Die vorliegende Dissertation ist der Versuch, vor dem Hintergrund neuerer theoretischer Perspektiven die Frage nach "persuasiven" Medienwirkungen im Wahlkampf auch empirisch neu zu überprüfen. Dies geschieht mit Hilfe von zeitreihenanalytischen Modellen und Verfahren und auf der Grundlage in der Wahlforschung bisher nicht diskutierter theoretischer Überlegungen zur Asymmetrie der Wahrnehmung und Beurteilung von Kandidaten in Wahlkämpfen.
Im Mittelpunkt der Untersuchung steht zuerst die theoretische Frage nach der Beziehung zwischen Medien und Politik im allgemeinen (Kap.2) und zwischen Massenmedien und Wählern im besonderen (Kap.3), einschliesslich der in der Wahlforschung etablierten Einflussfaktoren auf Kandidatenurteile (Kap.4) – und insbesondere der von Zaller kognitionspsychologisch begründeten Mechanismen von Einstellungs- bzw. Meinungswandel als Folge persuasiver Medieneffekte (Kap.5).
Vor dem Hintergrund dieser umfassenden theoretischen Überlegungen und Herleitungen wird die spezifische empirische Fragestellung nach der Wirkung von Fernsehnachrichten auf die Meinung der Zuschauer entwickelt und ihre methodologische Fundierung und Umsetzung sorgfältig diskutiert (Kap.7). In den beiden Ergebniskapiteln werden zuerst die deskriptiv-analytischen Befunde dargestellt (Kap.8), um schliesslich die Ausgangsfrage nach dem Einfluss von Nachrichten-Aussagen (bzw. Wirtschaftserwartungen) auf Kanzlerpräferenzen mit Hilfe zeitreihenanalytischer dynamischer Transferfunktions-Modelle zu diskutieren.
Trotz aller Beschränkungen ist die Botschaft der Analysen eindeutig: Starke persuasive Medieneffekte können durch angemessene theoretische Perspektiven, Messungen und Analyseverfahren ans Licht gebracht werden – ganz wie es Zaller in seinem pointierten Zitat 1996 prognostiziert hat ("very large media persuasion effects are lurking all around us, waiting to be brought more fully to light by more appropriate measures, models, and theoretical perspectives", Zaller 1996: 38). Obwohl Schulz die These vom wahlentscheidenden Einfluss des Fernsehens für "nicht mehr zeitgemäß" hält (Schulz 1998: 386), zeigen die Analysen dieser Arbeit, dass es doch Konstellationen gibt, die einen wahlentscheidenden Einfluss des Fernsehens möglich machen (hier die Nachrichtenlage beim Herausforderer Scharping).
Allerdings gilt dies (natürlich) nicht für jede Medienberichterstattung zu jeder Zeit.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Problemstellung
- Aufbau der Arbeit
- THEORETISCHE VERORTUNG UND FORSCHUNGSSTAND
- Politische Kommunikation
- Beziehungen zwischen Medien und Politik
- Anwendungsfall Wahlkampf
- Massenmedien und Wählerverhalten
- Relevante Ansätze der Medienwirkungsforschung
- Das Paradigma der mächtigen Medien
- Das Paradigma der "minimalen Effekte"
- Was Medienwirkungen hemmt: z.B. Selektivität
- Die kognitive Wende: z.B. Agenda-Setting
- Rückkehr zu persuasiven Medienwirkungen: z.B. Priming und Framing
- Fazit: Die Wiederbelebung der Untersuchung massiver Medienwirkungen
- Erklärungsmodelle des Wahlverhaltens
- Der soziologische oder sozialstrukturelle Ansatz
- Der sozialpsychologische Ansatz
- Der Rational-Choice-Ansatz
- Fazit: Die Erklärungsmodelle und ihr Bezug zur Kandidatenorientierung
- Personalisierung der Politik
- Personalisierung der Wahlkampfführung
- Personalisierung der Medienberichterstattung
- Personalisierung des Wählerverhaltens
- Candidate-Voting
- Entpolitisierung der Kandidatenbewertung
- Fazit: Personalisierung - eine neue Form der Wahlkampfführung, "Amerikanisierung" oder alter Wein in alten Schläuchen?
