„Briefe einer unbekannten Berlinerin und ihrer drei Kinder an den Vater in Gefangenschaft zu Weihnachten 1945: „Mein lieber Mann, es ist also wahr: Du lebst und ich darf dir schreiben. Auch wenn du heute noch unerreichbar weit fort bist, bin ich nun nicht mehr allein. [..] wie reich bin ich gegenüber den Millionen Witwen […]. Es geht uns den Verhältnissen entsprechend gut. Ich sehe aus fast wie ein Skelett (Du hättest keine Freude daran), aber wir sind alle gesund, die Kinder munter und vergnügt, obwohl sie ewig Hunger haben. >Mutti, wann gibt es endlich was zu essen?< Immer abwechselnd darf einer den Suppentopf auskratzen. Naht das Ende der Stromsperre, sitzen sie alle vier um das kostbare Hindenburglicht, um es sofort auszupusten. Das macht natürlich „Spaß“, und von den Kindern lerne ich, den kleinsten Dingen Freude abzugewinnen und mich mit unausweichlichen Widerwärtigkeiten abzufinden. Die Kinder und der Gedanke ans Überleben verscheuchen die Mutlosigkeit, die doch manchmal aufkommt beim Anblick des Trümmerfeldes, das aus unserem schönen Berlin geworden ist, und sie geben einen Funken Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Unsere Lebensmittelzuteilung ist folgende pro Tag: 300 Gramm Brot, sieben Gramm Fett (Kinder 15 Gramm), 30 Gramm Nährmittel, 15 Gramm Fleisch, 400 Gramm Kartoffeln, 15 Gramm Zucker. Die 25 Gramm Bohnenkaffee verkaufte ich und habe damit die Miete raus. Holz oder Kohlezuteilung keine. […] Lieber Hans, mehr als sechs Jahre warst Du nur Besuch. Wann wirst du endlich wieder mein Mann sein? Darauf wartet deine Frau.“ 1 Der 8. Mai 1945 war das offizielle Ende des Zweiten Weltkriegs, doch er signalisierte es nicht in Deutschland. 11 Millionen Soldaten wurden in Kriegsgefangenschaft genommen. Sie konnten erst nach mehreren Jahren wieder zu ihren Familien zurückkehren. Nicht nur für die Berlinerin des obigen Briefes bestimmte der Überlebenskampf den Alltag. Auch alle anderen der daheimgebliebenen, deutschen Frauen hatten nun schon seit etwa 1942 damit zu kämpfen. Man musste zwar keine Fliegerangriffe mit Bombenhagel fürchten, doch beherrschte der Mangel an Allem das tägliche Dasein. Es fehlte an Essen, an Wohnraum, an Kleidung, an den einfachsten Gebrauchsgegenständen. Die Frauen versuchten ihre Familien in diesen schweren Zeiten durchzubringen. Die noch nicht heimgekehrten Männer mussten sowohl in der Familie als Väter, als auch in der ganzen Gesellschaft als Arbeitskräfte ersetzt werden. [...]
Inhalt
1. Vorwort
2. Frauen in der Nachkriegszeit Deutschlands
2.1. Lebensalltag der Frauen
2.2. Die Ehe in den Nachkriegsjahren
2.3. Brachten die Nachkriegsjahre einen Emanzipationsschub für Frauen?
3. Schlussbemerkungen
Literaturangaben:
1. Vorwort
„Briefe einer unbekannten Berlinerin und ihrer drei Kinder an den Vater in Gefangenschaft zu Weihnachten 1945:
„Mein lieber Mann, es ist also wahr: Du lebst und ich darf dir schreiben. Auch wenn du heute noch unerreichbar weit fort bist, bin ich nun nicht mehr allein. [..] wie reich bin ich gegenüber den Millionen Witwen […].
Es geht uns den Verhältnissen entsprechend gut. Ich sehe aus fast wie ein Skelett (Du hättest keine Freude daran), aber wir sind alle gesund, die Kinder munter und vergnügt, obwohl sie ewig Hunger haben. >Mutti, wann gibt es endlich was zu essen?< Immer abwechselnd darf einer den Suppentopf auskratzen. Naht das Ende der Stromsperre, sitzen sie alle vier um das kostbare Hindenburglicht, um es sofort auszupusten. Das macht natürlich „Spaß“, und von den Kindern lerne ich, den kleinsten Dingen Freude abzugewinnen und mich mit unausweichlichen Widerwärtigkeiten abzufinden. Die Kinder und der Gedanke ans Überleben verscheuchen die Mutlosigkeit, die doch manchmal aufkommt beim Anblick des Trümmerfeldes, das aus unserem schönen Berlin geworden ist, und sie geben einen Funken Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Unsere Lebensmittelzuteilung ist folgende pro Tag: 300 Gramm Brot, sieben Gramm Fett (Kinder 15 Gramm), 30 Gramm Nährmittel, 15 Gramm Fleisch, 400 Gramm Kartoffeln, 15 Gramm Zucker. Die 25 Gramm Bohnenkaffee verkaufte ich und habe damit die Miete raus.
