Erlebnisformen bei trauernden Kindern und wie sie in diesem Prozess hilfreich unterstützt werden können


Hausarbeit, 2007

21 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Todesvorstellung in den einzelnen Altersstufen und wie auf sie eingegangen werden kann
2.1 Säuglinge bis zum 10. Monat
2.2 Babys zwischen 10 Monaten und 2 Jahren
2.3 Vorschulkinder (3 bis 6 Jahre)
2.4 Grundschulkinder (6 bis 9 Jahre)
2.5 Schulkinder (9 bis 12 Jahre)

3. Wie erleben Kinder Trauer?
3.1 Trauer – was ist das eigentlich?
3.2 Wann trauern Kinder?
3.3 Trauern Kinder und Erwachsene gleich?
3.4 Der Verlauf der Trauer (Phasen)
3.4.1 Phase 1: Der Schock
3.4.1 Phase 2: Kontrolle
3.4.3 Phase 3: Regression
3.4.4 Phase 4: Adaption
3.5 Folgen von nicht bewältigter Trauer

4. Trauerbegleitung und Trauerarbeit bei Kindern
4.1 Voraussetzungen bei der Trauerbegleitung von Kindern
4.2 Kinderbücher als unterstützendes Hilfsmittel bei der Trauerarbeit von Kindern
4.2.1 Ein kurzer Überblick
4.3 Kindertrauergruppe - Hospizbewegung Kaarst

5. Schlussbemerkung

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Es ist Samstagnachmittag und ein kleiner siebenjähriger Junge sitzt in seinem Zimmer auf dem Fußboden und spielt mit seinen Spielzeugautos. Plötzlich klingelt es an der Tür. Kurz darauf ertönen zwei für den Jungen völlig unbekannte Stimmen aus dem Wohnungsflur. Neugierig geworden, wer das sein könnte, läuft er in Richtung Kinderzimmertür und öffnet sie einen Spalt, sodass er die für ihn unbekannt klingenden Personen, die soeben die Wohnung betreten haben, erkennen kann. Ein älterer Mann und ein Polizist stehen, inmitten des Wohnungsflurs, seiner Mutter gegenüber. Der ältere Mann hält mit seinen beiden Händen eine Hand seiner Mutter fest und spricht mit ruhiger Stimme zu ihr. Nur wenige Augenblicke später öffnet der kleine Junge seine Zimmertür, tritt in den Flur und fragt seine Mutter mit unsicherer Stimme: „Mama wer ist das?“ Seine Mutter begegnet ihm darauf mit der Bitte wieder in sein Zimmer zu gehen.

Völlig verunsichert sitzt der kleine Junge auf seinem Bett und spielt weiter mit seinen Spielzeugautos, als die Zimmertür geöffnet wird. Seine Mutter tritt herein und geht mit ausgestreckten Armen und Tränen in den Augen auf ihn zu. Bevor er in irgendeiner Art und Weise darauf reagieren kann, hat seine Mutter ihn auch schon fest in den Arm genommen und bricht gänzlich in Tränen aus. Geschockt von der Situation, bringt der kleine Junge kein Wort heraus.

Einige Minuten später tritt nun auch der ältere Mann in das Kinderzimmer und bittet den Jungen mit ihm in das Wohnzimmer zu gehen. Auf der Wohnzimmercouch sitzend legt der, für den Jungen bis dato unbekannte Mann seine Hand auf seine Schulter und beginnt mit den Worten: „Du musst jetzt stark sein ()“ und endet mit den Worten: „() du bist jetzt der Mann im Haus und musst deiner Mutter beistehen“. Der Mann hat ihm gerade versucht verständlich zu machen, dass sein Vater vor einigen Stunden tödlich verunglückt ist.

