Arbeitnehmervertretung in der EU


Seminararbeit, 2005

23 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
2.1. Asymmetrien zwischen Kapital und Arbeit
2.2. Formen der Arbeitnehmermitsprache
2.3. Veränderungsdruck durch neue Rahmenbedingungen

3. Arbeitnehmermitsprache in Europa
3.1. Verschiedenheiten innerhalb Europas
3.2. Die „Europäisierung“ der Arbeitnehmermitbestimmung
3.3. Entwicklung des sozialen Dialogs auf europäischer Ebene

4. Wichtige Einrichtungen der Arbeitnehmervertretung
4.1. Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB)
4.1.1. Entstehung und Entwicklung des EGB
4.1.2. Aufbau und Ziele des EGB
4.1.3. Bedeutung des EGB
4.2. Europäischer Betriebsrat (EBR)
4.2.1. Idee und Gründung
4.2.2. Vertretung der Arbeitnehmerinteressen
4.2.3. Haltung der Arbeitgeberverbände und der Gewerkschaften zum EBR
4.3. Europäische Aktiengesellschaft
4.3.1. Idee und Hintergrund
4.3.2. Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der Europäischen Aktiengesellschaft
4.4. Wirtschafts- und Sozialausschuss der EU

5. Ausblick

6. Literaturverzeichnis

7. Abkürzungsverzeichnis

8. Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

Europa wächst zusammen. Unbestritten ist Europa in den letzten Jahren enger zusammengerückt und der Integrationsprozess hat viele Bereiche des alltäglichen Lebens erfasst. Viele Kompetenzen und Handlungsbefugnisse wurden von den jeweiligen Mitgliedsstaaten auf die europäische Ebene übertragen.

Auch vor dem Bereich der Arbeitnehmervertretung machte die Europäisierung nicht Halt.

Im Sinne eines sich einigenden Europas wurden die rechtlichen und juristischen Rahmenbedingungen für die Schaffung eines grenzenlosen europäischen Arbeitsmarktes geschaffen.

Im Unterschied zu der weit fortgeschrittenen ökonomischen Integration Europas kann man jedoch gleichzeitig festhalten, dass die soziale Dimension der Integration als unterentwickelt bezeichnet werden kann. Diese Feststellung trifft auch und besonders auf die Arbeitsbeziehungen zu, die vor dem Hintergrund der beschleunigten ökonomischen Integration erheblichen Veränderungsprozessen ausgesetzt sind. (vgl. (Eberwein/Tholen/Schuster 2000, S. 10)

In der vorliegenden Arbeit soll ausgehend von einer Untersuchung der Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Situation der Arbeitnehmermitsprache in Europa untersucht werden. Es soll dabei auf die besonderen Voraussetzungen und Gegebenheiten Europas eingegangen werden.

Gleichzeitig soll untersucht werden, inwiefern die Mitsprache der Arbeitnehmer durch und in den vorhandenen Institutionen gewährleistet wird.

2. Die Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Grundsätzlich kann man festhalten, dass die Beziehung zwischen der Arbeitnehmer- und der Arbeitgeberseite ungleich ist und einem kontinuierlichen Wandel unterworfen ist. Durch diese Ungleichheit ergeben sich unterschiedliche Ausgangslagen. Um diese besser verstehen zu können, soll im folgenden Abschnitt eine Betrachtung der Asymmetrien zwischen der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite erfolgen.

2.1. Asymmetrien zwischen Kapital und Arbeit

Die Notwendigkeit einer organisierten Arbeitnehmervertretung wird deutlich, wenn man die asymmetrischen Unterschiede der Arbeitnehmer- und der Arbeitgeberseite betrachtet.

