Homeland Security in Europa - Ein mögliches Konzept oder Utopie?


Seminararbeit, 2006

41 Seiten, Note: Sehr Gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Homeland Security als Konzept Umfassender Sicherheit bzw. Vernetzter Sicherheit
2.1 Neue Bedrohungen
2.2 Ableitungen aus diesen neuen Bedrohungen
2.2.1 Der Wandel des Kriegsbildes
2.2.2 Die Verschränkung von „innerer“ und „äußerer“ Sicherheit
2.2.3 Der umfassende Sicherheitsbegriff

3 Begriffsdefinition – Homeland Security

4 Homeland Security in den USA

5 Homeland Security in der Europa
5.1 Die Notwendigkeit von Homeland Security für Europa
5.2 Die Entwicklungen hinsichtlich Homeland Security in der Europäischen Union
5.2.1 Revised Action Plan on Terrorism (AP II)
5.2.2 Framework „The Contribution of ESDP in the fight against Terrorism”
5.2.3 Deklaration der Solidaritätsklausel
5.2.4 Das „Haager Programm“
5.2.5 FRONTEX – Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit
an den Außengrenzen
5.2.6 EU Counter-Terrorism Strategy
5.2.7 EU Strategy gegen Rekrutierung und Radikalisierung
5.2.8 Europäisches Programm zum Schutz kritischer Infrastruktur (EPCIP)

6 Homeland Security in Österreich

7 Maßnahmen der Europäischen Union zur Entwicklung eines Konzeptes Homeland Security

8 Homeland Security und die Gewährleistung von Menschenrechten und individueller Freiheit

9 Zusammenfassung/Schlussfolgerung

10 Literaturverzeichnis

11 Quellenverzeichnis

1 Einleitung

Sowohl in der Fachpresse als auch in den Medien und in der Politik war – vor allem in Europa – der Begriff Homeland Security gänzlich unbekannt. Erst nach den Anschlägen von New York und Washington D.C. wurde in den USA die „National Strategy for Homeland Security“ eingeführt und nur 13 Monate nach diesen Anschlägen wurde durch den US-Kongress ein Gesetz zum Aufbau des Department of Homeland Security verabschiedet, und damit eine Entwicklung eingeleitet, die man als einen der größten Schritte zu Reform des Sicherheitssektors seit 50 Jahren bezeichnen kann. Dadurch wurde Homeland Security auch in Europa ein Begriff und man begann nachzudenken, ob dieses Konzept auch für Europa sinnvoll anzuwenden sei.

In dieser Arbeit soll:

- Das Konzept Homeland Security als System „Vernetzter Sicherheitspolitik“ vorgestellt werden. (Dabei soll auch auf bestehende Auffassungsunterschiede über Homeland Security in den USA und Europa eingegangen werden.)
Weiters geht die Arbeit der Frage nach,
- welche Schritte die Europäische Union gesetzt hat, um dem Anspruch einer umfassenden Sicherheitsvorsorge gerecht zu werden und
- ob es auch in Österreich entsprechende Überlegungen und Schritte innerhalb des Sicherheitssektors gibt, den neuen Bedrohungen entsprechend zu begegnen.
- Abschließend sollen mögliche Wege und Entwicklungen in der Europäischen Union aufgezeigt werden, die geeignet erscheinen, innerhalb der bestehenden Institutionen ein adäquates Homeland Security Profil zu entwickeln.

Im deutschen Sprachraum gibt es noch keine allgemein gültige bzw. gebräuchliche Definition. Es wird manchmal Heimatsicherheit, Heimatverteidigung verwendet. Von dem in den USA gebräuchlichen Begriff Homeland Security distanzieren sich europäische Politiker in sehr auffälliger Weise. In dieser Arbeit wird dieser Begriff jedoch als analytischer Arbeitsbegriff verwendet.