Stunden vergehen und immer mehr Freunde und Verwandte der Familie füllen die Wohnung. Der kleine Junge sitzt währenddessen mit einigen seiner Spielzeugautos auf der Fensterbank im Wohnzimmer und blickt hinaus auf die Straße. Plötzlich springt er auf und läuft aufgeregt in Richtung Hausflur, wo er auf halben Wege seine erwachsene Schwester mit dem Satz empfängt: „Papa ist tot, Papa ist tot!“

Durch dieses selbsterlebte Ereignis, sowie in der praktischen Arbeit mit den Kindern bin ich immer wieder mit der Problematik der Trauerbewältigung von Kindern konfrontiert worden. Mir ist dabei aufgefallen, dass das Thema Trauer in unserer Gesellschaft kaum zugelassen wird und der Alltag schnell wieder funktionieren muss. Aber was heißt das für ein Kind, wenn jemand stirbt, dem es sehr nahe ist, wie geht es damit um, wie muss mit Kindern darüber geredet werden und was bedeutet der Umgang mit Trauer auch für seine Entwicklung. Diese Fragen haben mein Interesse geweckt, dieses Thema zu erarbeiten, das Erleben der Trauer zu erkunden und der Frage nachzugehen, wie Kinder bei diesem Prozess hilfreich unterstützt werden können.

Im ersten Teil (Kapitel 2) der vorliegenden Arbeit stelle ich die Todesvorstellungen von Kindern in den einzelnen Altersstufen vor und nenne Beispiele, wie auf sie eingegangen werden kann.

Im zweiten Teil (Kapitel 3) gehe ich auf den Begriff Trauer ein, nenne verschiedene Anlässe warum Kinder trauern und beschreibe den Trauerprozess an Hand des Vier- Phasen-Modells von Yorick Spiegel.

Im letzten Teil (Kapitel 4) der Arbeit werde ich darauf eingehen, wie Erwachsene Kinder bei ihrer Trauer hilfreich unterstützen können, welche Bedeutung Kinderbücher bei der Trauerverarbeitung von Kindern haben und stelle die Kindertrauergruppe der Hospizbewegung Kaarst vor.

2. Todesvorstellung in den einzelnen Altersstufen und wie auf sie eingegangen werden kann

In diesem Kapitel möchte ich die Todesvorstellungen von Kindern in den einzelnen Entwicklungsstufen darlegen und Beispiele der Unterstützung nennen. Die Todesvorstellungen von Kindern unterliegen einem fortlaufenden Reifeprozess. Dabei ist jedoch zu beachten, dass sich Kinder gleichen Alters nicht immer auf dem gleichen Entwicklungsstand befinden.[1] Dies hängt zum einen davon ab, welche Erfahrungen und Erlebnisse die Kinder in ihrem bisherigen Leben gemacht haben, zum anderen haben aber auch gemeinsame Gespräche mit Erwachsenen Einfluss darauf.[2]

Wer Kinder in ihrer Trauer begleiten will, sollte jedoch wissen, was Tod und Leben in den einzelnen Altersstufen für die Kinder bedeuten kann, um hilfreiche Unterstützung anbieten zu können.[3]

2.1 Säuglinge bis zum 10. Monat

Generell wird angenommen, dass der Tod der Mutter für einen Säugling als Abwesenheit wahrgenommen wird und es den Tod des Vaters, eines Geschwisters oder eines anderen Familienmitgliedes nicht so traumatisch erlebt.[4] Die häufigste Reaktion in diesem Zusammenhang ist Weinen, Schreien und eine innere Unruhe.

Wie können Säuglinge unterstützt werden?

- Die Säuglinge benötigen eine Bezugsperson, die sich intensiv um sie kümmern und den Tagesrhythmus, die häusliche Umgebung so stabil wie möglich halten.
- Die Säuglinge sollten von unbekannten Geräuschen und Menschenmengen fern gehalten werden.
- Dem Säugling sollte viel Zeit und Geborgenheit entgegengebracht werden sowie auf seine Bedürfnisse eingegangen werden.[5]

