Die biotechnische Forschung hat sich in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts rasant entwickelt. Gentechnische Forschungen führen zu völlig neuen technischen Anwendungen, die stärker in die Natur eingreifen können, als man es je zuvor konnte. An technischen Möglichkeiten scheinen dem Menschen kaum Grenzen gesetzt zu sein. Doch gibt es vielleicht ethische Grenzen?
Mit dieser Frage beschäftigt sich Jürgen Habermas in seinem Buch „Die Zukunft der menschlichen Natur“. Er geht speziell auf die Frage ein, ob man durch Präimplantationsdiagnostik und genetischer Manipulation in das Erbgut des Menschen eingreifen und ihn beliebig designen darf. Diese Arbeit soll sich ebenfalls dieser Frage widmen.
Nach einem Überblick über die Kerngedanken von Habermas soll eine umfassende Grundlagendiskussion klären, wie sich dem Problem der liberalen Eugenik genähert werden kann. Es muss die Frage nach einer weltanschaulich neutralen Bewertungsmöglichkeit für diese Thematik aufgeworfen und beantwortet werden. Die Diskursethik von Habermas bietet hierfür gute Ansätze. Sie soll durch eine skizzierte Interessenethik erweitert und ergänzt werden. Diese bildet dann auch eine gute Möglichkeit, die angeführte Problematik wieder aufzugreifen und neu zu bewerten.
I. Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Habermas über die Frage der liberalen Eugenik
3. Mit welchen Methoden lässt sich Ethik begründen?
3.1 Kritik des metaphysischen Ethikverständnis
3.2 Darstellung und Kritik der Diskursethik
3.3 Interessenethik
4. Zur Diskussion um die liberale Eugenik bei Habermas
4.1 Zur negativen Eugenik
4.2 Zur positiven Eugenik
4.3 Positive Eugenik und Gerechtigkeit
II. Quellenverzeichnis
1. Einleitung
Die biotechnische Forschung hat sich in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts rasant entwickelt. Gentechnische Forschungen führen zu völlig neuen technischen Anwendungen, die stärker in die Natur eingreifen können, als man es je zuvor konnte. An technischen Möglichkeiten scheinen dem Menschen kaum Grenzen gesetzt zu sein. Doch gibt es vielleicht ethische Grenzen? Darf der Mensch alles, was er kann, oder würde die unreflektierte Anwendung der Biotechnologie Konsequenzen haben, die einem Großteil der Menschen schaden würden?
Mit diesen Fragen beschäftigt sich Jürgen Habermas in seinem Buch „Die Zukunft der menschlichen Natur“. Er geht speziell auf die Frage ein, ob man durch Präimplantationsdiagnostik und genetischer Manipulation in das Erbgut des Menschen eingreifen und ihn beliebig designen darf. Diese Arbeit soll sich ebenfalls dieser Frage widmen. Dabei soll der Argumentation Habermas eine kritische Überprüfung unterzogen werden. Es soll herausgestellt werden, unter welchen Prämissen die Schlussfolgerungen von Habermas gültig sind und wie sie motiviert werden können. Außerdem sollen Schwachpunkte mit neuen Argumenten gestützt werden.
Zunächst soll ein Überblick die Kerngedanken von Habermas gemacht werden. Anschließend soll eine umfassende Grundlagendiskussion klären, wie sich dem Problem der liberalen Eugenik genähert werden kann. Im nachmetaphysischen Zeitalter des 21. Jahrhunderts werden leider immer noch zu viele ethische Diskussionen mit Prinzipien geführt, die sich in keiner Weise begründen lassen und stark subjektiv eingefärbt sind. Daher muss die Frage nach einer weltanschaulich neutralen Bewertungsmöglichkeit für diese Thematik aufgeworfen und beantwortet werden. Die Diskursethik von Habermas bietet hierfür gute Ansätze. Sie soll durch eine skizzierte Interessenethik erweitert und ergänzt werden. Diese bildet dann auch eine gute Möglichkeit, die angeführte Problematik wieder aufzugreifen und neu zu bewerten.