2 Homeland Security als Konzept Umfassender Sicherheit bzw. Vernetzter Sicherheit.

2.1 Neue Bedrohungen

Bevor auf den Begriff von Homeland Security eingegangen wird, soll betrachtet werden, warum hat das Konzept von Homeland Security in den letzten Jahren – und hier vor allem seit den Anschlägen von 09/11 – solch eine Beachtung gefunden. Das Ziel dieses Teils der vorliegenden Arbeit ist es, jene Faktoren und Determinanten herauszuarbeiten, die zum Verständnis umfassender Sicherheit bzw. vernetzter Sicherheitspolitik geführt haben.

Nach dem Zusammenbruch der bipolaren Weltordnung sahen sich die Staaten vor neue Bedrohungen gestellt. Diese werden in der Europäischen Sicherheitsstrategie (ESS) auf sehr prägnante Art und Weise zusammengefasst:

- Terrorismus (Neuer Terrorismus):
- Verbreitung von Massenvernichtungswaffen
- Regionale Konflikte
- Scheitern von Staaten
- Organisierte Kriminalität[1]

Darüber hinaus können noch weitere „neue Bedrohungen“ identifiziert werden. Diese sind u. a. Gefahren aus dem Cyber Space (cyber risks), Massenimmigration etc. Alle diese „neuen Bedrohungen“ fordern die Sicherheitsstrukturen der Staaten auf eine neue Art und Weise heraus.[2]

Terrorismus war im ursprünglichen Verständnis in erster Linie eine Angelegenheit der inneren Sicherheit, und war eine nationale Aufgabe, für die die Polizei zuständig war. Hier konzentrierte sich der Terrorismus auf klare politische Zielsetzungen, und auch die Täter und deren Ziele waren identifizierbar. Dies erleichterte gezielte Gegenmaßnahmen auf nationaler Ebene. In den letzten Jahren – insbesondere seit den Anschlägen vom 09/11 – wurde eine neue Art von Terrorismus sichtbar. Bezogen auf die Täterrekrutierung, die von ihm ausge

hende Bedrohung und die globale Unterstützung, ist dieser neue Terrorismus transnational. Auch haben diese Terrororganisationen völlig andere Strukturen, die als lose Netzwerke mit flacher Hierarchie organisiert sind, und die über soziale und wirtschaftliche Netzwerke miteinander verbunden sind.[3]

So wird sehr häufig von einer neuen Qualität des Terrorismus gesprochen, wobei hier die Meinungen geteilt sind. So sagt Zimmermann, dass das Neue an diesem internationalen Terrorismus nicht die neue Qualität, sondern die neue Quantität sei.[4]

Jene Autoren die von einer neuen Qualität des internationalen Terrorismus sprechen, meinen folgende Faktoren: eine neue Schwere und Art der Gewalthandlungen, Organisation und Planung sowie logistische Unterstützung und schließlich die Notwendigkeit militärischer Gegenmaßnahmen.

Die Ziele dieser „neuen“ Organisationsformen des Terrorismus sind nicht klar sondern eher diffus.

2.2 Ableitungen aus diesen neuen Bedrohungen

2.2.1 Der Wandel des Kriegsbildes

Krieg wurde über mehrere Epochen im Sinne von Clausewitz als die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln bezeichnet. Krieg wurde im Allgemeinen als eine „größere militärische Auseinandersetzung“ verstanden. Es setzte sich die Auffassung des Krieges als ein Rechtszustand zwischen Staaten durch. Dieses Verständnis des Krieges ist nach den Geschehnissen des Dreißigjährigen Krieges in Europa entstanden und mit dieser westfälischen Friedensordnung dem damit entstandenen Nationalstaat ist auch die Trennung zwischen „innen und außen“ verbunden. Nach der Katastrophe des Dreißigjährigen Krieges versuchte man auch eine Eingrenzung bzw. eine Einhegung des Krieges zu erreichen, und ein Krieg sollte nach den Regeln des Kriegsrechts und Kriegsvölkerrechts geführt werden.[5]

Nach den Anschlägen vom 09/11 ist der internationalen Staatengemeinschaft schlagartig bewusst geworden, dass am Beginn des 21. Jahrhunderts eine veränderte Natur des Krieges fest

stellbar geworden ist. Der Ausbruch zwischenstaatlicher Kriege ist – wenn auch nicht ausgeschlossen – sehr unwahrscheinlich geworden, da fast alle Staaten wirtschaftlich und politisch sehr stark miteinander verbunden sind.

