Ein Theater, welches sein Publikum distanzieren, desillusionieren und belehren soll, wie es etwa Zeitgenosse Bertolt Brecht mit seinem Konzept vom „Epischen Theater“ anstrebt, ist Max Reinhardt fremd. Das Theater Reinhardts will statt dessen eine machtvolle Illusion erschaffen und bedeutet seinem Publikum damit die Re-Inkarnation uralter Rezeptionsmuster, nämlich derer, die durch das Phänomen der direkten Erfahrbarkeit des Stoffes gekennzeichnet sind.Die vorliegende Arbeit soll Max Reinhardts erste Faust-Inszenierung aus dem Deutschen Theater Berlin 1909 als beispielhafte Folie der Theaterkunst des Antipoden Brechts näher erläutern. Dabei wird Reinhardts eigenes Regiebuch als hauptsächliche Quelle herangezogen, da bereits er selbst seine Regiebücher „wie [...] Partitur[en]“ seiner Inszenierungen betrachtet. Indem er das entsprechende Stück vor seinem inneren Auge ablaufen sieht, zeichnet der Regisseur sämtliche Vorgänge, die zur Gesamtgestaltung des Stückes beitragen, seien es Schauspiel- Bühnen- oder Lichtanweisungen, im Regiebuch auf. Wilfried Passow erarbeite im Rahmen einer Dissertationsarbeit eine genaue Transskription des Faust-Regiebuches von 1909. Auch er erkennt in Reinhardts Aufzeichnungen die kumulative „Manifestation des Stilwillens“ des Regisseurs.
Passows Arbeit findet zum Nachvollzug der Reinhardtschen Schrift als orientierende Hilfe Verwendung. Im ersten Teil der Arbeit wird die Inszenierung an Hand ausgewählter Kriterien aufführungsanalytisch ausgewertet. Dabei erfolgt der Einstieg über eine genauere Betrachtung der Figurenkonstellationen im Faust. Es folgen Figurenanalyse und Bühnenbesprechung und schließlich das Gesamtkonzept der Inszenierung. Der zweite Teil der Arbeit wirft einen Blick auf die Fortsetzung Reinhardts Arbeit am Faust in Salzburg und im amerikanischen Exil, sowie sein daran gespiegeltes Wirken als Theatermann.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung - Vorbemerkung zu Max Reinhardts Theater
- I. Die Inszenierung
- 1. Allgemeines
- 2. Figuren
- 2.1 Grundsätzliches
- 2.2 Die Figuren im Einzelnen
- a) Faust
- b) Mephisto
- Margarete
- 3. Bühne
- 4. Gesamtkonzept
- II. Andere Faust-Inszenierungen
- 1. Der Salzburger Faust
- 2. Der amerikanische Faust
- Schluß
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Max Reinhardts erste Inszenierung von Goethes Faust im Jahr 1909 in Berlin. Sie analysiert Reinhardts Regiebuch und beleuchtet die Inszenierung im Kontext seines Gesamtwerks und seiner Reform des Theaters. Der Fokus liegt auf der Rekonstruktion der Inszenierung, der Analyse von Reinhardts Regieanweisungen sowie der Einordnung seiner Inszenierung in den Kontext der Theatergeschichte.
- Max Reinhardts Reform des Theaters und die Entwicklung des Regietheaters
- Reinhardts Inszenierungsstil und seine Interpretation von Goethes Faust
- Die Bedeutung des Gesamtkunstwerks in Reinhardts Theater
- Reinhardts Verhältnis zur Schauspielkunst und seine Rolle als Regisseur
- Die Rezeption von Reinhardts Faust-Inszenierung in der zeitgenössischen Kritik
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet Max Reinhardts Bedeutung als Theaterreformer und seine Vision vom Gesamtkunstwerk. Sie führt in Reinhardts Schaffen ein und legt den Grundstein für die Analyse seiner Faust-Inszenierung.
Das erste Kapitel befasst sich mit der Inszenierung selbst. Es analysiert Reinhardts Regieanweisungen, die Bühnenbildgestaltung, die Figureninterpretation und das Gesamtkonzept der Inszenierung.
Das zweite Kapitel widmet sich anderen Faust-Inszenierungen, um Reinhardts Inszenierung in einen größeren Kontext einzuordnen und die Besonderheiten seiner Interpretation herauszustellen.
Der Schluß der Arbeit soll die Ergebnisse der Analyse zusammenfassen und die Bedeutung von Reinhardts Faust-Inszenierung für die Theatergeschichte beleuchten.
Schlüsselwörter
Max Reinhardt, Regietheater, Gesamtkunstwerk, Faust, Goethes Faust, Inszenierung, Schauspielkunst, Bühnenbild, Figureninterpretation, Theatergeschichte.
- Quote paper
- Guido Böhm (Author), 2002, Max Reinhardt inszeniert Goethes Faust - Berlin 1909, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64810