Der Mord an König Philipp von Schwaben - Privatrache oder Staatsstreich?


Magisterarbeit, 2004

91 Seiten, Note: 2,5


Leseprobe


Inhalt

Verzeichnis der Abkürzungen

Verzeichnis der Abbildungen

1 Einleitung: Das Attentat von Bamberg – Ablauf und Thematisierung in der Forschung
1.1 Ablauf
1.2 Forschungsüberblick
1.3 Die Fragestellung

2 Quellenkritik
2.1 Arnold von Lübeck
2.1.1 Zur Person
2.1.2 Zum Werk
2.2 Otto von Sankt Blasien
2.2.1 Zur Person
2.2.2 Zum Werk
2.3 Die Marbacher Annalen (Annales Marbacenses)
2.4 Die Reinhardsbrunner Chronik (Cronica Reinhardsbrunnensis)
2.4.1 Allgemeines zur Chronik
2.4.2 Die ‚Historien‘
2.4.3 Zum Autor der ‚Historien‘
2.5 Burchard von Ursperg
2.5.1 Zur Person
2.5.2 Zum Werk
2.6 Caesarius von Heisterbach
2.6.1 Zur Person
2.6.2 Zum Werk
2.7 Hugo (Hugolinus) Graf von Segni (später Papst Gregor IX.)
2.7.1 Zur Person
2.7.2 Zur Quelle
2.8 Hermann von Altaich
2.8.1 Zur Person
2.8.2 Zum Werk
2.9 Eine Proskriptionsliste Ottos IV
2.10 Die Kölner Königschronik (Chronica regia Coloniensis)
2.11 Aventinus (Johannes Turmair)
2.11.1 Zur Person
2.11.2 Zum Werk
2.12 Braunschweigische Reimchronik
2.13 Walther von der Vogelweide
2.13.1 Zur Person
2.13.2 Zum Werk

3 Der Königsmörder Otto von Wittelsbach – Seine Motive als Ansatz der klassischen Forschung
3.1 Die staufische Heiratspolitik unter Philipp
3.2 Das erste Motiv: Die Auflösung der Verlobung
3.3 Das zweite Motiv: Ein Empfehlungsschreiben
Zwischenergebnis

4 Der Königsmord als Staatsstreich: Die Thesen Huckers
4.1 Die Begleitung des Mörders
4.1.1 Burchard von Ursperg
4.1.2 Hugo von Ostia
Zwischenergebnis
4.2 Belege für eine Verschwörung bzw. Mitwisserschaft der Andechs-Meranier
4.2.1 Die Marbacher Annalen
4.2.2 Otto von St. Blasien
4.2.3 Hermann von Altaich
4.2.4 Arnold von Lübeck
4.2.5 Eine Proskriptionsliste Ottos IV
Zwischenergebnis
4.3 Bischof Ekbert von Bamberg
4.3.1 Das Verhältnis zwischen Philipp und Ekbert
4.3.2 Das Bamberger Lehen
4.3.3 Der Prozess. Die Rollen von Innozenz III. und Otto von Braunschweig
4.3.3.1 Der Akkusationsprozess
4.3.3.2 Der Inquisitionsprozess
Zwischenergebnis
4.4 Heinrich von Istrien
4.4.1 Das persönliche Verhältnis zwischen Heinrich und Philipp
4.4.2 Die Eroberung der Stadt Zara
4.4.2.1 Die venezianischen Interessen
4.4.2.2 Die Rolle Bonifaz‘ von Montferrat und die Interessen Philipps
4.4.2.3 Die Tangierung der andechs-meranischen Interessen durch den Kreuzzug
4.4.3 Die Verurteilung Heinrichs und sein langer Kampf um Rehabilitierung
Zwischenergebnis
4.5 Landgraf Hermann von Thüringen
4.5.1 Das Verhältnis Hermanns von Thüringen zu König Philipp
Zwischenergebnis
4.5.2 Hatte Hermann den Plan, Philipp zu beseitigen?
Zwischenergebnis

5 Wer sollte Nachfolger Philipps werden?
5.1 Die Rollen König Philipps II. August von Frankreich und Herzog Heinrichs von Brabant
5.2 Das Scheitern
Zwischenergebnis

6 Der Mord an König Philipp von Schwaben – Privatrache oder wirklich Staatsstreich?

Quellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

Abbildungen

Verzeichnis der Abkürzungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Verzeichnis der Abbildungen

Deckblatt: Der Königsmord in der Sächsischen Weltchronik
Quelle: Csendes, Philipp Umschlag

Abbildung 1: Alte Hofhaltung Bamberg

Foto: Robin Füchtner

Abbildung 2: Schädel König Philipps. Foto von der Graböffnung im Jahre 1900

Foto: Hucker, Königsmord 112

Abbildung 3: Bleisarg König Philipps aus dem Speyerer Dom

Foto: Hucker, Königsmord 113

Abbildung 4: Grabplatte Bischof Ekberts im Bamberger Dom (gegen 1600)

Foto: Robin Füchtner

Abbildung 5: Die staufisch-meranischen Verwandtschaftsbeziehungen

Grafik: Robin Füchtner

1 Einleitung: Das Attentat von Bamberg – Ablauf und Thematisierung in der Forschung

„Non erit hic tibi ludus“ – Diesmal wird es kein Spiel für Dich sein! - mit diesen Worten stieß Pfalzgraf Otto von Wittelsbach König Philipp von Schwaben am 21. Juni 1208 in Bamberg das Schwert in die Brust und beendete damit den ein Jahrzehnt dauernden Thronstreit zwischen ihm und Otto von Braunschweig, dem späteren Kaiser Otto IV. Die vorliegende Magisterarbeit beschäftigt sich mit der Frage nach dem Warum für dieses Verbrechen. Zunächst soll in diesem einleitenden Kapitel der Tathergang dargestellt werden; es folgen ein Blick auf die Forschungslandschaft und die Erläuterung der für diese Untersuchung relevanten Fragestellung.

