Die Debatte über die Neugestaltung der Gedenkstätte Buchenwald


Seminararbeit, 2004

24 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Die Nutzung des Gelände Buchenwald
2.1 Konzentrationslager (1937 – 1945)
2.2 Speziallager (1945 – 1950)
2.3 Nationale Mahn- und Gedenkstätte (1958 – 1989)

3. Die Gedenkstätte Buchenwald nach der Wende

4. Die Vorschläge der Historikerkommission

5. Die Diskussionen zur Neukonzeption
5.1. Ausstellung zur Geschichte des Speziallagers
5.2. Ausstellung zur Geschichte des Konzentrationslagers17
5.3. Ausstellung zur Geschichte der Gedenkstätte

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Das Gelände Buchenwald war durch zwei aufeinanderfolgende Diktaturen geprägt, ehe es durch die Wiedervereinigung mit einer Demokratie in Berührung kam. Das bedeutete zum ersten Mal nicht die Anpassung an eine herrschende Ideologie durch welche die Geschichte Buchenwalds mehrmals über- und verformt wurde. Ganz ohne Veränderung konnte sich Buchenwald dennoch in die Gedenkstätten der Bundesrepublik Deutschlang einfügen. Um gleich zwei Diktaturen zu bewältigen war eine Neukonzeption nach demokratischen Verständnis nötig.

Wie tief Veränderungen in die Traditionen Buchenwalds eingreifen können oder sogar müssen, lotete die öffentliche Debatte um die Neukonzeption, welche in dieser Arbeit mit ihren wichtigsten Themen und Positionen skizziert werden. Den Abschnitten zur Neukonzeption ist ein historischer Teil, in dem Informationen zur Nutzung des Gelände Buchenwald als Konzentrationslager, Speziallager und National Mahn- und Gedenkstätte gegeben werden sollen. Es schließen sich Kapitel jeweils zur Situation während der politischen Wende und der Historikerkommission an. Ausgehend von den zentralen Empfehlungen der Kommission werden dann die Diskussionen zum Speziallager, der überarbeiteten Dauerausstellung und der Bewertung des Antifaschismus behandelt.

Durch die Debatte zur Neukonzeption wurde die Arbeit der Gedenkstätte öffentlich sehr deutlich wahrgenommen, so dass besonders zu beachten, dass die Diskussionen wissenschaftlichen und nicht politischen Kriterien folgten. Den Missbrauch der Gedenkstätte für politische Interessen sah ihr Direktor Volkhard Knigge als größte Gefahr für Buchenwald. Denn die Debatte zur Neukonzeption war auch Teil der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, die nach der Wiedervereinigung in eine neue Phase trat. Die zeitlich nähere SED-Diktatur trat nun zum Nationalsozialismus und schien dessen Stellenwert in der deutschen Geschichte zu verändern. Die Frage nach der Vergleichbarkeit der Diktaturen blieb nicht aus, um sich diesem Thema zu nähern scheint Buchenwald geeignet, weil sich auf dem Gelände ein nationalsozialistisches und sowjetisches Lager existierte, anhand denen sich ein Vergleich auch eingrenzen ließe.

2. Die Nutzung des Gelände Buchenwald

2.1. Konzentrationslager (1937 – 1945)

In der Nähe von Weimar wurde während des Nationalsozialismus das KZ Buchenwald auf dem Ettersberg errichtet. Es gehörte zu den neuen, großen Konzentrationslagern im Reich, das ab Juli 1937 von 300 Häftlingen aufgebaut wurde. Bis zum Kriegsende erweiterte man das KZ Buchenwald um 136 Außerlager und Außenkommandos.

Relativ zeitig wurden im KZ Buchenwald Juden konzentriert, zunächst 1938 im Rahmen der Aktion „Arbeitsscheu Reich“, später durch die Verlegung von 2000 jüdischen Häftlingen aus Dachau und schließlich nach der Reichpogromnacht als rund 10000 jüdische Männer eingewiesen wurden. Für die Juden errichtete man ein Sonderlager, das keine sanitären oder medizinischen Einrichtungen aufwies und nicht mehr als einen Quadratmeter Fläche für jeden Häftling bot. Wegen einer Typhusepidemie löste man das Sonderlager im Frühjahr 1939 wieder auf. Die meisten Juden hatten in dieser Zeit das KZ Buchenwald verlassen, um ins Ausland zu gehen.

