Ironischerweise beendet ausgerechnet Peeping Tom die Karriere eines der bedeutendsten britischen Regisseure, Michael Powell, wo doch gerade dieser Film so viel über das Filmen selbst erzählt.
Nach seiner Weltpremiere am 7. April 1960 mußte Peeping Tom eine Welle von Haßtiraden seitens der britischen Kritiker über sich ergehen lassen bis er schließlich, nach nur zwei Wochen Spielzeit, gänzlich aus dem Verkehr gezogen wurde. Erst 1979, dank der Bemühungen von Martin Scorsese, der Powells Werk schätzte und bewunderte, wurde Peeping Tom auf dem New-Yorker Filmfestival wieder aufgeführt.
Als erster Film seiner Art spürt Peeping Tom die geheimen voyeuristischen Gelüste der modernen Gesellschaft auf – ursprünglich enthielt er sogar die erste Nacktszene (mit Pamela Green), die allerdings von der Zensur gestrichen wurde. Dennoch wurden Powell v.a. Pornographie und die Verherrlichung von Sexualsadismus vorgeworfen.
Aus heutiger Sicht scheint diese Art der Verurteilung völlig ungerechtfertigt. Nicht nur, weil sich das Kino und die Sehgewohnheiten seines Publikums gewandelt haben. Die Kritiken lassen vor allem den wesentlichen Gehalt des Films völlig außer Acht: Powell hatte wohl nicht die Absicht, die Verbrechen eines Lustmörders zu bagatellisieren, wie es in einer der Kritiken heißt. Die Verbrechen sowie die morbide Lust, sie zu filmen und immer wieder anzuschauen, dienen vielmehr als Folie einer tiefer gehenden Reflexion von Wahrnehmungsmechanismen des Kinos und darüber hinaus.
Peeping Tom markiert den Höhepunkt von Powells Karriere und ist auch gleichzeitig ein Manifest seiner eigenen Obsession und Liebe zum Kino. Der Film ist einerseits eine Untersuchung der eigentlichen Essenz des Kinos, des Sehens in all seinen Formen vom neugierigen Beobachten bis hin zur krankhaften Skopophilie. Andererseits stellt er aber auch eine Art empirischen Versuch dar, in dem der Zuschauer, herausgerissen aus seiner Unschuld und dem sicheren Dunkel des Zuschauerraumes, Teil des Films und seines Themas wird. Durch die raffinierte Verstrickung von Film-im-Film mit altbekannten Genremotiven dekonstruiert Powell das Gefüge von narrativen und formalen Regeln, das Regisseuren wie Hitchcock in Rear Window oder Rope erlaubte, Tabus auf die Leinwand zu bringen, ohne sich der Immoralität schuldig zu machen. Möglicherweise war auch das der wahre Grund für die Empörung der Zeitgenossen.
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Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2.1 Dying for Art - Das Filmen als pseudoerotische Obsession
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht Michael Powells Film "Peeping Tom" (1960) und dessen kontroverse Rezeption. Ziel ist es, die filmischen Strategien zu analysieren, die zu der befremdlichen Atmosphäre des Films beitragen und die zu seiner damaligen Ablehnung führten. Der Fokus liegt auf der Selbstreflexivität des Films und der Dekonstruktion von narrativen und formalen Regeln des Genres.
- Die kontroverse Rezeption von "Peeping Tom"
- Powells selbstreflexive filmische Strategien
- Die Darstellung von Voyeurismus und Skopophilie
- Das Filmen als pseudoerotische Obsession
- Die Dekonstruktion von Genrekonventionen
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung beleuchtet die kontroverse Rezeption von Michael Powells "Peeping Tom" nach seiner Premiere 1960. Der Film, der die voyeuristischen Gelüste der modernen Gesellschaft aufdeckt, wurde von der Kritik verrissen und als pornographisch und verherrlichend von Sexualsadismus verurteilt. Die Einleitung betont jedoch, dass diese Verurteilung den wesentlichen Gehalt des Films außer Acht lässt: Powell dekonstruiert Wahrnehmungsmechanismen des Kinos und untersucht die Essenz des Sehens, vom neugierigen Beobachten bis zur krankhaften Skopophilie. Der Zuschauer wird Teil des Films und seines Themas. Die Arbeit konzentriert sich auf die filmischen Strategien, die zu der befremdlichen Atmosphäre beitragen.
