Die NS-Prozesse


Seminararbeit, 2004

18 Seiten, Note: 1,4


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Internationale Abkommen zur Verfolgung von Kriegsverbrechen
1.1. UNWCC und die Moskauer Drei-Mächte-Erklärung
1.2. Verfahren in Polen, Tschechoslowakei, Frankreich und Niederlande
1.3. Das Nürnberger Kriegsverbrecher-Tribunal

2. Strafverfolgung von NS-Verbrechen in Deutschland
2.1. Das Kontrollratsgesetz Nr. 10 und die Nürnberger Nachfolgeprozesse
2.2. Amnestie
2.3. Die deutsche Rechtsprechung
2.3.1. NS-Prozesse-Forschung in den Niederlanden
2.4. Grosse deutsche NS-Prozesse
2.5. Die Einrichtung der Zentralen der Landesjustizverwaltungen

3. Öffentliches Bewusstsein
3.1. Heiner Lichtensteins Dokumentation von NS-Prozessen

4. Schlussbemerkung

5. Literaturnachweis

1. Internationale Abkommen zur Verfolgung von Kriegsverbrechen

1.1. UNWCC und die Moskauer Drei-Mächte-Erklärung

Der erste NS-Prozess wurde vom 27.11. bis 2.12.1944 vor dem Sondergericht Lublin gegen fünf SS-Leute des Vernichtungslagers Majdanek geführt, alle Angeklagten wurden zum Tode verurteilt. Grundlage zur Durchführung dieses und etlicher anderer im Ausland geführter Prozesse war die „Moskauer Drei-Mächte-Erklärung“ über Grausamkeit vom 30. Oktober 1943. Hierin wurde die entscheidende Übereinkunft getroffen: „dass Kriegsverbrecher, die für Massenexekutionen und Greuel auf den von der Hitlerarmee besetzten Territorien verantwortlich sind, an die Stätten ihrer Verbrechen zurückgeschickt und an Ort und Stelle von den Völkern abgeurteilt werden, denen sie Gewalt angetan haben.“ (Claudia Kuretsidis-Haider: „Die von der Moskauer Konferenz am 1. November 1943 verabschiedete ‚Erklärung über die Verantwortlichkeit der Hitleranhänger für begangene Greueltaten’, www.klahrgesellschaft.at/Referate/Kuretsidis_2002.html). Desweiteren wurde beschlossen, dass Hauptkriegsverbrecher, deren Verbrechen an keinen bestimmten geografischen Ort gebunden sind, durch eine gemeinsame Entscheidung der Regierungen der Alliierten verurteilt und bestraft werden sollten. Grundlage hierfür war die Kriegsverbrechenskommission der Vereinigten Nationen UNWCC (United Nations War Crimes Comission), der im Oktober 1942 17 Nationen beigetreten waren: Australien, Belgien Kanada, China, Frankreich, Griechenland, Holland, Indien, Jugoslawien, Luxemburg, Neuseeland, Norwegen, Polen, Südafrika, Tschechoslowakei, Großbritannien und Nordirland, Vereinigte Staaten von Amerika. Die SU war dieser Konferenz ferngeblieben.

Der Moskauer Erklärung waren monatelange Verhandlungen vorausgegangen, da insbesondere Großbritannien und die SU eher geneigt waren, die bekannten Nazi-Größen in kurzen Prozessen quasi standrechtlich hinzurichten. Es ist der vehementen Intervention Stalins zu verdanken, dass es zur Einrichtung des internationalen Gerichtshofes kam, der in Nürnberg in den einschlägig bekannten Nürnberger Prozessen zur Verurteilung der hauptverantwortlichen Nazigrößen führte (ebda.). Insbesondere Churchill erhoffte sich durch die Veröffentlichung dieses internationalen Abkommens eine Einschüchterung der Verantwortlichen in der Nazi-Hierarchie und demzufolge ein Eindämmen der Verbrechen, es zeigte jedoch nicht die erwünschte Wirkung: 51% der vor deutschen Gerichten verhandelten NS-Verbrechen in der ersten Phase von 1945-52 richtete sich gegen sogenannte „Endphaseverbrecher“ – was auch daran liegen mag, dass dies Verbrechen direkter und damit einfacher verfolgt werden konnten. Das folgende Zitat soll veranschaulichen, was mit diesem „Endphaseverbrechen“ gemeint ist:

„Aber eigentlich richtig ‚fertiggemacht’ hätten ihn erst die Hinrichtungen junger Wehrmachtsangehöriger kurz vor Ende des Krieges, berichtete Bärbel weiter. „Im Grunde wussten sie nicht, wofür sie starben. Sie standen da, viele weinten. Völlig unvorbereitet traf sie das Todesurteil, nur weil irgendein Unmensch einen solchen jungen Soldaten denunziert hatte, der mal etwas gegen Hitler sagte, oder vielleicht äußerte, dass er ‚nicht mehr mitmachen wollte’. Nur dafür wurden sie umgebracht, die Kommunisten wussten doch wenigstens, wofür und wogegen sie kämpften, meinte dieser ehemalige Nazi und Leiter der Anatomie.“ (Gerda Zorn, „Rote Großmütter: gestern und heute“, Röderberg im Pahl-Rugenstein-Verlag, 1989).

