Konzerntheorien in der internationalen Rechnungslegung


Hausarbeit, 2006

23 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung und Gang der Darstellung

2. Informationszweck und Konzerntheorien
2.1. Die Konzernabschlusszwecke
2.2. Die Konzerntheorien
2.2.1. Die Einheitstheorie
2.2.2. Die Interessentheorie

3. Einbezogene Unternehmen und Konzerntheorien in den IFRS/IAS
3.1. Der Konsolidierungskreis
3.2. Arten der Einbeziehung in den Konzernabschluss
3.3. Aktuelle Entwicklungstendenzen

4. Der Einbezug der Konzerntheorien in den US-GAAP

5. Fazit und Ausblick

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

1. Einführung und Gang der Darstellung

Seit dem 01.01.2005 hat das nationale Handelsrecht als zwingend anzuwendende Normengrundlage innerhalb der EU ausgedient: Aufgrund der EG-Verordnung 1606/2002[1] sind für kapitalmarktorientierte Unternehmen bei Aufstellung eines Konzernabschlusses grundsätzlich die International Financial Reporting Standards (IFRS)[2] bzw. International Accounting Standards (IAS) anzuwenden. Für den Konzernabschluss nichtkapitalmarktorientierter Unternehmen besteht ab demselben Zeitpunkt ein Wahlrecht zur Anwendung der IFRS.[3] In fast 100 Staaten weltweit sind die IFRS/IAS inzwischen von Bedeutung.[4]

Die Notwendigkeit einer internationalen Konzernrechnungslegung mit einheitlichen Vorschriften wächst in Zeiten globaler Transaktionen und Verflechtungen stetig. Ein weltweit standardisierter Abschluss bringt für die Unternehmen erhebliche Kostenvorteile, da eine zeitaufwendige Umrechnung der Ansatz- und Bewertungsvorschriften entfällt. Dass die Kosten eines Konzernabschlusses generell nicht unerheblich sind, zeigen bspw. die größenabhängigen und sonstigen Erleichterungen bei der Aufstellungspflicht nach HGB.[5] Die Kostenvorteile einer einheitlichen Rechnungslegung schaffen weitere Netzwerkeffekte, von denen auch die Nutzer, wie bspw. Wirtschaftsprüfer in Form von geringeren Ausbildungskosten oder die Anleger über niedrigere Informationskosten aufgrund der Vergleichbarkeit der Investitionsalternativen profitieren.[6]

Nach der Darstellung der Zwecke der Konzernrechnungslegung zu Beginn dieser Arbeit erfolgt eine Vorstellung der beiden Hauptvarianten der Konzerntheorien. Anhand welcher Konzerntheorie(n) die Regelungen nach IFRS/IAS bei der Konzernabschlusserstellung den Rechnungslegungszweck verfolgen, wird im Anschluss untersucht. Zum Schluss erfolgt eine kurze Betrachtung der United States Generally Accepted Principles (US-GAAP) unter der Prämisse der daraus abzuleitenden Konzerntheorie.

2. Informationszweck und Konzerntheorien

2.1. Die Konzernabschlusszwecke

Allgemein bilden die Zwecke des Konzernabschlusses ein unerlässliches Element des Bezugsrahmens, anhand dessen die geltenden Normen der Konzernrechnungslegung zu interpretieren sind.[7] Sowohl das HGB als auch die IFRS/IAS formulieren das Ziel der Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns.[8] Diese Generalnorm wird auch als Fair Presentation bezeichnet. Nach IAS 1.17 genießt dieses Prinzip in bestimmten Fällen, im Gegensatz zum deutschen Handelrecht, eine vorrangige Funktion gegenüber konkreten Standardregelungen oder Interpretationen. Dies ist dann gegeben, wenn die Unternehmensführung zu dem Schluss kommt, dass diese Anforderungen zu einem Konflikt mit dem im Rahmenkonzept geforderten Abschlusszweck führen.[9]

Die Zwecke der Konzernrechnungslegung werden von einzelnen Autoren im Schrifttum aus der o.g. Generalnorm unterteilt in die Dokumentations-, Rechenschafts- und Kompensationsfunktion. Dabei lassen sich die Zwecke nicht direkt aus den gesetzlichen Normen herauslesen, sondern müssen aus diesen herausgearbeitet werden.[10] Oftmals werden sie unter dem Begriff der Informationsfunktion subsumiert.[11] Als Hauptadressaten gelten primär[12] die aktuellen und potentiellen Investoren, die durch den Konzernabschluss entscheidungsrelevante Informationen erhalten sollen. Vor allem in den IFRS/IAS und den US-GAAP besitzt der Grundsatz der Decision usefulness eine herausragende Bedeutung. Dieser erweitert den Adressatenkreis auf diejenigen Personen, die Darlehensvergabe- oder ähnliche Entscheidungen zu treffen haben. Die Ausschüttungsbemessungs- und Besteuerungsgrundlage als zusätzliche Zwecke des Einzelabschlusses dagegen gelten für den Konzernabschluss nicht.[13]

