Alles Geschehen in unserer Welt gleicht einem großen Spiel, in dem von vornherein nichts als die Regeln festliegen. Ausschließlich diese sind objektiver Erkenntnis zugänglich. Das Spiel selber ist weder mit dem Satz seiner Regeln noch mit der Kette von Zufällen, die seinen Ablauf individuell gestalten, identisch. Es ist weder das eine noch das andere, weil es beides zugleich ist, und es hat unendlich viele Aspekteso viele man eben in Form von Fragen hineinprojiziert. MANFRED EIGEN und RUTHILD WINKLER (1981, zitiert nach FRITZ 1991, S. 80) Durch die Arbeit an dem Referat „Heilpädagogisches Spiel“ im Rahmen des Seminars „Heilpädagogische Intervention I“, wurde ich animiert, mich in dieser Belegarbeit weiter mit diesem Thema zu beschäftigen. Wie das Zitat im Vorwort bereits treffend aussagt, ist das Thema Spiel sehr umfangreich und ohne gezielte Fragestellung nicht zu bewältigen. Ich möchte mit dieser Arbeit einen kleinen Einblick in das „Phänomen Spiel“ geben und seine Möglichkeit in der heilpädagogischen Intervention aufzeigen. Ausgangspunkt dafür sind theoretische Grundlagen des Spiels, wie Merkmale, Theorien und Klassifizierung. Auf der Grundlage dieser theoretischen Ansätze wird in den folgenden Kapiteln die Bedeutung des Spiels in der kindlichen Entwicklung dargelegt. Ich gehe in diesem Zusammenhang etwas auf veränderte Spiel- und Lebens-welten in der heutigen Zeit ein und deren mögliche Auswirkungen auf die Kinder. Anschließend richte ich den Blick speziell auf das Spiel geistig behin-derter Kinder. Den Abschluss der Arbeit soll eine Beleuchtung der „Heilpädagogischen Übungsbehandlung“ nach OY und SAGI als Interventionsform bilden. In meine persönlichen Schlussbemerkungen werde ich jedoch einige kritische Überlegungen zu diesem Konzept einfließen lassen.
Inhaltsverzeichnis
1. Vorwort und Einleitung
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Der Begriff „Spiel“ in der Alltagssprache
2.2 Einige frühe Ansichten zur Erklärung des Phänomens „Spiel“
2.3 Merkmale eines Spiels
2.3.1 Das Moment der Freiheit
2.3.2 Das Moment der inneren Unendlichkeit
2.3.3 Das Moment der Scheinhaftigkeit
2.3.4 Das Moment der Ambivalenz
2.3.5 Das Moment der Geschlossenheit
2.3.6 Das Moment der Gegenwärtigkeit
2.4 Überblick über Spieltheorien
2.4.1 Psychoanalyse und Spiel
2.4.2 Spiel und kognitive Entwicklung (nach Piaget)
2.4.3 Spiel und Verhaltensforschung
2.4.4 Motivationspsychologie und Spiel
2.4.5 Sozialisationstheorien und Spiel
2.4.6 Rollentheorie und Spiel
2.4.7 Der phänomenologische Ansatz
2.5 Klassifizierung von Spielen (nach Schenk-Danzinger)
2.5.1 Funktionsspiel
2.5.2 Rollenspiel
2.5.3 Konstruktionsspiel
2.5.4 Regelspiel
2.6 Geschlechtsspezifisches Spielverhalten
3. Bedeutung des Spiels in der kindlichen Entwicklung
3.1 Die Spielformen und ihre entwicklungsfördernden Funktionen
3.1.1 Funktionsspiel
3.1.2 Rollenspiel
3.1.3 Konstruktionsspiel
3.1.4 Regelspiel
3.2 Veränderte Spiel- und Lebenswelten
3.3 Das Spiel bei geistig behinderten Kindern
4. Die Heilpädagogische Übungsbehandlung (HPÜ)
4.1 HPÜ? - Definition der Heilpädagogischen Übungsbehandlung
4.2 Methode der Heilpädagogischen Übungsbehandlung
4.2.1 Voraussetzungen
4.2.2 Bedingungen für alle Begegnungen in der HPÜ
4.2.3 Durchführung
4.3 Praxis der Heilpädagogischen Übungsbehandlung
4.3.1 Raum - Material - Person - Orientierung
4.3.2 Methodisch-didaktische Überlegungen
4.3.3 Auswahl und Einsatz von Spielzeug und Spieltätigkeiten
5. Schlussbemerkungen
Literaturverzeichnis
Bücher
Elektronische Medien
1. Vorwort und Einleitung
Verwandlung und Spiel
Alles Geschehen in unserer Welt
gleicht einem großen Spiel,
in dem von vornherein nichts
als die Regeln festliegen.