2. Habermas über die Frage der liberalen Eugenik
Es soll zunächst ein Blick auf den Standpunkt von Jürgen Habermas zur liberalen Eugenik geworfen werden. Er geht auf einige Standpunkte zu dieser Thematik ein, so dass es überflüssig wäre, die Diskussion von vorne zu beginnen und stattdessen in diesem Essay Stellung zu Habermas bezogen werden soll.
Habermas stellt zunächst die technologische Sachlage der Gegenwart dar. Durch die In-Vitro-Fertilisation sind menschliche Stammzellen verfügbar. Techniken der Reproduktionsmedizin und Genetik haben zur Präimplantationsdiagnostik geführt und genverändernde Eingriffe möglich gemacht. Dies lässt einerseits negative Eugenik zu, in der schwere Erbkrankheiten wie Sichelzellenanämie, aber auch erst im Zeugungsprozess entstehende genetische Defekte wie Trisonomie 21 behandelt werden können. Dem gegenüber ist es das Ziel der positiven Eugenik, Merkmale einer künftigen Person gezielt zu verändern und dadurch seine Nachkommen beliebig designen zu können.
Diese Sachlage muss ethisch bewertet werden, bevor sie uns überrollt und wir den technischen Fortschritt nur noch beobachten, aber nicht mehr kontrollieren können. Diese Bewertung kann nicht nach metaphysischen und weltanschaulich aufgeladenen Kriterien geschehen. Der wissenschaftliche Fortschritt darf somit nur beeinträchtigt werden, wenn gewichtige und weltanschaulich neutrale Gründe dagegensprechen. Daher nimmt Habermas gegenüber intuitiver Opposition gegen verbrauchende Embryonenforschung und reproduzierendem Klonen von Menschen eine andere Perspektive ein: „Ein ganz anderes Bild ergibt sich freilich, wenn man die ‚Moralisierung der menschlichen Natur’ im Sinne der Selbstbehauptung eines gattungsethischen Selbstverständnisses begreift, von dem es abhängt, ob wir uns auch weiterhin als ungeteilte Autoren unserer Lebensgeschichte verstehen werden und uns gegenseitig als autonom handelnde Personen anerkennen können“ (Habermas 2005, S.49).
Dies bildet die Hauptfrage des Buches von Habermas. Es geht um die Frage, „ob sich der Schutz der Identität unmanipulierter Erbanlagen mit der Unverfügbarkeit der biologischen Grundlage personaler Identität begründen lässt“ (Habermas 2005, S.51). Diese Frage soll somit auch in diesem Essay beantwortet werden.
Die Frage könnte sich allerdings als irrelevant herausstellen, wenn es einen absoluten Lebensschutz der befruchteten Eizelle gibt und Genmanipulation von vorne herein ausgeschlossen wird. Dieses Argument stammt von der konservativen Seite aus der Abtreibungsdebatte. Abtreibung und PID unterscheiden sich jedoch, da bei PID und anschließender Selektion oder gentechnischen Veränderungen des Embryos eine „Instrumentalisierung eines unter Vorbehalt erzeugten menschlichen Lebens für die Präferenzen und Wertvorstellungen Dritter“ vollzogen wird (Habermas 2005, S.58).
Habermas unterstellt sowohl den konservativen als auch den liberalen Vertretern der Abtreibungsdebatte, zu keinem weltanschaulich neutralen Ergebnis gekommen zu sein. Die konservative Seite setzt willkürliche Grenzen, die weder begründet noch neutral motiviert werden können. Die liberale Seite verkennt, dass menschliches Leben auch schützenswert sein kann, wenn es noch nicht den Status einer Rechtsperson hat. „’Unverfügbar’ ist nicht nur das, was Menschenwürde hat“ (Habermas 2005, S.59). Menschenwürde wird laut Habermas erst dann verliehen, wenn ein Mensch in interpersonale Beziehungen eintritt und dadurch zur Person wird. Dies ist erst durch die Geburt möglich. Das vorgeburtliche Leben kann allerdings auch aus anderen Gründen heraus Schutz gewährleistet werden.