2.2. Die Konzerntheorien

Wenn die Konzerntheorien nicht auf den Status „zweckfremder Leerformeln“[14] reduziert werden sollen, müssen sie mit dem Informationszweck verbunden werden. Die Konzerntheorien benennen unterschiedliche Adressaten der Konzernrechnungslegung. Ihren Ursprung haben die Grundsätze der beiden nachfolgend dargestellten Ansätze Anfang des Zwanzigsten Jahrhunderts in den USA, in denen sie sich innerhalb der Konsolidierungspraxis entwickelt haben. Nach einhelliger Meinung in der Literatur wurden die Konzerntheorien erstmals im Jahre 1935 namentlich erwähnt.[15]

2.2.1. Die Einheitstheorie

Der Konzern wird in der Einheitstheorie (Economic Unit Concept) – wie der Name schon andeutet – als einheitliches Unternehmen angesehen und steht damit im Mittelpunkt der Betrachtung. Der Konzernabschluss wird aus Sicht der Konzerneinheit aufgestellt. Die Mehrheitsgesellschafter im Konzern können allerdings – aufgrund ihres beherrschenden Einflusses – ihre Interessen gegenüber den Minderheitsteilhabern der Töchtergesellschaften besser durchsetzen.[16] Aus diesem Grund betrachtet die Einheitstheorie die Interessen der Minderheiten kaum und unterstellt eine einheitliche Interessenlage.[17] Eine „harmonischere“ Sichtweise haben andere Autoren im Schrifttum, die vereinfachend von gleichen Interessen aller Anteilseigner ausgehen.[18] Die Gleichartigkeit realisiert sich auch im einheitlichen Ausweis des Eigenkapitals, wobei häufig das Kapital der Gesellschafter der Mutter getrennt von dem der Minderheiten ausgewiesen wird, gleichwohl dies nicht verlangt wird.[19] Als Eigenkapitalgeber werden also neben den Mehrheits- auch die Minderheitsgesellschafter angesehen.

Die rechtlich eigenständigen Tochterunternehmen werden wie unselbständige Betriebsstätten behandelt.[20] Dabei werden konkret, nach der Übernahme der Einzelabschlüsse in den Konzernabschluss, die konzerninternen Lieferungsvorgänge und Kapitalbeziehungen konsolidiert und damit ausgeglichen. Damit wird verhindert, dass zwischen den konsolidierten Gesellschaften erfolgswirksame Vorgänge realisiert werden. Die Eliminierung der konzerninternen Beziehungen und die Übernahme des Jahresüberschusses der konsolidierten Unternehmen erfolgt in jedem Fall vollständig und damit unabhängig vom Beteiligungsanteil an den Tochterunternehmen.[21] Gleiches gilt für alle Vermögensgegenstände und Schulden der in den Konzernabschluss einzubeziehenden Unternehmen.[22] Die Erstbewertung dieser erfolgt zum Zeitpunkt, in dem die Beteiligung den Status eines Tochterunternehmens erlangt.[23] Aus dieser uniformen Behandlung wird geschlossen, dass auch ein Geschäfts- oder Firmenwert (GoF) der Tochtergesellschaften in einer Bilanzposition auszuweisen ist.[24]

2.2.2. Die Interessentheorie

Nach der Interessentheorie wird der Konzernabschluss aus Sicht der Anteilseigner des Mutterunternehmens aufgestellt.[25] Das unter dem herrschenden Einfluss des Mutterunternehmens stehende Vermögen steht im Blickpunkt der Betrachtung. Gleichwohl die Mehrheitsaktionäre einen größeren Einfluss besitzen, werden auch die Interessen der Minderheitsgesellschafter berücksichtigt. Dabei ergeben sich zwangsläufig divergierende Interessenlagen, auch weil den Minderheitsanteilseignern der Tochterunternehmen von der Interessentheorie ein reines Interesse an ihrem Unternehmen, nicht aber am Gesamtkonzern, unterstellt wird.[26] Dem Willen der Mehrheitsgesellschafter kommt folglich eine größere Bedeutung zu.[27] Die Minderheiten im Konzern werden nicht als Eigen- sondern als Fremdkapitalgeber betrachtet.[28]

Aufbauend auf diesen Ausführungen existieren zwei Ausprägungsformen:

Die Interessentheorie mit partieller Konsolidierung (Proprietary Concept) impliziert die Verrechnung aller Vermögensgegenstände, Schulden und ergebniswirksamen Vorgänge innerhalb des Konzernverbundes ausschließlich in Höhe der Beteiligungsquote der Muttergesellschaft an dem betreffenden Tochterunternehmen. Gleiches gilt für die Bewertung bei Erstkonsolidierung und die Aufdeckung der stillen Reserven und Lasten. Entsprechend wird das Eigenkapital der Minderheitsaktionäre der konsolidierten Tochterunternehmen als nicht zum Konzern zugehörig betrachtet und im Konzernabschluss nicht ausgewiesen. Diese Form der Verrechnung innerhalb des Konzerns wird als Quotenkonsolidierung bezeichnet.[29]