1. Asymmetrie der Zahl: Hier kann man festhalten, dass die Anzahl der Arbeitnehmer die der Arbeitgeber übersteigt. Dies führt zu organisatorischen Vorteilen für die Arbeitgeberseite, da durch die kleinere Zahl der Betroffenen weniger Aufwand für Organisation und interne Kommunikation aufgebracht werden muss. (vgl. Kreckel 2004, S. 167)
2. Asymmetrie der Zusammensetzung: Arbeitgeber und Arbeitnehmer treten über einen formalen Vertrag in ein Verhältnis. Der Arbeitgeber verpflichtet sich dabei, dem Arbeitnehmer Arbeitsplatz, Arbeitsmittel und Arbeitsentgelt zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug dazu erhält er die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. Der Unternehmer räumt dem Arbeitnehmer Rechte auf Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und ähnliche Leistungen ein. Der Arbeitnehmer ist jedoch als natürliche Person dem Unternehmer und seinen überlegenen Ressourcen (Rechtsabteilung, Finanzmittel) unterlegen. Nur durch eine gewerkschaftliche Bindung gelingt es den Arbeitnehmern, ihre Interessen zu bündeln und die individuellen Interessen angemessen zu vertreten. (vgl. ebd., S. 168)
3. Asymmetrie der materiellen Ressourcen und Reichtum: Die Arbeitgeberseite besitzt im Normalfall die Produktionsmittel, die Finanzreserven und hat Zugang zu den Kreditmärkten. Im Falle von Streiks führt dies dazu, dass die Unternehmer den längeren Atem haben als die Arbeitnehmer, die um ihre Existenzgrundlage bangen müssen. (vgl. ebd., S. 169)
4. Asymmetrie symbolischer Ressourcen, des Wissens. Neben den materiellen Produktionsmitteln befindet sich auch das „Know How“ in den Händen des Kapitals. Einzelne Arbeitnehmer können nicht viel mehr als ihre persönliche Qualifikation und Teile des Produktionswissens in diesen formalen Vertrag einbringen. Der Arbeitgeber verfügt beispielsweise in Großunternehmen über genaue Informationen über das Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer. Die Arbeitnehmer hingegen verfügen wenn überhaupt nur über ein sehr beschränktes Wissen über die Unternehmerseite. (vgl. ebd., S. 169)
5. Asymmetrie der Sozialen Beziehungen oder „selektiven Assoziation“. Im Gegensatz zu der Arbeitnehmerseite besitzen die Unternehmer für den Staat aufgrund dessen Abhängigkeit vom Funktionieren der Volkswirtschaft eine große Bedeutung. Diese Bedeutung kann von Seiten des Kapitals leicht als Druckmittel für ihre Interessen verwendet werden. Als ein sehr bekanntes und beliebtes Druckmittel kann dabei die unternehmerische Investitionspolitik angeführt werden. Durch die Möglichkeit der Verweigerung von Investitionen können Unternehmen einen hohen Druck auf die politische Seite ausüben und diese zu Zugeständnissen zwingen. (vgl. ebd., S. 170f.)
6. Asymmetrie der Interessenlagen: Interessen sind umso organisationsfähiger je gleichartiger und damit koordinierbar sie sind. Abgesehen von konkurrenzmotvierten Heterogenitäten gelingt es den Arbeitgebern grundsätzlich besser, ihre Interessen zu bündeln. Die Interessen der Arbeitnehmerseite sind aufgrund ihrer Vielzahl und Verschiedenartigkeit häufig nur sehr schwer zu vereinen: Geschlechtsspezifische Interessen, Zielkonflikte zwischen Beruf und Familie, hierarchische Strukturierung von Arbeitsplätzen und Karrieren. (vgl. ebd., S. 172ff.)
7. Asymmetrie der Optionen: Im Vergleich mit der Arbeitnehmerseite stehen den Kapitalinteressen immer mehrer Optionen offen wie sie sich gegenüber der Arbeitnehmerseite Vorteile im Arbeitskampf verschaffen können.

Den Unternehmen stehen als Optionen etwa Kapitaltransfers in andere Branchen oder in andere Länder, Investitionsstopps oder die Verlagerung von Produktionsstätten zur Verfügung. (vgl. ebd., S. 173)

2.2. Formen der Arbeitnehmermitsprache

Unter Partizipation versteht man generell die Teilnahme der Arbeitnehmer an gesamt- und einzelwirtschaftlichen Entscheidungsprozessen im Rahmen schriftlich fixierter oder freiwilliger Vereinbarungen.

Davon abzugrenzen ist der Begriff der Mitsprache, der sich auf die gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Regelungen der Partizipation von Arbeitnehmern und ihren Vertretern auf den unterschiedlichen Ebenen von Einzel-, Gesamt- und Konzernbetrieben sowie außerbetrieblichen Beteiligungsgremien bezieht. Dies bedeutet die institutionelle Teilnahme der Arbeitnehmer oder ihrer Vertreter an der Gestaltung und inhaltlichen Festlegung des Willensbildungs- und Entscheidungsprozesses. (vgl. Kappler 1980, zit. in: Cleff 1997, S. 24)

Der Grad des Einflusses der Arbeitnehmer oder ihrer Vertreter lässt sich dabei wie folgt aufzeigen:

Die erste Stufe bilden die Mitwirkungsrechte. Darunter versteht man das Recht der Arbeitnehmer, vom Arbeitgeber über bestimmte Sachverhalte informiert zu werden (Informationsrecht), wie auch das Recht, sich zu diesen Maßnahmen vor ihrer Verwirklichung äußern zu können (Konsultationsrecht).

