Schwimmen mit Sehbehinderung


Examensarbeit, 2006

77 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung - Problemstellung

2. Schwimmen und Sehbehinderungen
2.1 Sehbehinderungen/ Sehstörungen
2.1.1 Die Kamera im Kopf, ein medizinischer Exkurs
2.2 Das motorische Ausgangsniveau und motorisches Lernen ..
2.3 Schwimmen als Sportart
2.3.1 Bewegungsbeschreibungen der einzelnen Lagen
2.4 Ergebnisse auf diesem Gebiet

3. Konzeption des Schwimmunterrichts
3.1 Begründung und Beschreibung des eigenen Wegs
3.2 Ziele
3.3 Einzelfall Tobias

4. Darstellung des Fallbeispiels
4.1 Die Schwimmstunden
4.2 Videoanalyse
4.2.1 Videoanalyse 1 (5. Unterrichtsstunde)
4.2.2 Videoanalyse 2 (16. Unterrichtsstunde)

5. Diskussion ..

6. Fazit und Schlussbetrachtung.....

7. Literaturangaben ..

8. Danksagungen .

1. Einleitung - Problemstellung

Sport wird in der heutigen Zeit immer populärer. Firmen stellen eigens Personal dafür ein, um ihre Mitarbeiter körperlich fit zu halten. So ist Sport mittlerweile zu einem wichtigen sozio-ökonomischen Faktor gewo rden. Der Sportsektor ist in den europäischen Ländern für ca. 2% des Bruttoinlandprodukts verantwortlich. Hans Lenk (Karlsruher Philosoph und Olympiasieger im Ruder- Achter) sieht im Sport ein „Medium der Kunst, ein ausgewogenes, vitales und spannendes Leben zu führen.“2

Dies gilt selbstverständlich nicht nur für gesunde Menschen, sondern genauso für Personen mit Behinderungen. Darüber hinaus kann Sport Behinderten oft noch mehr bieten als gesunden Menschen. Beispielsweise können Blinde und Sehbehinderte lernen, den fehlenden visuellen Sinn durch eine „sehr gut entwickelte und überdurchschnittlich koordinierte Motorik“3 auszugleichen.

Nach Karl Quade vom Deutschen Behindertensportverband ist Deutschland inzwischen auf einem extrem hohen Entwicklungsniveau des Behindertensports, mit dem vor einigen Jahrzehnten noch niemand gerechnet hätte. Die Möglichkeiten im Behindertensport reichen vom Gesundheitssport über den Freizeit- und Breitensport bis hin zum Hochleistungssport, und die Palette der Sportarten, die von Behinderten betrieben werden, entwickelt sich beständig weiter.

So ist mittlerweile auch das Sportangebot für Blinde und Sehbehinderte sehr um- fangreich geworden - dies ist vor allem den Aktivitäten des Deutschen Behinderten- sportverbands, zahlreicher Vereine sowie Blindenschulen und -hochschulen zu ver- danken.

Welcher Sport tatsächlich betrieben werden kann, hängt vor allem von der Behinderung ab. Das Spektrum möglicher Sportarten für Blinde und Sehbehinderte ist breit gefächert und reicht von Leichtathletik über Judo bis zum Tanzen. Empfehlenswert sind nach PROKOP besonders Übungen mit Geräten4. Für Blinde ist es oft schwer, die eigene Körperlage zu kontrollieren, da die Raum- orientierung hauptsächlich über die Augen stattfindet. Aus diesem Grund stellt Schwimmen eine gut geeignete Sportart für Blinde und Sehbehinderte dar. Der Sportler kann den Raum zu jeder Zeit erfühlen. „Das Medium [Wasser] übt einen höheren Druck auf die Haut aus, reizt damit stärker den Tastsinn und lässt uns unsere Körpergrenzen intensiver spüren“5

Die sich aufdrängenden Fragen sind:

- Welche Besonderheiten ergeben sich beim Schwimmen mit Sehbehinderung?
- Was muss im Unterricht beachtet werden?
- Was ist beim Lernprozess zu berücksichtigen?
- Können Blinde in ihren Leistungen und Fähigkeiten beim Schwimmen mit Sehenden verglichen werden?

Die vorliegende Arbeit versucht anhand eines Fallbeispiels, Möglichkeiten und Probleme beim Unterricht eines Schwimmers6 mit Sehbehinderung aufzuzeigen. Im Mittelpunkt meiner Arbeit steht die individuelle Betreuung und Anleitung eines einzelnen Sehbehinderten. Eine weiterreichende und allgemeine Untersuchung auf dem Gebiet ‚Schwimmen mit Sehbehinderung’ würde den Rahmen dieser Arbeit übersteigen und ich möchte dazu auf die angegebene Literatur verweisen.

2. Schwimmen und Sehbehinderungen

2.1 Sehst ö rungen und Sehbehinderungen

Weltweit sind nach Angaben des Deutschen Roten Kreuzes (Stand: April 2004) un- gefähr 40 Millionen Menschen ganz oder teilweise blind. In Deutschland leben etwa 155.000 blinde und etwa eine halbe Million hochgradig sehbehinderte Menschen.7

Blind ist nicht gleich blind - was im Volksmund oft als blind abgetan wird, muss in der Medizin genauer unterteilt werden. Sehschädigungen werden nach PAPE grob in drei Untergruppen aufgeteilt:

Sehbehinderung,

hochgradige Sehbehinderung und Blindheit.

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird Blindheit und Sehbehinderung unter dem Oberbegriff Sehschädigung zusammengefasst.

Sehgesch ä digte

Blinde Sehbehinderte

hochgradig Sehbehinderte

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Grad der Sehfähigkeit gilt als Maßstab, in welche Gruppe ein Sehgeschädigter eingestuft wird und wird meist in Prozenten, oft auch in Brüchen, jeweils bezogen auf das bessere Auge, angegeben:

Einen Gegenstand erst wahrzunehmen, wenn er lediglich 10 Meter von einem entfernt ist, bedeutet eine Sehleistung von nur noch 10% - eine Sehbehinderung liegt vor.

