Handelt es sich hierbei um ein Gedicht? Auf der Folie eines traditionalistisch gestimmten, exakten poetologischen Verständnisses von Lyrik muss die Antwort lauten: Wohl kaum!
Darf man darüber hinaus aus dem ``Text´´, sofern er einen darstellt, überhaupt ein ästhetisches Prinzip ableiten? Jenes Prinzip also, das unter dem Blickwinkel von Schönheit der Literatur besonders der Lyrik eigen ist. Das durch die Strophe, den Vers, den Reim, durch die Metapher und das Symbol, ganz einfach durch die stilbildende Vorstellung, was lyrische Kunst ausmacht, im Gedicht ideale Gestalt annimmt? Es erscheint fraglich!
Zusätzlich versagen die Methoden, mit denen man in der Literaturwissenschaft gemeinhin Gedichte zerpflückt (Berthold Brecht), interpretiert, einer genauesten Analyse unterzieht. So steht der Frage nach der herauszufilternden Thematik, der poetischen Form, den vielfältigsten sprachlichen Tropen und rhetorischen Mitteln nur eine beschränkte Anzahl von unbefriedigenden Antworten gegenüber, die uns das Gedicht, welches wir zunächst konkret nennen, liefert. Eine klare Aussage unter herkömmlichen Gesichtspunkten, wie man sie bei traditioneller Lyrik erhält, ist bei dieser Art von Gedicht nur bedingt oder nicht möglich.
Freilich ist obiges Beispiel radikal gewählt. Auf einfachste Weise erfüllt der realisierte ``Text´´ auf weißem Hintergrund mit Hilfe eines Interpunktionszeichens das, was die Überschrift verspricht: Fast unsichtbar.
Ein scheinbar in sich geschlossenes Kontinuum, das auf eine etwaige abstrakt-transzendentale Thematik, eine messbare segmentale Form und sprachliche Bilder verzichten kann, ja verzichten muss, um den theoretischen und zu aller erst von Eugen Gomringer formulierten Anspruch jener lyrischen Gattung zu erfüllen, die man Konkrete Poesie oder Konkrete Dichtung2 nennt.
Das zur Hinführung gedachte Gedicht ist konkret, und sonst nichts. Es schließt irgendeine abstrakte Dimension aus. Der Punkt dient als rein rationalistisches Mittel, um den Zweck des Titels gerecht zu werden. Er hat seine Funktion als Signal des Satzendes verwirkt (ist in erster Linie kein Satzzeichen, eher ein zeichnerisches Produkt3) und dient hier lediglich als ein materieller Gebrauchsgegenstand zur Erfüllung der (minimalistischsten visuellen) Veranschaulichung.
Inhaltsverzeichnis
- Fast unsichtbar
- Fast unsichtbar¹ statt einer Einleitung
- Forschungsliteratur
- Zielstellung und das Wesen des ``Spiels´´
- schweigen – Eugen Gomringers visuelle Konstellation und eine Parodie dazu
- Die Variation zu vielleicht im Kontext der Grundlage
- Vielleicht Goethe – Ein hypothetischer Vergleich zwischen der Variante von Gomringers vielleicht und Goethes Ein gleiches
- Manöver - Genese eines literarischen Experiments
- Zum Abschluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Konkrete Poesie von Eugen Gomringer und fokussiert dabei auf das Element des "Spiels" in seiner Lyrik. Sie analysiert, wie Gomringers Werke die Grenzen traditioneller Gedichtformen überschreiten und neue ästhetische Prinzipien etablieren, die den Leser aktiv in den Entstehungsprozess des Werkes einbeziehen.
- Die Herausforderung traditioneller lyrischer Konzepte durch die Konkrete Poesie
- Die Rolle des "Spiels" in der Gestaltung von Gomringers Gedichten
- Die Bedeutung der Visualität und des Minimalismus in der Konkreten Poesie
- Die Interaktion zwischen Autor und Leser in der Konkreten Poesie
- Die Verbindung zwischen Literatur und visueller Kunst in der Konkreten Poesie
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel analysiert das Gedicht "Fast unsichtbar" als Beispiel für die minimalistische Ästhetik der Konkreten Poesie. Es hinterfragt die traditionellen Kriterien für Lyrik und stellt die Frage, ob aus Gomringers Werken überhaupt ein ästhetisches Prinzip abgeleitet werden kann. Das Kapitel beleuchtet die Rolle des "Spiels" als zentralen Aspekt der Konkreten Poesie und zeigt, wie der Leser aktiv in den Gestaltungsprozess des Gedichts eingebunden wird.
Das zweite Kapitel konzentriert sich auf das Gedicht "schweigen" und dessen visuelle Konstellation. Es analysiert die Variation zu Gomringers "vielleicht" und stellt einen Vergleich mit Goethes Gedicht "Ein gleiches" auf. Das Kapitel untersucht die Genese des literarischen Experiments "Manöver" und zeigt auf, wie die Konkrete Poesie die Grenzen zwischen Literatur und visueller Kunst verwischt.
Schlüsselwörter
Konkrete Poesie, Eugen Gomringer, "Spiel", Minimalismus, Visualität, Interaktion, Leser, Autor, experimentelle Literatur, ästhetisches Prinzip, Gedichtform, traditionalistische Konzepte, lyrische Kunst, visuelle Konstellation, Genese.
- Arbeit zitieren
- Marcus Erben (Autor:in), 2002, Konkrete Poesie - Zweck, Ziel und Spielcharakter von konkreter Poesie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7352