1.1 Ablauf

Am 21. Juni 1208, am Tag des Heiligen Alban, fand in Bamberg die Vermählung von Beatrix von Burgund, Nichte Philipps von Schwaben und Tochter und Erbin des Pfalzgrafen von Burgund, mit dem Herzog Otto von Meranien statt.[1] Der König hatte im bischöflichen Palast zu Bamberg Quartier genommen. Der Palast war kein einheitlicher Bau, sondern bestand aus verschiedenen Gebäuden, die von einer Mauer umgeben waren. Dieser Gebäudekomplex umfasste den heutigen Dom, die alte und neue Residenz, die alte Hofhaltung und die obere Karolinen- und die Domgasse. An der Stelle, an der sich heute der erzbischöfliche Hof befindet, Obere Karolinenstraße 5, besaßen die Staufer eine Residenz. Dort oder in der alten Hofhaltung[2] geschah das Unfassbare.[3] Während der Dauer der Hochzeitsfeierlichkeiten lagerte Philipps Heer vor der Stadt.[4] Im Bischofspalast wurde der König von seinen Ärzten gegen 15 Uhr zur Ader gelassen und anschließend begab er sich zur Ruhe.[5] Ihm zur Seite befanden sich Bischof Konrad von Speyer und der Truchsess Heinrich von Waldburg.[6]

Als Pfalzgraf Otto von Wittelsbach an des Staufers Tür klopfte, wurde er als gern gesehener Gast eingelassen, ohne dass das mitgebrachte Schwert Verdacht erregte. Er hatte den König schon öfter mit Schwertkunststücken unterhalten.[7] Philipp, der dachte, Otto wolle ihn wieder einmal unterhalten, lehnte ab. Darauf stürzte sich Otto mit dem Ruf „Diesmal wird es kein Spiel für Dich sein!“ auf den König.[8] Der Schwerthieb traf den Hals Philipps, der taumelte um dann tödlich getroffen zu Boden zu sinken. Die in nur einer Quelle überlieferte Nachricht, Otto habe dem König das Haupt gespalten und eine der Hälften sei dem entsetzten Bischof in den Schoß gefallen, kann mit gutem Gewissen ins Reich der Fantasie verwiesen werden, da der im Jahre 1900 wiederaufgefundene Totenschädel Philipps unversehrt war.[9] Der Truchsess, der seinem König helfen wollte, wurde von Otto schwer verletzt und erlag möglicherweise dieser Verletzung einige Zeit später. Bischof Konrad hingegen versteckte sich rechtzeitig und blieb unverletzt.[10] Der Angreifer Otto von Wittelsbach konnte mit seinen Mannen nach der Schandtat unbehelligt entkommen. Bereits am nächsten Tag wurde der König im Bamberger Dom beigesetzt.[11] Fünf Jahre später wurde der Leichnam von Philipps Neffen, König Friedrich II., nach Speyer überführt und feierlich in der Königsgruft beigesetzt.[12] Dies war zweifellos ein Symbol für die Kontinuität der staufischen Herrschaft und Friedrichs Anspruch auf die Krone im Kampf mit Kaiser Otto IV.[13]
Doch blieb dieses schwere Verbrechen nicht ungesühnt. Auf dem Frankfurter Hoftag (11. November 1208) wurden Otto von Wittelsbach, Bischof Ekbert von Bamberg und sein Bruder Heinrich von Istrien durch Reichsfürsten und Reichsministerialen für friedlos erklärt. Auf dem Augsburger Hoftag im Januar 1209 wurde das Urteil nach bayerischem Recht bestätigt.[14] Hucker stellt fest, dass die Friedloslegung eine noch schwerere Strafe gewesen sei als Acht und Oberacht, denn aus ihr könne man sich nicht mehr lösen.[15] Genau genommen stellt die Friedloslegung die Folge der Oberacht dar, nicht die Strafe selbst.[16]
Ekbert und Heinrich flohen zu ihrer Schwester Gertrud, der Königin von Ungarn.[17] Otto von Wittelsbach wurde Ende Februar oder Anfang März 1209 vom Marschall des königlichen Hofes, Heinrich von Kalden, in Oberndorf bei Regensburg in einem zu einem klösterlichen Wirtshof gehörenden Getreidespeicher aufgespürt und auf der Stelle umgebracht. Seinen abgeschlagenen Kopf warf man in die Donau, seine Leiche wurde verscharrt.[18] Im Folgenden wirft Hucker die Frage auf, warum Heinrich von Kalden Otto von Wittelsbach tötete, ohne ihm eine Chance auf Rechtfertigung zu geben.[19] Immerhin sei es nicht ausgeschlossen, „daß sich ein Reichsfürst aus der Acht zu lösen vermochte“.[20] Da Hucker zuvor schreibt, Otto sei der Friedlosigkeit verfallen, aus der man sich nicht mehr lösen könne und die eine schwerere Strafe als die Acht sei,[21] stellt diese Aussage einen Widerspruch dar.

1.2 Forschungsüberblick

In der Forschung stand die Person Philipps lange Zeit im Schatten seiner beiden bekannteren Vorgänger, Friedrich Barbarossa und Heinrich VI., sowie Papst Innozenz III., der zu den bedeutensten Männern auf dem Stuhle Petri zählte. Heinrich Abel[22] und vor allem Eduard Winkelmann[23] waren im 19. Jahrhundert die ersten, die sich intensiv mit dem Königtum Philipps beschäftigten. Wenn ihre Analysen heute auch weitgehend kritisch bewertet werden, so ist ihre Quellenarbeit doch beispielhaft. Winkelmann widmet sich als erster ausführlich der Mordthematik. Sein Werk dient noch heute als Ausgangspunkt für jede wissenschaftliche Beschäftigung mit der Ermordung Philipps von Schwaben. Moderne Monografien sind leider nur spärlich vorhanden. Das jüngste Werk aus dem Jahre 2003 stammt von Peter Csendes,[24] der sich mit dem Leben Philipps und seinem Kampf gegen Otto IV. beschäftigt. In Bezug auf die in dieser Arbeit interessierende Mordthematik hält Csendes Huckers Staatsstreichtheorie für plausibel und übernimmt sie für sich ohne Vorbehalte. Großteils wird die Zeit des Thronstreits in den übergreifenden Darstellungen als eine Zeit des Übergangs dargestellt, deren krönender Abschluss die Regierung Friedrichs II. bildete. Im Zuge dessen werden Philipp und Otto meistens unter einem Titel behandelt, so etwa in Bernd Ulrich Huckers Biografie Ottos IV.[25] Bernd Schütte[26] veröffentlichte im Jahre 2002 sein Buch über Itinerar, Urkundenvergabe und den Hof Philipps von Schwaben. Von großer Bedeutung für die Beschäftigung mit der Frage nach den Motiven der Ermordung des Königs ist zweifellos Schüttes Kapitel über die Zeugenlisten der Urkunden, anhand derer sich sagen lässt, welche Personen zum engeren Kreis des Staufers gehörten. Weiter enthält das Buch eine Auflistung und die Erläuterung der wichtigen Ratgeber an seinem Hofe. Steffen Krieb[27] beschäftigt sich in seiner Dissertation mit der Konfliktregelung im deutschen Thronstreit. Dabei legt er den Schwerpunkt nicht auf verfassungsrechtliche Fragen, sondern auf die Praktiken der Konfliktaustragung. Er kann zeigen, dass sich Papst und deutsche Fürsten nicht unversöhnlich gegenüberstanden, sondern dass die von Vermittlern ausgehandelten gütlichen Konfliktregelungen eher die Regel denn die Ausnahme waren.