Wir sprechen von einer hochgradigen Sehbehinderung, wenn jemand nur noch 5% der eigentlichen Sehschärfe besitzt:

Als blind wird jemand ab einer Sehleistung von 2% bezeichnet.8

Dabei ist eine hochgradige Sehbehinderung gerade auf den Sport bezogen nicht eindeutig zu definieren. Eine Person mit einer hochgradigen Sehbehinderung hat im Gegensatz zu Blinden oft noch ein relativ gutes Orientierungsvermögen9, was bedeuten würde, dass er in einem sportlichen Wettkampf nicht als Blinder, sondern als Sehbehinderter starten kann.

Das Deutsche Rote Kreuz definiert Blindheit als „Unfähigkeit zu sehen: im Allgemei- nen ein schwerer durch Brillen nicht mehr korrigierbarer Sehverlust“10. Zu dieser Definition hinzuzufügen wäre noch der Aspekt der Gesichtsfeldein- schränkung.

Nach dem Bundessozialhilfegesetz §24 gelten Personen als blind, wenn ihre „Seh- schärfe auf dem besseren Auge nicht mehr als[1] /35 beträgt, wenn das Gesichtsfeld dieses Auges bis auf 30 Grad oder weniger eingeschränkt ist oder weiter nicht mehr als[1] /20 beträgt, wenn das Gesichtsfeld dieses Auges bis auf 15 Grad oder weiter eingeschränkt ist.“ Die Gesichtsfeldeinschränkung wird beachtet bei der Einteilung nach MERSI in funktional Blinde und funktional Sehende, sowie bei der Einteilung des Deutschen Roten Kreuzes in funktionale und praktische Blindheit.

2.1.1 Die Kamera im Kopf - ein medizinischer Exkurs

Durch die Zusammenarbeit von Augen, Sehbahn und bestimmten Zentren im Gehirn können wir sehen. Dabei vergleicht SCHNELL11 die Augen mit Kameras, die die Bilder ans Gehirn schicken. Der Sehsinn ist zusammen mit dem Hörsinn der wichtigste Sinn des Menschen. Das Auge stellt entwicklungsgeschichtlich einen Teil des Gehirns dar. Es ist, in der schützenden knöchernen Augenhöhle (Orbita) gelegen, das auf Licht (elektromagnetische Wellen von 350 bis 800nm) ansprechende Organ, das zusammen mit dem Sehnerv (Nervus opticus) das Sehorgan bildet.

Einfallende Lichtstrahlen werden durch das optische System (Hornhaut, Kammerwasser, Linse und Glaskörper) gebrochen und bilden das Betrachtete auf der Netzhaut ab. Auf der Netzhaut, bestehend aus Nervenzellen und -leitungen, werden elektrische Nervenimpulse freigegeben, die über den Sehnerv ins Gehirn geleitet werden.12 Dort werden die Informationen verarbeitet und mit bereits vorhandenen Informationen aus dem Gedächtnis verglichen.

Schematischer Aufbau des Auges:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung: aus:[37]www.gesundheit.de (letzter Zugriff: Januar 2006)

Der Augapfel ist ein annähernd kugeliges Gebilde (Ø ca. 24mm) mit mehrschichtiger Wand. Von außen nach innen wird er gebildet von der Lederhaut, übergehend in die Hornhaut, der gefäßführenden Augenhaut und der Netzhaut. Die Augenhaut, auch Aderhaut (Choroidea) genannt, verdickt sich nach vorne zum Strahlenkörper und bildet im vorderen Teil die Regenbogenhaut (Iris). Die Regenbogenhaut begrenzt die Pupille. Der Augapfel wird größtenteils ausgefüllt vom gallertigen Glaskörper. Zwischen Glaskörper und Pupille ist die Augenlinse gelegen.

Der Sehnerv ist eine vorgeschobene Bahn des Zwischenhirns und enthält etwa eine Million Nervenfasern. Innerhalb der Augenhöhle verläuft der Sehnerv s-förmig, was eine Anpassung an extreme Augenbewegungen ermöglicht. Von der Netzhaut ausgehend verlässt der Sehnerv die Augenhöhle durch den Optikuskanal, tritt durch den Sehnervenkanal, einen kleinen Kanal im Bereich der Keilbeinflügel, und gelangt schließlich zum Sehzentrum im Gehirn. Im Bereich der Keilbeinflügel ist der Sehnerv bei Knochenbrüchen oder Blutungen besonders gefährdet.

Schuld am Verlust des Augenlichts können Verletzungen, Krankheiten oder Störungen im Augapfel, im Sehnerv, in den Nervenbahnen oder im Gehirn selbst sein.

Auf eine detailliertere und ausführlichere Beschreibung der Funktionen und des Aufbaus des Auges sowie eine Aufzählung weiterer möglicher Ursachen, die zum Verlust des Augenlichts führen, möchte ich an dieser Stelle verzichten und verweise auf die angegebene Literatur, insbesondere auf:

[28] S ILBERNAGEL , S. / D ESPOPOULOS , A. „ Taschenatlas der Physiologie “ ,

Thieme 2001; Seite 344ff und

[38] www.gesundheit.de

2.2. Das motorische Ausgangsniveau und motorisches Lernen

Neben dem Grad der Sehbehinderung ist auch der Zeitpunkt des Einsetzens der Sehbehinderung von Bedeutung. Dazu werden drei Formen unterschieden:13

1. von Geburt an sehbehindert
2. sehbehindert durch krankhafte Veränderungen
3. sehbehindert aufgrund eines Unfalls

