Die USA - Eine Supermacht im Niedergang?


Hausarbeit, 2006

16 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Supermacht? Eine Begriffsannäherung

3. Die USA – einzig verbliebene Supermacht?
3.1 Hard Power I
– Die USA als militärischer Hegemon
3.2 Hard Power II
– Die USA als Wirtschaftsmacht
3.3 Soft Power
– Die USA als kultureller Hegemon
3.4 Außenpolitik
– Die USA zwischen Isolationismus und Weltpolizei

4. Zusammenfassung und Ausblick

5. Literatur

1. Einleitung

Emmanuel Todd hatte Recht. Galt sein Buch zum Zeitpunkt seines Erscheinens und auch noch einige Jahre danach als gewagt, hat die Geschichte mittlerweile bewiesen, dass seine These vom Niedergang einer Weltmacht keineswegs so märchenhaft war, wie sie 13 Jahre zuvor in den Ohren vieler Kritiker geklungen hatten. 1976, der studierte Historiker und Anthropologe war damals gerade einmal 25 Jahre alt, prognostizierte er in einem nur knapp 250 Seiten dicken Werk mit dem Titel „La chute finale“[1] das Ende der Sowjetunion. Was sich damals kaum jemand vorstellen konnte, wurde 1989/90 Wirklichkeit.

Beinahe drei Jahrzehnte nach der Veröffentlichung von „La chute finale“ präsentierte Todd, der inzwischen einige Jahre als Literaturkritiker für die französische Zeitung „Le Monde“ geschrieben hatte und seit 1984 am Institut National d'Etudes Demographiques (Nationales Institut für Demographiestudien) in Paris arbeitete, eine neue Niedergangsthese. In seinem Buch „Après l'empire“, die deutsche Übersetzung erschien unter dem Titel „Weltmacht USA: ein Nachruf“[2], postuliert Todd auf knapp 200 Seiten das nahende Ende der US-amerikanischen Vormachtsstellung in der Welt. Die Auflösung der Sowjetunion als ideologischer Antipode, das rasant wachsende Handelsdefizit und der unaufhaltsame Aufstieg neuer (und zum Teil wieder erstarken alter) Mächte wie Russland, Japan oder Europa, aber auch bevölkerungsstatistische Faktoren sind nur einige der Hinweise, aus denen Todd das nahende Ende des „amerikanischen Empires“ ableitet. Auch militärischer Aktionismus gegen vergleichsweise schwache Staaten wie den Irak oder George Bushs Cowboy-Rhetorik gegen vermeintliche „Schurkenstaaten“ wie Nordkorea oder dem Iran sind für Todd nur ein Zeichen für das Final der amerikanischen Dominanz in der Welt.

Wird Todd wieder recht behalten?

Täglich beschreiben Zeitungen und Nachrichtensendungen die Probleme der USA im Irak oder illustrieren die Schwierigkeiten der vermeintlich stärksten Armee der Welt in Südafghanistan. Nichts desto trotz ist die militärische Stärke der Vereinigten Staaten von Amerika weltweit noch immer ohne Beispiel. Zwar machen die von Todd vorgelegten Statistiken zum stetig wachsenden Handelsdefizit und die rasant wachsenden Volkswirtschaften in Fernost auch andere Autoren nachdenklich, der Spiegel rief kürzlich sogar den „Angriff aus Fern-Ost“ und den „Weltkrieg um Wohlstand“ aus (vgl. Spiegel 2006), dennoch ist die wirtschaftliche und kulturelle Stärke der USA auch heute noch enorm.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurden die USA gerne als einzig verbliebene „Supermacht“ bezeichnet, was deren vermeintliche alleinige Dominanz in der Welt ausdrücken sollte und für viele nachvollziehbar war, auch wenn der Begriff „Supermacht“ dabei meist eher schwammig blieb. Viel klarer ist der Terminus auch heute nicht, wird aber ab Mitte der 1990er Jahre trotzdem gerne mit einem Fragezeichen versehen, zumindest sofern er sich auf die USA bezieht. Im Rahmen dieser Arbeit soll geklärt werden, ob diese Interpunktion berechtigt ist oder nicht, also die Frage beantwortet werden: Die USA – eine Supermacht am Ende?

