Die Idee des Guten - die Ideenlehre Platons


Seminararbeit, 2007

23 Seiten, Note: 1-


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Platons Ideen

3. Das Sonnengleichnis
3.1 Vorbereitende Gedanken
3.2 Das Vergleichsdritte
3.2 Jenseits des Seins (Epekeina tes ousias)

4. Negation der Seinstranszendenz

5. Schluss – Affirmation der Seinstranszendenz

6. Literaturverzeichnis
6.1 Quellen
6.1 Sekundärliteratur

1. Einleitung

Platons Werk hat bis heute nichts von seiner Aktualität und seiner Wichtigkeit für die abendländische Philosophie eingebüsst. Alfred North Whitehead’s berühmte Feststellung, wonach alle späteren Entwürfe der europäischen Philosophie im Grunde nur Fussnoten zu Platon seinen, spricht diesen Umstand pointiert an.[1] Daneben genügt ein Blick auf die immense Rezeptionsgeschichte um sich den ungeheuren Einfluss des platonischen Werks vor Augen zu führen. Obwohl die antiken Dialoge ein breites Spektrum vom Themen abdecken, scheint es nicht vermessen, in Platons Ideenlehre den eigentlichen Kern seines Werkes zu suchen.

Dieser Einschätzung entsprechen die stetigen Rekurse Platons auf seine Ideenlehre, welche an ganz unterschiedlichen Stellen latent vorhanden ist, oder explizit angesprochen wird. Die Gründe für diese ausserordentliche Präsenz, lassen sich am einfachsten mit der vermeintlichen Motivation Platons zum Philosophieren verstehen. Es ist jene Frage nach der Einheit von Allem, verbunden mit der Frage nach dem Verhältnis zur Vielheit. Die Ideenlehre versucht eine Antwort auf die Frage nach dem absoluten Ursprung von Allem zu geben – die Suche nach dem höchsten, ersten oder grössten Gut. Platon als Urvater der abendländischen Philosophie, beschäftigte sich mit der Suche nach dem Grund, anhand dessen sich alles erklären lässt. Damit versuchte er einen Problemkreis zu ergründen, der - die Verallgemeinerung sei erlaubt – seit jeher den Menschen beschäftigt hat. Es sind dies Fragen nach dem Sinn des Lebens, nach Gott oder einem anderen Begriff, welcher der irdischen Präsenz Sinn zu geben vermag.

Einen diesen Anforderungen äquivalenten Begriff findet sich innerhalb der Platonischen Ideenlehre, in seiner Konzeption der Idee des Guten wie sie sich im Sonnengleichnis findet.[2] Steht die Frage nach dem Guten in einem scheinbaren Kontrast zu den oben erwähnten Zielen der platonischen Philosophie, erhellt sich die Situation, wenn einem die Wendung bewusst ist, die Sokrates (und in gewissem Sinne auch Platon) der antiken Philosophie gegeben hat, nämlich eine Abwendung von der Naturphilosophie hin zur Ethik.[3]

Ziel dieser Arbeit soll es sein zu erläutern, inwiefern diese Abwendung zu legitimieren ist, d.h. es sollte nachvollziehbar sein, wieso Platon in der Idee des Guten einen möglichen Ursprung von Allem suchte. Im Weiteren soll sich zeigen, wo die Grenzen dieses Versuchs liegen, oder allgemeiner, wo die Grenzen der menschlichen Erkenntnismöglichkeit liegen. Eine mögliche Antwort darauf, soll im scheinbaren Widerspruch gesucht werden, den Platon begeht, indem er die Idee des Guten einerseits als Teil des Seienden darstellt, andererseits aber festhält, dass sie über das Seiende hinausgeht.

