John Stuart Mill: On Liberty


Seminararbeit, 2001

23 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2. Das Konzept des Utilitarismus
2.1. Utilitarismus von Jeremy Bentham
2.2. Einordnung
2.3. Mills Modifikation

3. Das Unutilitaristische in „On Liberty
3.1. Intention, Struktur und Spannungsfeld
3.2. Nützlichkeit oder Wahrheit?
3.3. Der teleologische Aspekt
3.4. Anthoropologische Konstanten
3.5. Individueller Freiheitsraum
3.6. Die Grenzen gesellschaftlicher Autorität

4. Abschließende Bemerkung

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, seine nationale und staatliche Einheit zu wahren und als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der zu dienen, hat das deutsche Volk ..., ...dieses Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland beschlossen.“ 0 So lautet die Präambel der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland von 1949. Mit der Betonung auf der „Verantwortung vor Gott“ sowie mit dem sich anschließenden normativen Grundrechtskatalog, an dessen Spitze die Würde des Menschen steht1, ist unübersehbar auf überpositives, ja auch überrationales Recht, also Naturrecht wenn man so will, zurückgegriffen worden, vor allem vor dem Hintergrund der totalitären Erfahrung im Nationalsozialismus. Unter diesem Aspekt bedeutet dies wieder eine Annäherung an die lange Tradition normativer Naturrechtskonzepte, die im 16. Jahrhundert als Schule von Salamanca entstand und über Hobbes, Locke und Rousseau im 18. Jahrhundert „das politische Denken Europas nahezu vollständig beherrschte“2. Offensichtlich aber nicht das von Jeremy Bentham (1748 – 1832), der als Begründer des Utilitarismus in die Geschichte eingegangen ist3, denn gerade von solchen normativen Naturrechtskonzeptionen, die mit Ausnahme von Spinozas alle von einem spezifisch definierten Naturzustand des Menschen ausgehen4, wendet sich dieser radikal ab. In seinem 1789 erschienen Werk „An Introduction to the Principles of Morals and Legislation“5 verwirft er jedwede Rechtskonzeption, die sich auf wie auch immer geartete normativen Prämissen aufbaut zu Gunsten eines spezifischen Nützlichkeitsprinzips als letzter Entscheidungsinstanz. Demnach wird das zum, sittlich Guten erhoben, was mit dem Nutzen des einzelnen beziehungsweise im sozialen Kontext mit dem der gesamten Gemeinschaft in Einklang steht. Die Definition des Gemeinwohls erfolgt also rein empirisch als Summe aller Einzelinteressen.

Als Anhänger eben dieser Schule zeigt sich John Stuart Mill in seinem Essay „Utilitarianism“ (1861)6. Zugleich aber nimmt er eine entscheidende Motivation vor, indem er die glücksstiftenden Handlungen, denn nur darin besteht ihr Nutzen, nun auch qualitativ differenziert. Auf der Basis dieses speziellen Utilitarismusbegriffes versucht Mill auch in seinem Essay „On Liberty“ (1859)7, „Wesen und Grenzen der Macht, welche die Gesellschaft rechtmäßig über das Individuum ausübt“, zu bestimmen, ohne auf die „Idee eines abstrakten, vom Nützlichkeitsprinzip unabhängigen Rechtes“ zurückzugreifen.8 Im folgenden soll nun zunächst gemäß der „Introduction to the Principles of Morals and Legislation“ Benthams Utilitarismuskonzept skizziert und eingeordnet werden, um dann auf Mills erwähnte Modifikationen eingehen zu können. Diese, so wird gezeigt werden, verursachen ein unübersehbares Spannungsfeld zum Utilitarismus bei Bentham, das dann vor allem, darin besteht das Hauptaugenmerk dieser Überlegungen, in Mills „On Liberty“ nachgewiesen werden soll. Dabei besteht das Ziel der Analyse nicht in einer dogmatischen Verordnung Mills. Vielmehr soll dargestellt werden, dass Benthams Ansatz seine enorme Flexibilität und scheibar unüberbietbare Pragmatik mit einem hohen Preis bezahlt, wes dann abschließend als Voraussetzung für grundsätzliche Überlegungen über die Notwendigkeit normativer Prämissen in politischen Philosophien dienen soll.

2. Das Konzept des Utilitarismus

2.1. Utilitarismus bei Jeremy Bentham (1748 – 1832)

Auch wenn Bentham als Begründer des Utilitarismus gilt, war er bei weitem nicht der erste Utilitarist. Der Begriff der Nützlichkeit hat eine große Tradition in der Moralphilosophie, und speziell Leibnitz, Joseph Priestley und Cesare Beccaria, also auch mehr oder weniger unmittelbare Zeitgenossen Benthams, hatten bereits ähnliche Gedankengänge entwickelt. dennoch blieb es Bentham vorbehalten, das Prinzip der Nützlichkeit in einem geschlossenen systematischen Ansatz explizit als Grundlage einer Ethik und politischen Philosophie zu erklären, was 1789 mit dem Erscheinen seines Werkes: „An Introduction to the Principles of Morals and Legislation“ geschah.9