Zur Beantwortung dieser Frage soll zunächst der, nicht nur im alltäglichen Sprachgebrauch, sondern selbst in der Wissenschaft ebenso unscharf wie inflationär gebrauchte Begriff „Supermacht“ näher erläutert werden. Anschließend soll geprüft werden, in wie fern er auf die USA überhaupt zutrifft und ob anzunehmen ist, dass er auch in Zukunft noch zutreffen wird. Todds Argumentation wird hierbei bewusst nur als Ausgangspunkt, keineswegs jedoch als einzig mögliche Sichtweise verstanden. Eine umfassende Überprüfung seines Buches würde nicht nur den Rahmen dieser Arbeit sprengen, zugleich würde sie die Auseinandersetzung mit den USA als vermeintliche Supermacht auf eines von vielen möglichen Analysemustern eingeengt, was nicht unbedingt sinnvoll wäre, schon weil Todd sich insbesondere in der zweiten Hälfte seines Buches stark auf sozio-demographische Faktoren stützt und dabei die internationale Dimension des Supermachtbegriffes vernachlässigt. Abschließend folgt eine Zusammenfassung der Ergebnisse sowie ein kurzer Ausblick.

2. Supermacht? Eine Begriffsannäherung.

Man kann diesem Wort nicht entkommen. Gibt man „Supermacht“ in das Suchfeld der Internetsuchmaschine „Google“ ein, erhält man eine Trefferliste, die mehr als 430.000 Ergebnisse umfasst.[3] Im Online-Verzeichnis der Deutschen Nationalbibliothek sind ganze 93 Bücher zum Schlagwort „Supermacht“ verzeichnet.[4] Ein großer Teil, der neueren Publikationen bezieht sich auf die USA. Das Titelspektrum reicht von relativ neutral formulierten Überschriften wie „Supermacht im Wandel“ von Hans-Jürgen Puhle bis hin zu „Die ohnmächtige Supermacht“ von Michael Mann und „ Supermacht in der Sackgasse?“ von Harald Müller. Ab etwa Mitte der 1990er finden sich zunehmend auch Bücher, die sich entweder mit China oder generell mit dem fernen Osten als aufstrebender Konkurrenz zu den Vereinigten Staaten beschäftigen, vor 1990 hingegen geht es fast immer um die Supermächte, Plural also und in diesem Fall sowohl die USA als auch die UdSSR.

Was aber ist eine Supermacht ? Nun, zunächst einmal sei gesagt, wer sich länger mit diesem Terminus beschäftigt, stößt schnell auf weitere Begriffe, die oft (aber nicht immer!) synonym verwandt werden. Neben Supermacht sind etwa Weltmacht, Großmacht oder Hypermacht, aber auch der englische Begriff superpower sowie great power, der dem deutschen Supermachtsbegriff noch ein wenig näher kommt.

Welcher Begriff tatsächlich gewählt wird, hängt zudem nicht selten von dem politischen Standpunkt des Autors und dem historischen Kontext ab, der beschrieben wird, eine eindeutige Trennung ist nicht immer möglich. So wird Begriff Großmacht wird eher, aber nicht nur, in Zusammenhang mit der europäischen Kolonialpolitik im ausgehend 19. Jahrhundert verwandt und findet in Bezug auf die USA eher selten Anwendung. Gängiger ist hier der Begriff Supermacht, Weltmacht oder, allerdings meist mit einem warnendem oder zunehmend auch spöttischen Unterton, die Bezeichnung „Hypermacht“, die der ehemalige französische Außenminister Hubert Védrine Ende des letzten Jahrhunderts geprägt hat und damals mit den Attributen „unilateral“ und „simplizistisch“ versah (vgl. Jäger 2001; Kagan: 2003: 52; Mönninger 2003).