In einer zweiten Stufe werden unter dem Begriff der Mitbestimmungsrechte, das Vetorecht und das Initiativrecht der Arbeitnehmer oder ihrer Vertreter verstanden.

Im Rahmen des Vetorechts wird dem Arbeitnehmer das Recht zugestanden, die Durchführung bestimmter Maßnahmen zu unterbinden.

Das Initiativrecht hingegen räumt dem Arbeitnehmer in bestimmten Sachfragen die gleichen Rechte ein wie dem Arbeitgeber. Im Zuge dieses Rechts können die Arbeitnehmer an den Arbeitgeber herantreten und die Durchführung bestimmter Maßnahmen verlangen. (vgl. Marr 1984, zit. in: Cleff 1997 S. 24 f.)

2.3. Veränderungsdruck durch neue Rahmenbedingungen

Mit Bezug auf Europa kann man festhalten, dass sich in den letzten Jahrhunderten national teilweise sehr unterschiedliche Systeme der Arbeitsbeziehungen herausgebildet haben, die zum heutigen Zeitpunkt mit sehr umfassenden Veränderungsnotwendigkeiten konfrontiert sind.

Dafür verantwortlich sind vor allem zwei Entwicklungen: die zunehmende Globalisierung[1] und die Durchsetzung neuer Produktions- und Arbeitsweisen. (Eberwein/Tholen/Schuster 2000, S. 32f.)

Durch die weltweite Öffnung und Neuordnung von Wirtschaftsräumen (EU, NAFTA, APEC, MERCOSUR) sind in vielen Bereichen globale Sondierungs- und Reorganisationsaktivitäten ausgelöst worden.

Entwicklungs- und Beschaffungsstrategien, Abläufe und Prozesse wurden und werden neu organisiert, wobei damit letztendlich auch immer eine Standortfrage und damit die Zukunft von Tausenden von Arbeitslätzen verknüpft ist.

Innerhalb und außerhalb von Konzernen oder Unternehmensverbänden wird dabei ein weltumspannendes Netz von Produktions- und Handelsbeziehungen aufgebaut. (vgl. Doleschal 1995, S. 40-52)

Die Industrie, Politik und Gewerkschaften stehen damit auf nationaler und supranationaler Ebene vor völlig neuen Herausforderungen und Rahmenbedingungen.

In den OECD Ländern war beispielsweise im Jahre 1995 noch fast jeder 6. bis 7. Arbeitnehmer in der Automobilindustrie beschäftigt. Bedingt durch die neuen Produktionsweisen und die Verlagerung von Arbeitsplätzen in Billiglohnländer ist dieser Anteil jedoch drastisch zurückgegangen.

Gleichzeitig ist die Beschäftigung im Automobilsektor in den neuen Wirtschaftsregionen (z. B. Asia-Pazific, Indien, Lateinamerika) sprunghaft angestiegen. (vgl. Doleschal 1995, S. 40-52)

Umso verständlicher sind die empfundenen Ängste und Sorgen der Arbeitnehmer, dass ihre Stellen durch Auslagerung in andere Länder bedroht sind.

[...]


[1] Der Begriff der Globalisierung stammt aus der Ökonomie und der Soziologie. Er tauchte 1961 erstmals in einem englischsprachigen Lexikon auf und drang nach 1990 in die öffentlichen Debatten ein. Dieser Begriff bezeichnet einen mehrdimensionalen Prozess der Zunahme der transnationalen, wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Beziehungen.

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Details

Titel
Arbeitnehmervertretung in der EU
Hochschule
Leopold-Franzens-Universität Innsbruck  (Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Das politische System der europäischen Union
Note
1
Autor
Jahr
2005
Seiten
23
Katalognummer
V66693
ISBN (eBook)
9783638599245
ISBN (Buch)
9783638677851
Dateigröße
486 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Arbeitnehmervertretung, System, Union
Arbeit zitieren
Stefan Prosch (Autor:in), 2005, Arbeitnehmervertretung in der EU, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66693

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