Holz oder Kohlezuteilung keine. […]
Lieber Hans, mehr als sechs Jahre warst Du nur Besuch. Wann wirst du endlich wieder mein Mann sein? Darauf wartet deine Frau.“[1]
Der 8. Mai 1945 war das offizielle Ende des Zweiten Weltkriegs, doch er signalisierte es nicht in Deutschland.
11 Millionen Soldaten wurden in Kriegsgefangenschaft genommen. Sie konnten erst nach mehreren Jahren wieder zu ihren Familien zurückkehren.
Nicht nur für die Berlinerin des obigen Briefes bestimmte der Überlebenskampf den Alltag. Auch alle anderen der daheimgebliebenen, deutschen Frauen hatten nun schon seit etwa 1942 damit zu kämpfen. Man musste zwar keine Fliegerangriffe mit Bombenhagel fürchten, doch beherrschte der Mangel an Allem das tägliche Dasein. Es fehlte an Essen, an Wohnraum, an Kleidung, an den einfachsten Gebrauchsgegenständen. Die Frauen versuchten ihre Familien in diesen schweren Zeiten durchzubringen. Die noch nicht heimgekehrten Männer mussten sowohl in der Familie als Väter, als auch in der ganzen Gesellschaft als Arbeitskräfte ersetzt werden.
Die Frauen waren es, die in dieser Umbruchsphase das Wesentliche für das Überleben der deutschen Gesellschaft taten.
Wenn man heute an die Nachkriegsfrauen denkt, dann fallen einem nicht mehr als die Stichworte „Trümmerfrauen“ und „Ami-Liebchen“ ein, doch das diese Generation weit mehr war als diese Stereotypisierung, soll die folgende Hausarbeit zeigen.
Die Geschichte der Frau im Nachkriegsdeutschland der westlichen Besatzungszone von 1945 bis 1949 soll beleuchtet werden. Darunter zählt die Trizone der britischen, amerikanischen und französischen Besatzungszone.
Wie reagierten die Frauen in der desolaten Ausgangslage Deutschlands und was ergaben sich für Konsequenzen aus der Abwesenheit der Männer nach Kriegsende? Ebenfalls möchte ich der Frage nachgehen, ob sich Frauen vor allem durch ihre Erfahrungen nach dem Zweiten Weltkrieg und ihre deutliche Überzahl in der Bundesrepublik Deutschland emanzipierten.
Dabei werde ich die Arbeit vor allem auf Ehefrauen mit Familie konzentrieren, da sich die Situation von Kriegerwitwen, allein stehenden Frauen oder Displaced Persons[2] teilweise stark unterschieden.
2. Frauen in der Nachkriegszeit Deutschlands
2.1. Lebensalltag der Frauen
Nach 5 ½ Jahren Krieg gab Deutschland im Mai 1945 die bedingungslose Kapitulation bekannt. Bis dahin hatte der Zweite Weltkrieg in Deutschland verheerende Spuren hinterlassen. 3,5 Millionen Deutsche waren gefallen, 8,7 Millionen Männer waren noch in Kriegsgefangenschaft und sehr viele wurden immer noch vermisst. Die Frauen in Deutschland waren daher in großer Überzahl.
1946 stellte man nach einer Volkszählung dass Ungleichgewicht fest – es gab etwa 7 Millionen mehr Frauen als Männer.[3]
1,5 bis 2 Millionen Frauen sind zu „Kriegerwitwen“ geworden und von den bereits heimgekehrten Männern waren viele krank und konnten nicht normal arbeiten. Daher waren nun die Frauen „gezwungen, sowohl die Ernährerrolle, als auch die Versorgungsrolle zu übernehmen“[4]. Ihr Alltag bedeutete eine riesige Anstrengung. Sie mussten sich, oft Kinder und Familienangehörige, mit einem existenziellen Minimum durchbringen.
Nach Luft – und Bodenangriffen glich Deutschland, vor allem in den Städten, einem Trümmerfeld mit etwa 400 Millionen Kubikmeter Schutt.[5] Viele Menschen hatten so ihre Wohnung verloren und besaßen nun nichts mehr. Die acht Millionen erhaltenen Wohnungen teilte man unter den 14 Millionen Haushalten auf.[6] Den Flüchtlingen und Obdachlosen musste jeglicher vorhandener Wohnraum zur Verfügung gestellt werden, wodurch manchmal bis zu zehn Personen in einem Raum lebten.[7] Die Zustände in diesen Behausungen waren sehr schlecht, der Mangel beherrschte das Leben. Oft gab es keine Waschmöglichkeiten oder eine Kochstelle, mehrere Familienmitglieder schliefen in einem Bett. Es fehlte ebenso an Rückzugsmöglichkeiten für den einzelnen Menschen.