Der Zeitpunkt des Eintretens der Sehbehinderung ist entscheidend, denn eine Seh- behinderung bedeutet mehr als eine visuelle Beeinträchtigung: die Orientierung im Raum und auch die Raumerfahrung ist unvollkommen, bildliche Vorstellungen und Erfahrungen sind eingeschränkt oder gar nicht vorhanden. So betrifft eine Sehschädigung, die von Geburt an besteht, die gesamte Frühentwicklung; das be- deutet, die soziale, geistige und motorische Entwicklung des Kindes wird beeinflusst. Die motorische Entwicklung selbst hat wiederum einen großen Einfluss auf die Ge- samtentwicklung.14

Späterblindete konnten die Welt über einen bestimmten Zeitraum sehend wahr- nehmen und können sich gerade beim Erlernen von Bewegungen an frühere Bilder erinnern - sie kennen die Realität. Dies rechtfertigt beispielsweise die Klassenein- teilung im Leistungssport, die oft die Orientierungsfähigkeit als Maßstab mit berücksichtigt.

Die Erfahrungsdefizite bei Blindgeborenen (gegenüber Späterblindeten) erstrecken sich nicht nur auf die motorische, sondern auch auf die psychische und soziale Ebene: so wissen sie beispielsweise vom Schwimmstil ‚Delfin’, haben aber niemals weder einen Delfin schwimmen sehen noch einen Schwimmer. Das Erlernen einer Bewegung muss sich auf taktile und akustische Reize beschränken. Für das motorische Lernen ist das eine schwierige Ausgangslage, auch wenn man einräumt, dass es Blindgeborenen meist leichter als anderen fällt, verbale Bewegungsbeschreibungen umzusetzen, da sie schon immer alle Bewegungen allein auf ihren eigenen Körper bezogen lernen mussten, ohne sich die Bewegung beispielsweise beim Trainer ansehen zu können.

Normalsichtige nehmen sehr viele Umwelteindrücke über das Auge auf (circa 80%15 bzw. 95% nach SCHNELL16 ). Eine visuelle Wahrnehmung hilft bei der Bewegungssicherheit und -harmonie (vgl. 5. Diskussion) und ermöglicht das Lernen durch Nachahmen.17 Nach heutigem Wissensstand hat Blindheit keinen direkten Einfluss auf die Reifung oder das Wachstum eines Menschen, jedoch liegen blinde Kinder bereits in den ersten Lebensmonaten in der Entwicklung hinter normalsichtigen Kindern zurück (FELDEN 1953, HUDELMAYER 1975)18.

Es lässt sich feststellen, dass ein verringertes Sehvermögen große Auswirkungen auf die Bewegungsmöglichkeiten hat und somit die psychomotorische und psychosomatische Entwicklung beeinflusst.19 Das Auge kontrolliert beim Erlernen von Bewegungen ständig die Haltung der Körperteile, bis die Bewegungen automatisiert sind; ab dann hat das Auge nur noch eine oberflächlich kontrollierende Funktion20. Die fehlende Kontrollfunktion und die mangelnde visuelle Wahrnehmung von Bewegungsreizen lassen sich nur schwer, wenn überhaupt ausgleichen.

„Insgesamt ist das motorische Ausgangsniveau bei Sehbehinderten und Blinden erheblich beeinträchtigt. Damit unterliegt auch der Lernprozess selbst einer deutlichen Einschränkung.“ (KOSEL 1981, S. 195)21

Der Vollständigkeit halber muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass es bei blinden Kindern oft auch durch andere Umstände zu einer verzögerten oder verschlechterten Entwicklung der Motorik und des motorischen Gedächtnisses kommt. In vielen Fällen sind sehbehinderte Kinder vom Elternhaus überbehütet und können den natürlichen Bewegungsdrang nicht ausleben. Ihre Bewegungsentfaltung wird gehemmt und ein Einstieg in sportliche Betätigungen erfolgt somit erst mit der Einschulung im Alter von etwa sechs Jahren. Aber auch Persönlichkeitsstruktur und das persönliche Umfeld wirken sich auf die psychomotorische Entwicklung aus. Durch einen Mangel an Bewegungserfahrung entstehen vermutlich auch die „blindentypischen“ Bewegungssterotypien (werden auch als Symptome der Isolation bezeichnet)22, die in der Literatur als psychomotorische Besonderheiten aufgeführt sind.

Aufgrund der vielen Variablen, die sich auf die motorische Entwicklung eines jeden Menschen auswirken können, sind manche Koordinationsschwächen nur teilweise durch eine Sehbehinderung zu begründen und somit muss der Unterschied zu Normalsichtigen nicht immer signifikant sein.

Beim Arbeiten mit Blinden (Im Folgenden steht der Begriff Blinde/ Sehbehinderte als Sammelbegriff und eine genauere Unterscheidung, wie sie in den vorangegangen Kapiteln erklärt wurde, wird nicht mehr vorgenommen.) muss die besondere Situation, die das motorische Lernen beeinflusst, betrachtet werden. Insgesamt werden beim Erlernen von Bewegungen drei Phasen unterschieden:

1. Entwicklung der Grobkoordination
2. Entwicklung der Feinkoordination
3. Stabilisierung der Feinkoordination und Entwicklung der variablen Verfügbarkeit

Je nach Sehbehinderung zeigen sich bei den betroffenen Personen starke Unter- schiede hinsichtlich ihres motorischen Gedächtnisses. Ihre Ausgangssituation gestaltet sich differenziert, was beim Durchlaufen der Phasen zu bemerken und zu beachten ist.

Bei Blinden wird der motorische Lernprozess durch taktile, kinästhetische sowie durch verbale, akustische Bewegungsbeschreibungen gefördert. Diese müssen sie in eine eigene (bildliche) Vorstellung umwandeln und umsetzen lernen, wobei wohl hauptsächlich auf frühere Bewegungserfahrungen zurückgegriffen werden muss.23 Der Trainer muss Anreize schaffen, dass die Vorstellungen ständig erneuert, verbessert und überprüft werden, da die Anfangsphase in der Entwicklung einer neuen Bewegung am schwersten ist - und hier finden sich im Lernprozess wohl auch die größten Unterschiede zwischen Normalsichtigen und Blinden.