2.2 Babys zwischen 10 Monaten und 2 Jahren

In diesem Alter sind Kinder in der Lage, mit unterschiedlichen Menschen Kontakt aufzunehmen. Gefühle wie Angst, Zorn, Eifersucht und Liebe können sie spüren und auch schon äußern. Den Begriff Tod können sie allerdings noch nicht verstehen.[6] In dieser Entwicklungsstufe haben sie große Verlassensängste, sind stark auf Bezugspersonen fixiert und haben noch keine Vorstellung von Zeit. Trennungen, auch nur von kurzer Zeitdauer, können bei ihnen einen großen Schmerz hervorrufen. Bei längerer Trennungsdauer kann auf eine Protestphase eine Zeit der stillen Verzweiflung und Traurigkeit folgen. Wenn das Kind die Hoffnung auf eine Rückkehr der Bezugsperson vollends aufgegeben hat, kann es sogar in seinem Verhalten gleichgültig werden.[7]

Wie können sie unterstützt werden?

- Tägliche Rituale, wie das Erzählen von Geschichten, Singen, Zärtlichkeiten und gemeinsames Spielen sind hierbei sehr wichtig, um ein Stück Normalität aufrecht zu erhalten.
- Zu viele fremde Gesichter, Stimmen und Geräusche sollten vermieden werden.
- Eingehen auf ihre Bedürfnisse, wie Zuwendung und Geborgenheit[8]
- Damit die Kinder verstehen, dass ein Verlust eingetreten ist sollen Sätze wie „Papa ist fort“, „Mama ist nicht mehr da“ wiederholt werden[9]

2.3 Vorschulkinder (3 bis 6 Jahre)

Das Wort Tod kennen Vorschulkinder bereits, doch hat es für sie noch keine endgültige Bedeutung. Es bedeutet so viel wie „fort sein“, „fort gehen“ oder eine Form von Schlaf. Dementsprechend gehen sie auch von einer Rückkehr des Verstorbenen aus.[10] Im Spiel ist der Tod für die Kinder auch nur ein vorübergehender Zustand. Es werden Freunde im Spiel erschossen oder überfahren. Diese Freunde stehen schließlich wieder auf und das Spiel geht von vorne los. Doch Kinder wissen, dass sie ihren Freund nicht wirklich töten, denn manchmal sagen sie: „Ich erschieße dich jetzt, aber nicht im Ernst.“

In diesem Alter haben Kinder noch keine Vorstellung von der Zeit und können daher einfach nicht glauben, dass der Tod ewig dauert. Sie meinen, wer heute gestorben und bedauert wird, der kann ja irgendwann später wiederkommen. So fragen sie z. B. nach einer Beerdigung, wann der Verstorbene wieder zurückkommt. Auch sollten Erwachsene wissen, das ausgesprochene Todeswünsche an sie, nicht für das Kind bedeuten, dass sie wirklich sterben sollen, sondern eher, dass es sich wünscht, dass sie vielleicht einmal verschwinden und es nicht behelligen sollen.[11]

Der Tod wird von den Kindern eher als ein Ereignis verstanden, was anderen zustößt, aber nicht ihnen selbst. Mit großer Neugier wollen sie daher den Tod erforschen, genauso wie sie das mit allen anderen Sachen auch tun, um sie zu verstehen. Doch gleichzeitig fehlt es ihnen daran, ihre Vorstellungen in Worte zu fassen. So reagieren manche Kinder damit, dass sie dieselben Fragen immer wieder stellen. Andere dagegen finden, obwohl sie schon viel verstanden haben, keine Worte dafür.[12] Tod sein stellen sie sich wie ein Leben auf Sparflamme, wie ein reduziertes Leben vor.[13]

Wie können sie unterstützt werden?