Nach Kriegsbeginn erreichten vor allem „Zigeuner“ und Homosexuelle gekennzeichnet als „Asoziale“ und 5000 Häftlinge aus Polen[1] das KZ Buchenwald, die im sogenannten „Kleinen Polenlager“ eingepfercht wurden. Durch Massentransporte mit Juden und Mitgliedern von Widerstandsgruppen aus den besetzten europäischen Ländern sowie tausenden sowjetischen Kriegsgefangenen füllte sich das KZ Buchenwald ständig. Die Kriegsgefangenen wurden systematisch mit einer Genickschussanlage ermordet, während man die jüdischen Häftlinge ab Herbst 1942 in die Ghettos und Vernichtungslager im Osten transportierte.

Im KZ Buchenwald geschah die Vernichtung der Menschen durch Arbeit in Rüstungsbetrieben, Hunger, sich ausbreitenden Krankheiten, medizinische Experimente und tödliche Injektionen sowie im Rahmen des Euthanasieprogramms[2]. Von insgesamt 250000 Häftlingen im KZ Buchenwald, sind etwa 56000 umgekommen.

Im KZ Buchenwald bildete sich eine illegale internationale Widerstandsorganisation, die vom internationalen Lagerkomitee (ILK) mit Häftlingen aus elf Ländern geführt wurde. Das ILK beschaffte Informationen, organisierte Hilfe und bereitete die Selbstverteidigung vor. Besonders bemühte sich das ILK die Häftlingsfunktionen[3], welche zunächst Kriminelle und „Asoziale“ übernommen hatten, mit politischen Häftlingen zu besetzen. Allmählich gelang es den überwiegend deutschen Kommunisten auf diese Weise die Häftlingsverwaltung zu übernehmen.

Wegen der vorrückenden Roten Armee kamen ab Herbst 1944 Evakuierungstransporte mit Häftlingen aus den östlichen Konzentrations- und Vernichtungslagern im KZ Buchenwald an, die wiederum in das „Kleine Lager“ gesperrt wurden. Zusätzlich schickte man Häftlinge aus den Außenlagern und Außenkommandos zurück ins KZ Buchenwald, das im Januar 1945 mit 110000 Häftlingen völlig überfüllt war.

Als die Front im April 1945 näher kam, transportierte man Häftlinge in weiter südlich gelegene Konzentrationslager und schickte die Mehrzahl auf „Todesmärsche“. Diese versuchte das ILK zu verzögern, als sich am 11. April 1945 die 3. US-Armee dem KZ Buchenwald näherte. Zu diesem Zeitpunkt überschnitten sich verschiedene Ereignisse, sodass sich später unterschiedliche Interpretationen ergaben. Ein Teil der SS-Männer war schon abgezogenen als bewaffneten Häftlingen die Befreiung des KZ Buchenwald mit 21000 Häftlingen gelang, aber nur eine halbe Stunde später die ersten amerikanischen Soldaten eintrafen. Die Befreiung des KZ Buchenwald begingen die überlebenden Häftlinge am 19. April 1945 mit einer Trauerfeier für ihre ermordeten Mithäftlinge und formulierten dabei den bekanntgewordenen Buchenwaldschwur[4].

2.2. Speziallager (1945 – 1950)

Wenige Monate nach Kriegsende installierte der sowjetische Sicherheitsdienst NKWD auf dem Gelände des KZ Buchenwald ein Internierungslager. Zehn dieser Lager[5] entstanden in der sowjetisch besetzten Zone gemäß dem Potsdamer Abkommen und einem Kontrollratsbeschluss der alliierten Siegermächte. Die sogenannten Speziallager dienten wie in den westlichen Besatzungszonen der Entnazifierzierung und dem Schutz der alliierten Truppen.