Trotz dieser offensichtlichen Begriffsvielfalt kristallisieren sich jedoch recht schnell einige idealtypische Merkmale heraus, die charakteristisch für einen Staat sind, der als Supermacht identifiziert werden kann:

- im Vergleich mit dem Rest der Welt außergewöhnlich große, militärische Kapazitäten sowie die Bereitschaft, diese auch einzusetzen
- sowohl ökonomisch
- aber auch kulturell (u.a. im Sinne von Werten und Normen) eine Vorbild- oder sogar Leitfunktion
- sowie eine aktive Außenpolitik, denn eine Supermacht zu werden ist auch für einen isolationistisch agierenden Staat möglich, Supermacht zu sein dagegen nicht.
(vgl. vor allem: Redwood 2005: ix; ferner: Rühl 2005: 28-52; Rubener 2006; Steingart 2006; Zakaria 1998: 3-12)

Sicherlich ließe sich diese Aufzählung noch erweitern oder verfeinern, jedoch würde dies schnell den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Zudem bestünde die Gefahr, ein zu engmaschiges Netz zu spinnen, welches letzten Endes zu sehr auf einen bestimmten Fall zugeschnitten wäre und damit seinen idealtypischen Charakter verlöre.

3. Die USA – einzig verbliebene Supermacht?

3.1 Hard Power I – Die USA als militärischer Hegemon

Die Frage zu beantworten, ob es sich bei den USA um eine Supermacht im Niedergang handelt, muss zunächst einmal klar gestellt werden, ob es sich bei den USA bei den oben genannten Kriterien überhaupt um eine Supermacht handelt. Dies zwar gerne behauptet und auch viele wissenschaftliche Publikationen schmücken sich, wie einleitend gezeigt, mit dem Wort „Supermacht“ im Titel, meinen die Vereinigten Staaten von Amerika, machen sich aber nicht die Mühe, diese Titulierung auch zu begründen geschweige denn zu begründen. Ließen nicht die Schwierigkeiten der USA und im Irak heutzutage fast schon darauf schließen, dass der Begriff Supermacht viel zu hoch gegriffen ist und man sich besser mit Geringerem zufrieden geben sollte?

Nun, der Begriff Supermacht macht nur relativ Sinn. Eine Macht im ansonsten leeren Raum ist immer „super“, da sie als einzige Macht immer die größte (wenn auch streng genommen zugleich kleinste) Macht ist. Es bedarf eines Vergleichsrahmens, der im Falle der USA die Welt ist. Und hier bietet sich ein durchaus gemischtes Bild, das zudem nicht unwesentlich davon bestimmt ist, welche Quellen man für die Klassifizierung heranzieht. So gesteht selbst der US-Kritiker Todd den Vereinigten Staaten den Supermacht-Status zu (vgl. Todd 2004: 17). Allerdings verbindet er dieses Zugeständnis mit mehreren großen Aber: so seien die USA zwar militärisch zweifelsohne die weltweit größte Militärmacht, jedoch gründe diese Überlegenheit nicht auf militärisches Können, sondern vor allem auf Masse und weiter entwickelte Technik, die das „militärisches Unvermögen“ mehr schlecht als recht ausgleiche. Die USA befänden sich in einem militärischem Zwischenbereich: „Der amerikanische Militärapparat ist für die Verteidigung des Landes zu groß, aber zu klein für die Kontrolle über ein Weltreich und vor allem für die Verteidigung der Hegemonie in Eurasien“ (Todd 2004: 107, vgl. auch: Todd 2004: 108f.). Auch andere Autoren thematisieren dieses Problem, wenn auch meist etwas weniger drastisch: „Die Stärke der USA nach dem Kalten Krieg einzig verbliebene Weltmacht zu sein, offenbart mithin zugleich ihre Schwäche“, schrieb Jakob Schissler schon ein Jahr vor 9/11. Die Welt sei sowohl unipolar als auch multipolar geworden. Für die USA bedeute dies, dass sie zu mächtig seinen, um ihre Macht überhaupt nutzen zu können (vgl. Schissler 2000: 412). Gegen Terroristen kann man eben schlecht mit Atombomben vorgehen und gegen einen Selbstmordattentäter mit Sprengstoffgürtel helfen auch keine Präzisionsraketen. Und wie die Beispiele Irak und Afghanistan zeigen, ist es selbst der vermeintlichen Supermacht USA dreieinhalb Jahre nach George
Bush jr.’s „Mission Accomplished“-Rede auf dem Flugzeugträger USS Abraham Lincoln nicht gelungen, den vergleichsweise kleinen Staat auf der arabischen Halbinsel zu befrieden.