1.3 Die Fragestellung

Die Mehrzahl der Wissenschaftler geht heute davon aus, dass es sich bei der Tat um einen Akt privater Rache handelte. Bernd Ulrich Hucker hat nun die Diskussion dadurch belebt, dass er eine Staatsstreichtheorie aufgestellt und untermauert hat,[28] wonach der Mord nicht die Tat eines gekränkten Einzeltäters war, sondern auf einer Fürstenverschwörung beruhte und die daran Beteiligten aus ganz unterschiedlichen Motiven handelten. Doch letztendlich entscheiden konnte auch Hucker die Frage nicht. Dennoch ist seine These eine untersuchenswerte Belebung der Forschungsdiskussion. Sie stellt daher das Untersuchungsproblem der vorliegenden Arbeit dar. Die Analyse Huckers soll darauf hin untersucht werden, in welchen Punkten sich seine Argumentation anhand der Quellen und Forschungsliteratur untermauern lässt und wo die Interpretationen der opinio communis die Fakten und Ereignisse besser erklären können. Aus diesem Grund werden die politischen und persönlichen Hintergründe der beteiligten Personen geschildert, um so die möglichen Motive für eine Beteiligung am Mord aufzuzeigen. Dabei rückt schwerpunktmäßig die Geschichte der Andechs-Meranier in den Fokus. Es soll verdeutlicht werden, wer vom Tode Philipps profitierte. Auf den ersten Blick lässt sich hier natürlich Otto von Braunschweig anführen, für den nun der Weg zur Kaiserkrone offen war. Oder waren vielleicht König Philipp II. von Frankreich oder gar Papst Innozenz III. in die Geschehnisse involviert? Es wird dabei zu fragen sein, weshalb Papst Innozenz bei der Klärung der Schuldfrage eine für einen angeklagten Bischof ungünstige Prozessform anordnete. Wollte er vielleicht verhindern, dass eine mögliche Verwicklung Ottos von Braunschweig ans Licht käme?

Um die Klärung dieser Fragen voranzutreiben soll so vorgegangen werden, dass im nächsten Kapitel die Quellenkritik erfolgt. Die Entscheidung, diese in einem separaten Kapitel zu erbringen, ist nicht leichtgefallen. Der Vorteil liegt meines Erachtens darin, dass dem Leser die Möglichkeit gegeben wird, jederzeit auf sie zugreifen zu können. Außerdem erscheint es mir der Übersichtlichkeit förderlich, sie nicht in den Text zu integrieren. Als nachteilig könnten sich die an der ein oder anderen Stelle eventuell erforderlichen Verweise und Wiederholungen erweisen. Doch wird dieser Nachteil zugunsten des schnellen Zugriffs und der Übersichtlichkeit in Kauf genommen. Die nächsten Schritte orientieren sich an Huckers Gliederung. Kapitel drei beschäftigt sich mit dem Mörder Otto von Wittelsbach als Grundlage für den klassischen Ansatz der Forschung. Im vierten Kapitel wird Huckers Staatsstreichtheorie dargestellt und seine Argumente anhand der Quellen überprüft. Hier erfolgt auch die Untersuchung der Hauptakteure als mögliche Beteiligte an der Verschwörung. An dieser Stelle wird jeweils das persönliche Verhältnis zu Philipp überprüft, gefolgt von einer Untersuchung zu den einzelnen möglichen Motiven der Personen. Das fünfte Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, ob ein Nachfolger für Philipp aufgebaut wurde, was ein Hinweis auf eine mögliche Verschwörung wäre. Im abschließenden sechsten Kapitel erfolgt die Bilanzierung der Ergebnisse.

Die Herangehensweise bei dieser Untersuchung ist personenorientiert und wird in Bezug auf die Hauptbeteiligten deren Hintergründe politischer und familiärer Art untersuchen, in der Absicht, dabei mögliche Motive darzustellen.

2 Quellenkritik

In diesem Kapitel werden die für diese Arbeit relevanten Quellen dargestellt. Die Abhandlung erfolgt in der Reihenfolge, in der die jeweilige Quelle zum erstenmal für die vorliegende Arbeit herangezogen wird. Sofern der Autor einer Quelle bekannt ist, erfolgt zunächst ein kurzer Abriss zur Person, gefolgt von Erläuterungen zum Werk. Dabei wird das Hauptaugenmerk auf die Zeit des Thronstreits gerichtet. Vor allem interessiert hier, ob die Quelle parteiisch urteilt, ob es sich um eine zeitgenössische Arbeit handelt oder ob der Verfasser direkt in die Geschehnisse involviert gewesen ist. Hier soll zunächst ein Gesamtbild der jeweiligen Quelle gegeben werden, welches als Grundlage für die spätere Analyse der einzelnen Belegstellen dienen wird.
Bei Quellen, deren Urheber unbekannt ist, wird in Klammern der lateinische Name angegeben, mit dem die jeweilige Quelle in den Fußnoten abgekürzt und unter dem sie im Quellenverzeichnis zu finden ist.

2.1 Arnold von Lübeck

2.1.1 Zur Person

Arnolds Geburtsdatum ist unbekannt, gestorben ist er am 27.06.1211/14. Er war Mitglied des Benediktinerordens und erhielt seine Schulausbildung in Braunschweig oder Hildesheim. Er war Mitglied des St.-Aegidien-Klosters in Braunschweig und erster Abt des Johannisklosters in Lübeck.[29]