2. Platons Ideen

Da die Idee des Guten als platonische ‚Idee’ verstanden werden muss, ist es an dieser Stelle angebracht, eine Definition von Platons ‚Ideen’ zu geben und die fundamentalen Eigenschaften dieser aufzulisten. Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch Platon, kurz vor dem Sonnengleichnis zur Idee des Guten, erinnert er an die Ideenlehre, wobei sie hier etwas ausführlicher behandelt werden soll.[4]

Erstens sind Ideen ein ens, ein Seiendes - nur Ideen sind wirklich und im eigentlichen Sinne seiend. Platon kommt zu diesem Schluss, da nur Ideen unentstanden, unvergänglich und somit unveränderlich sind, d.h. sie sind immerwährend und ewig. Diese Vorstellung wird plausibel wenn man sich vor Augen führt, dass für Platon Ideen als Ur- oder Vorbilder von Gegenständen fungieren.[5] Der Mensch hat beispielsweise die Idee eines Stuhles, dabei ist nur die Idee dieses Gegenstandes ein wirklich Seiendes, der Stuhl selbst nicht. Er ist als Gegenstand zwar in einem gewissen Sinne seiend, doch keines der geforderten Attribute wie unveränderlich, unentstanden oder ewig kommt ihm zu. Vielmehr ist er einer stetigen Veränderung unterworfen: er wurde eines Tages hergestellt und seit diesem Tag nagt an ihm der Zahn der Zeit – früher oder später wir er einmal zerfallen und nicht mehr sein bzw. seine Entität verlieren. Daher sind für Platon Gegenstände im eigentlichen Sinne niemals, sondern sie werden ständig, und können somit kein Seiendes sein.

In dieser Unterscheidung spiegelt sich ein Abfall vom Ursprung und vom Ideal (den Ideen) wieder, der sich auch in den drei Gleichnissen zeigt. Die Ideen als Urbilder von Gegenständen stehen in der Skala der ‚Seinhaftigkeit’ zuoberst, nur sie sind wirklich. Darunter stehen die Abbilder der Ideen bzw. die Gegenstände des Sinneswelt, denen nur ein ‚werden’ zukommt. Noch weniger seiend und noch irrealer als die konkreten Gegenstände sind Abbilder oder Schatten dieser – bei der flüchtigen Existenz eines Spiegelbildes etwa könne von Sein kaum die Rede sein.[6]

Zweitens sind Ideen jede für sich ein unum, d.h. es gibt nicht zwei gleiche Ideen sondern nur eine einzige Idee von etwas.[7] Was offensichtlich scheint, begründet Platon dadurch, dass es im Falle von zwei Ideen eines Bettes doch nur eine geben würde, da diese beiden Ideen sich an einer höheren Idee ‚Bett’ orientieren würden und es somit wieder nur eine Idee gäbe:

Sokrates. Gott nun, ob es nun sein Wille war nicht mehr als ein wirklich seiendes Bett herzustellen oder ob er dabei unter dem Druck einer Notwendigkeit stand – gleichviel, er machte nur jenes eine Bett, jenes Bett an sich; zwei solche Betten aber sind von Gott weder geschaffen worden noch werden sie je geschaffen werden.
Glaukon. Wie so?
Sokrates. Weil hätte er mehr, und wären es auch nur zwei, machen wollen, alsbald über ihnen wieder ein einziges auftauchen würde, das für die Gestaltung jener zwei als massgebend gelten müsste, und dieses, nicht aber jene zwei, wäre dann eben das Bett an sich.“[8]

Diese Auffassung beinhaltet, dass es von den konkreten Gegenständen viele Exemplare geben kann, d.h. jedes einzelne, materielle Bett orientiert sich an der einzigen Idee ‚Bett’. Gibt es so gesehen bereits eine Vielzahl von Abbildern dieser Idee, vergrössert sich ihre Zahl noch, da es möglich ist die konkreten Gegenstände beliebig oft zu spiegeln oder abzubilden. Darin zeigt nicht erneut der qualitative Abfall, von den Ideen über die konkreten Gegenstände hin zu Abbildern dieser, welcher so massgebend für die platonische Ideenlehre ist.