Es sollte laufend überprüft werden, ob der Schüler die Bewegungen verstanden hat. Dies lässt sich leicht verwirklichen, indem man den Schüler die Bewegung ausführen lässt, aber auch, indem der Schüler die Bewegungen - sowie er sie verstanden hat - selber verbalisieren soll. Vor allem das eigene Verbalisieren spielt eine große Rolle, da so eine Bewegung bewusster und intensiver aufgenommen werden kann. Ohne die verbale Rückmeldung lässt sich bei einer fehlerhaften Demonstration des Schülers nicht klar feststellen, ob die Bewegung tatsächlich falsch verstanden wurde, oder ob es an der motorischen Umsetzung scheiterte.

2.3 Schwimmen als Sportart

Im Wassersport können sich Blinde und Sehbehinderte mit entsprechenden Hilfen (Betreuer, akustische Signale) sehr schnell sicher und damit heimisch fühlen. Schwimmen bezeichnet allgemein eine Fortbewegung im Wasser. In Bezug auf den Sport ist Schwimmen eine Sammelbezeichnung für Wettkampfarten im Wasser, bei denen in der Regel keine Fortbewegungshilfen verwendet werden.24 Schwimmen ist als Sportart und Fortbewegungsmethode im Wasser - wie andere Sportarten - gesundheitsfördernd. Beim Schwimmen wird das Skelett völlig entlastet und so können kaum Gelenküberlastungen oder ähnliche Schäden entstehen. Damit lässt sich diese Sportart auch bis ins hohe Alter betreiben.

Doch Schwimmen ist mehr als eine Sportart, was die Notwendigkeit des Schwimmen-Könnens nicht nur für Sehende erklärt. Schwimmen kann auch die Rettung vor dem Ertrinken bedeuten - beispielsweise, wenn Kinder beim Spielen in den Gartenteich fallen. Kinder lernen oft schon ab dem Babyalter, mit dem Element Wasser vertraut umzugehen und Schwimmkurse werden bereits für Kleinkinder (meist ab dem 6. Lebensmonat) angeboten.

Beim Schwimmen mit Behinderten sind praktisch alle Stilarten möglich, auch wenn die Lage Delfin eher wenig verbreitet ist. Die einzelnen Stilarten werden im folgenden Abschnitt kurz erklärt, um einen Überblick über die Bewegungen zu vermittlen, aber auch, um die Lagen rein verbal zu beschreiben. Damit gibt der nächste Abschnitt auch einen Einblick, wie schwierig es ist, eine Bewegung zu verbalisieren, was beim Schwimmunterricht mit Blinden die Grundlage bildet.

2.3.1 Bewegungsbeschreibungen der einzelnen Lagen

Im Wettkampfbereich sind folgende Stilarten anerkannt:

1. Delfinschwimmen:

Delfinschwimmen ist wohl die anspruchvollste Lage und wird meist erst als letzte der vier Lagen erlernt, wenn der Schwimmer mit dem Wasser und der Fortbewegung darin schon vertraut ist. Gerade im Behindertensport lassen sich die Bewegungen, die für diese Lage nötig sind, oft nicht so leicht durchführen, sei es, da bei Körperbehinderungen manche Bewegungen einfach nicht zweckmäßig ausgeführt werden können, oder sei es - wie im vorliegenden Fall - dass die komplexe Bewegungsvorstellung schwer zu vermitteln ist.

Während der Zugphase tauchen die Arme gestreckt mit den Fingerspitzen zuerst ein, wobei die Handflächen leicht nach außen gedreht sind. Die Beine sind im Knie an- gewinkelt und schwingen nach oben. Der Kopf befindet sich zwischen den Armen. Die Arme ziehen mit leicht angewinkelten Ellbogen vor dem Kopf nach hinten- außen. Anschließend schwingen die Beine gestreckt abwärts (1. Beinschlag). Nun führt der Kopf die Wellenbewegung des Körpers nach unten, indem das Kinn leicht angehoben wird.

Im nun folgenden Ü bergang von der Zug- in die Druckphase ziehen die Arme nach hinten-innen. Beide Beine schwingen nach oben mit leicht angewinkelten Unter- schenkeln.

Es folgt die Druckphase, in der die Arme seitlich am Becken vorbei drücken (Schlüs- sellochzug). Dabei befinden die Beine sich in der Abwärtsbewegung, es folgt ein zweiter Beinschlag zum Vorbringen der Arme. Der Kopf wird angehoben mit Blick nach vorne.

Während der Schwungphase = R ü ckholphase werden die Arme hinter dem Körper mit den Ellenbogen zuerst (hoher Ellenbogen) aus dem Wasser gehoben. Handgelenke und Arme sind entspannt, Körper gestreckt, die Beine werden gezogen. Für die Atmung wird hier der Kopf lediglich angehoben.

Die gestreckten Arme werden seitlich, knapp über dem Wasser, nach vorne gebracht. Die Beine beginnen mit der Aufwärtsbewegung Æ Vorbereitung für den ersten Beinschlag. Der Blick richtet sich wieder nach unten.