Habermas hebt die Diskussion auf eine neue Ebene und problematisiert gattungsethische Fragestellungen. Grundlage der nachmetaphysischen Ethik ist eine intuitive Auffassung, dass moralisches Handeln vernünftig ist und sich für jeden Menschen als vorteilhaft erweisen kann. Daher muss beachtet werden, „dass die abstrakte Vernunftmoral der Menschenrechtssubjekte selber wiederum in einem vorgängigen, von allen moralischen Personen geteilten ethischen Selbstverständnis der Gattung ihren Halt findet“ (Habermas 2005, S.74). Sein Haupteinwand gegen die positive Eugenik hängt daher mit der Frage zusammen, „ob die Technisierung der Menschennatur das gattungsethische Selbstverständnis in der Weise verändert, dass wir uns nicht länger als ethisch freie und moralisch gleiche, an Normen und Gründen orientierte Lebewesen verstehen können“ (ebd.).
Habermas vermutet, dass sich eine genetisch manipulierte Person nicht mehr als autonomes Lebewesen sehen könnte, da sie nicht der alleinige Autor ihrer Lebensgeschichte ist. Zwar ist ein Mensch auch durch Sozialisationsprozesse fremdbestimmt, kann diese Fremdbestimmung jedoch retrospektiv ausgleichen und Erwartungen und Anforderungen der Umwelt an seine Person abstreifen. Dies ist allerdings nicht möglich, wenn er bereits genetisch festgelegt ist. Dadurch kommt es zu einer Asymmetrie zwischen Programmierer und Programmiertem. Es kann die Freiheit und Gleichheit der Personen im liberalen demokratischen Staat gefährden, wenn sich eine genetisch veränderte Person nicht mehr als alleiniger Autor ihrer Lebensgeschichte und nicht mehr als gleichwertig mit der vorigen Generation sehen kann. Daher können „Praktiken der verbesserten Eugenik [...] im Rahmen einer demokratisch verfassten pluralistischen Gesellschaft, die jedem Bürger das gleiche Recht auf eine autonome Lebensführung zugesteht, nicht auf legitime Weise ‚normalisiert’ werden“ (Habermas 2005, S.114).
Damit verbunden ist auch die Frage nach der Verantwortung des Designers. Wenn nicht mehr die kontingente Natur, sondern ein planender Designer die Merkmale einer Person formt, kann der Designer auch dafür zur Rechenschaft gezogen werden. „Die Ausdehnung der Verfügungsmacht über die genetischen Anlagen einer künftigen Person bedeutet, dass jede Person, ob sie nun programmiert worden ist oder nicht, fortan die Zusammensetzung ihres Genoms als Folge einer vorwerfbaren Handlung oder Unterlassung betrachten kann. [...] Diese Situation wirft die Frager auf, ob wir überhaupt die Verantwortung für die Verteilung von natürlichen Ressourcen und damit für den Spielraum übernehmen können, innerhalb dessen eine andere Person einmal ihre eigene Lebenskonzeption entwickeln und verfolgen wird“ (Habermas 2005, S. 138).
Die skeptische Haltung von Habermas zu positiver Eugenik schließt negative Eugenik keineswegs aus. „Solange der medizinische Eingriff vom klinischen Ziel der Heilung einer Krankheit oder der Vorsorge für ein gesundes Leben dirigiert wird, kann der Behandelnde das Einverständnis des – präventiv behandelten – Patienten unterstellen“ (Habermas 2005, S.91). Dies muss allerdings auf einen Katalog weniger Erbkrankheiten beschränkt bleiben, die jeweils von der gesamten Gesellschaft als höchst schädlich betrachtet werden und wo daher ein kontrafaktischer Konsens mit der neu entstehenden Person vorausgesetzt werden kann. In dieser Situation agiert der Programmierer als Arzt und nicht als Designer. Ein solcher Katalog von Erbkrankheiten kann aber nie ganz unumstritten sein. Einmal müssen sich Eltern rechtfertigen, die auf eine Behandlung aus irgendwelchen Gründen verzichten. Andererseits können wir nie genau wissen, was für ein zukünftiges Leben gut ist. Die schon erwähnte Erbkrankheit Sichelzellenanämie beispielsweise wird allgemein als nachteilig empfunden und beeinträchtigt die Gesundheit eines Menschen erheblich. Dennoch macht sie immun gegen Malaria und kann sich daher auch als vorteilhaft erweisen.