Ausschließlich diese
sind objektiver Erkenntnis zugänglich.
Das Spiel selber ist weder
mit dem Satz seiner Regeln
noch mit der Kette von Zufällen,
die seinen Ablauf individuell gestalten,
identisch.
Es ist weder das eine noch das andere,
weil es beides zugleich ist,
und es hat unendlich viele Aspekte –
so viele man eben in Form von Fragen
hineinprojiziert.
Manfred Eigen und Ruthild Winkler
(1981, zitiert nach Fritz 1991, S. 80)
Durch die Arbeit an dem Referat „Heilpädagogisches Spiel“ im Rahmen des Seminars „Heilpädagogische Intervention I“, wurde ich animiert, mich in dieser Belegarbeit weiter mit diesem Thema zu beschäftigen.
Wie das Zitat im Vorwort bereits treffend aussagt, ist das Thema Spiel sehr umfangreich und ohne gezielte Fragestellung nicht zu bewältigen.
Ich möchte mit dieser Arbeit einen kleinen Einblick in das „Phänomen Spiel“ geben und seine Möglichkeit in der heilpädagogischen Intervention aufzeigen. Ausgangspunkt dafür sind theoretische Grundlagen des Spiels, wie Merkmale, Theorien und Klassifizierung.
Auf der Grundlage dieser theoretischen Ansätze wird in den folgenden Kapiteln die Bedeutung des Spiels in der kindlichen Entwicklung dargelegt.
Ich gehe in diesem Zusammenhang etwas auf veränderte Spiel- und Lebens-welten in der heutigen Zeit ein und deren mögliche Auswirkungen auf die Kinder. Anschließend richte ich den Blick speziell auf das Spiel geistig behin-derter Kinder.
Den Abschluss der Arbeit soll eine Beleuchtung der „Heilpädagogischen Übungsbehandlung“ nach Oy und Sagi als Interventionsform bilden.
In meine persönlichen Schlussbemerkungen werde ich jedoch einige kritische Überlegungen zu diesem Konzept einfließen lassen.
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Der Begriff „Spiel“ in der Alltagssprache
Auf den ersten Blick scheint der Begriff „Spiel“ unproblematisch zu sein. Wir fassen im Sprachgebrauch unter diesem Begriff viele verschiedenartige Tätigkeiten und Geschehnisse zusammen. Besonders zum Ausdruck kommt das in einigen Redewendungen, von „wie das Leben so spielt“ über „die Phantasie spielen lassen“ oder „mit dem Feuer spielen“. Andere Beispiele wären auch: „das Spiel ist aus“, „sein Ansehen aufs Spiel setzen“ oder „das Spiel des Windes“. In derartigen Redewendungen – wobei diese nur eine kleine Auswahl darstellen – kommt zwar der Wortstamm „Spiel“ vor, er hat jedoch immer eine andere semantische Bedeutung.
Fritz äußert sich zu dem Begriff „Spiel“ in seinem Werk „Theorie und Pädago-gik des Spiels“, indem er sagt: „Mal ist die konkrete Spieltätigkeit gemeint, mal ein bestimmtes Medienprodukt, mal die Beurteilung eines Verhaltens, mal eine Beobachtung in der Natur; ein anderes Mal ist der Begriff zu einer Redensart geworden, die einen Sachverhalt umschreibt, in dem spielerische Elemente eine Rolle spielen.“ (Fritz 1991, S. 13)
Der Versuch, sich dem Phänomen „Spiel“ durch den sprachlichen Gebrauch zu nähern, scheint somit unmöglich zu sein. Deshalb bezieht sich die vorliegende Arbeit bei der Verwendung des Begriffes „Spiel“ ausschließlich auf das Spiel der Menschen im eigentlichen Sinne.
Früher hatte der Begriff „Spiel“ zudem eine differenzierte Bedeutung in den verschiedenen kulturellen Zusammenhängen. Das belegt eine systematische Darstellung kindlicher Spiele von J. A. Pokorowski aus dem Jahre 1887. Dem-nach bedeutete „Spiel“ bei den alten Griechen „Sich-Kindereien-Hingeben“. Die Begriffe Scherz und Lachen entsprachen bei den Juden dem Wort Spiel. Bei den Römern stand das Wort „ludus“ für Freude und Heiterkeit.