2. R ü ckenschwimmen:

Armbewegung:

Die Armbewegung ü ber Wasser ist die Schwungphase bzw. Erholungsphase. Der Arm verlässt gestreckt mit dem Daumen zuerst das Wasser. Danach wird er ge- Schwimmen mit Sehbehinderung ~ wissenschaftliche Arbeit f ü r das 1. Staatsexamen ~ Silvia Weible streckt angehoben und vorgeschwungen. Dabei werden Arm und Hand um 180° ge- dreht und tauchen in Verlängerung der Schulter gestreckt ins Wasser ein. Die Armbewegung unter Wasser ist die Arbeitsphase, dabei sinken Arm und Hand sofort nach dem Eintauchen unter die Schulterebene ab. Jetzt beginnt die Zugphase, mit „Greifen“ des Wassers, Aufwärtsführen der Hand und des Unterarmes mit gleichzeitigem Stehenlassen des Ellenbogens. Dadurch wird der Ellenbogen um etwa 90° gebeugt; so steht der Unterarm fast senkrecht im Wasser, wenn die Zug- phase beendet ist. Damit beginnt die Druckphase. Von nun an streckt sich der Arm mit steigendem Krafteinsatz des Unterarmes und der Hand. Die Druckphase endet mit der Streckung des Armes etwa 10 cm unterhalb der Hüften. Damit das Durchbrechen der Hand durch die Wasseroberfläche während der stärksten Beuge- phase des Armes verhindert wird, muss der Oberkörper eine starke Rollbewegung um die Körperlängsachse ausführen (Heben der gegenüberliegenden Schulter), was einen unnötigen Wasserwiderstand beim Vorschwingen des Armes verhindert. Beinschlag:

Die Beine werden gestreckt abwärts geführt. Das Aufwärtsführen erfolgt durch Vorziehen des Oberschenkels in eine leichte Beugung, anschließendes Strecken durch das peitschenartige Schlagen des Unterschenkels und des Fußes. Zur Vergrößerung der Schlagfläche werden die Füße beim Aufwärtsschlag einwärts gedreht. So entsprechen etwa sechs Beinschläge einem kompletten Armzug.

3. Brustschwimmen

Armzug und Beinschlag:

Zum Öffnen der Arme werden die Schultern so weit wie möglich nach vorne geschoben, die Handinnenflächen werden gegen die Bewegungsrichtung nach außen angestellt, und Hände und Unterarme werden nicht nur auswärts, sondern auch leicht vorwärts bewegt. Zugleich taucht die Brust weiter nach unten, während das Gesäß an der Wasseroberfläche bleibt und die gestreckten Beine schräg abwärts zeigend den Beinschluss erreichen. Das anfangs noch nach unten gerichtete Gesicht wird nach vorne aufgerichtet (Kinn vorschieben). Von der Seite gesehen wird gegen Ende des Öffnens eine Körperhaltung erreicht, die man als „ Wellenposition “ bezeichnet.

Wenn die Hände etwa zweieinhalb- bis dreifach schulterbreit auseinander sind, geht das Öffnen der Arme ohne Unterbrechung zunächst in das Ziehen, danach in das Drücken mit Armen und Händen über.

Beim Ziehen ist zu beachten: Es beginnt, wenn die Hände vom Schwimmer aus gesehen auch rückwärts bewegt werden - Rückholen der Schultern, leichtes Beugen der Handgelenke gegen Bewegungsrichtung und Beschleunigung Æ Ellenbogen bleiben oben! (M ö wenposition) Beim Drücken ist zu beachten: es beginnt, wenn die Oberarme etwa 60° adduziert wurden. Hände (Handflächen gegen Bewegungsrichtung) und Unterarme werden durch Rotation der Oberarme weiterhin rückwärts, aber jetzt auch abwärts gedrückt. Der Oberkörper taucht auf, die Hüfte wird abwärts gedrückt (Schalenlage in „ Sphinx oder Bethaltung “), die Arme werden vorgebracht.

Die Hände werden knapp unter dem Kinn zur Wasseroberfläche gebracht und durch schnelles Strecken der Arme nach vorne bewegt Æ Kopf, Schultern und Brust werden nach vorne geworfen (Eintauchen).

Zeitgleiches Anfersen: Dabei werden durch Beugen im Kniegelenk die Fersen zum Gesäß geführt, ohne dass sie die Wasseroberfläche durchbrechen (Gesäß darf nicht nach oben kommen). Zugleich werden die Knie etwas mehr als hüftbreit geöffnet. Zum Ende des Anfersens werden die zunächst noch nach hinten zeigenden Füße stark nach außen gedreht und zugleich im alltagssprachlichen Sinne gebeugt (dorsalflektiert) Æ „ Chaplinposition “.

Die Schwunggr ä tsche bezeichnet ein gegengleiches, erst nach außen-hinten-unten und dann nach innen-hinten-unten gerichtetes, explosiv ausgeführtes Kreisen der Füße und Unterschenkel.

4. Kraulschwimmen

Armzug:

Die Druckphase ist die Wasserphase des Armes. Mit der Handfläche und dem Innenarm wird das Wasser gefasst, Hand und Arm nach hinten-unten bewegt und der Ellenbogen dabei hochgehalten. Der Arm wird nun im Ellenbogen gebeugt und der Köper über den Arm hinweg vorwärts gezogen (sich über den Baumstamm ziehen). Es folgt ein Abdruck vom Wasser mit Hand und Unterarm und dabei wird der Arm zum Oberschenkel gestreckt.

In der R ü ckholphas e, der Ü berwasserphase des Armes wird der Ellenbogen hochgezogen und die Hand entspannt aus dem Wasser gezogen. Danach wird der Arm nahe am Körper vorbeigeschwungen und taucht ausgestreckt weit vor dem Kopf in Verlängerung der Schulter ins Wasser ein.

Beinschlag:

Der Beinschlag dient der stabilen Lage des Körpers im Wasser und zum Antrieb.

Die Beine werden wechselseitig auf- und abwärts bewegt. Während die Bewegung nach unten leicht fällt, muss die Bewegung nach oben bewusster ausgeführt werden. Bei der Bewegung nach; unten geht der Oberschenkel voran, danach schnellt der Unterschenkel nach, dabei sollte darauf geachtet werden, dass kein zu großer Winkel im Kniegelenk entsteht. Der Wasserdruck dreht dabei Bein- und Fußgelenk einwärts.

