral
3.1 Was ist Mitleid?
3.2 Mitleidsethik
3.3 Die drei Triebfedern moralischen Handelns
3.4 Die Kardinaltugenden

4. Schopenhauers Mitleidsethik am Beispiel der Tierethik
4.1 Was ist Tierethik?
4.2 Schopenhauer als Forderer der Tierethik

5 Zusammenfassung

6. Literaturverzeichnis

7. Tabellenverzeichnis

„Aus der Nacht der Bewußtlosigkeit zum Leben erwacht findet der Wille sich als Individuum, in einer end- und gränzenlosen Welt, unter zahllosen Individuen, alle strebend, leidend, irrend; und wie durch einen alten Traum eilt er zurück zur alten Bewußtlosigkeit.“1

1. Einleitung

Will man die Begriffe „Philosoph“ und „Pessimismus“ in ein und den selben Satz einbringen, kommt man nicht ohnehin, sich auf den deutschen Philosophen Arthur Schopenhauer zu beziehen. Er war kein Optimist, wie die meisten seiner Zeit und sicherte sich somit seinen Platz als Gegen-den-Strom-Schwimmer. Schopenhauer erkennt die Welt als einen Ort der Qualen, des Schreckens und der Furcht und stutzt auf dieses allumfassende Leiden das Grundgerust seiner Mitleidsethik. Schopenhauers Mitleidsethik tragt diesen Namen, weil das Mitleiden mit einem anderen Individuum in seiner Ethik und die dazugehorige Moral die ausschlaggebenden Rollen markieren.

Doch warum sieht er gerade darin das Fundament der Moral? Warum spielt fur Schopenhauer ausgerechnet Mitleid eine Rolle in einer Welt voller Egoismus und Boshaftigkeit? Und ist wirklich nur Handeln aus Mitleid moralisch wertvoll?

Mit diesen Fragen setze ich mich in groben Zugen in dieser Hausarbeit auseinander und werde dabei verschiedene Teilgebiete seiner Philosophie beleuchten. Zu Beginn der Arbeit wird das Thema der Metaphysik Schopenhauers angerissen, um auf die grundlegenden Aspekte seiner Weltanschauung einzugehen, die bei Betrachtung seiner Mitleidsethik von essenzieller Bedeutung sind. Dabei werden unter anderem Dieter Birnbachers Schopenhauer und Michael Hauskellers Vom Jammer des Lebens. Einfuhrung in Schopenhauers Ethik ausgewertet . Weiterfuhrend werfen wir einen Blick auf das Mitleid, den Kernpunkt seiner Mitleidsethik. Ebenso greifen wir das Thema der drei Triebfedern des moralischen Handelns auf, ehe anhand von Giok Sons Schopenhauers Ethik des Mitleids und die indische Philosophie. Parallelitat und Differenz die Kardinaltugenden, die im unmittelbaren Gegensatz zu zwei der drei Triebfedern stehen, betrachtet werden. Da Schopenhauer zu einen der ersten Philosophen gehort, der Tiere ganz konkret in seine Philosophie mit einbezogen hat, wird zum Schluss die Tierethik in Berucksichtigung seiner Mitleidsethik in groben Zugen erlautert, um herauszukristallisieren, inwiefern Tiere in seiner Ethik wirklich mit einbezogen werden.

2. Schopenhauers Metaphysik

2.1 Die Welt als Vorstellung

„Die Welt ist meine Vorstellung“2.