Drittens sind Ideen ein Wahres (verum) – das einzig Wahre. Konkrete Gegenstände finden erst in den Ideen zur ihrem eigentlichen Sein. Es ist gerade ihre Materialität die wesensverhüllend und –verbergend ist. Die platonischen Ideen stehen im Gegensatz dazu, in einer gewissen Unverborgenheit oder Offenbartheit hinsichtlich ihres Wesens.[9] Einen konkreten Gegenstand muss man zuerst immer einer Idee zuordnen, Ideen sind ihrem wahren Wesen demgegenüber äquivalent: Man stelle sich einen Reisenden vor, der zum ersten Mal ein japanisches Bett zu Gesicht bekommt. Für einen Japaner ist dieser Gegenstand eindeutig ein Bett, der Reisende hingegen wird durch die Materialität (verwendete Materialen, Aufbau, Erscheinung), von der Idee die hinter diesem neuen Gegenstand steckt abgelenkt, und erst mit der Zeit vermag er den richtigen Schluss zu ziehen, und darin ein Bett zu erkennen. Ideen unterliegen im Gegensatz dazu keiner Verborgenheit, sie sind stets offenbar. Auch bei diesem Aspekt der platonischen Ideen lässt sich eine weitere Abstufung hin zu Abbilder oder Spiegelungen realer Gegenstände machen, d.h. sie sind noch verhüllter und scheinhafter. So gibt es Bilder auf denen man erst erkennt was für eine Idee dahinter steckt, wenn einem diese gesagt wird.

Viertens zeichnen sich Ideen durch ihre Güte (bonum) aus. Diese Güte bedeutet das Gute schlechthin oder das Vollkommene, dabei ist vor jeder Differenzierung in ethische und theoretische Konnotation abzusehen.[10] Ideen kommt eine Vollkommenheit zu, welche konkrete Gegenstände nicht erreichen können. Die Idee des Kreises als Beispiel zeichnet sich per Definitionem durch eine Linie von Punkten aus, wobei alle Punkte dieser Linie denselben Abstand von ihrem Mittelpunkt haben. Die Idee hat daher eine normative Funktion, indem sie ein Ideal festzulegen vermag, sie ist der Massstab zur Beurteilung aller realen, sinnlichen Kreise, welche das Ideal gut oder schlecht zu imitieren vermögen, es jedoch niemals erreichen können. Ein von freier Hand gezeichneter Kreis ist demnach eher eine schlechte Repräsentation des Idealkreises - ein mit dem Zirkel gezeichneter eine gute. Beide kommen sie dem Ideal jedoch höchstens näherungsweise gleich, bei genauer Betrachtung werden sich immer Abweichungen vom Ideal feststellen lassen. Wie bei den vorherigen Aspekten zeigt sich auch bei dieser Eigenschaft der Ideen ein weiterer Abfall von den konkreten Gegenständen hin zu Abbildungen und Spiegelungen. Mit einem Spiegel oder einer Kamera ist es möglich die Kreise beliebig zu dehnen oder negativ formuliert, es ist praktisch unmöglich einen konkreten (bereits nicht idealen) Kreis abzubilden, ohne ihn minim zu verzerren.

[...]


[1] Whitehead, Alfred North: Prozess und Realität, Frankfurt a. M., 1987, S. 63

[2] Anm.: Mit äquivalent ist ausschliesslich eine grosse Nähe zum absoluten Ursprung von Allem gemeint, keinesfalls eine Gleichsetzung mit diesem voraussetzungslosen Einen. Vgl. dazu: Feber, Raphael: Platos Idee des Guten, Sankt Augustin, 1984, S.75ff

[3] Ferber, Raphael: Platos Idee des Guten, Sankt Augustin, 1984, S. 49

[4] Bröcker, Walter: Platos Gespräche, Frankfurt a.M., 1985, S. 267

[5] Gloy, Karen: Denkanstösse zu einer Philosophie der Zukunft, Wien, 2002, S.93

[6] ebd., S.93

[7] ebd., S.93

[8] Platon, Sämtliche Dialoge Bd. V, übersetzt von Otto Apelt, Leipzig, 1923, S.391 [597c]

[9] Gloy, Karen: Denkanstösse zu einer Philosophie der Zukunft, Wien, 2002, S.95

[10] ebd., S. 94

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Die Idee des Guten - die Ideenlehre Platons
Hochschule
Universität Luzern
Note
1-
Autor
Jahr
2007
Seiten
23
Katalognummer
V75274
ISBN (eBook)
9783638798020
ISBN (Buch)
9783638928786
Dateigröße
475 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Idee, Guten, Ideenlehre, Platons
Arbeit zitieren
B.A. Philosophie David Egli (Autor:in), 2007, Die Idee des Guten - die Ideenlehre Platons, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75274

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