Noch bevor der Fuß den tiefsten Punkt erreicht hat, wird durch den Oberschenkel die Bewegung nach oben eingeleitet und der Unterschenkel folgt der Bewegung. Je nach Streckenlänge kommen auf zwei bis sechs Beinschläge ein Armzyklus.

Atmung:

Beim Austauchen des Armes ist das Gesicht frei, nun wird der Kopf leicht seitlich gedreht und es wird im Wellental eingeatmet.

2.4 Ergebnisse auf diesem Gebiet

Die Konzeption eines Schwimmunterrichts mit einem blinden Schüler, bzw. mit mehreren blinden Schülern ist keine ganz neue Idee. Schon vor langer Zeit wurde immer wieder versucht, Behinderte so gut es ging in das ‚normale’ Leben zu integrieren, um ihnen so einen weitgehend ‚gewöhnlichen’ Alltag zu ermöglichen. Genauere Methoden und Projekte dazu sind in dem Buch „Sport ohne Barrieren“, herausgegeben von Jürgen BECKMANN und Henning OHLERT zu finden (vgl. 7. Literaturangaben am Ende dieser Arbeit).

Durch Ausfall eines Sinns werden die restlichen Sinne besonders ausgebildet, da sie mehr gefordert werden als im Normalfall. Blinde nehmen den Aufenthalt im Wasser anders wahr als Gesunde. Das wesentlich besser trainierte Gehör von Blinden wird im und durch Wasser stark beeinträchtigt, so kann es zu Orientierungs- schwierigkeiten, aber auch zu Angstzuständen kommen. Bewegungen im Wasser bedeuten Bewegungen in einem Raum, der durch einen ständig relativ großen Geräuschpegel ausgefüllt ist, der aber auch fortlaufend (taktil) wahrgenommen wird. Das Wasser liefert kontinuierlich Informationen über Lage und Bewegung, was oft zum psychosomatischen Training genutzt wird.25 Die Trägheit des Wassers und das geringe Verletzungsrisiko beim Schwimmen ermöglichen verlangsamte, kontrollierte und vor allem flüssige Bewegungen.

In der vorhandenen Literatur finden sich leider wenige Einblicke in Möglichkeiten des Arbeitens mit Sehbehinderten im Schwimmunterricht. Viele Beschreibungen beziehen sich nicht auf das Erlernen eines Schwimmstils, sondern viel eher darauf, wie Schwimmen zur Koordinations- und Konzentrationsförderung oder zur Konditionsschulung genutzt werden kann. Es findet sich viel Material über Behindertensport und auch über Schwimmen mit Behinderten, jedoch sehr wenige Autoren beziehen sich auf Sinnesbehinderungen. Das Thema Schwimmen mit Seh- behinderung wurde oft nur am Rande angeschnitten. Eine Ausnahme dabei der Schwimm-Leistungssport mit Sehbehinderten. In diesem Themenbereich existiert reichlich Material.

Bedauerlicherweise lieferten auch meine Anfragen bei mehreren Blinden- und/ oder Behindertensportverbänden kaum hilfreiche Informationen oder Handreichungen.

Bei der Durchführung des Schwimmunterrichts und beim Schreiben dieser Arbeit stützte ich mich somit weitgehend auf Literatur, die den Behindertensport allgemein behandelt oder auf Literatur, die sich insgesamt auf den Schwimmunterricht (von nicht behinderten Menschen) bezieht - diese ist in großem Umfang vorhanden (vgl. 7. Literaturangaben).

3. Konzeption des Schwimmunterrichts

3.1 Begr ü ndung und Beschreibung des eigenen Weges

Normalsichtige erfassen Bewegungen ganzheitlich und können sie meistens auch ganzheitlich erlernen und später in Teilbereiche differenzieren. Bei Blinden und Seh- behinderten fehlen die Mittel, die Bewegung als Ganzes erfassen zu können, was sich hauptsächlich in der ersten Phase des motorischen Lernens zeigt (vergleiche dazu auch Kapitel 2). Das Lernen nach der Ganzheitsmethode, einer Methode, in der kaum Teilbereiche und -bewegungen gesondert betrachtet werden, ist demnach für Blinde zum Erlernen von Bewegungen nicht immer geeignet. Sie kommt zum Ein- satz, falls eine Bewegungsvorstellung bereits vorhanden ist. Nach SCHERER26 ist die analytisch-synthetische Methode für das Bewegungslernen Blinder am effektivsten, da eine Zergliederung in Einzelbewegungen der sukzessiv-additiven Erfassungs- methode entspricht und somit das Aufnahmevermögen sensorischer Informationen blinder Personen optimal nutzt.

Konkret für den Schwimmunterricht bedeutet dies, dass die gesamte komplexe Be- wegung in einzelne Teilbewegungen untergliedert werden sollte. So wird beispiels- weise erst der Beinschlag, dann der Armzug, dann die Atmung eingeführt und anschließend in allen Kombinationen weiter wieder zur Komplexbewegung zusam- mengeführt. Dabei sind Auftriebsmittel wie Pull-bouy, Schwimmbretter oder ‚Noodles’ eine sinnvolle Unterstützung, da sie helfen, trotz der Einzelbewegung das Gefühl der Gesamtbewegung zu vermitteln. Dies soll allerdings nicht heißen, dass die Ganzheitsmethode bei der Arbeit mit Sehgeschädigten und Blinden völlig außer Acht gelassen werden kann, sondern sie sollte mit in die analytisch- synthetische Methode einfließen, um eine ‚gute’ Mischung zu erhalten (KOSEL 1979, S. 369).27 Nach der bisherigen Beschreibung unterscheiden sich die Methoden für den Schwimmunter- richt mit Sehbehinderten im Groben nicht von Methoden, die bei Normalsichtigen an- gewandt werden können. Jedoch stehen dem Trainer beim Training eines Seh- behinderten wesentlich weniger Möglichkeiten zur Vermittlung der Aufgaben zur Verfügung.