2.1.2 Zum Werk

Er verfasste seine Chronica Slavorum, die von 1171 bis 1209 reicht, etwa 1210. Während die ersten beiden Bücher sich mit Heinrich dem Löwen beschäftigen, sind die Bücher III bis VII verschiedenen Bereichen zuzuordnen: Das deutsch-dänische Verhältnis, Reichsgeschichte, Berichte über Kreuzzugsereignisse und Hinweise zur Einführung des Christentums in Livland. „Nachrichten zur Reichsgeschichte enthält die Chronik für Friedrich I., Heinrich VI., Philipp von Schwaben und Otto IV., dennoch mit unterschiedlichem Glaubwürdigkeitsgrad [...]“.[30] Für die hier interessierende Zeit des Thronstreits verzichtet Arnold auf parteigefärbte Nachrichten. Er berichtet ausführlich über die Kämpfe der beiden Könige, jedoch vermeidet er es, Partei zu ergreifen. Über Quellen, die er für seine Chronik nutze, äußert sich Arnold nur sehr selten. In erster Linie handelte es sich um Briefe, die er zum Teil wörtlich in den Text einsetzt, hingegen andere wiederum passt er seinem Stil an, ebenso wie zahlreiche Urkunden.[31] Erzählende Quellen hat er, wenn überhaupt, dann nur spärlich benutzt. Man muss davon ausgehen, dass er keine historiographischen Werke für die vergangene oder seine eigene Zeit heranzog. Bei ihm tritt die mündliche Tradition als Quelle in den Vordergrund, über die er aufgrund zahlreicher Freundschaften und Vertrauter verfügte.[32] Sein Werk ist gekennzeichnet durch die Verwendung sagenhafter Elemente, die vor allem zur Beschreibung älterer Zeiten herangezogen werden. Daneben finden sich Zitate aus Vergil, Horaz, Ovid u.a., was Rückschlüsse auf seine guten Kenntnis der klassischen Autoren zulässt. Von Bedeutung ist Arnolds Chronik vor allem durch ihre zahlreichen Hinweise zur Reichsgeschichte bis 1209. Obwohl die ganze Chronik durch chronologische Fehler gekennzeichnet ist, kommt ihr ein hoher Quellenwert zu.[33]

2.2 Otto von Sankt Blasien

2.2.1 Zur Person

Über die Person Ottos von St. Blasien ist nur sehr wenig bekannt. Er war Mönch im Kloster St. Blasien im Schwarzwald und wurde früher mit dem 1222 gewählten und bereits 1223 verstorbenen gleichnamigen Abt des Klosters identifiziert, doch lässt sich dies weder bestätigen noch negieren.[34] Otto war sehr gebildet, eventuell hat er in Paris studiert. Seine klare Sprache zeugt von Kenntnis der antiken Autoren und ist politisch nicht einseitig geprägt.[35]

2.2.2 Zum Werk

Seine Chronica umfasst die Zeit von 1146 bis 1209 und wurde um 1209/10 geschrieben. Bei der Chronik Ottos handelt es sich um die älteste schwäbische Reichschronik der Stauferzeit.[36] Sie versteht sich als Fortsetzung der Chronik Ottos von Freising, mit der sie auch in der Überlieferung verknüpft erscheint und war als Kaiserchronik konzipiert. Sie beginnt ohne eigene Einleitung 1146 und reicht in 52 Kapiteln bis zur Kaiserkrönung Ottos IV. im Jahre 1209.[37] Zunächst wird die Gesta Ottos von Freising und Rahewins in Auswahl und straff zusammengefasst nacherzählt, jedoch unter starker Verwirrung der Chronologie gegenüber der Vorlage. Daneben nutze er Nachrichten u.a. von Bernhard von Clairvaux, Petrus Lombardus und Humbert von Mailand.[38] Für die Zeit nach 1160 lässt sich keine Quellenabhängigkeit nachweisen. Die Existenz einer verlorenen welfischen Quelle als Vorlage für einzelne Partien ist unwahrscheinlich. Als Quellen dienten Otto mündliche Berichte alemannischer Teilnehmer des Kreuzzuges Barbarossas, Briefe, Urkunden und einzelne, nicht mehr erhaltene Schriftstücke. Eine eigene Beteiligung an den berichteten Ereignissen ist nicht feststellbar.[39] Ottos Werk kommt ein hoher Quellenwert nicht allein deshalb zu, weil es viel sonst nicht Überliefertes enthält und besonders die Geschichte des dritten und vierten Kreuzzuges sehr ausführlich wiedergibt.[40]
Ottos Chronik scheint wenig bekannt gewesen zu sein. „Weder für die Marbacher Annalen, noch für Burchard von Ursperg kann die Benutzung auch nur als wahrscheinlich gelten [...]“.[41]

2.3 Die Marbacher Annalen (Annales Marbacenses)

Bei den Marbacher Annalen handelt es sich um eine anonyme Chronik des Zeitraums von 631 bis 1238.[42] Dabei ist das Werk am Schluss offenbar unvollständig, ebenso geht aus dem Text selbst nicht hervor, ob der Beginn mit dem Jahr 631 ursprünglich ist oder ob ein Teil fehlt.[43] Über die Person(en) des Autors oder der Autoren wissen wir fast nichts. Schmale vermutet, dass es sich um zwei Verfasser gehandelt haben muss, von denen der erste eventuell mit dem Probst Friedrich von St. Thomas in Straßburg, Pfarrer in Kolmar und Kaplan Heinrichs VI., identisch ist. Der hier zitierte Friedrich starb nach 1201.[44] Deutinger bestreitet eine wenigstens teilweise Autorenschaft eben dieses Friedrichs nicht, doch hält er es für ausgeschlossen, dass er die Kompilation des Gesamtwerkes besorgt hat, wie dies Haller annahm. Besagter Friedrich schrieb möglicherweise die sogenannten „Straßburger Reichsannalen“ aus dem späten 12. Jahrhundert, welche in den Marbacher Annalen ausgiebig benutzt wurden.[45] Deutinger ist der Meinung, dass es sich bei dem Schreiber der einzigen Handschrift der Marbacher Annalen um einen „gebildeten, mit einer Reihe von historischen Werken vertrauten Mann gehandelt haben muss“.[46]
Neben der unklaren Urheberschaft der Annalen sind auch ihre Abhängigkeiten noch nicht vollständig gesichert. Deutinger ist der Ansicht, dass es sich bei den Marbacher Annalen um eine Kompilation handelt,

„die sich auf verschiedenste [zum Großteil] hervorragend informierte zeitgenössische Quellen stützen kann und nicht vor 1230 entstanden ist. Wo [...] die Vorlage heute verloren ist, bietet sie uns zwar primäre Informationen, doch bleibt das genaue Ausmaß der Eingriffe des Kompilators in den Text seiner Quelle unbekannt“.[47]