„Spilen“ be-deutete im Mittelhochdeutschen Scherz treiben, sich vergnügen. Im Laufe der Zeit wurden dann in allen europäischen Sprachen mit dem Wort Spiel alle nicht schweren Arbeiten, die Freude und Vergnügen bereiten, bezeichnet. (vgl. Elkonin 1980, S. 22)
2.2 Einige frühe Ansichten zur Erklärung des Phänomens „Spiel“
Das Spiel an sich ist als Phänomen derart von Bedeutung, dass bereits die Philosophen des Altertums darüber nachsinnten.
So sieht Plato (427-347 v. Chr.) im kindlichen Spiel einen Zusammenhang zwischen der Erziehung und einem ungestörten Fortbestehen der Gesetze des Staates. Die kindlichen Spiele sollten einer durch Erziehung herzustellenden Beständigkeit unterliegen, um die Stabilität des Staates zu gewährleisten. Außerdem geht Plato davon aus, dass ein tüchtiger Baumeister bereits in seinem kindlichen Spiel mit Geschick lernt, kleine Bauwerke zu errichten.
Aristoteles (384-322 v. Chr.) sieht einen ähnlichen Zusammenhang zwischen dem kindlichen Spiel und den später eintretenden, ernsthaften Dingen des Lebens. Darüber hinaus scheint ihm wichtig zu sein, dass man Kindern Spielzeug zur Verfügung stellt, damit sie, während sie damit beschäftigt sind, nichts im Haus zerbrechen.
Quintilian (35-95 n. Chr.) entwickelte bereits eine Art Programm zum frühen Lesen lernen, in dem er empfiehlt den Kindern Buchstaben aus Elfenbein zum Spielen zu geben. Dadurch soll in der Kindheit Lust zum Lernen gemacht werden. (vgl. Hering 1979, S. 10)
Der Philosoph und Sozialökonom John Locke (1632-1704) erkannte im Spiel eine spezifische Form des Kindes von Erholung und Zerstreuung. Des Weiteren betont er den Anspruch der Kinder auf diese Form der Aktivität. Man könne daraus Rückschlüsse über Temperament, Neigungen und Anlagen eines Kindes ziehen.
Seitdem wurde das Spiel pädagogisch angeleitet und für die Erziehung genutzt (Lockesche Nützlichkeitspädagogik). Demnach kann bei Kindern durch gelungene Steuerung des Spiels eine Mäßigung ihrer Wünsche, Sparsamkeit, Geschäftigkeit, Fleiß, Nachdenken und Findigkeit erreicht werden.
Jean Jaques Rousseau (1712-1778) hingegen sieht keine Rechtfertigung in einer pädagogischen Nutzung des Spiels, sondern eine Form des Zwanges.
Er sieht einen von der Natur gegebenen Sinn und Nutzen im Spiel. Rousseau bezieht sich dabei insbesondere auf Spiele, die den Sinnesapparat und die Koordination üben, sowie der besseren Einschätzung der Umwelt dienen. Gewissermaßen dem heutigen Bereich des Funktionsspiels. „Es lernt auf diese Weise die Wärme, die Kälte, die Weichheit, die Schwere, die Leichtheit der Körper kennen, ihre Größe, ihre Gestalt und alle ihre Sinnesqualitäten beurteilen, indem es sie betrachtet, befühlt, behorcht, vor allem aber indem es das Sehen mit dem Tasten vergleicht, indem es mit dem Auge den Eindruck abschätzt, den die Dinge auf seine Finger ausüben werden.“ (Rousseau, in: Scheuerl 1991, S.21) Seiner Meinung nach sollten sich die Erwachsenen darauf beschränken, die Kinder anzuleiten, ihre Wünsche nach ihren Kräften zu richten.
In der Literatur über Spiel findet man auch sehr oft Friedrich Schillers (1759-1805) Satz: „Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“ (Schiller 1913, zitiert nach Hering 1979, S.13) Er bezeichnet Spiel als „glückliche Mitte“, in der der Mensch nicht mehr durch Pflicht genötigt wird, sobald die Neigung wirkt. Für
Schiller ist Spiel der Inbegriff für Freiheit, Menschsein und ästhetisches Leben.
Friedrich Fröbel (1782-1852), Initiator der Kindergartenpädagogik und Schöp-fer kindgerechten Spielmaterials, sieht Spiel als wichtigste Lebensäußerung des Kindes an, welche Selbstbestimmung und Selbstständigkeit fördert.