Die zweite Variante stellt die Interessentheorie mit Vollkonsolidierung dar. Der Konzernabschluss wird danach zwar weiterhin primär aus der Gesellschaftersicht des Mutterunternehmens aufgestellt, jedoch wird auch – analog zur Einheitstheorie – die wirtschaftliche Einheit der Konzernunternehmen als wichtiges Betrachtungsobjekt beachtet.[30] In Abgrenzung zur Interessentheorie mit partieller Konsolidierung werden alle Vermögenswerte und Schulden vollständig in den Konzernabschluss übernommen. In Bezug auf weitere Betrachtungskriterien ist in zwei zusätzliche Formen zu unterscheiden. Das Parent Company Concept sieht für die Aufdeckung stiller Reserven und Lasten bei der Erstkonsolidierung von Tochterunternehmen nur eine quotale Berücksichtigung vor, während nach dem Parent Company Extension Concept eine vollständige Übernahme in den Konzernabschluss vorzunehmen ist. Eine analoge Zuordnung in Bezug auf die Ertrags- und Aufwandskonsolidierung wird von einem Teil der Literatur befürwortet. Andere Teile des Schrifttums vertreten dagegen die Ansicht, dass die Eliminierung der eben genannten Vorgänge nach beiden Vollkonsolidierungstheorien vollständig zu erfolgen hat.[31]

[...]


[1] Vgl. Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlamentes und des Rates v. 19.07.2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards. Zur Implemen-tierung in das deutsche Recht vgl. § 315a Abs. 1 und 2 HGB.

[2] Die IFRS/IAS sind veröffentlicht auf der Homepage des IASB: http://www.iasb.org. Eine weitere, sehr informative Website: http://www.ifrs-portal.com.

[3] Vgl. §§ 315a Abs. 3 und 325 Abs. 2a HGB.

[4] Eigene Angabe IASB, vgl. http://www.iasb.org/About+Us/About+IASB/IFRS+Around+the+World.htm (eingesehen am 10.12.2006).

[5] Vgl. etwa §§ 292 und 293 HGB. Ähnlich Pellens et al . (2004), S. 11.

[6] Vgl. Ballwieser (2006), S. 4. Dieser äußert allerdings auch Zweifel hinsichtlich der sinkenden Infor-mationskosten.

[7] Vgl. Baetge et al. (2002), S. 27.

[8] Vgl. § 297 Abs. 2 Satz 2 HGB und IAS 1.13.

[9] Eine Bedingung für die Abweichung von den Standards bzw. Interpretationen ist allerdings, dass die nationalen Vorschriften im Sitzland dies zulassen.

[10] Vgl. Baetge et al. (2002), S. 27 - 45 mit ausführlicher Beschreibung. Diese beziehen sich dabei auf das HGB und nennen zusätzlich noch den Kapitalerhaltungszweck. Aufgrund des für die IFRS/IAS nicht gültigen Vorsichtsprinzips gilt dieser jedoch nur für das deutsche Handelsrecht.

[11] Vgl. Busse von Colbe et al. (2003), S. 18, die nur von einem Informationsinstrument sprechen.

[12] Vgl. Haaker (2006), S. 452. Busse von Colbe et al. dagegen stellen alle Share- und Stakeholder als Interessenten auf eine Stufe und heben keine Gruppe hervor.

[13] Vgl. Küting / Weber (2006), S. 80 - 82.

[14] Haaker (2006), S. 452.

[15] Vgl. bspw. Baetge et al. (2002), S. 8 und Küting / Weber (2006), S. 73. In beiden Werken wird auf Bores (1935), S. 129 - 141, verwiesen.

[16] Vgl. Bores (1935), S. 136.

[17] Vgl. Bores (1935), S. 130.

[18] Vgl. Ballwieser (2006), S. 165.

[19] Vgl. Ebeling (1995), S. 328.

[20] Vgl. Küting / Weber (2006), S. 75.

[21] Vgl. Küting / Weber (2006), S. 76.

[22] Vgl. Bores (1935), S. 139.

[23] Vgl. Ebeling (1995), S. 337.

[24] Vgl. Baetge et al. (2002), S. 14

[25] Vgl. Bores (1935), S. 130.

[26] Vgl . Wöhe (1997), S. 908 zum zweiten Teil des Satzes.

[27] Ähnlich Bores (1935), S. 138.

[28] Vgl . Wöhe (1997), S. 908.

[29] Vgl. Baetge et al. (2002), S. 11 f. und Ballwieser (2006), S. 168 für den gesamten Absatz.

[30] Vgl. Baetge et al. (2002), S. 12 und Küting / Weber (2006), S. 74 f., die allerdings nur auf die primäre Sichtweise eingehen.

[31] Vgl. Küting / Weber (2006), S. 75.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Konzerntheorien in der internationalen Rechnungslegung
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover  (Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung)
Veranstaltung
Seminar Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
23
Katalognummer
V71130
ISBN (eBook)
9783638631037
ISBN (Buch)
9783638674980
Dateigröße
454 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Konzerntheorien, Rechnungslegung, Seminar, Rechnungslegung, Wirtschaftsprüfung
Arbeit zitieren
Stefan Löning (Autor:in), 2006, Konzerntheorien in der internationalen Rechnungslegung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/71130

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