Nach der Errichtung des Speziallagers Nr. 2 im August 1945 wurden in Buchenwald einige Hauptschuldige der nationalsozialistischen Verbrechen, vor allem aber kleine und mittlere Funktionäre der NSDAP interniert. Hinzu kamen Mitglieder der Waffen-SS, der Hitlerjugend, Offiziere der Wehrmacht und Jugendliche, die unter „Werwolf“-Verdacht standen. Ein kleiner Teil der Internierten wurde auch aufgrund von Verwechslungen, Denunziationen und Willkür im Speziallager festgehalten. Später ging der Sicherheitsdienst dazu über, Sozialdemokraten, die nicht der SED beitreten wollten, kommunistische Opfer der stalinistischen Säuberungsaktionen und Zivilisten, die als Sicherheitsrisiko oder Gegner des neuen Regime betrachtet wurden, zu internieren. So war es besonders tragisch, dass einige KZ-Häftlinge nach ihrer Befreiung bald im Speziallager eingesperrt waren.

Das Speziallager war durchschnittlich mit 12000 Internierten belegt, die den Lageralltag selbst organisieren mussten. Ansonsten waren sie zur Untätigkeit gezwungen, was im Zusammenhang mit der vollständigen Isolierung oft zu Depressionen führte. Gemeinsam mit den Konzentrationslagern hatten die Speziallager, dass die Häftlinge entrechtet wurden, unter Hunger und Kälte leiden mussten und sich Krankheiten und Epidemien ausbreiteten. Dennoch unterscheiden sich die beiden Lagertypen schon in ihren Entstehungsgründen und auch den Haftbedingungen. Das Speziallager weist keine Vernichtung durch Arbeit oder planmäßigen Massenmord auf, dass die Internierten durch die widrigen Bedingungen starben, wurde jedoch in Kauf genommen.

Auch die Situation in den sowjetischen Speziallagern und den Internierungslagern der westlichen Besatzungszonen gestaltete sich unterschiedlich, so waren die Menschenrechtsverletzungen im Speziallager viel gravierender, zumal die Internierten kein Verfahren mit einem Urteil zu erwarten hatten, sondern einfach festgehalten wurden. In den westlichen Zonen stellten die Internierungslager eine Grundlage für den demokratischen Neuaufbau dar, während die Speziallager häufig als Bestandteil des stalinistischen Lagersystems und der sowjetischen Machtpolitik gesehen wurden.

Das Speziallager Nr. 2 löste man erst Anfang 1950 auf, viel später als die Internierungslager in den Westzonen. Insgesamt waren dort 28455 Menschen interniert, von denen 7113 starben[6].

2.3. Nationale Mahn- und Gedenkstätte (1958 – 1989)

Durch Denkmäler sollte nach dem Krieg an die nationalsozialistischen Verbrechen erinnert und den zahllosen Opfern gedacht werden. Das Gelände des KZ Buchenwald stand dafür größtenteils nicht zur Verfügung, weil es als Speziallager bis 1950 weitergenutzt wurde. Dennoch entstand schon einige Tage nach der Befreiung des KZ Buchenwald am 19. April 1945 ein erstes provisorisches Denkmal für die getöteten Häftlinge. Man errichtete für die Trauerfeier einen hölzernen Obelisk mit Flammenschale auf dem Appellplatz. 1946 und 1947 wurde am Jahrestag der Befreiung ein überdimensionaler roter Winkel auf dem Goetheplatz in Weimar bzw. am Bismarckturm auf dem Ettersberg aufgestellt. Den roten Winkel als Symbol für die politischen KZ-Häftlinge behielt auch der unverwirklichte Denkmalsentwurf von Siegfried Tschierschky bei, welcher ein monumentales Dreieck aus den Gräberfeldern am Ettersberg herauswachsen ließ.