In der frühen Kindheit (zwei bis sechs Jahre) ist Spiel nach Fröbel „freitätige Darstellung des Inneren“, während das Spiel der Sieben- bis Zehnjährigen eine Möglichkeit darstellt „Äußeres innerlich zu machen“. (vgl. Hering 1979, S. 15) Fröbel ordnet Spiel demnach in den Verlauf kindlicher Entwicklung ein und dessen entwicklungsspezifische Funktionen werden durch ihn erkannt.
ErzieherInnen sollen für genügend Raum und Zeit sorgen, damit sich die Kinder im Spiel entfalten können. Spielmaterial entsprach seinem pädagogischen Ent-wurf, wenn es einen Aufforderungscharakter für das Kind aufweist, das Spiel zu erkunden.
Der Engländer Herbert Spencer (1820-1903) geht bei seinen Beobachtungen von Tieren aus, die umso mehr spielen, je weniger sie ihre Zeit und Kraft für die Nahrungssuche aufwenden müssen. Spencer meint demnach, dass Kinder im Spiel überschüssige Kräfte abreagieren. Man spricht deshalb von der „Kraft-überschuss-Theorie“. Spiel müsse zudem frei von jeglicher Forderung der Wirklichkeit sein. (vgl. Hering 1979, S. 18)
Hingegen der amerikanische Psychologe und Philosoph Stanley Hall (1836-1924) sieht im Spiel eine Rekapitulierung der stammesgeschichtlichen Entwick-lung des Menschen (“Rekapitulationstheorie“). Die Kinder werden durch das Spiel befähigt, diese primitiven Entwicklungsstadien in abgekürzter Form nach-zuempfinden.
Moritz Lazarus (1824-1903) betont im Gegensatz zu Spencer, dass durch Spielen die Kinder wieder Kraft und Energie gewinnen. Das Spiel sei eine aktive Form der Erholung und des Ausgleichs. (vgl. Renner 1995, S. 13)
Dieser kurze Überblick verdeutlicht, wie verschiedenartig die Ansichten über das Spiel in der Geschichte waren. Meines Wissens nach, ist es bis heute nicht gelungen, das Phänomen „Spiel“ genau zu erfassen. Es scheint jedoch Einig-keit darüber zu herrschen, dass das Spiel eine elementare Lebensäußerung des Menschen darstellt.
2.3 Merkmale eines Spiels
Menschen aller Zeitalter und Kulturen spielten und man weiß längst, dass das kein sinnloser Zeitvertreib ist. Spielen gilt heute vielmehr als nützliche Beschäf-tigung, weil es Lernprozesse fördert, zur Entspannung und Unterhaltung bei-trägt und zudem der Geselligkeit dient. Damit jedoch nicht genug: Charakteris-tisch beim Spiel scheint zunächst eine spezifische Freiheit zu sein. Spielt der Mensch, ist er frei von existentiellen Bedrohungen und Notwendigkeiten. Das Spiel im Sinne einer freiwilligen Tätigkeit ist demnach zweckfrei, da es nicht einem Lernziel oder zur Lebenssicherung dienen muss. Mag der Spielende mit seiner Tätigkeit auch ein festgelegtes Ziel verfolgen oder sollte es sich als nützlich erweisen, so ist es trotzdem nicht möglich, den Sinn des Spielens von diesen Ergebnissen her abhängig zu machen. Spiel ordnet sich derartigen Zwecken nicht unter. Es bleibt im Wesentlichen frei und wird zerstört, sobald man versucht, das Spiel zu funktionalisieren.
Vitale und schöpferische Kräfte des Menschen können im Spiel ihren Ausdruck finden. Wobei bereits erwähnte Zweckfreiheit den Menschen mit Spannung und Freude erfüllt. Zweckfreies Tätigsein bedeutet aber auch, dass der Mensch für die jeweiligen Gestaltungsmöglichkeiten, die das jeweilige Material und die jeweilige Situation bieten, offen ist. Er legt ihnen keinen äußeren Zweck auf, sondern überlässt sich dem Prozess, welcher durchaus formulierten Regeln unterliegen kann.
Der Mensch widmet während dem Spiel diesem Geschehen seine ganze Aufmerksamkeit, sein Fühlen, Denken, Wollen und Handeln und seinen Ernst. Dabei erfüllt das Spiel den ganzen Menschen, weil er alle seine Kräfte dafür einsetzt.