Zu den benutzten Vorlagen gehören neben den „Straßburger Reichsannalen“ Einhards Vita Karoli Magni, die der Kompilator manchmal kapitelweise fast wörtlich abschreibt, Thegans Gesta Hludowici, die Chronik Bernolds von Konstanz, die Historia Miscella und die Gesta Friderici Ottos von Freising und Rahewins. All diese Quellen verknüpft er sehr geschickt indem er teilweise ganze Abschnitte, manchmal auch nur einzelne Schnipsel in seinen Text einbaut.[48] Durch Auslassungen bei der Verwendung seiner Quellen durch den Kompilator sind nicht nur einzelne Informationen verlorengegangen, sondern es wurde auch die Tendenz der zugrundeliegenden Quellen verändert. So lässt sich z. B. der ursprüngliche Wortlaut der für die Jahre 1184 bis 1199 verwendeten „Straßburger Reichsannalen“ nicht mehr rekonstruieren.[49] Zwischen 1100 und 1125, nach dem Ende der Chronik Bernolds von Konstanz war der Kompilator fast nur auf knappe Marbacher Hausnotizen beschränkt, für 1125 und ab 1152 bis 1160 konnte er auf die Gesta Friderici zurückgreifen. Ab 1180 bis 1200 stützte er sich bei der Kompilation auf die „Straßburger Reichsannalen“. Für die Jahre zwischen 1201 und 1212 besitzen wir keine annalistische Darstellung, sondern nur eine Zusammenfassung der Ereignisse. Zwischen 1202 und 1208 gibt es gar keine Jahresberichte; möglicherweise fehlten dem Kompilator geeignete Quellen. Ab etwa 1222 berichtet er aus eigener Erfahrung.[50]
Auch die Frage nach dem Entstehungsort der Kompilation bzw. der Handschrift ist nicht einfach zu beantworten. Deutinger kommt zu dem Ergebnis, dass Marbach als Entstehungsort der Annalen bzw. der Kompilation wahrscheinlich ist, während die Jenaer Handschrift vom Ort der Überarbeitung der Kompilation, nämlich aus Neuburg, stammt. Diese Überarbeitung erfolgte wenige Jahre später nach Abfassung der Kompilation und die erhaltene Handschrift stellt nunmehr die Reinschrift dar.[51]
Die Bedeutung des Werkes als Geschichtsquelle ist unzweifelhaft. Der Autor des ersten Teiles war der kaiserlichen Seite zugetan. Der Verfasser des zweiten Teils interessierte sich ebenfalls für die Reichspolitik, jedoch verbunden mit der Geschichte der Päpste. Seine Nachrichten werden als verlässlich angesehen; für die Zeit zwischen 1180 und 1230 besitzt das Werk einen hohen Quellenwert.[52]

2.4 Die Reinhardsbrunner Chronik (Cronica Reinhardsbrunnensis)

2.4.1 Allgemeines zur Chronik

Die Chronik entstand zwischen 1340 und 1349. Sie beginnt, soweit es sich rekonstruieren lässt, mit einer Nachricht zur Klostergründung des hl. Benedikt in Montecasino und endet im Jahre 1340. Dabei muss sie vor 1349 abgeschlossen worden sein.[53] Die Chronik ist eine Kompilation verschiedener Quellen. Dazu zählen die bis 1181 reichenden Annales S. Petri maiores und die bis 1338 reichende Cronica S. Petri moderna, welche beide im Peterskloster in Erfurt entstanden. Darüber hinaus standen dem Kompilator weitere Vorlagen aus Erfurt zur Verfügung: Das Auctarium Ekkehardi inklusive einer Fortsetzung für die Jahre 1125 bis 1137, die Annales Lothariam und aus dem Minoritenkonvent die bis 1265 reichende Cronica minor inklusive ihrer Fortsetzung von 1270 bis 1298. Für das erste Drittel der Chronik nutzte der Kompilator daneben das Chronicon universale des Ekkehard von Aura und das Pantheon des Gottfried von Viterbo.[54] Von besonderer Bedeutung ist die Chronik jedoch auf Grund der Verwendung von Quellen, die nur in der hier vorliegenden Kompilation überliefert sind. So zum einen die in Reinhardsbrunn entstandene anonyme Frühgeschichte des thüringischen Landgrafengeschlechts der Ludowinger, die wir auch in De ortu principum Thuringie finden. Zum anderen sind es die Nachrichten zur Geschichte der Landgrafen und des Reiches von ca. 1187 bis 1217 (Historiae Reinhardsbrunnenses), die etwa ein Drittel des Textbestandes der Gesamtkompilation ausmachen und ebenfalls anonym in Reinhardsbrunn entstanden sind. Des Weiteren nutze der Kompilator die verlorene lateinische Vita des Landgrafen Ludwig IV. (gestorben 1227), dem Gemahl der Hl. Elisabeth, die um 1308 ebendort entstanden ist.[55] „Durch die Benutzung der Vita überlieferte der Chronist auch weite Teile der sonst nicht mehr erhaltenen Gesta Lodovici, die der landgräfliche Kaplan Berthold als zeitgenössischen Tatenbericht verfaßt hatte und die eine der wichtigsten Vorlagen für die spätere Vita darstellt“.[56] Daneben wob der Kompilator auch Teile der 1289 entstanden Elisabeth-Vita ein, die der Erfurter Dominikaner Dietrich von Apolda verfasst hatte. Im letzten Drittel stützt sich die Chronik nur auf wenige eigenständige Nachrichten, die aufschlussreiche Informationen zur Geschichte der Landgrafschaft Thüringen nach ihrem Übergang an die Wettiner und zur Geschichte des Klosters Reinhardsbrunn liefern.[57] Aufgrund der chronologischen Irrtümer und der teilweise unglücklichen Verknüpfung der verschiedenen Nachrichten aus den Vorlagen wurde der Kompilator in der älteren Forschung verurteilt, zu Unrecht, wie Tebruck meint.[58]

2.4.2 Die ‚Historien‘

Für das Thema dieser Arbeit sind von besonderem Interesse die oben bereits kurz erwähnten Historien, die über den Zeitraum von 1187 bis 1217 berichten. Der Kompilator hat mit ihrer Überlieferung „eines der bedeutsamsten zeitgenössischen Geschichtswerke des ausgehenden 12. und beginnenden 13. Jahrhunderts“ hinterlassen.[59] Die Historien wurden in zwei Teilen von einem Anonymus verfasst. Während sich der erste Teil mit der Zeit Kaiser Heinrichs VI. beschäftigt und etwa 1197/98 abgeschlossen wurde, behandelt Teil Zwei die Zeit des Thronstreits und die Rolle Landgraf Hermanns I. in den Kämpfen. Dieser Teil muss bald nach 1217 abgeschlossen worden sein.[60] Die Schrift wurde nicht als einheitlicher Bericht zu einem bestimmten Zeitpunkt verfasst, sondern in verschiedenen Schüben jeweils zeitnah am Geschehen.[61] Der Anonymus war zum Teil außerordentlich gut informiert, was den Schluss erlaubt, dass es zeitweise einen regen Nachrichtenfluss zwischen dem landgräflichen Hof und dem Autor gegeben hat. Den Schwerpunkt seiner Darstellung für die Jahre des Thronstreits bildet die Thematik um Thüringen und hier besonders Landgraf Hermann I. Hierbei fällt die deutliche antistaufische Haltung auf, die erst mit dem Fall Ottos IV. 1210 schwindet. So nennt er Philipp nur selten rex, währenddessen er für Otto den Titel immer benutzt. Philipp unterstellt er Verschlagenheit, List und Grausamkeit.[62] Weiterhin fällt auf, dass der Autor die häufigen Parteiwechsel Hermanns rechtfertigt bzw. in einen positiven Begründungszusammenhang stellt.[63] Doch dies bedeutet nicht, dass der Anonymus eine unkritische Hofgeschichtsschreibung verfasste:

„Kritische Distanz zum landgräflichen Hof läßt sich in den ‚Historien‘ stets dort ausmachen, wo die Wertvorstellungen des klösterlich-geistlichen Beobachters seine Berichterstattung und seine Bewertung der Ereignisse stärker prägen als die politische Anhänglichkeit an das landgräfliche Haus. [...] Sehr viel deutet darauf hin, daß der Reinhardsbrunner Anonymus in seiner Bewertung des staufisch-welfischen Thronstreits einen kirchlich-klösterlichen, im Konfliktfall einen an der päpstlichen Politik orientierten Standpunkt einnimmt“.[64]

Generell lässt sich sagen, dass der Autor bei der Bewertung des politischen Geschehens hauptsächlich der päpstlichen Meinung folgt.[65]

2.4.3 Zum Autor der ‚Historien‘

Der Autor der Historien verfügte über einen ausgefallenen und umfangreichen Wortschatz, den er stilistisch gekonnt einsetzte. Er nutzt Zitate klassischer Autoren wie z. B. Vergil, Ovid oder Horaz. Sein Ziel war es, nicht nur ein Annalenwerk zu schreiben sondern ein literarisch ansprechend gestaltetes Werk zu schaffen.[66] Neben sprachlichem Können verfügte der Autor auch über medizinische und anatomische Kenntnisse. So beschreibt er etwa detailliert das Sterben einer jungen Frau. Ebenso genau schildert er die Ermordung Philipps von Schwaben, bei der „[...] die Freude des Verfassers an einer anatomisch genauen Beschreibung und Veranschaulichung des Tathergangs und des Todes des Königs bemerkenswert“ sei.[67] Tebruck hält es für wahrscheinlich, dass sich der Autor sein medizinisches und anatomisches Wissen über das Lesen von Büchern verschaffte; ein Medizinstudium kann wohl ausgeschlossen werden.[68] Daneben ist dem Anonymus auch Kenntnis des kanonischen Rechts zu bescheinigen, was sich unter anderem aufgrund seines Berichts über den Tod und die Beisetzung Heinrichs VI. erhärten lässt, in dem er das Decretum Gratiani zitiert.[69]

2.5 Burchard von Ursperg

2.5.1 Zur Person

Über die Person Burchards sind wir für mittelalterliche Verhältnisse gut informiert. Burchard, vor 1177 in Biberach geboren, erhielt 1202 die Priesterweihe, 1205 trat er in das Prämonstratenserstift Schussenried ein, wo er 1207 Profess ablegte und bereits 1209 zum Probst gewählt wurde. Wohl aufgrund einer Reise nach Rom 1210 wurde er 1215 als Probst nach Ursperg berufen, wo er an einem 31. Januar, nicht vor 1231, verstorben ist.[70] Die meisten Angaben zu seinem Leben hat er uns selbst überliefert, lediglich über seinen Bildungsweg hat er uns nichts direkt hinterlassen. Man vermutet jedoch, dass er Jura studiert hat, möglicherweise in Bologna. Zu diesem Schluss kommt Schmale aufgrund der Hinweise Burchards u.a. auf das fehlende geschriebene Recht der Deutschen, Hinweise auf Gratian und das Zitat des Nürnberger Reichsfriedens von 1186.[71] Auf einer Reise nach Italien und an den päpstlichen Hof 1198 bekam er offenbar Einblick in eine Reihe historischer Werke, die er später in seiner Chronik verarbeitete.[72] Dabei nimmt er eine entschieden stauferfreundliche Position zum Kaisertum und Imperium ein.[73]

2.5.2 Zum Werk

Das Chronicon reicht vom Beginn des Assyrerreiches bis 1230 und wurde 1229/30 verfasst. Burchard hatte das Ziel eine Welt-, bzw. Königs- und Kaiserchronik zu verfassen. Dabei stützte er sich bis zum Tod Heinrichs V. (1125) auf die Chronik Ekkehards von Aura (Rez. IV).[74] Für die von ihm genutzten Quellen für die Zeit nach 1125 sind wir auf Vermutungen angewiesen, da diese sich nicht mehr genau bestimmen lassen. Neben der Historia und Genealogica Welforum sowie schwäbischen Annalenwerken standen ihm Exzerpte aus der Chronik Ottos von Freising, die jüngere Vita Norberts von Magdeburg und die verlorenen Annalen von Tivoli zur Verfügung.[75] Die Quellenfrage für die Darstellung der Geschichte Friedrich Barbarossas ist noch nicht endgültig geklärt. Burchard ergänzte seine Chronik mit einer zusammenhängenden Erzählung über die Jahre 1152 bis 1162, deren Ursprung unbekannt ist. Möglich sind hierbei die Gesta Frederici Ottos von Freising und Rahewins. Burchard nennt einen Iohannes Cremonensis als Gewährsmann, dessen Werk ist jedoch verloren. Nach 1162 nutzt er wieder bekannte Quellen: die Historia Welforum, die Brevis historia occupationis et amissionis terrae sanctae, wahrscheinlich die Historia Olivers und zahlreiche Akten; ab etwa 1190 berichtet er aus eigenem Wissen.[76] Charakteristisch für Burchards Chronik, die, wie bereits gesagt, eine Kaiserchronik sein sollte, ist eine zusammenhängende Darstellung der Geschichte des jeweiligen Herrschers zu Beginn seiner Regierungszeit (historia); dem ein annalistischer Bericht (anni) folgt. Gelegentlich sind die Historien nochmals unterteilt um Einzelheiten explizit herauszustellen. Burchards Sprache ist im allgemeinen einfach, vermutlich besaß er jedoch gute Kenntnis klassischer Autoren. Seine chronologischen Angaben weichen häufig um Jahre von den richtigen Daten der Ereignisse ab, selbst dort, wo seine Vorlagen bessere Daten boten und auch bei Begebenheiten, die sich unmittelbar vor der Abfassung der Chronik abspielten, die er also selbst erlebt hat.[77]

