Auf die Frage hin, was vornehm sei, antwortet Nietzsche im 287 Aphorismus von »Jenseits von Gut und Böse«:„Die vornehme Seele hat Ehrfurcht vor sich selbst. “ Was bedeutet es? „Ehrfurcht“ bedeutet hohe Achtung, achtungsvolle Scheu, Respekt vor der Würde, Erhabenheit einer Person, eines Wesens oder einer Sache - ist das nicht u.a. eine im religiösen Kontext gebräuchliche Formel, die die Beziehung zwischen Mensch und Gott und Göttlichem als ein vertikales Verhältnis beschreibt? Ein Verhältnis, bei dem der Mensch sich am unteren Ende befand und Gott am anderen, höchsten Punkt, bevor er im Zarathustra für tot erklärt wurde? Ein Verhältnis, bei dem der Mensch zwangsläufig nach oben aufschauen mußte, sich selbst dabei als klein und nichtig wahrnehmend? Letztendlich also bezeichnet „Ehrfurcht“ im religiösem Kontext (den Nietzsche ja selbst in dem besagten Aphorismus aufgreift) nichts anderes, als die Beschreibung einer hierarchischen Beziehung zwischen Niedrig- und Hochgestellten. Von dem Begriff der Ehrfurcht aus ist es nicht weit zum Begriff der Demut, also einer weiteren religiösen Kategorie.
Was bedeutet dieses intensivierte Selbstverhältnis der Ehrfurcht vor sich selbst?
In der vorliegenden Arbeit will ich dieser Frage nachgehen und mich dabei mit einigen Begriffen auseinander setzten, die aus dem Umfeld der Denkfigur vom vornehmen Menschen stammen. Es soll den Begriffen nachgespürt werden, die bei der Konturierung dieser Denkfigur eine wichtige Rolle spielen.
Inhaltsverzeichnis
- ,,Die vornehme Seele hat Ehrfurcht vor sich selbst"
- Der Begriff „vornehm“
- Verortung der Vornehmheit in der Aristokratie.
- Die Perspektivität: das Exoterische und Esoterische
- Der ganzere Mensch: der Vorzug des vornehmen Menschen
- Der instinktive Mensch - Instinkt als Lenker des Verhaltens
- Pathos der Distanz - Leidenschaft der Distanz, Pathos der Ferne
- Die Scham im Denken Nietzsches
- Exkurs: Maske, Person und die Zuschreibung von Handlungen
- Abschluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Begriff des „vornehmen Menschen“ in Friedrich Nietzsches Werk „Jenseits von Gut und Böse“. Sie beleuchtet die Bedeutung des Selbstverhältnisses, das durch die „Ehrfurcht vor sich selbst“ gekennzeichnet ist, und analysiert, wie dieser Begriff mit anderen wichtigen Konzepten wie Aristokratie, Pathos der Distanz und Instinkt verbunden ist.
- Die Bedeutung der „Ehrfurcht vor sich selbst“ im Kontext des vornehmen Menschen
- Die Rolle der Aristokratie und der „höheren Kultur“ in Nietzsches Philosophie
- Der Zusammenhang zwischen Vornehmheit, Instinkt und Pathos der Distanz
- Die Kritik an der Sklavenmoral und die Suche nach einer neuen, außermoralischen Lebensweise
- Der „neue Adel“ als Verkörperung des vornehmheitsideals
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beschäftigt sich mit dem Begriff „vornehm“ und seiner ursprünglichen Bedeutung. Es wird die Opposition zum Begriff „schlicht“ oder „einfach“ hervorgehoben und die Bedeutung des Habitus als erworbene Verhaltensdisposition beleuchtet.
Das zweite Kapitel beleuchtet die Verortung der Vornehmheit in der aristokratischen Gesellschaftsschicht. Nietzsche zollt der aristokratischen Lebensweise große Hochachtung und betrachtet sie als eine Konstante in seiner Philosophie. Es wird auf die Bedeutung der „höheren Kultur“ und die Kritik an der breiten Volksbildung eingegangen.
Das dritte Kapitel analysiert die Perspektivität, das Exoterische und Esoterische in Nietzsches Denkfigur des vornehmen Menschen. Es wird erläutert, wie der vornehme Mensch sich durch seine besondere Sichtweise auf die Welt auszeichnet.
Das vierte Kapitel widmet sich dem ganzheitlichen Charakter des vornehmen Menschen. Es wird die Bedeutung der Instinkte und des Pathos der Distanz im Kontext seiner Denkfigur beleuchtet.
Das fünfte Kapitel beschäftigt sich mit der Scham im Denken Nietzsches. Es wird die Rolle der Scham im Kontext des vornehmen Menschen und der Kritik an der Sklavenmoral untersucht.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter in dieser Arbeit sind: vornehm, Ehrfurcht vor sich selbst, Aristokratie, Pathos der Distanz, Instinkt, Sklavenmoral, „neuer Adel“, außermoralisch. Die Arbeit fokussiert auf die Denkfigur des vornehmen Menschen, seine Eigenschaften, seine Rolle in der Gesellschaft und seine Bedeutung für das Werk Friedrich Nietzsches.
- Arbeit zitieren
- Jaroslaw Piwowarski (Autor:in), 2001, Zur Denkfigur des 'Vornehmen Menschen' bei Nietzsche, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64707