So beginnt Schopenhauer sein Werk Die Welt als Wille und Vorstellung und eroffnet mit dieser These seine Argumentation zu seiner Metaphysik.3 In Anbetracht auf die Welt als Vorstellung bezieht Schopenhauer sich auf die von Kant gegebenen Grundlagen der Metaphysik.4 Sie besagen, dass wir nicht dazu in der Lage seien, die Welt wirklich so zu sehen, wie sie tatsachlich ist, sondern nur wie wir sie uns aufgrund unserer Erkenntniswerkzeuge5 vorstellen. Im GroBen und Ganzen kann man davon sprechen, dass man zwischen dem erkennenden Subjekt und dem Objekt unterscheidet. Das Subjekt nimmt das Objekt wahr. Wir konnen nicht davon ausgehen, dass uns, dem Subjekt, die Welt identisch mit seiner wirklichen Existenz erscheint. „ Mein Erkennen ist mein Vorstellen.“6 Da das Subjekt durch seine individuellen Erfahrungen immer etwas Eigenes zu seiner Vorstellung hinzufugt, kann es sich nicht mit dem wahren Wesen des erkannten Objekts decken.7 So unterteilt man die Dinge, die man wahrnimmt, zum Beispiel in Raum und Zeit. Ein Objekt erscheint in unserer Wahrnehmung unter anderem nebeneinander, ubereinander, gleichzeitig oder nacheinander.8 Aufgrund solcher eigenstandigen Empfindungen und Erfahrungen wirkt die Welt so wie sie fur uns ist nur in unserer Vorstellung. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Welt wie wir sie sehen, bloBe Imagination ist. Die durch die Erkenntniswerkzeuge aufgenommenen Einblicke bieten genugend Andeutungen auf ihr wahres Wesen. Das Subjekt muss diesen Kern nur erkennen und dementsprechend zu deuten wissen.

2.2 Die Welt als Wille

Der Wille beschreibt den Grund fur die Vorstellung des Menschen. Jeder Korper eines jeden Einzelnen ist im Endeffekt nichts weiter als die Vorstellung eben jener Personlichkeit. Der einzige Unterschied zwischen der Vorstellung eines anderen Individuums und seiner Person selbst besteht darin, dass wir zu uns personlich einen unmittelbaren Weg in unser Inneres und somit in unser Denken besitzen. Wir mogen rein korperlich nur ein Teil der sich vorgestellten Welt darstellen, doch wir konnen in uns hineinblicken und in uns unseren wahren Kern erkennen. Wenn man sich beispielsweise selbst arbeiten sieht, stellt dies die Vorstellung seiner eigenen Handlung dar. Nun kennen wir jedoch auch den Grund, weshalb wir arbeiten. Namlich um Geld zu verdienen. Dementsprechend kenne ich die Ursache fur meine Vorstellung, den Grund fur mein Handlung, die wir als Vorstellung unserer selbst wahrnehmen.9 10 Der Wille ist der Kern des Menschen, sein wahres Wesen. Der Wille zum Dasein, zum Existieren. Dieser Wille ist jedoch nicht nur in der menschlichen Gattung vorherrschend, denn nach Schopenhauer lasst sich der Wille uberall in der Natur ausfindig machen. In jedem Tier und in jeder Pflanze ist derselbe Wille fest verankert. In einer Pflanze zeigt sich der Wille zum Leben noch offensichtlicher, als im Menschen, denn in dieser herrscht einzig ein stiller Drang zum Uberleben, ganz ohne Ziele oder Bestreben.11

2.3. Die Welt als Ort des Leidens

Der in Allem herrschende Wille bildet den Grund fur das allgegenwartige Leiden auf der Welt, da die dort herrschenden Situationen entgegen des eigenen Willens verlaufen.