Seine positive Einstellung gegenüber Kaiser und Imperium wird offensichtlich während des Thronstreits zu einer starken politischen Anschauung weiterentwickelt, „die sich stärkstens an die staufische Kaiservorstellung anlehnt“.[78] Burchard wirft dem Papsttum nicht nur eindeutige Ungerechtigkeit gegenüber Philipp von Schwaben und Friedrich II. vor, „sondern bestreitet überhaupt dessen Recht, die Absetzung eines Herrschers zu betreiben“.[79] Er bestreitet dabei nicht, dass der Papst einen Herrscher exkommunizieren und an einer Herrscherabsetzung beteiligt sein kann, doch habe er nicht das Recht, dies aus eigener Kraft zu tun. Gott allein könne einen König absetzen, jedoch nicht durch den Papst, sondern durch die Fürsten und das Volk; sie allein hätten das Recht, das Urteil Gottes zu vollstrecken. Diese Absetzungstheorie ermöglicht es, auch einen exkommunizierten Herrscher weiter im Amt zu belassen.[80]

2.6 Caesarius von Heisterbach

2.6.1 Zur Person

Caesarius von Heisterbach wurde um 1180 vermutlich in Köln geboren und starb nach 1240. Über seinen Werdegang sind wir durch Selbstzeugnisse in seinen Werken unterrichtet. Seine elementare Ausbildung und ein Theologiestudium absolvierte er am St. Andreasstift und auf der Kölner Domschule unter dem berühmten Scholasticus Rudolf.[81] Nach einer Wallfahrt 1198 zur Hl. Maria von Rocamadour bei Cahors trat Caesarius 1199 als Novize in das heute verfallene Zisterzienserkloster Heisterbach (Königswinter) ein. Dort wurde er bald »magister novitiorum« und ca. 1227 Prior. Neben seinen klösterlichen Aktivitäten als Novizenmeister begleitete Caesarius die Äbte Gevard und Heinrich als Prior oft auf ihren Visitationsreisen durch das Moselgebiet, das Rheinland, die Eifel und vermutlich die Niederlande.[82] Mit dem Himmeroder Abt Hermann II., dem er »ex multa caritate« manches »Exemplum« seines Dialogus verdankt, war er eng befreundet. Die in der Vita s. Elyzabeth lantgravie bekundeten detaillierten Orts- und Geschichtskenntnisse lassen den Schluss zu, dass Caesarius noch zu Lebzeiten Konrads von Marburg um 1233 in Marburg war um den Bericht über die Hl. Elisabeth niederzuschreiben. Ob Caesarius nach diesem Datum seine rheinische Wirkungsstätte noch einmal verließ, ist nicht feststellbar.[83]

2.6.2 Zum Werk

Caesarius‘ literarisches Schaffen ist umfangreich. Das von ihm eigens konzipierte Schriftenverzeichnis (Epistola catalogica) registriert 36 Werke. Stofflich lässt sich das Gesamtwerk des Caesarius nach historischen und theologischen Schriften unterteilen.[84] Die für diese Arbeit relevante Schrift Caesarius‘ ist sein Dialogus miraculorum, verfasst zwischen 1219 und 1223.

„Der Dialogus beinhaltet 746 Kapitel, die sich auf zwei »Codices« zu je sechs »Distinciones« verteilen. Die »Distinctiones« behandeln jeweils ein bestimmtes Thema (Äußere und Innere Bekehrung zum Klosterleben, Beichte, Versuchung, Versucher, Herzenseinfalt, Marienwunder, Visionen, Eucharistie Allgemeine Wunder, Sterbende, Göttliches Gericht über Verstorbene). Die »Distinciones« enden überwiegend mit einem fast stereotypen Lobpreis der Trinität oder einer biblischen Allusion“.[85]

Der Titel des Dialogus entstand aus dem wundersamen Inhalt der Exempel und der äußeren Form der Kapitel in der Art eines Lehrgesprächs zwischen dem »novitius interrogans« und dem »monachus respondens«, der den Novizen über grundlegende theologische Probleme unterrichtet und hinter dem zweifellos Caesarius selbst zu vermuten ist. Die didaktische Absicht des Werks tritt überall offen ans Licht.[86] So referiert Caesarius bisweilen unter Weglassung der Exempel ausschließlich über theologische Themen, z. B. die Bekehrung, die Beichte, die Kardinalsünden oder über Augustins Kommentar zur Reue. Die Exempel beruhen auf schriftlicher und mündlicher Tradition.

„Für die Zeit von 1190-1226 [ist der] Dialogus ein beachtliches kulturhistorisches Dokument mit vielseitiger Thematik (Frevel, Blasphemie, Götzendienst, Frömmigkeit, Aberglaube) bis hin zu international verbreiteten Motiven der Erzählungsliteratur [...]“.[87]

Caesarius kleidet seine Gedanken oft wortwörtlich in biblische Wendungen.

„Seine Geisteshaltung ist Ausdruck der monastischen Kultur der ersten Hälfte des 13. Jh., in der Philosophie, Theologie, Spekulation und Kontemplation eine enge Verbindung eingehen. Seine Exegese, die den Schriftsinn nicht vernachlässigt, impliziert mystische Gedankenflüge und vereint die Tradition monastischer Theologie des mittelalterlichen lateinischen Westens“.[88]

[...]


[1] Vgl. Winkelmann, Eduard: Philipp von Schwaben und Otto IV. von Braunschweig. Erster Band: König Philipp von Schwaben 1197-1208 (Darmstadt 1963) 464.

[2] Abbildung 1.

[3] Vgl. Pietsch, Franz: Bischof Eckbert von Andechs-Meran und der Bamberger Dom, in: Lehmann, Jakob (Hrsg.): Zur Geschichte des Hauses Andechs-Meranien am Obermain (Lichtenfels 1963) 60.

[4] Vgl. Csendes, Peter: Philipp von Schwaben. Ein Staufer im Kampf um die Macht (Gestalten des Mittelalters und der Renaissance, hrsgg. von P. Herde) (Darmstadt 2003) 188; Winkelmann, Philipp 464.

[5] Vgl. Winkelmann, Philipp, 464; Hucker, Bernd Ulrich: Der Königsmord von 1208 – Privatrache oder Staatsstreich?, in: Die Andechs-Meranier in Franken. Europäisches Fürstentum im Mittelalter. Katalog zur Ausstellung in Bamberg vom 19.6. bis 30.9.1998 (Mainz am Rhein 1998) 111.