Nachdem die Position von Habermas deutlich gemacht wurde, muss nun eine metaethische Zwischenüberlegung eingeschoben werden. Es geht um die Frage, wie und anhand welcher Kriterien die habermassche Position überhaupt bewertet werden kann. Zunächst soll gezeigt werden, warum metaphysische Ethiken nicht mehr tragfähig sind. Anschließend soll auf Habermas Diskursethik und interessenethische Überlegungen eingegangen werden.
3. Mit welchen Methoden lässt sich Ethik begründen?
3.1 Kritik des metaphysischen Ethikverständnis
Ein klassisches ethisches Werk ist Kants „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“. Darin betont Kant besonders den Vernunftcharakter der Ethik: „[A]lle Moralphilosophie beruht gänzlich auf ihrem reinen Teil, und auf den Menschen angewandt, entlehnt sie nicht das mindeste von der Kenntnis desselben (Anthropologie), sondern gibt ihm, als vernünftiges Wesen, Gesetze a priori“ (Kant, S.389). Ethische Gesetze sind laut Kant an sich vorhanden, sie können ohne Erfahrungen erkannt werden und besitzen absolute Gültigkeit. Die oberste Maxime, nach der ethische Handlungsanweisungen beschlossen werden, ist der kategorische Imperativ: „Der kategorische Imperativ ist also nur ein einziger und zwar dieser: handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde“ (Kant, S.421). Dies wirft sofort die Rückfrage auf, was man als allgemeines Gesetz überhaupt wollen kann. Die Antwort ist scheinbar einfach: Man kann kein allgemeines Gesetz wollen, dass das Schlechte befürwortet, da dies auf einen selbst zurückfallen würde. Ein allgemeines Gesetz gebietet somit nur das Gute. Doch was bedeutet „gut“?
Kant selbst definiert diesen Begriff folgendermaßen: „Praktisch gut ist aber, was vermittelst der Vorstellungen der Vernunft, mithin nicht aus subjektiven Ursachen, sondern objektiv, d. i. aus Gründen, die für jedes vernünftige Wesen als ein solches gültig sind, den Willen bestimmt“ (Kant, S.414). Eine Handlung ist also nur dann gut, wenn sie nicht nur den subjektiven Neigungen des Einzelnen, sondern dem objektiven Willen aller vernünftigen Wesen entsprechen. Mit dieser Definition kann Kant beispielsweise das Tötungsverbot und das Lügenverbot nachweisen, da diese zwar den subjektiven Neigungen des Einzelnen entsprechen können, nicht aber dem objektiven Willen eines vernünftigen Wesens[1].
Diese Definition Kants ist jedoch nur eine von vielen. Der Utilitarismus hat beispielsweise einen stark abweichenden Begriff des Guten. Der klassische Vertreter des Utilitarismus, John Stuard Mill, definiert das Gute mithilfe des Nützlichkeitsprinzips: „Die Auffassung, für die die Nützlichkeit oder das Prinzip des größten Glücks die Grundlage der Moral ist, besagt, daß Handlungen insoweit und in dem Maße moralisch richtig sind, als sie die Tendenz haben, Glück zu befördern, und insoweit moralisch falsch, als sie die Tendenz haben, das Gegenteil von Glück zu bewirken“ (Mill, S.13).
Es ist leicht zu sehen, dass sich diese beiden Definitionen in der praktischen Anwendung oft unterscheiden und widersprechen werden. Als radikaler Gegenentwurf dieser Moralvorstellungen soll noch eine dritte Definition von „gut“ vorgestellt werden, welche von Friedrich Nietzsche stammt: „Was ist gut? – Alles, was das Gefühl der Macht, den Willen zur Macht, die Macht selbst im Menschen erhöht. Was ist schlecht? – Alles, was aus der Schwäche stammt“ (Nietzsche, Abs. 2).