Es gibt zwei Dinge, die dazu in der Lage sind, den Menschen zu beunruhigen. Zum einen ist es die Gewissheit, dass jeder Mensch eines Tages sterben wird.12 „Der Mensch lebt unter Todesdrohung wie unter einem Damoklesschwert. Sobald er uberhaupt gelernt hat, zu denken, ist er dazu verurteilt, seinen Tod zu denken“13. Und zusatzlich trubt Schmerz und Boshaftigkeit die Welt. Diese beiden Dinge bringen den Menschen dazu, die Welt und ihre Beschaffenheit zu hinterfragen. Ware sie ein Ort voller Gute, vollig schmerzfrei und mit endlosem Leben beschenkt, wurden solcherlei Fragen in uns nicht aufkommen. Ware die Welt nicht schlecht, gabe es „keine Religion und keine Philosophie, woraus sich im UmkehrschluB folgern lieBe, daB, da es nun einmal Religion und Philosophie gibt, die Welt nicht gut sein kann.“14. Da diese beiden Tatsachen dem menschlichen Willen widersprechen, wird es und somit die ganze Welt, als schlecht angesehen. Aus diesem Grund ist Schopenhauer auch der Uberzeugung, dass es besser ware, uberhaupt nicht zu existieren, ehe man gegebenenfalls langer oder gar ein zweites Mal lebt. Der einzige Grund, weshalb die Menschen nicht viel ofter den Weg des Selbstmordes gehen, um dieser schrecklichen Welt zu entfliehen, „ist nur der Furcht vor dem Tod als dem vermeintlich noch groBeren Ubel zu verdanken“15.

Sollte es dem Menschen dennoch gelingen, alle seine Wunsche zu erfullen und seinen Willen groBtenteils zu befriedigen, wurde es nichts an seinem Leiden andern. Der Wille ist, wie bereits erwahnt, allgegenwartig und somit auch das Leiden.

Wie es der Begriff schon sagt, will der Wille immer etwas haben, was ihm fehlt. Dieses Fehlen ist der Grundstein fur eine standig wahrende Unzufriedenheit, welche wiederum das Leiden hervorruft. Sollte es nach langerem Streben gelingen, dem Willen nachzukommen, kehrt nach kurzer Zeit der Wunschlosigkeit die Unzufriedenheit mit dem Erlangten zuruck und ein weiterer Wunsch wird entwickelt, den es zu erfullen gilt. Dieser Kreislauf wiederholt sich immer wieder aufs Neue.16

Den Zusammenhang zwischen dem Willen und dem Leiden kann man wie folgt in einer Tabelle zusammenfassen:

Tabelle 1: Der Kreislauf des Willens im Verhaltnis zum Gehalt des Leidens17

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3. Mitleid als Fundament der Moral

3.1 Was ist Mitleid?

Laut Duden handelt es sich bei dem Begriff „Mitleid“ um ein Substantiv im Neutrum. Es bedeutet so viel wie eine „starke (sich in einem Impuls zum Helfen, Trosten o.A. auBernde) innere Anteilnahme am Leid, an der Not anderer“17 18. Es ist moglich Mitleid zu fuhlen, man kann jedoch auch jemandes Mitleid erzeugen oder aber aus Mitleid heraus handeln.19

Nach Schopenhauer handelt es sich bei dem Begriff Mitleid jedoch nicht um eine Gefuhlslage, sondern einzig um ein, dem Menschen angestammtes, zu Handlungen verleitendes Motiv. Mitleid indiziert keine Verfassung des Beruhrtseins, sondern einzig einen vom Willen geschaffenen Lauf,20 welcher frei von Religion, sowie unberuhrt von anderen beeinflussbaren Zustanden, wie Verachtung, Hoffnung und Boshaftigkeit ist. Werte spielen fur eine Person, die mitleidig ist, keine Rolle mehr. Diese Person hat alles Schlechte und Bose der Welt durchschaut und samtlichen Egoismus abgelegt. Mitleidig zu handeln, bedeutet verstehen zu konnen. Nur diejenigen, die das Leid anderer erkennen und sich damit identifizieren konnen, sind in der Lage, die Not anderer zu verringern.21 Jedoch ist es in der Mitleidsethik Schopenhauers nicht zwingend von Noten, dem fremden Leiden konkret ins Gesicht zu blicken, um es verstehen zu konnen. Das reine Wissen um die Not anderer genugt, um selbst damit konfrontiert zu sein. In diesem Fall bezieht sich das Mitleid uberwiegend auf den spater zu erwartenden negativen Schaden, der von einer Reihe gegenwartig getatigter Handlungen beziehungsweise Nicht-Handelns herruhrt.22

[...]