Im Allgemeinen wird auf die Bewegungsführung, das Erfühlen von Bewegungen und auf das Verbalisieren sowie auf das selbstständige Gestalten von Bewegungen zurückgegriffen, um Blinden eine Bewegung näher zu bringen.

Am Beckenrand sitzend kann der Trainer beispielsweise den Arm der blinden Person führen und so den Armzug in Bezug auf den Körper besser beschreiben. Ebenso kann im flachen Wasser der Beinschlag geführt werden. Beim Erfühlen von Bewegungen muss darauf geachtet werden, dass die Bewegung deutlich ausgeführt wird und auch, dass der Schüler wirklich die Möglichkeit hat, die gesamte Bewegung zu erkennen. Diese Methode hat den Nachteil, dass ein Zusammenhang der Bewegung nur schwer dargestellt werden kann, da immer nur ein Teil des Körpers erfühlt werden kann. Die großräumige Bewegung kann dabei nicht mit beachtet wer- den.

Die Methode der Bewegungsführung erscheint insgesamt als die Sinnvollste, da hier die kinästhetischen Informationen überwiegen und so die Bewegungen verinnerlicht werden können, indem sie rezeptiv aufgenommen werden. Die Bewegungen werden in Bezug auf den Körper richtig wahrgenommen und eine falsche Vorstellung aufgrund falscher bildlicher Umsetzung wird verhindert. Wenn möglich sollte der Trainer die Bewegung führen, indem er den Schwimmer im niedrigen Wasser in waagrechter Position hält. Dadurch wird vermieden, dass der Schwimmer die Bewegung von der vertikalen in die horizontale Lage übersetzen muss. Die Methode sollte jedoch nicht alleine genutzt werden; eine Verbalisierung aller Vorgänge ist daher ratsam. Wie kompliziert es allerdings ist, aus verbalen Beschreibungen eine Komplexbewegung herzustellen, darauf wurde bereits in Kapitel 2 hingewiesen, in dem die vier verschiedenen Schwimmstile beschrieben wurden. Ohne bildliche Anschauung ist es selbst für Personen, die bereits Schwimmer gesehen haben, abstrakt und sehr mühsam, sich hieraus die Bewegungen abzuleiten.

Um in die Praxis einsteigen zu können, müssen einige Hintergrundinformationen über den Schüler/ die Schüler gesammelt werden. Diese Vorinformationen sind von grundlegender Bedeutung für den Unterricht (vergleiche dazu Kapitel 2). Beispiels- weise sollte darauf eingegangen werden, welche Vorkenntnisse der Schüler mit- bringt. Dies bezieht sich nicht nur auf die Vorerfahrungen im Schwimmen, sondern vor allem auch auf die Vorerfahrungen im motorischen Bereich. Wurde früher schon viel Sport getrieben? Gibt es (negative) Vorerfahrungen mit dem Element Wasser? Ebenso ist es wichtig zu wissen, seit wann die betreffende Person sehbehindert ist. All diese Informationen sind nützlich, um sich ein Bild über die vorhandenen koordi- nativen und konditionellen Fähigkeiten und Fertigkeiten machen zu können, mit denen der Schüler in die Schwimmstunden kommt.

Die erste Schwimmstunde sollte aus diesen Gründen nicht allzu genau vorgeplant sein, sondern eher flexibel gestaltet werden, um auf den Probanden am besten eingehen zu können.

Um diese Arbeit nicht nur auf der Theorie aufzubauen, werde ich im Folgenden oft auf das konkrete Fallbeispiel Tobias (siehe 3.3 Tobias) eingehen. Es ist klar, dass die Erfahrungen bei der individuellen Arbeit mit Tobias sich nicht uneingeschränkt auf die Allgemeinheit übertragen lassen. Ich werde versuchen, bei der Beschreibung einen Mittelweg einzuschlagen. Für allgemeinere Aussagen oder andere Fallbeispiele wird auf die angegebene Literatur verwiesen.

Zunächst legten Tobias und ich fest, uns mehr oder minder regelmäßig einmal in der Woche zu einer Unterrichtsstunde von 45 bis 60 Minuten zu treffen. Rückblickend konnte diese Planung aus mehreren Gründen nicht immer ganz eingehalten werden (Terminüberschneidungen, Öffnungszeiten, Ferien und Umbau der Schwimmbäder, Wetterlage beim Ausweichen auf das örtliche Freibad), was sich auch auf Tobias’ Leistungen auswirkte, wenn eine längere Pause hinter ihm lag. Trotzdem versuchten wir, so oft wie möglich Termine zu finden, um schwimmen zu gehen. Tobias selbst zeigte großes Engagement und versuchte, zusätzlich zu den festen Schwimmstun- den auch selbstständig üben zu gehen.

Nachdem alle organisatorischen Fragen geklärt und wesentliche Vorinformationen ausgetauscht worden waren, musste geplant werden, wie die Stunden ablaufen sollten. An dieser Stelle will ich auf den Punkt 4.1. Die Schwimmstunden verweisen. Dort findet sich ein Überblick über das Programm des Unterrichts, eine Einzelauflistung der Stunden sowie das Feedback von Tobias und das des Trainers selbst.

Ich selbst hatte bisher keinerlei Erfahrungen auf dem Gebiet des Sports mit Sondergruppen gesammelt. Schwimmunterricht für Sehende hatte ich zum Zeitpunkt der Schwimmstunden mit Tobias bereits erteilt, allerdings waren diese Stunden hauptsächlich für Sportstudenten ausgelegt - meist also Personen mit relativ vielen koordinativen Vorerfahrungen. Aber nicht nur ich bewegte mich auf unbekanntem Gebiet; mit mir hatte Tobias zum ersten Mal eine Lehrperson, die es nicht gewohnt war, blinde Schüler zu unterrichten.