Es wäre also nahe liegend, die USA zumindest als militärische Supermacht zu entthronen, oder?

Ganz so einfach ist es nicht und eben das wird von Kritikern gerne unterschlagen: wie eingangs bereits erwähnt, kann der Status „Supermacht“ nur relativ vergeben werden, es bedarf einer Kontrollgruppe. Im Falle der USA sind das die derzeit existierenden rund 190 anderen Staaten der Welt.[5] Hier bietet sich schnell ein recht eindeutiges Bild: im Jahr 2005 wurden weltweit 1.100 Milliarden US-Dollar für Rüstung ausgegeben, 48 Prozent dieser Ausgaben wurden von den USA getätigt, dass damit nicht nur China und Russland mit deutlichem Abstand auf die Plätze zwei und drei verweist. Insgesamt geben die Vereinigten Staaten damit mehr Geld für Rüstung aus, als die nächsten 20 Staaten zusammen (vgl. CIA 2006; SIPRI 2006: 11).

Doch bedeuten verglichen mit dem Rest der Welt exorbitant hohe Rüstungsausgaben tatsächlich, dass es sich bei den USA um eine militärische Weltmacht ohne Konkurrenz handelt? Todd würde an dieser Stelle vermutlich einwenden, dass die Realität eine solche Aussage Lügen straft: „Nach dem zweiten Weltkrieg enthüllte jeder Schritt […] wie schwach Amerika als Militärmach wirklich war. In Korea überzeugtes es nur halb, in Vietnam überhaupt nicht, ein direktes Kräftemessen mit der Roten Armee fand zum Glück nicht statt.“ (Todd 2004: 109). Auch der (zweite) Golfkrieg 1991 sei gegen einen „Mythos“ gewonnen worden: „die irakische Armee, militärischer Arm eines unterentwickelten Landes mit 20 Millionen Einwohnern.“ (Todd 2004: 109). Die amerikanische Armee – eine Luftnummer? Sicher nicht. Zwar mag das militärische Potenzial der Vereinigten Staaten gemessen an den hohen Kosten streitbar sein (nur weil die USA gut sieben Mal so viel Geld in Rüstung stecken wie China müssen sie militärisch nicht auch sieben Mal so stark sein), nichts desto trotz handelt es sich bei den USA verglichen mit allen anderen Militärmächten dieser Welt sicherlich um eine Supermacht.

[...]


[1] aus dem Französischem von Eva Brückner-Pfaffenberger übersetzt erschien das Buch in Deutschland 1977 unter dem Titel Vor dem Sturz: das Ende der Sowjetherrschaft; vgl. Literaturverzeichnis

[2] aus dem Französischen von Ursel Schäfer und Enrico Heinemann, in Deutschland und in Frankreich erstmalss 2002 erschienen; für diese Hausarbeit wurde die 2004 in 2. Auflage erschienene Taschenbuchausgabe verwendet; vgl. Literaturverzeichnis

[3] Suche unter http://www.google.de am 2.9.2006

[4] Suche unter http://www.ddb.de/ am 2.9.2006

[5] denkbar wären freilich auch andere Vergleiche, insbesondere wenn man bedenkt, dass manche Wirtschaftsunternehmen mittlerweile weit mehr Jahresumsatz machen als das Bruttosozialprodukt manch mittlerer Volkswirtschaften.

Allerdings wären solche Vergleiche in Hinblick auf die Fragestellung dieser Arbeit wenig zielführend und die Frage „General Motors oder die USA – wer ist die wahre Supermacht“ böte zudem hinreichend Anknüpfungspunkte für eine völlig eigene Analyse und soll daher hier nicht weiter erörtert werden.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die USA - Eine Supermacht im Niedergang?
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Sozialwissenschaften)
Veranstaltung
Die USA - Einzig verbliebene Supermacht?
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
16
Katalognummer
V63260
ISBN (eBook)
9783638563475
ISBN (Buch)
9783638753326
Dateigröße
533 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Eine, Supermacht, Niedergang, Einzig, Supermacht
Arbeit zitieren
Felix Neubüser (Autor:in), 2006, Die USA - Eine Supermacht im Niedergang?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63260

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