1 Vgl. Schopenhauer, Arthur: Die Welt als Wille und Vorstellung, Vollständige Ausgabe nach der dritten, verbesserten und beträchtlich vermehrten Auflage von 1859, Anaconda Verlag, Köln 2009 (Der Text der vorliegenden Ausgabe folgt der historisch-kritischen Edition von Arthur Hübscher, 3. Auflage, Wiesbaden: Brockhaus 1972), S. 928, Im Folgenden: Schopenhauer 2009 WWV.

2 Vgl. Schopenhauer 2009 WWV, S. 25.

3 Vgl. Ebd.

4 Vgl. Hallich, Oliver: „Der Ubergang von der Transzendentalphilosophie zur Metaphysik (WI, §§17- 22)“ in: Hallich, Oliver; KoBler, Matthias (Hg.): Arthur Schopenhauer. Die Welt als Wille und Vorstellung, Akademie Verlag, Berlin 2014, S.53.

5 Anm.: Unter Erkenntniswerkzeuge verstehe ich die Sinnesorgane und den Verstand des Menschen.

6 Vgl. Korfmacher, Wolfgang: Schopenhauer zur Einfuhrung, Junius Verlag, Hamburg 1994, S. 35, Im Folgenden: Korfmacher, 1994.

7 Vgl. Korfmacher 1994, S. 34f.

8 Vgl. Son, Giok: Schopenhauers Ethik des Mitleids und die indische Philosophie. Parallelitat und Differenz (Alber-Reihe Thesen Bd. 8), Verlag Karl Alber, Munchen 2001, S. 25, Im Folgenden: Son, 2001.

9 Vgl. Hauskeller, Michael: Vom Jammer des Lebens. Einfuhrung in Schopenhauers Ethik, Verlag C.H. Beck, Munchen 1998, S. 9, Im Folgenden: Hauskeller 1998.

10 Vgl. Son, 2001, S. 27.

11 Vgl. Weimer, Wolfgang: „Schopenhauers Bild der Natur“ in: Birnbacher, Dieter; Lorenz, Andreas; Miodonski, Leon (Hg.): Schopenhauer im Kontext. Deutsch-polinisches Schopenhauer Symposion 2000, Verlag Konigshausen und Neumann, Wurzburg 2002, S. 45f.

12 Vgl. Hauskeller 1998, S. 11.

13 Vgl. Birnbacher, Dieter: Schopenhauer, Philipp Reclam Stuttgart 2009, S. 96; Im Folgenden: Birnbacher 2009.

14 Vgl. Hauskeller 1998, S.11.

15 Vgl. Hauskeller 1998, S. 15.

16 Vgl. Birnbacher 2009, S. 96-98.

17 Vgl. Ebd, S. 98.

18 Vgl. Mitleid auf Duden online: https://www.duden.de/rechtschreibung/Mitleid (Letzter Zugriff: 10.04.2020; 13:34 Uhr).

19 Vgl. Ebd.

20 Vgl. Birnbacher 2009, S. 118.

21 Vgl. Son 2001, S.79.

22 Vgl. Birnbacher 2009, S. 118.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Arthur Schopenhauer. Philosophie zwischen Pessimismus und Mitleid
Hochschule
Universität Potsdam  (Institut für Philosophie)
Note
1,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
17
Katalognummer
V595382
ISBN (eBook)
9783346173751
ISBN (Buch)
9783346173768
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ethik, Schopenhauer, Mitleidsethik
Arbeit zitieren
Michelle Spilling (Autor:in), 2020, Arthur Schopenhauer. Philosophie zwischen Pessimismus und Mitleid, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/595382

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