Darin definiert Bentham das Prinzip der Nützlichkeit dahingehend, dass „by utility is meant that property in any object, whereby it tends to produce benefit, advantage, pleasure, good or happiness, ...or... to prevent, the happening of mischief, pain, evil or unhappiness...“10. Dahinter steht die empirische, im wahrsten Sinne des Wortes durch Beobachtung gewonnene, also nicht apriorisch festgelegte Grundüberzeugung, dass der Mensch in seinem Handeln stets vom Lust-Unlust-Prinzip („pain and pleasure“) geleitet wird: Er strebt Lust an und vermeidet Unlust.11 Diese Handlungsmotivation sieht Bentham immer, beispielsweise auch im zunächst dieser diametral entgegenstehenden Fall der Askese, als die ulitimative an, so dass er für das Nützlichkeitsprinzip empirisch und logisch die Infallibilität postuliert.12 Entscheidend ist jedoch auch, dass sein System von Anfang an, wie sollte es sonst, wie formuliert, als allgemeine Handlungs- und Gesetzgebungsbasis fungieren, Individuum und Gesellschaft wechselseitig miteinander verbindet, und zwar über die Bestimmung des „interest of the community“ als „the sum of the interest of the several members who compose it“13. Folglich wird bei Bentham die Tendenz der jeweiligen Einzelhandlung, das Gemeinwohl („hapiness of the community“) zu fördern zur obersten Handlungsmaxime im Utilitarismus, was er in Anlehnung an Beccaria in der griffigen Formel „it is the greatest happiness for the greatest number that is the measure of right and wrong“ als „fundamental axiom“ seiner Philosophie zum Ausdruck bringt14. Von ebenso essentieller Bedeutung ist in diesem Kontext, dass die Freuden („pleasures“), die das Glück des einzelnen und somit schließlich aditiv das Gemeinwohl der gesamten Gesellschaft bestimmen, in keinster Weise von irgendeiner Instanz vorgegeben werden, sondern sich eben rein empirisch aus den jeweiligen Handlungen der Individuen ergeben, wobei Bentham in der antiautoitären Radikalität soweit geht, die Freuden ausschließlich nach dem Umfang zu bewerten, in dem sie fähig sind, das Glück zu fördern, ohne qualitative Unterscheidung, beispielsweise zwischen körperlichen und geistigen Freuden, vorzunehmen. Um seinem Konzept des puren Empirismus treu bleiben zu können, gibt er nur eine Reihe von Tugenden an, die nicht per se gut sind, ein klassisches Charakeristikum aller neuzeitlichen Philosophien, aber grundsätzlich dem Nützlichkeitsprinzip erfahrungsgemäß nicht ungedeihlich sind, wie z.B. Nächstenliebe, Uneigennützigkeit und Brüderlichkeit.15 So groß die formal-logischen und auch inhaltlichen Differenzen zu Immanuel Kant sonst auch sind, sticht an dieser Stelle jedoch die Gemeinsamkeit ins Auge, denn in seiner 1785 erschienenen „Grundlegung der Metaphysik der Sitten“ kommt auch Kant zu der Erkenntnis, dass „allein ein guter Wille“ das einzige ist, „was ohne Einschränkung für gut könne gehalten werden“16. Außerdem ist ihnen gemein, dass sie sich beide scharf von sämtlichen Naturrechtsvorstellungen abgrenzen, da sich das Zustandekommen positiven Rechts zumindest rein formal-logisch jeweils systemimmanent und somit allein rational nachvollziehbar ohne Zurückgreifen auf ontologisch-anthropologische Prämissen erklären lässt, allerdings ausgehend von zwei stark divergierenden Konzeptionen. Während Benthams Ansatz, wie bereits angedeutet, theoretisch auf rein empirischer Basis fußt und damit natürlich der Tradition der englischen Skeptizisten, namentlich David Humes, Rechnung trägt17, entwickelt Kant in der „Kritik der reinen Vernunft“ auf der Basis eines universell verbindlichen Vernunftbegriffes die Vorstellung von synthetischen Urteilen a priori, was für seine Moralphilosophie , formuliert im Kategorischen Imperativ, natürlich bedeutet, dass das sittlich Gute allein auf der Basis der Begriffe der reinen Vernunft erkannt und somit in letzter Konsequenz auch das Gemeinwohl apriorisch definiert werden kann.18

An entscheidender Stelle dieses Werkes jedoch enthält sich Bentham einer konsequenten rechtsstaatlichen Umsetzung des Nützlichkeitsprinzips, und zwar in Bezug auf die Frage, ob individuell schädliche Handlungen ohne jedwede soziale Auswirkung unter Strafe gestellt werden sollten oder nicht, wund wie in letzterem Fall, die somit implizit vollzogene Trennung zwischen öffentlichem und privatem Bereich begründet werden kann.19 Das verdient im Rahmen dieser Überlegungen insofern Aufmerksamkeit, als Mill in „On Liberty“ eben diese Trennung, die für jedwede liberale Position natürlich von entscheidender Bedeutung ist, zu begründen versuchen wird, worauf dann entsprechend einzugehen sein wird. Zunächst soll aber auf der Basis der im Obigen angestellten Betrachtungen eine einordnende Beurteilung des Utilitarismus vorgenommen werden, bevor Ausmaß und Wesen der von Mill vorgenommenen Modifikationen untersucht werden.

[...]

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
John Stuart Mill: On Liberty
Hochschule
Universität Salzburg  (Institut für Philosophie)
Veranstaltung
Geschichte der Philosophie: Neuzeit
Note
1,0
Autor
Jahr
2001
Seiten
23
Katalognummer
V70756
ISBN (eBook)
9783638618328
Dateigröße
472 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
John, Stuart, Mill, Liberty, Geschichte, Philosophie, Neuzeit
Arbeit zitieren
Thomas Schmidle (Autor:in), 2001, John Stuart Mill: On Liberty , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70756

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