Der litauische Dichter Tomas Venclova hat die Situation der Generation seiner Eltern so beschrieben: "Die Geschichte hat sie vor die Wahl zwischen Hitler, Stalin und dem Tod gestellt, wobei das eine nicht automatisch das andere ausschloss". Was passierte tatsächlich in Litauen vor 60 Jahren? Nur ein genauer Blick auf die Geschehnisse der Nachkriegszeit macht es möglich, den Verlauf der litauischen Geschichte zu verstehen und zu interpretieren. Im Juli 1944 nimmt die 3.Belorussische Front der Roten Armee die Hauptstadt Litauens Vilnius ein und im August verkündet der Oberste Rat der Litauischen SSR das Gesetz über die Abschaffung der Auswirkungen der deutschen Okkupation. Nach der Einnahme Memels und der Kurischen Nehrung im Januar 1945 gilt die Reokkupation des litauischen Territoriums durch die Rote Armee als abgeschlossen. Mit der Einführungen des ersten Fünfjahresplans für 1946-1950 an kann die Sowjetisierung, Zwangskollektivierung der Landwirtschaft und Verstaatlichung, u.a. von Kirchengütern, nach sowjetischer Methode forciert werden.
Das Streben nach Freiheit manifestierte sich im Partisanenkampf von 1944 bis 1953, der nach hohen Verlusten in den Anfangsjahren (1944-1945) nicht zerbrach, sondern in den Jahren 1947-1948 eine organisierte Form erhielt und dessen Strukturen im ganzen Land ausbreitete. Das erste Ziel, das sich nun die neuen Herrscher setzten, war es, den Widerstand in Litauen im Keim zu ersticken und die durch die Rote Armee und den Narodnyj Komissariat Vnutrennich Del (NKVD) eroberte Macht im Staate zu konsolidieren. Die Leitung der KPS(B) verlangte, gemäss Aussagen M. Suslovs, „die wichtigste der wichtigsten Aufgaben auszuführen: schnellstens das Banditentum zu liquidieren“. Ausgesprochen brutal und blutig verlief der Krieg gegen die Partisanen, der bis 1949 sehr heftig tobte. Zu den Schrecken der Eroberung gehörte auch die willkürliche Liquidierung von Zivilisten. Obwohl die Widerstandsbewegung sowohl zahlenmässig als auch ideologisch sehr stark war, war doch das Kräfteverhältnis stets sehr ungleich, weil die Partisanen regulären sowjetischen Truppen gegenüberstanden und viel schlechter ausgerüstet waren. Der bewaffnete litauische Widerstand, der ein ganzes Jahrzehnt nach dem 2. Weltkrieg währte, war eine der längsten Widerstandsbewegungen in Europa und wird in der litauischen Geschichte als “Krieg nach dem Kriege” bezeichnet.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Vorwort
- Fragestellung und Forschungsstand
- Nachkriegslitauen - Bilanz der Verluste
- Die Internationale Kommission zur Erforschung/Bewertung der Verbrechen der Nazi- und der Sowjetregime in Litauen
- Rahmenbedingungen für die Entstehung der Kommission
- Die Forschungsbereiche und die Ziele der Kommission
- Hauptteil - die Erstickung des Waffenwiderstands
- Die Gründe und die Motivation des litauischen Widerstandes
- Die Voraussetzungen für den Kampf der Litauer gegen die sowjetische Besatzung
- Der rechtliche Aspekt der Widerstandsleistung und Gewaltmobilisation
- Der Gewalteinsatz der Einwohner Litauens im Militärapparat der UdSSR
- Das Gehirn der Partisanenbekämpfung
- Waldameisen gegen Sowjetbär
- „Klassenkampf“ oder sowjetische Unterdrückungsmaschinerie?
- Litauer gegen Litauer...
- Die Methoden zur Erstickung des Widerstands
- Die Verbannungen der Familien der Resistenzteilnehmer
- Die Foltern und die psychologische Gewalt der Widerstandsteilnehmer
- Die Anwendung der Agenten- Angreifer
- Die Rolle der KPL(B) bei der Zerschlagung des Widerstandes
- Niemand werde sie beschützen - das Scheitern der Widerstandbewegung
- Schlussbetrachtungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Studie zielt darauf ab, die Geschichte des bewaffneten Widerstands in Litauen nach dem Zweiten Weltkrieg zu beleuchten und die Mechanismen seiner Unterdrückung zu analysieren. Sie untersucht die Gründe und Motivationen des litauischen Widerstandes, die Methoden der sowjetischen Unterdrückung und die Rolle der kommunistischen Partei Litauens (Bolschevisten) bei der Zerschlagung der Widerstandsbewegung.
- Die Gründe und Motivationen des litauischen Widerstandes
- Die Methoden der sowjetischen Unterdrückung des Waffenwiderstands
- Die Rolle der Kommunistischen Partei Litauens (Bolschevisten) bei der Erstickung des Widerstandes
- Der rechtliche Aspekt der Widerstandsleistung und Gewaltmobilisation
- Die Auswirkungen der sowjetischen Repressionsmaßnahmen auf die litauische Gesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema des bewaffneten Widerstandes in Litauen 1944-1953 ein und stellt die Fragestellung sowie den Forschungsstand dar. Sie beleuchtet die politische Situation in Litauen nach dem Zweiten Weltkrieg und die Gründe für die Entstehung des Widerstandes.
Kapitel 2 untersucht die Entstehung und die Ziele der internationalen Kommission für die Erforschung/Bewertung der Verbrechen der nationalsozialistischen und sowjetischen Regime in Litauen. Diese Kommission spielte eine wichtige Rolle bei der Erforschung der Geschichte des litauischen Widerstandes und der Verbrechen des sowjetischen Regimes.
Kapitel 3 widmet sich den Gründen und Motivationen des litauischen Widerstandes. Es beleuchtet die Ablehnung des Kommunismus und die Sehnsucht nach Unabhängigkeit als treibende Kräfte der Widerstandsbewegung.
Kapitel 4 beleuchtet die Methoden der sowjetischen Unterdrückung des Waffenwiderstands. Es analysiert die Rolle der Kommunistischen Partei Litauens (Bolschevisten), die Repressionsmaßnahmen, die Anwendung von Gewalt und die Propaganda gegen die Partisanen.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter dieser Studie sind: Waffenwiderstand, Litauen, Sowjetische Besatzung, Kommunismus, Partisanen, Repression, Verbrechen, NKVD, KPL(B), Internationale Kommission, Forschungsstand, Nachkriegslitauen.
- Arbeit zitieren
- Laima Maldunaite-Christ (Autor:in), 2005, Die Erstickung des Waffenwiderstands in Litauen 1944-1953, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62113