[6] Vgl. Winkelmann, Philipp 464; Csendes, Philipp 189; Hucker, Königsmord 111.

[7] Vgl. Csendes, Philipp 189; Winkelmann, Philipp 464.

[8] Vgl . Csendes, Philipp 189 f.; Winkelmann, Philipp 464 .

[9] Vgl. Hucker, Königsmord 111 f.; Abbildung 2.

[10] Vgl. Hucker, Königsmord 111; Winkelmann, Philipp 465; Csendes, Philipp 190.

[11] Vgl. Hucker, Königsmord 111; Csendes, Philipp 190.

[12] Vgl. ebd.; Abbildung 3.

[13] Vgl. Stürner, Wolfgang: Friedrich II. Teil 1: Die Königsherrschaft in Sizilien und Deutschland 1194-1220 (Darmstadt 2003) 162.

[14] Vgl. Hucker, Königsmord 111; Csendes, Philipp 196.

[15] Vgl. Hucker, Königsmord 111.

[16] Eine Lösung aus der Oberacht (Friedlosigkeit) war, wenn auch unter erschwerten Bedingungen, trotzdem möglich. Eine unlösbare Oberacht war selten, vgl. Kaufmann, E., Acht, HRG 1, 31 f.

[17] Csendes, Philipp 192.

[18] Vgl. Csendes, Philipp 196..

[19] Vgl. Hucker, Königsmord 111.

[20] Ebd.

[21] Vgl. Anm. 15.

[22] Abel, Heinrich Friedrich Otto: König Philipp der Hohenstaufe. Mit ungedruckten Quellen (Berlin 1852).

[23] Vgl. Anm. 1.

[24] Vgl. Anm. 4.

[25] Vgl. Hucker, Bernd Ulrich: Otto IV. Der wiederentdeckte Kaiser. Eine Biographie mit zahlreichen Abbildungen (Frankfurt a. M. und Leipzig 2003).

[26] Schütte, Bernd: König Philipp von Schwaben. Itinerar – Urkundenvergabe – Hof (MGH Schriften Bd. 51) (Hannover 2002).

[27] Krieb, Steffen: Vermitteln und Versöhnen. Konfliktregelung im deutschen Thronstreit 1198 – 1208 (Köln – Weimar – Wien 2000).

[28] Vgl. Anm. 5.

[29] Vgl. Schmale, Franz-Josef: Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter. Vom Tode Kaiser Heinrichs V. bis zum Ende des Interregnum; Band 1 (Darmstadt 1976) 437.

[30] Ebd. 439.

[31] Vgl. ebd. 440.

[32] Vgl. ebd.

[33] Vgl. ebd. 441.

[34] Vgl. Johanek, Peter, Otto von St. Blasien OSB, Verfasserlexikon 7 (1989) 206; Schmale, Geschichtsquellen 112 f.

[35] Vgl. Schmale, Geschichtsquellen 114.

[36] Vgl. ebd. 113.

[37] Vgl. Johanek, Otto 206.

[38] Vgl. Johanek, Otto 206; Schmale, Geschichtsquellen 113 f.

[39] Vgl. Schmale, Geschichtsquellen 114.

[40] Vgl. ebd.

[41] Ebd.

[42] Vgl. ebd. 120.

[43] Vgl. Deutinger, Roman: Zur Entsehung der Marbacher Annalen, DA 56 (2000) 523.

[44] Vgl. Schmale, Geschichtsquellen 120.

[45] Vgl. Deutinger, Entstehung 512.

[46] Ebd. 518.

[47] Ebd. 514.

[48] Vgl. ebd. 512.

[49] Vgl. ebd. 513.

[50] Vgl. ebd. 513 f.

[51] Vgl. ebd. 520 f.

[52] Schmale, Geschichtsquellen 124.

[53] Vgl. Tebruck, Stefan, Die Reinhardsbrunner Geschichtsschreibung im Hochmittelalter (Jenaer Beiträge zur Geschichte 4) (2001) 33.

[54] Vgl. ebd. 33 f.

[55] Vgl. ebd. 34.

[56] Ebd.

[57] Vgl. Werner, M., Cronica Reinhardsbrunnensis, LexMA 3 (1986) 354.

[58] Vgl. Tebruck, Geschichtsschreibung 35.

[59] Ebd. 45.

[60] Vgl. ebd. 46 ff.

[61] Vgl. ebd. 318.

[62] Vgl. ebd. 325.

[63] Vgl. ebd. 326.

[64] Ebd. 343 f.

[65] Vgl. ebd. 346.

[66] Vgl. ebd. 231 f.

[67] Ebd. 234.

[68] Vgl. ebd.

[69] Vgl. ebd.

[70] Vgl. Backmund, Norbert: Burchard von Ursperg, Verfasserlexikon 1 (1978) 1119; Schmale, Geschichtsquellen 116.

[71] Vgl. Schmale, Geschichtsquellen 116.

[72] Vgl. Anm. 70.

[73] Vgl. Schmale, Geschichtsquellen 119; Backmund, Burchard von Ursperg 1120.

[74] Vgl. Schmale, Geschichtsquellen 116; Backmund, Burchard von Ursperg 1120.

[75] Vgl. Schmale, Geschichtsquellen 117; Backmund, Burchard von Ursperg 1120.

[76] Vgl. Schmale, Geschichtsquellen 117 f.

[77] Vgl. ebd. 118 f.

[78] Ebd. 119.

[79] Ebd.

[80] Vgl. ebd.

[81] Vgl. Wagner, F., Caesarius von Heisterbach, LexMA 2 (1983) 1363.

[82] Vgl. ebd.

[83] Vgl. ebd.

[84] Vgl. ebd.

[85] Ebd. 1364.

[86] Vgl. ebd.

[87] Ebd.

[88] Ebd.

Ende der Leseprobe aus 91 Seiten

Details

Titel
Der Mord an König Philipp von Schwaben - Privatrache oder Staatsstreich?
Hochschule
Universität Stuttgart  (Historisches Institut)
Note
2,5
Autor
Jahr
2004
Seiten
91
Katalognummer
V61070
ISBN (eBook)
9783638546003
ISBN (Buch)
9783656794530
Dateigröße
1737 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mord, König, Philipp, Schwaben, Privatrache, Staatsstreich
Arbeit zitieren
Magister Artium Robin Füchtner (Autor:in), 2004, Der Mord an König Philipp von Schwaben - Privatrache oder Staatsstreich?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61070

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