Eine erste Stundenplanung war leicht erstellt, die didaktisch-methodischen Reihen des Schwimmunterrichts finden sich sehr ausführlich in der Literatur wieder. Die Planung sah ein Vorgehen vom Leichten zum Schweren vor, vom Bekannten zum Unbekannten. Um genauer zu planen, wie das aussehen kann, wurden zunächst konkret die Ziele, die erreicht werden sollten, formuliert.

[...]


2 BACHMANN, K.: „ Wie viel Sport braucht der Mensch “, aus: Geo Nr. 8/ August 2001

3 PROKOP, L.: „ Aufgabe: Behindertensport “; Brüder Hollinek Purkersdorf; 1998; Seite 83

4 PROKOP, L.: „ Aufgabe: Behindertensport “; Brüder Hollinek Purkersdorf; 1998; Seite 84

5 BACHMANN, K.: „ Wie viel Sport braucht der Mensch “, aus: Geo Nr. 8/ August 2001

6 zur Vereinfachung beinhaltet der Begriff Schwimmer selbstverständlich auch die weibliche Form Schwimmerin; dies gilt für alle noch folgenden Situationen

7 aus: www.dbsv.org

8 aus: www.dbsv.org

9 aus: SCHERER, F.: „ Sport mit blinden und sehbehinderten Kindern und Jugendlichen “; Reihe Motorik- Band 4; Hofmann Schorndorf, 1983, Seite 10/11

10 aus : LexikonDuden Das Neue Lexikon, 3. Auflage, Band 8

11 aus: SCHNELL, D: „ Das kann ins Auge gehen … Was Aktive und Betreuer zur Sehleistung wissen sollten “; Bundesinstitut für Sportwissenschaft und Deutscher Sportbund - Bereich Leistungssport; Neubert 1997; Seite 12

12 aus: TROJAN, H.J.: „ Sehen und Sport bei Kindern und Jugendlichen - Erfahrungen eines niedergelassenen Augenarztes “ in: Deutsches Grünes Kreuz „ Gutes Sehen beim Sport “; Bericht über ein Symposium in München 11. Juni 1980, Seite 23

13 aus: Deutscher Ruderverband; Sachgebiet Wissenschaft/ Lehre; Redaktion: Friedhelm Kreiß: „ Vierer mit. -Projektbericht -“ Seite 4

14 MÜLLER, I./ BRAUNER, B.: „ Stellt den Alltag auf den Kopf - Rh ö nradturnen mit Behinderten “; Hrsg.: Deutsche Turnerjugend, Würzburg: Ed. Bentheim 1990, Seite 21

15 aus: Deutscher Ruderverband; Sachgebiet Wissenschaft/ Lehre; Redaktion: KREIß, F.: „Vierer mit. -Projektbericht-“ S. 4

16 aus: SCHNELL, D.: „Die Bedeutung des Sehens im Sport“ in: Deutsches Grünes Kreuz „Gutes Sehen beim Sport“; Bericht über ein Symposium in München 11. Juni 1980, Seite 11

17 aus: MÜLLER, I./ BRAUNER, B.: „ Stellt den Alltag auf den Kopf - Rh ö nradturnen mit Behinderten “; Hrsg.: Deutsche Turnerjugend, Würzburg: Ed. Bentheim 1990, Seite 22

18 aus: SCHERER, F.: „ Sport mit blinden und sehbehinderten Kindern und Jugendlichen “; Reihe Motorik- Band 4; Hofmann Schorndorf, 1983, Seite 13

19 aus: SCHERER, F.: „ Sport mit blinden und sehbehinderten Kindern und Jugendlichen “; Reihe Motorik- Band 4; Hofmann Schorndorf, 1983, Seite 15

20 aus: SCHNELL, D: „ Die Bedeutung des Sehens im Sport “ in: Deutsches Grünes Kreuz „ Gutes Sehen beim Sport “; Bericht über ein Symposium in München 11. Juni 1980, Seite 12

21 aus: SCHERER, F.: „ Sport mit blinden und sehbehinderten Kindern und Jugendlichen “; Reihe Motorik- Band 4; Hofmann Schorndorf, 1983, Seite 41

22 aus: SCHERER, F.: „ Sport mit blinden und sehbehinderten Kindern und Jugendlichen “; Reihe Motorik- Band 4; Hofmann Schorndorf, 1983, Seite 15

23 aus: SCHERER, F.: „ Sport mit blinden und sehbehinderten Kindern und Jugendlichen “; Reihe Motorik- Band 4; Hofmann Schorndorf, 1983, Seite 42

24 aus: Duden Das Neue Lexikon, 3. Auflage, Band 8

25 aus: INNEMOSER, J.: „Schwimmspaß für Behinderte - Ein Leitfaden für Behinderte, Eltern und Betreuer“; Seite 51 Schwimmen mit Sehbehinderung ~ wissenschaftliche Arbeit f ü r das 1. Staatsexamen ~ Silvia Weible

26 aus: SCHERER, F.: „ Sport mit blinden und sehbehinderten Kindern und Jugendlichen “; Reihe Motorik- Band 4; Hofmann Schorndorf, 1983, Seite 44

27 aus: SCHERER, F.: „ Sport mit blinden und sehbehinderten Kindern und Jugendlichen “; Reihe Motorik- Band 4; Hofmann Schorndorf, 1983, Seite 45

Ende der Leseprobe aus 77 Seiten

Details

Titel
Schwimmen mit Sehbehinderung
Hochschule
Universität Konstanz
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
77
Katalognummer
V59552
ISBN (eBook)
9783638534604
Dateigröße
2174 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schwimmen
Arbeit zitieren
Silvia Stoll (Autor:in), 2006, Schwimmen mit Sehbehinderung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59552

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