Unsere Gesellschaft stellt an die Ware Arbeitskraft neue Herausforderungen, dem die alten industriesoziologischen Leitbilder nicht mehr gerecht werden. Individuelle Kundenanforderungen und -wünsche, wachstumsorientierte Shareholderansprüche, steigende Rohstoffpreise sowie ein zunehmender Konkurrenzdruck auf den Märkten stellen an Unternehmen und Beschäftigte wachsende Anforderungen. Durch den steigenden Kosten- und Konkurrenzdruck kommt es bei den Unternehmen immer wieder zu Reorganisationsmaßnahmen. Gleichzeitig durchlaufen die Beschäftigten seit Mitte der siebziger Jahre einen generellen Wertewandel, wodurch die Arbeitskräfte eine Individualisierung und Subjektivierung erfahren. Eine insgesamt zunehmende Liberalisierung der Märkte sowie liberalisierte Politikansätze bilden die Rahmenbedingungen für die Aufweichung der bis dahin festgeschriebenen Grenzen uns bekannter Erwerbsarbeit.
Der eingesetzte Prozess findet sich in der Literatur unter Begriffserklärungen wie „Arbeitskraftunternehmer“, „Subjektivierung von Arbeit“ oder „Mitarbeiter-Unternehmer“. In diesen Konzepten und Beobachtungen wird eine Entwicklung beschrieben, in denen sich die Grenzen uns bekannter „Normalarbeit“ zu verschieben scheinen, was anhand verschiedener Bereiche festgemacht werden kann. An erster Stelle stehen die nationalen und europäischen Politikansätze, nach denen die Rahmenbedingungen des Marktes gestaltet werden. Zweitens entstehen durch die Internationalisierung des Marktes bzw. stärkeren Ausrichtung am Markt neue Kooperations- und Koordinationsbeziehungen. Drittens kommt es durch die unterschiedliche Verfügbarkeit von Arbeitskräften sowie zunehmender Frauenerwerbsarbeit zum Angebot und Nachfrage atypischer Beschäftigungsformen. Hierzu zählen geringfügige Beschäftigungen, befristete Tätigkeiten und Scheinselbständige. Infolgedessen kommt es viertens zu einer Flexibilisierung von Dauer, Lage und Verteilung von Arbeitszeit sowie fünftens zur Steigerung der räumlichen Mobilität. Letzteres geschieht zum Beispiel durch eine stärkere Kundenausrichtung, projektförmiges Arbeiten sowie Telearbeitsarbeitskonzepte, in denen die Beschäftigten einen Teil ihrer Arbeit von Zuhause aus erledigen. Insgesamt stellt die damit verbundene Leitidee der Selbstorganisation neue Herausforderungen, welche zu einer Neuausrichtung von Erwerbs-, Haus- und Familienarbeit führen kann).
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Veränderungen der Erwerbsarbeit
- Der Taylorismus und seine Kritik
- Ökonomische Dezentralisierung
- Politische Rahmenbedingungen
- Geschlechtervertrag
- Branchen entgrenzter Erwerbsarbeit
- Versicherungsbranche
- Informationswirtschaft
- Dimensionen selbstorganisierter Arbeit
- Boom- und Krisenzeiten
- Inhaltliche Arbeitsanforderungen
- Entscheidungskompetenz und Kontrolle
- Personalführung und Personalförderung
- Qualifikationen und permanentes Lernen
- Arbeitszeitliche Verfügbarkeit
- Ansprüche individueller Leistungsgestaltung
- Vereinbarkeit mit lebensweltlichen Bedürfnissen
- Räumliche Synchronisation
- Vernetzte Arbeitswelten
- Ausrichtung am Kunden
- Neue Grenzziehungen der Erwerbsarbeit
- Modus einer neuen Herrschaft und Abhängigkeit
- Leistungsoptimierung und Karriereambitionen
- Zukünftige Einflüsse auf die Unternehmenskulturen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Diplomarbeit untersucht die Auswirkungen der fortschreitenden Entgrenzung der Arbeitskraft auf das Interessenhandeln von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in der Versicherungsbranche und der Informationswirtschaft. Dabei wird analysiert, wie sich die Grenzen der Erwerbsarbeit verschieben und welche neuen Herausforderungen und Möglichkeiten sich daraus ergeben.
- Die Auswirkungen der Entgrenzung der Arbeitskraft auf das Arbeitsverhältnis und die Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern
- Die Analyse der Veränderungen in der Versicherungsbranche und der Informationswirtschaft im Kontext der Entgrenzung der Arbeitskraft
- Die Untersuchung der Dimensionen selbstorganisierter Arbeit und deren Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen und die Arbeitskultur
- Die Erörterung der neuen Grenzziehungen der Erwerbsarbeit und deren Auswirkungen auf das Arbeitsleben und die Gesellschaft
- Die Analyse der Herausforderungen und Chancen, die sich aus der Entgrenzung der Arbeitskraft für die Zukunft der beiden Branchen ergeben
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der Entgrenzung der Arbeitskraft ein und stellt den Kontext der Veränderungen in der Arbeitswelt dar. Kapitel 2 analysiert die Veränderungen der Erwerbsarbeit, ausgehend von den traditionellen Arbeitsstrukturen des Taylorismus und den Kritikpunkten an diesem Ansatz. Im Anschluss werden die ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Entgrenzung der Arbeitskraft beleuchtet, insbesondere die Bedeutung der ökonomischen Dezentralisierung, die Rolle des Staates und der Einfluss des Geschlechtervertrags.
Kapitel 3 befasst sich mit den Branchen der Versicherungsbranche und der Informationswirtschaft und zeigt die Veränderungen in diesen Bereichen im Kontext der Entgrenzung der Arbeitskraft auf.
Kapitel 4 widmet sich den Dimensionen selbstorganisierter Arbeit. Es werden die Auswirkungen von Boom- und Krisenzeiten auf die Organisation der Arbeit analysiert, sowie die inhaltlichen Arbeitsanforderungen, die Arbeitszeitliche Verfügbarkeit und die räumliche Synchronisation untersucht.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen der Entgrenzung der Arbeitskraft, Selbstorganisation, Versicherungsbranche, Informationswirtschaft, Taylorismus, ökonomische Dezentralisierung, politische Rahmenbedingungen, Geschlechtervertrag, Arbeitsanforderungen, Arbeitszeit, räumliche Mobilität, neue Grenzziehungen, Leistungsoptimierung, Unternehmenskultur, Zukunft der Arbeitswelt.
- Quote paper
- Matthias Matag (Author), 2006, Die fortschreitende Entgrenzung der Arbeitskraft - Selbstorganisation in der Versicherungsbranche und Informationswirtschaft, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62773