Aus diesen und anderen Äußerungen kann man eine Reihe Wesensmerkmale des Spiels abgeleiten. An dieser Stelle wird auf Hans Scheuerl zurückge-griffen, der Spiel als eine Bewegungsform mit besonderem Ablauf sieht. Folgende Merkmale des Spiels hat er beschrieben:
2.3.1 Das Moment der Freiheit
„Spiel verfolgt keinen außerhalb seiner selbst liegenden Zweck.“ (Scheuerl 1990, S. 67) Es ist demnach abgehoben von der Arbeit, Problemen und Sorgen um das Dasein. Diese Freiheit ist auch vorhanden, wenn das Spiel in sich geregelt ist: „(...) sie alle (die Spielenden) sind nach außen hin frei, mögen sie innerhalb ihres Spiels auch noch so sehr an Regeln und Vorschriften gebunden sein." (Scheuerl 1990, S. 67) Daraus folgt, dass der Spieler sich gegebenen-falls von äußeren Zwängen frei machen muss, weil er sonst das Spiel zwar betreiben, aber sich nicht in den Bann des Spiels ziehen lassen kann.
2.3.2 Das Moment der inneren Unendlichkeit
Im Gegensatz zur Arbeit, die erledigt sein will, sind Spiele nicht teleologisch ausgerichtet. Sie sind vielmehr auf „Ewigkeit“ hin ausgelegt. Das bedeutet, das Spiel könnte, in diesem Moment des Spiels, gefühlsmäßig ewig so weitergehen – sei es durch Ausdehnung oder ständige Wiederholung. Ein Ende des Spiels wird lediglich durch äußere Mächte hervorgerufen, wie z.B. durch Hunger, Müdigkeit oder einer anderen Person, die das Spiel abbricht.
2.3.3 Das Moment der Scheinhaftigkeit
Die bereits erklärte Freiheit des Spiels bezieht sich auch auf den „Zwang der Realität“ und die „Hingabe an eine Scheinwelt“. (vgl. Scheuerl 1990, S. 77) Somit kann es sich der Spielende erlauben, der Realität zu entfliehen und sich dem Schein (quasi einer im Spiel entstehenden, virtuellen Realität) hinzugeben.
Ist das Spiel gelungen, entwickelt sich also eine Faszination, welche sich ge-genüber den Ursachen verselbstständigt.
„Jeder Rückfall in die „Realität“ verdirbt (oder gefährdet) das Spiel und dena-turiert seine Phänomene (...)“. (Scheuerl 1990, S. 80)
2.3.4 Das Moment der Ambivalenz
Der spielende Bewegungsablauf ist gekennzeichnet durch ein ständiges Hin und Her, Spannung und Unentschiedensein. Er ist sozusagen ambivalent. Spiele müssen deshalb so konzipiert sein, dass ihr Ausgang so lange wie möglich offen bleibt. Dazu müssen die beteiligten Kräfte so verteilt sein, dass weder auf der einen noch auf der anderen Seite ein Übergewicht entsteht.
„Die Freiheit des Spiels besteht geradezu darin, daß jede Festlegung und Fes-selung an einen eindeutigen ‚Aktionstunnel’ fehlt.“ (Scheuerl 1990, S. 87)
2.3.5 Das Moment der Geschlossenheit
Die spielerische Bewegung ist in ihrer Freiheit dennoch nicht grenzenlos. Sie ist in sich geschlossen: durch Regeln und Normen, Spielfeldbegrenzungen oder materielle Eigenschaften. „Frei, unbestimmt, undeterminiert ist das Spiel immer nur innerhalb seines Maßes.“ (Scheuerl 1990, S. 92)
2.3.6 Das Moment der Gegenwärtigkeit
Spiele sind gekennzeichnet von einer zeitenthobenen Gegenwärtigkeit. Die Be-wegung des Spiels beläuft sich nur auf das Hier und Jetzt, sie stellt keinerlei Verbindung zwischen Vergangenheit und Zukunft dar. Der Spielende verliert dadurch jegliches Zeitmaß, weil jeder Moment, jede Phase seine eigenen Überraschungen birgt.
Man muss davon ausgehen, dass Scheuerls Spielverständnis im Wesent-lichen von der Freiheit der Spieler ausgeht, welche eine Offenheit für die Spielphänomene ermöglicht. Deshalb bleibt diese „Hochform“ des Spiels auch hauptsächlich den Kindern vorbehalten, denn je älter der Mensch wird, desto mehr wird der Zugang durch vielfältigste Einflussfaktoren verstellt.
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- Arbeit zitieren
- Susanne Richter (Autor:in), 2004, Die Bedeutung des Spiels in der kindlichen Entwicklung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69503
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