Nietzsches Entwurf von gut und böse widerspricht den vorher genannten völlig, seine Schlussfolgerung, „Die Schwachen und Missrathnen sollen zugrunde gehn“ (ebd.) kann mit Kant oder Mill nicht vereinbart werden. Intuitiv wird man Nietzsches Begriff von „gut“ sofort ablehnen, da sie dem Alltagsverständnis von „gut“ und „böse“ widerspricht. Doch wieso ist Nietzsches Definition weniger plausibel als die von Kant oder Mill?
Die Frage, was „gut“ eigentlich bedeutet, wurde auch von G.E. Moore gestellt. Er hält sie für „die fundamentalste Frage der ganzen Ethik“ (Moore, S.34). Jede Ethik hat diese Frage als Basis, und je mehr sich die Antworten unterscheiden, desto mehr unterscheiden sich die Ethiken. Moores Antwort auf diese Frage ist jedoch radikal verschieden von den Antworten der meisten Ethiker. Er meint, „daß ‚gut’ ein einfacher Begriff ist, so wie ‚gelb’ ein einfacher Begriff ist; daß man, so wie man unmöglich jemanden, der es nicht schon kennt, erklären kann, was gelb ist, diesem auch nicht erklären kann, was gut ist“ (Moore, S.36). Der Begriff „gut“ bezeichnet also einen nicht weiter zerlegbaren Grundbegriff, der als solcher undefinierbar ist. Dies würde bedeuten, dass sowohl die Definition Kants als auch die vom Mill und Nietzsche fehlerhaft sind. Doch wieso denkt Moore, dass „gut“ ein undefinierbarer Begriff ist?
Den Versuch, mithilfe anderer Eigenschaften der Dinge „gut“ zu definieren, bezeichnet G.E. Moore als ‚naturalistischen Fehlschluss’. Kant definiert „gut“ wie bereits behandelt mithilfe objektiver Vernunft. Wie kann er nun beweisen, dass Nietzsche falsch liegt? Laut seiner Definition von „gut“ ist Nietzsches Definition falsch, laut Nietzsches Definition von „gut“ ist Kants Definition falsch. Es ist somit klar, dass höchstens eine dieser beiden Definitionen wahr sein kann, aber es ist nicht möglich, sich für eine Definition zu entscheiden. „Falls gut als etwas anderes definiert wird, ist es unmöglich zu beweisen, daß eine andere Definition falsch ist, oder eine solche auch nur abzuweisen“ (Moore, S.42).
Es ist daher nicht möglich, den Begriff „gut“ zu definieren. Eine andere Alternative wäre die Behauptung, dass es ein sprachliches Problem ist. Dann wäre beispielsweise Kants Ansicht gut, weil man das Wort „gut“ nun mal für seine Ansicht verwendet. Doch dann versagt jegliche Motivation, nach diesem Kriterium auch zu handeln. Denn wieso sollte man nach diesem Kriterium handeln, nur weil einige Personen das Wort „gut“ dafür verwenden? Die Motivation „Handle so, weil ich das Wort ‚gut’ dafür verwende“ ist sinnlos. Gesucht werden gute Handlungen, nicht solche, für die das Wort „gut“ verwendet wird (vgl. ebd).
[...]
[1] Kants Argumentation kann von einem Skeptiker durchaus bestritten werden. Warum sollte ein vernünftiges Wesen überhaupt gegen ein Tötungsverbot sein? Es ist vom objektiven Standpunkt aus nahe liegend, dass eine Gesellschaft mit einem Tötungsverbot besser funktioniert als eine Gesellschaft ohne Tötungsverbot. Doch ist der Schluss, dass man deshalb ein Tötungsverbot benötigt, überhaupt gültig? Ist ein Wesen, das eine Welt voller Mord und Lügen will zwangsläufig unvernünftig?
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