Durch den Abstand von acht Jahrhunderten wissen wir wenig über die Person Hartmann von Aue und seine Werke liegen uns nur in Abschriften vor, deren Originalnähe oderferne die Germanistik seit ihren Anfängen beschäftigt. Aber wir können die Bedeutung Hartmanns zu seiner Zeit erahnen: Er selbst zeigt in seinen epischen Werken ein für das Mittelalter nicht selbstverständliches Autorenbewusstsein, denn er nennt sich in den Prologen als Urheber. 1 Auch wird an fremden Textzeugnissen deutlich, dass er schon für die nächste Dichtergeneration ein „Klassiker“ war. Gottfried von Straßburg erkennt ihm in seinem ‚Tristan’ (V 4619-4653) das höchste Dichterlob zu: Hartman der Ouwære, / ahî, wie der diu mære beide ûzen unde innen / mit worten und mit sinnen durchverwet und durchzieret! / wie er mit rede figieret der âventiure meine! / wie lûter und wie reine 2 sîne kristallînen wortelîn / beidiu sint und iemer müezen sîn! Wolfram von Eschenbach spielt dagegen respektlos mit dem Hartmann’schen Artushof im ‚Parzival’ (V 143,21-144,4): mîn hêr Hartman von Ouwe, / frou Ginovêr iwer frouwe und iwer hêrre der künc Artûs / den kumt ein mîn gast ze hûs. bitet hüeten sîn vor spotte. / ern ist gîge noch diu rotte: si sulen ein ander gampel nemn: / des lâzen sich durch zuht gezemn. anders iwer frouwe Enîde / unt ir muoter Karsnafîde 3 werdent durch die mül gezücket / unde ir lop gebrücket. Er scheut auch nicht deutliche Kritik an Hartmanns Frauenfiguren Lunete und Laudine (Parzival, V 253,20-24 u. 436,4-10). Diese Dreistigkeiten zeigen jedoch auch, dass Hartmann für Wolfram eine dichterische Instanz gewesen sein muss, andernfalls wären die ironischen Spitzen ins Leere gelaufen. In dieser Arbeit soll dargestellt werden, in welchen Abschriften uns die Epen Hartmanns heute vorliegen und welche Forschungspositionen zur Originalnähe diskutiert werden. Dazu werde ich nach einigen allgemeinen Vorbemerkungen und einer Übersicht über die räumliche Verteilung der Handschriftenfunde aller Hartmann-Epen auf die Überlieferung der einzelnen Werke eingehen, wobei ich der internen Chronologie ihrer Entstehung folgen werde. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Hartmann von Aue, ein „Klassiker“ des frühen 13. Jh.
- Allgemeine Vorbemerkungen zu mittelalterlichen Texten
- Die Edition mittelalterlicher Texte
- Die Überlieferung der epischen Werke Hartmanns von Aue.
- ,Erec'
- Gregorius'
- Der arme Heinrich'
- ,Iwein'
- Schlussbemerkung: Gegebenes und Gewesenes
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Überlieferung der epischen Werke Hartmanns von Aue. Sie untersucht, in welchen Abschriften uns die Epen heute vorliegen und welche Forschungspositionen zur Originalnähe diskutiert werden.
- Die Bedeutung Hartmanns von Aue für seine Zeit und die nachfolgende Dichtergeneration
- Die Besonderheiten der Textüberlieferung mittelalterlicher Werke
- Die verschiedenen Handschriften und ihre Relevanz für die Originalitätsbestimmung
- Die Bedeutung der Materialität der Handschriften (Pergament, Papier)
- Die Herausforderungen der Edition mittelalterlicher Texte
Zusammenfassung der Kapitel
- Das erste Kapitel stellt Hartmann von Aue als wichtigen Autor des 13. Jahrhunderts vor und beleuchtet sein Autorenbewusstsein. Es wird außerdem auf die Rezeption seiner Werke durch spätere Dichter wie Gottfried von Straßburg und Wolfram von Eschenbach eingegangen.
- Das zweite Kapitel widmet sich allgemeinen Vorbemerkungen zu mittelalterlichen Texten und ihrem Trägermaterial. Hier werden insbesondere die Eigenschaften von Pergament und Papier als Schreibmaterialien erläutert.
- Das dritte Kapitel analysiert die Überlieferung der einzelnen epischen Werke Hartmanns: ,Erec', ,Gregorius', ,Der arme Heinrich' und ,Iwein'.
Schlüsselwörter
Hartmann von Aue, Epen, Überlieferung, Handschriften, Originalnähe, Pergament, Papier, Edition, mittelalterliche Literatur, Textkritik.
- Arbeit zitieren
- M.A. Marion Mertl (Autor:in), 2004, Die Überlieferung der epischen Werke Hartmanns von Aue, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65146