Erst 1951 wurde offiziell ein Wettbewerb für das Buchenwald-Denkmal ausgeschrieben, mit den knappen Vorgaben, dass keine abstrakten Formen gewünscht sind, die Massengräber mit eingebunden werden sowie ein Kundgebungsplatz und die Fernwirkung des Denkmals vorhanden sind. Man entschied sich für den Entwurf des Kollektivs Makarenko, ergänzt um eine Plastik von Fritz Cremer. Der Bildhauer musste seinen Entwurf mehrfach überarbeiten, bis eine Gruppe aus elf Personen in kämpferischer Pose entstand, die mit Waffen und einem Banner der Partei ausgestattet waren. Das Denkmal der siegreichen Widerstandskämpfer ist plastischer Ausdruck des Gründungsmythos der DDR. Die gesamte Mahnmalsanlage am Ettersberg heroisiert die Widerstandskämpfer und ihre Selbstbefreiung, indem man zunächst den Stelenweg mit sieben Motiven des Leidens und Widerstands im KZ Buchenwald zur Straße der Nationen mit den ringförmigen Massengräber hinab geht, um dann die Treppe der Freiheit zur Plastik von Cremer und dem 50 Meter hohen Glockenturm emporzusteigen.

Seit der Eröffnung der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte (NMG) Buchenwald am 14. September 1958 lag der Schwerpunkt deutlich auf dem Mahnmal, das die Erinnerung auf den kommunistischen Widerstand beschränkt. Durch die SED wurde die Gedenkstätte immer stärker instrumentalisiert, um den neuen DDR-Staat zu legitimieren. Diese Instrumentalisierung war schon in der äußeren Erscheinung der NMG nach den eigenen ideologischen Zielen und nicht etwa historischen Gegebenheiten angelegt. Mit monumentalen Denkmälern, großen Alleen und Plätze hatte man die NMG als Ort für Massenveranstaltungen wie Jugendweihen, Vereidigungen und Staatsakte konzipiert. Mit der Erinnerung an den Nationalsozialismus wurden eindeutig politische Zwecke verfolgt, so dass Besucher der NMG eine fertige und unverrückbare Wahrheit vermittelt bekamen. Die Gedenkstätte diente nur noch der Illustration des vorgefertigten Geschichtsbildes.

Dieses war ideologisch verengt auf den kommunistischen Widerstand, um darüber den antifaschistischen Gründungsmythos der DDR zu konstruieren, durch den sich die SED-Diktatur selbst legitimierte. Durch das ausschließliche Gedenken an den Sieg der politischen Häftlinge wurden die historischen Fakten verzerrt und an andere historische Ereignisse überhaupt nicht erinnert. Nicht die Opfer des KZ Buchenwald standen im Mittelpunkt des Gedenkens, sondern die rühmende Darstellung des Widerstands, welcher als sozialistischer Sieg über den Faschismus verherrlicht wurde. Die politische Agitation war das höhere Ziel gegenüber der historischen Wahrheit, die so verengt und verborgen wurde, um als Begründung für die Machtansprüche der SED zu genügen. „Indem sie nur des Widerstands gedachten, propagierten die Führer der DDR sich weiterhin ausschließlich als Gegner und Opfer des Faschismus.“[7]

[...]


[1] Es handelte sich hauptsächlich um Juden.

[2] Das gilt für die Sonderbehandlung 14 f 13.

[3] Z. B. Kapos, Blockälteste, Lagerälteste, Pfleger im Krankenrevier, Lagerschutz

[4] siehe Bundeszentrale für politische Bildung: Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus. Eine Dokumentation. Band 2. Bonn 2000, S.898

[5] Brisanterweise wurden die Konzentrationslager Buchenwald und Sachsenhausen als Speziallager weitergenutzt

[6] offizielle sowjetische Zahlen, andere Angaben: 6000 bis 13000 Tote

[7] S. 122

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Die Debatte über die Neugestaltung der Gedenkstätte Buchenwald
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum
Veranstaltung
Die politisch-publizistisch-wissenschaftliche Debatte von den 80er Jahren bis heute über die Vergleichbarkeit des nationalsozialistischen Systems mit kommunistischen Systemen
Note
2,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
24
Katalognummer
V61667
ISBN (eBook)
9783638550772
ISBN (Buch)
9783656799443
Dateigröße
509 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Debatte, Neugestaltung, Gedenkstätte, Buchenwald, Debatte, Jahren, Vergleichbarkeit, Systems, Systemen
Arbeit zitieren
Christina Quast (Autor:in), 2004, Die Debatte über die Neugestaltung der Gedenkstätte Buchenwald, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61667

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