Besonders die Ernährungssituation war katastrophal bzw. lebensbedrohlich. Während des Krieges war die Versorgung vorwiegend gesichert, doch ab 1945 bis 1946 begann die Hungersnot die schon geschwächten Menschen weiter zu zermürben. Die staatliche Lebensmittelzufuhr war so gut wie zusammengebrochen. Die einzelnen Regionen sollten sich jetzt selbst versorgen. Obwohl jedem Bürger je nach Berufsklasse eine bestimmte Kalorienzufuhr durch eine Lebensmittelkarte zugesichert wurde, konnte diese selten eingehalten werden, da die Vorräte bald verbraucht waren. Des Öfteren kam es dazu, dass an einem Tag mit den Lebensmittelrationen nicht mal 1000 Kalorien gewährleistet werden konnten, obwohl die Kalorienzahl für leichte Arbeit 1945 auf 2200 Kalorien festgelegt war.[8]
Insgesamt gab es fünf Kategorien zur Lebensmittelrationierung, von Schwerstarbeiter bis zu nichtberufstätigen Familienangehörigen und der übrigen Bevölkerung. Frauen waren hier besonders schlecht gestellt, da sie in die unterste Klasse fielen. Dies bedeutete, dass sie 1945 pro Tag etwa 300 Gramm Brot, 30 Gramm Nährmittel, wie z.B. Graupen, 20 Gramm Fleisch, 7 Gramm Fett, 15 Gramm Zucker und 400 Gramm Kartoffeln bekommen sollten.[9] Im Laufe der Zeit verringerten sich die festgelegten Rationen aufgrund äußerer Umstände. Besonders arg traf Deutschland der harte und lange Winter von 1946/47. Schifffahrtswege froren ein und oft waren auch alle anderen Transportwege durch Trümmer versperrt oder beschädigt. Der darauf folgende trockene, heiße Sommer brachte keine Entspannung in der Ernährungslage.
Die Frauen und vor allem die Mütter, die ihrer traditionellen Rolle nach, für die Hauswirtschaft zuständig war, standen unter den gegebenen Umständen vor vielen Hindernissen.
Um die Kinder zu ernähren mussten sie zusätzliche Quellen auftun. Dazu gehörte das stundenlange Anstehen vor den Geschäften, von denen die Frauen vorher meist durch Mundpropaganda gehört hatten, dass bestimmte Waren eintreffen würden. Gebraucht werden konnte alles, was zu ergattern war, denn man konnte es auch später wieder gegen etwas anderes Eintauschen. So blühten der Tauschhandel und auch der Schwarzmarkt in jenen Jahren auf. Jegliche noch erhaltene Sachwerte wurden gegen Essbares eingetauscht. Auch Hamsterfahrten waren sehr beliebt, denn auf dem Lande war es für die städtischen Frauen wahrscheinlicher noch etwas gegen Fleisch, Eier oder andere Lebensmittel einzutauschen oder vielleicht nach der Ernte vergessene Gemüse auf den Feldern zu finden.
[...]
[1] Aus: Dörr, Margarete: „wer die Zeit nicht miterlebt hat…“ 3. Frauenerfahrungen im Zweiten Weltkrieg und in den Jahren danach. Das Verhältnis zum Nationalsozialismus und zum Krieg. Frankfurt am Main 1998. S. 81.
[2] Displaced Persons sind Zwangsverschleppte, Zwangsarbeiter und Vertriebene durch den Nationalsozialismus in Deutschland, die sich nach 1945 durch die Befreiung der Konzentrationslager in Deutschland aufhielten
[3] Vgl. Echternkamp, Jörg: Nach dem Krieg. Alltagsnot, Neuorientierung und die Last der Vergangenheit 1945 – 1949. Zürich 2003. S. 10.
[4] Kuhn, Anette; Schubert, Doris: Frauenalltag und Frauenbewegung im 20. Jahrhundert. Frauen in der Nachkriegszeit und im Wirtschaftswunder 1945 – 1960. Frankfurt am Main 1980. S. 2.
[5] Vgl. Echternkamp: Nach dem Krieg. S. 10.
[6] Vgl. Kopie, S. 245.
[7] Vgl. Ruhl, Klaus-Jörg (Hrsg.): Frauen in der Nachkriegszeit. 1945 – 1963. München 1988. S.13.
[8] Vgl. Echternkamp, Jörg: Nach dem Krieg. S. 24.
[9] Vgl. ebd. S. 23.
- Arbeit zitieren
- Anne-Marie Schulze (Autor:in), 2006, Die Geschichte der Frau im Nachkriegsdeutschland von 1945 bis 1949, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64354