1.2. Verfahren in Polen, Tschechoslowakei, Frankreich und Niederlande

Exemplarisch werden im Folgenden die Anzahl der Verfahren in den am schwersten von Nazi-Verbrechen betroffenen Ländern Polen, Tschechoslowakei, Frankreich und Niederlande aufgeführt.

Am 31. August 1944 wurde von der Lubliner Regierung für Polen das „Dekret über die Strafzumessung für die faschistisch-nazistischen Verbrecher, die sich an den Mordtaten und der Misshandlung der Zivilbevölkerung und der Kriegsgefangenen schuldig gemacht haben, sowie für die Verräter des polnischen Volkes“ erlassen. Im Januar 1946 wurde das Oberste Volkstribunal eingerichtet, dessen Verfahrensvorschriften sich an jene des Nürnberger Prozesses anlehnten, von diesem wurden sieben große Prozesse geführt, die übrigen Verfahren wurden von Sondergerichten abgehandelt, die an die polnische Strafprozessordnung gebunden waren. Stanislaw Kanienski, ehemaliger stellvertretender Leiter der Hauptkommission zur Untersuchung von NS-Verbrechen, beziffert die Anzahl der Verfahren von 1945 – 1996 auf mehr als 12.300, in denen 5340 Personen verurteilt wurden.

Die Tschechoslowakei hatte am 19. Juni 1945 mit Hilfe des Retributionsdekretes über „die Bestrafung nazistischer Verbrecher, Verräter und ihre Helfershelfer sowie über die außerordentlichen Volksgerichte“ auf Grundlage der geltenden Strafprozessordnung 24 außerordentliche Volksgerichte berufen, die in ca. 40.000 Gerichtsverfahren bis 1949 über 132.549 ermittelte Personen urteilten. 713 Personen wurden zum Tode verurteilt, darunter 475 Deutsche; gegen 741, darunter 443 Deutsche, wurde lebenslange Haft verhängt, 9.132 wurden freigesprochen.

In Frankreich nahmen im Herbst 1944 Militärgerichte ihre Tätigkeit auf („cours de justice“), die auf Basis der Artikel 75 ff des französischen Strafgesetzbuches verhandelten, bis 1954 wurden die letzten Kollaborationsfälle bearbeitet. Verhandelt wurden Kriegsverbrechen der deutschen und italienischen Besatzungsmächte und es erfolgte eine Verurteilung tausender Deutscher. Die Verfahren wurden gegen eine ungefähre Anzahl von 50.000 Personen geführt, 800 der ca. 7.000 Todesurteile wurden vollstreckt.

In den Niederlanden wurden, basierend auf der geltenden Strafprozessordnung für Hochverrats- und Kollaborationsverbrechen, bis 1948 Sondergerichte, Tribunale und Laiengerichte einberufen. Von den Tribunalen und Laiengerichten erfolgte eine Verurteilung von 49.920 Personen, die Sondergerichte verurteilten 14.562 Personen wegen NS-Verbrechen. Darunter waren 208 Deutsche, gegen 18 war die Todesstrafe verhängt, die 5 mal vollstreckt wurde. (alle Zahlen entnommen dem Aufsatz von Claudia Kuretsidis-Haider).

1.3. Das Nürnberger Kriegsverbrecher-Tribunal

Grundlage für die Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozesse waren die Londoner Beschlüsse zur „Verfolgung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen den Frieden und gegen die Menschlichkeit“ vom 8. August 1945. Für dieses internationale Tribunal stellte jede der vier Großmächte einen Richter und einen nicht stimmberechtigten Stellvertreter. Die Anklageschrift war verfasst gegen 24 Hauptkriegsverbrecher sowie gegen sechs „verbrecherische Organisationen“ (Korps der Leiter der NSDAP, SS, SA, Reichsregierung, Generalstab, Gestapo und Sicherheitsdienst). Die Anklagepunkte lauteten:

1. Verschwörung gegen den Weltfrieden
2. Planung, Entfesselung und Durchführung eines Angriffskrieges
3. Verbrechen und Verstöße gegen das Kriegsrecht
4. Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Am 1.Oktober 1946 wurden 12 Todesstrafen, sieben teils lebenslange, teils zeitlich begrenzte Freiheitsstrafen und drei Freisprüche verkündet. Das Korps der politischen Leiter der NSDAP, SS, Gestapo und Sicherheitsdienst wurden für verbrecherisch erklärt. Dies war notwendig, um im Folgenden für den angedachten Entnazifizierungsprozess, der die gesamte deutsche Bevölkerung betreffen sollte, eine rechtliche Grundlage zu schaffen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die NS-Prozesse
Hochschule
Universität zu Köln  (Seminar für Politikwissenschaften)
Veranstaltung
„Gedenkstättenpädagogik: Das Lager Majdanek/Lublin“
Note
1,4
Autor
Jahr
2004
Seiten
18
Katalognummer
V60873
ISBN (eBook)
9783638544443
ISBN (Buch)
9783638766616
Dateigröße
413 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
NS-Prozesse, Lager, Majdanek/Lublin“
Arbeit zitieren
Elisabeth Sachse (Autor:in), 2004, Die NS-Prozesse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60873

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