Jedoch rückt eine Natur des Krieges in den Vordergrund der als „kleiner Krieg“ (im angloamerikanischen Raum „neuer Krieg“) bezeichnet wird. Diese Konfliktform war seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieg stets präsent, stand aber nicht im Vordergrund. Diese kleinen Kriege sind durch gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren, aber auch zwischen nicht-staatlichen Akteuren untereinander gekennzeichnet. Weiter sind diese Konflikte durch eine Abwesenheit von Regeln gekennzeichnet. Synonym spricht man auch von low-intensity conflicts oder von asymmetrischen Kriegen bzw. von Partisanenkriegen.[6]

Auch sind kleine Kriege „…. per definitionem entgrenzt, alle Mittel kommen in ihm zum Einsatz, und oft nimmt er in seiner charakteristischen Brutalität – insbesondere gegenüber Nichtkombattanten, hier vor allem Frauen und Kinder - Züge an, die mit dem Phänomen des totalen Krieges in Zusammenhang gebracht werden.“[7]

Es besteht im Rahmen der Finanzierung der „kleinen Kriege“ nahezu immer ein eindeutiger Zusammenhang mit der organisierten Kriminalität.

2.2.2 Die Verschränkung von „innerer“ und „äußerer“ Sicherheit

Alle diese neuen Bedrohungen sind transnational bzw. wirken transnational, und involvieren in zunehmendem Maße nichtstaatliche Akteure. Aus diesem Grund werden sich innere und äußere Sicherheit immer mehr annähern und letztendlich werden die Grenzen verwischen. Die Verquickung von Neuem Terrorismus, organisierte Kriminalität und kleinen Kriegen erklären jene Sicherheitsstrategien für obsolet, die auf zwischenstaatliche Kriege fokussiert sind.[8]

Dies führt uns auch zu einer Neudefinition des Verteidigungsbegriffes. In unserer Globalisierten Welt ist es nicht genug nur die Grenzen gegen einen Angriff durch ein anderes Land zu verteidigen. Territoriale Verteidigung kann nicht länger nur mit dem „Schutz des nationalen

Territoriums“ gegen Angriffe von Außen gleichgesetzt werden. Verteidigung wird auch zunehmend Bewahrung von Kultur, zivilisatorischen Errungenschaften, Wohlstand, also dem

Schutz der eigenen Wertegemeinschaft umfassen müssen. Weiters wird Verteidigung in Zukunft weniger eine „ Abwehr äußerer Feinde “ sein, als vielmehr „gestaltend und stabilisierend Einfluss auf das Umfeld zu nehmen.“ Wenn Streitkräfte sich in internationalen Interventionen beteiligen und dort ihre personelle und technologische Überlegenheit ausspielen, so wird auch das eigenen „Heimatterritorium“ vermehrt in den Blickpunkt jener Individuen und Gruppen treten, die zum Terrorismus als Mittel der Schwachen greifen. Ein weiterer Grund für eine Wandlung des Verteidigungsbegriffes ist auch, dass heute das Territorium zur Erwirtschaftung von Wohlstand in den hoch zivilisierten Gesellschaften weniger Rolle spielt als in einer nahezu ausschließlich auf Agrarprodukte oder Rohstoffe ausgerichtete Gemeinschaft. Die Hauptinteressen heute sind nicht so sehr der Territorialanspruch sondern der Zugang zu freien Märkten. Auch wird das Schlachtfeld der Zukunft die Gesellschaft selbst und deren Werte sein.

Aus diesem Grund ergibt sich die Notwendigkeit auch den Begriff Verteidigung neu zu interpretieren.[9]

2.2.3 Der umfassende Sicherheitsbegriff

Aufgrund dieser neuen Bedrohungen und der o.a. Entwicklungen, sowie anderer gesellschaftlicher Entwicklungen musste der Begriff Sicherheit einen Wandel vollziehen. Bei Betrachtung dieser Faktoren wird klar, dass der Stellenwert der militärischen Dimension von Sicherheit abgenommen hat und gesellschaftliche, wirtschaftliche, technologische, politische und ökologische Dimensionen von Sicherheit an Bedeutung gewonnen haben.