2.1 Dying for Art - Das Filmen als pseudoerotische Obsession: Dieser Abschnitt analysiert die zeitgenössischen Kritiken, die sich vor allem auf die vermeintliche Ästhetisierung von Verbrechen und die Behandlung von Pornographie konzentrierten. Im Gegensatz dazu beschreibt Powell seinen Film als "tendre" und "gentil", als seinen "film le plus sincère". Er identifiziert sich mit dem Protagonisten, einem psychisch kranken Serienmörder, den er als "absoluten Regisseur" bezeichnet. Das Serienkillermotiv dient als Metapher für Powells Kunstauffassung und als Mittel zur Dekonstruktion der Sehgewohnheiten. Powells filmisches Sehen, welches Beobachten, Fokussieren und Verfolgen umfasst, wird als Obsession dargestellt, wobei das Töten als gewaltsames Eindringen in den Bewegungsraum der Kamera fungiert. Der Blick durch das Kameraobjektiv dient als Ventil für Emotionen.
Schlüsselwörter
Peeping Tom, Michael Powell, Voyeurismus, Skopophilie, Selbstreflexivität, Film im Film, Genrekonventionen, Dekonstruktion, Kritiken, Pornographie, Sexualsadismus, Filmische Strategien, Sehgewohnheiten.
Häufig gestellte Fragen zu "Peeping Tom": Eine Analyse von Michael Powells Film
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert Michael Powells Film "Peeping Tom" (1960) und seine kontroverse Rezeption. Der Fokus liegt auf den filmischen Strategien, die zu der befremdlichen Atmosphäre des Films beitragen und seine damalige Ablehnung erklären.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit untersucht die kontroverse Rezeption des Films, Powells selbstreflexive filmische Strategien, die Darstellung von Voyeurismus und Skopophilie, das Filmen als pseudoerotische Obsession und die Dekonstruktion von Genrekonventionen.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit beinhaltet mindestens eine Einleitung und ein Kapitel (2.1) mit dem Titel "Dying for Art - Das Filmen als pseudoerotische Obsession". Die Einleitung beleuchtet die kontroverse Rezeption von "Peeping Tom" und die Intention des Films, Wahrnehmungsmechanismen des Kinos zu dekonstruieren. Kapitel 2.1 analysiert die zeitgenössischen Kritiken und Powells eigene Sicht auf den Film, seine Kunstauffassung und die Verwendung des Serienkillermotivs als Metapher.
Wie wird der Film "Peeping Tom" in dieser Arbeit interpretiert?
Der Film wird als eine selbstreflexive Dekonstruktion von narrativen und formalen Regeln des Genres interpretiert. Die vermeintliche Ästhetisierung von Verbrechen und die Behandlung von Pornographie werden kritisch hinterfragt. Die Arbeit betont, dass die damalige Verurteilung des Films dessen wesentlichen Gehalt übersieht: die Untersuchung der Essenz des Sehens und die aktive Beteiligung des Zuschauers am Filmgeschehen.
Welche Rolle spielt der Voyeurismus im Film?
Der Voyeurismus und die Skopophilie werden als zentrale Themen des Films behandelt. Das Filmen selbst wird als eine Form der pseudoerotischen Obsession dargestellt, wobei das Töten als gewaltsames Eindringen in den Bewegungsraum der Kamera fungiert. Der Blick durch das Kameraobjektiv dient als Ventil für Emotionen.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt der Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Peeping Tom, Michael Powell, Voyeurismus, Skopophilie, Selbstreflexivität, Film im Film, Genrekonventionen, Dekonstruktion, Kritiken, Pornographie, Sexualsadismus, Filmische Strategien, Sehgewohnheiten.
Welches ist das Hauptziel der Arbeit?
Das Hauptziel ist die Analyse der filmischen Strategien in "Peeping Tom", die zu der befremdlichen Atmosphäre des Films beitragen und seine damalige Ablehnung erklären. Die Arbeit untersucht, wie Powell Wahrnehmungsmechanismen des Kinos dekonstruiert und die Essenz des Sehens vom neugierigen Beobachten bis zur krankhaften Skopophilie untersucht.
- Quote paper
- Anna Purath (Author), 2000, Peeping Tom (Michael Powell, 1959), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/6865