- Beschönigende Umschreibungen wie: „Die Oma ist eingeschlafen“ oder „Der Opa ist jetzt an einem besseren Ort“ sollten vermieden werden. Es kann dazu führen, dass Kinder Angst vor dem Einschlafen bekommen oder sie den Wunsch haben auch an diesem Ort sein zu wollen.
- Den Kindern erklären, dass der Tod eingetreten ist, wenn der Körper leblos ist.
- Die Kinder bei längeren unheilbaren Krankheiten auf den Tod vorbereiten.
- Fragen von Kindern ehrlich und dem Alter sowie dem Horizont entsprechend beantworten, so dass später nichts zurückgenommen werden muss.
- Die Kinder bei der Trauer nicht fortschicken, sie fühlen sich sonst verlassen und verwirrt, weil sie ausgeschlossen worden sind.[14]

2.4 Grundschulkinder (6 bis 9 Jahre)

Die meisten Kinder in diesem Alter beginnen die Bedeutung des Todes zu verstehen. Sie wollen nun mehr darüber wissen und stellen den Erwachsenen häufig unbequeme Fragen.[15] Unter anderem wollen sie wissen, was aus dem Toten wird und haben auch genaue Vorstellungen darüber, die aber kaum mit Emotionen verbunden sind.

Dass es neben dem Tod im Alter auch noch andere Todesursachen gibt, wie beispielsweise Unfall und Krankheit, wissen die Kinder inzwischen auch. Ebenso realisieren sie langsam, dass der Tod alle treffen kann, egal ob es ihnen nahe stehende Menschen sind oder auch sie selbst.[16] Durch das Wissen selbst sterben zu können, verschieben sich die Gefühle. Der Tod kann jetzt Ängste und Besorgnis auslösen. Ängste beziehen sich hierbei vor allem auf den Tod der Eltern und sind somit Ängste des Verlassenwerdens.[17] Die Angst selbst sterben zu könnten zeigt sich in Ängsten von Gewalteinwirkungen, wie z. B. die Angst erschossen zu werden.[18] Ein Beispiel sind die beliebten Cowboy- und Gangsterspiele, bei denen Feinde erschossen werden. Die Spiele sind in dieser Altersgruppe z.B. ein Ausdruck für das Bedürfnis nach Macht und Stärke, doch kann hier auch die eigene Angst vor dem Getötetwerden verarbeitet werden.[19][20]

[...]


[1] Vgl. Fleck-Bohaumilitzky 2003, S. 9.

[2] Vgl. Finger 1998, S. 38.

[3] Vgl. Fleck-Bohaumilitzky 2003, S. 9.

[4] Vgl. Diakonisches Werk der EKD, S. 9.

[5] Vgl. Fleck-Bohaumilitzky 2003, S. 10.

[6] Vgl. Fleck-Bohaumilitzky 2003, S. 10.

[7] Vgl. Diakonisches Werk der EKD, S. 10.

[8] Vgl. Fleck-Bohaumilitzky 2003, S. 11.

[9] Vgl. Diakonisches Werk der EKD, S. 9.

[10] Vgl. Diakonisches Werk der EKD, S. 11.

[11] Vgl. Finger 1998, S. 41f.

[12] Vgl. Völker-Meier 2001, S. 10f.

[13] Vgl. Diakonisches Werk der EKD, S. 11.

[14] Vgl. Fleck-Bohaumilitzky 2003, S. 13.

[15] Vgl. Finger 1998, S. 44.

[16] Vgl. Fleck-Bohaumilitzky 2003, S. 14

[17] Vgl. Finger 1998, S. 44.

[18] Vgl. Fleck-Bohaumilitzky 2003, S. 15.

[19] Vgl. Finger 1998, S. 46.

[20] „Das Kind versucht damit fertig zu werden, indem es sich aggressiv verhält und
selbst tötet“ (Finger 1998, S. 46).

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Erlebnisformen bei trauernden Kindern und wie sie in diesem Prozess hilfreich unterstützt werden können
Hochschule
Hochschule Hannover
Note
1
Autor
Jahr
2007
Seiten
21
Katalognummer
V72658
ISBN (eBook)
9783638634212
Dateigröße
461 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erlebnisformen, Kindern, Prozess
Arbeit zitieren
Daniel Plesivac (Autor:in), 2007, Erlebnisformen bei trauernden Kindern und wie sie in diesem Prozess hilfreich unterstützt werden können, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72658

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