Weiters wird immer deutlicher, dass Sicherheit am ehesten durch Prävention erreicht werden kann. Mit Prävention ist an dieser Stelle jedoch gemeint, dass durch Zusammenspiel aller Politfelder das Entstehen von Sicherheitsrisiken schon im Ansatz vermieden werden soll.

[...]


[1] vgl. Ein sicheres Europa in einer besseren Welt – Europäische Sicherheitsstrategie, Brüssel, 2003, S. 3 - 4

[2] vgl. Borchert, Heiko: Homeland Security and Transformation: Why it is essential to bring together both agendas, in: Brimmer, Esther (Hrsg.): Transforming Homeland Security, Center for Transatlantic Relations, Washington D.C, 2006, S. 3

[3] vgl. Eggenberger, Renè: Homeland Securtiy, die Rolle der Streitkräfte und der neue Verteidigungsbegriff, in: Borchert, Heiko (Hrsg.): Weniger Souveränität – Mehr Sicherheit, Schutz der Heimat im Informationszeitalter und die Rolle der Streitkräfte, Verlag E.S. Mittler & Sohn GmbH, Hamburg, Berlin, Bonn, 2004, S. 121 - 122

[4] vgl. Zimmermann, Doron: The „New Terrorism“, Impact Scalability and the Dynamic of Reciprocal Threat Perception in: Zürcher Beiträge zur Sicherheitspolitik und Konfliktforschung Nr. 67, S. 46

[5] vgl. Hoch, Martin: Krieg und Politik im 21. Jahrhundert, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Zeitschrift „Das Parlament“ 20/2001, Berlin, 2001 online verfügbar unter: http://www.bpb.de/publikationen/VKE3AO,1,0,Krieg_und_Politik_im_21_%A0Jahrhundert.html, download am 22.03.06

[6] vgl. Hoch, Martin: Krieg und Politik im 21. Jahrhundert, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Zeitschrift „Das Parlament“ 20/2001, Berlin, 2001 online verfügbar unter: http://www.bpb.de/publikationen/VKE3AO,1,0,Krieg_und_Politik_im_21_%A0Jahrhundert.html, download am 22.03.06

[7] Hoch, Martin: Krieg und Politik im 21. Jahrhundert, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Zeitschrift „Das Parlament“ 20/2001, Berlin, 2001 online verfügbar unter: http://www.bpb.de/publikationen/VKE3AO,1,0,Krieg_und_Politik_im_21_%A0Jahrhundert.html, download am 22.03.06

[8] vgl. Eggenberger, Renè: Homeland Securtiy, die Rolle der Streitkräfte und der neue Verteidigungsbegriff, in: Borchert, Heiko (Hrsg.): Weniger Souveränität – Mehr Sicherheit, Schutz der Heimat im Informationszeitalter und die Rolle der Streitkräfte, Verlag E.S. Mittler & Sohn GmbH, Hamburg, Berlin, Bonn, 2004, S. 122

[9] Eggenberger, Renè: Homeland Securtiy, die Rolle der Streitkräfte und der neue Verteidigungsbegriff, in: Borchert, Heiko (Hrsg.): Weniger Souveränität – Mehr Sicherheit, Schutz der Heimat im Informationszeitalter und die Rolle der Streitkräfte, Verlag E.S. Mittler & Sohn GmbH, Hamburg, Berlin, Bonn, 2004, S. 123 - 124

Ende der Leseprobe aus 41 Seiten

Details

Titel
Homeland Security in Europa - Ein mögliches Konzept oder Utopie?
Hochschule
Universität Wien  (Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Forschungsseminar
Note
Sehr Gut
Autor
Jahr
2006
Seiten
41
Katalognummer
V65834
ISBN (eBook)
9783638583121
ISBN (Buch)
9783638862905
Dateigröße
684 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Homeland, Security, Europa, Konzept, Utopie, Forschungsseminar
Arbeit zitieren
Magister Bernhard Richter (Autor:in), 2006, Homeland Security in Europa - Ein mögliches Konzept oder Utopie?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65834

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