- Relevante Ansätze der Medienwirkungsforschung
- Bestimmungsfaktoren der Kandidatenorientierung
- Der Prozess der Urteilsbildung über Spitzenkandidaten
- Zum Einfluss des Fernsehens
- Theoretische Überlegungen und methodische Beschränkungen
- Empirische Untersuchungen
- Fazit
- Zum Einfluss der Wirtschaftslage
- Theoretische Erklärungen
- Incumbency-Hypothese und Policy-Hypothese
- "Personal Experience"-Hypothese und "National Assessment"-Hypothese
- Fazit
- Empirische Untersuchungen
- Methodische Probleme
- Ergebnislage
- Zum Einfluss der Medien auf die Wahrnehmung der Wirtschaftslage
- Theoretische Erklärungen
- Das RAS-Modell von Zaller - theoretische Überlegungen und empirische Lösungsvorschläge für den Nachweis starker Medieneffekte in der politischen Kommunikation
- Die Rolle der Medien in ZALLERS Modell
- Empirische und analytische Randbedingungen für den Nachweis starker Medieneffekte
- Fazit
- Zusammenfassung und Überleitung zur empirischen Untersuchung
- Politische Kommunikation
- EMPIRISCHE UNTERSUCHUNG
- Problemstellung und Konzeption der Studie
- Der Untersuchungsgegenstand
- Die Untersuchungsperspektive
- Der Untersuchungszeitraum
- Die Untersuchungsmethoden
- Die Befragungsdaten aus dem DFG-Projekt "Wählerwanderung und Politikverdrossenheit"
- Die Inhaltsanalysedaten der Nachkodierung von Fernsehnachrichten
- Untersuchungsanlage
- Kategoriensystem
- Die empirischen Analysen
- Deskriptiv-analytische Betrachtungen von Bevölkerungsmeinung und Nachrichteninhalten
- Zeitreihenanalysen
- Ergebnisse aus Befragung und Inhaltsanalyse: Kanzlerpräferenzen der Bevölkerung und Darstellungen der Kandidaten in den Medien
- Kanzlerpräferenzen der Bevölkerung
- Kandidaten in den Fernsehnachrichten
- Verteilung der Aussagen auf die Sender
- Verteilung der Aussagen über den Untersuchungszeitraum
- Aussage-Typen
- Akteursbeziehungen
- Thematischer Kontext der Aussagen (Framing)
- Bewertungen
- Bewertungen und Themen
- Konsonanz der Berichterstattung?
- Bewertungen der Kandidaten nach Sendern
- Bewertungen über die Zeit
- Fazit
- Kausalanalysen: Die Abhängigkeit der Kanzlerpräferenz von Medieninhalten und Wirtschaftserwartungen (Zeitreihenanalysen)
- Herausforderer Scharping
- Grafische Darstellungen
- Prognose der Kanzlerpräferenz mit dem Zeitreihen-Modell
- Zeitreihenanalyse nach Box/JENKINS
- Univariate ARIMA-Modelle
- Kreuzkorrelationen
- Transfer- und Gesamtmodelle
- Interpretation der Modelle
- Herausforderer Scharping
- Problemstellung und Konzeption der Studie
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Dissertation untersucht die Abhängigkeit der Kanzlerpräferenz von Fernsehnachrichten und der Wirtschaftslage. Sie analysiert die Bundestagswahl 1994 anhand täglicher Messungen und nutzt dabei Zeitreihenanalysen.
- Der Einfluss von Fernsehnachrichten auf die Kandidatenpräferenz
- Die Rolle der Wirtschaftslage bei der Wahlentscheidung
- Die Beziehung zwischen Medien, Politik und Wählerverhalten
- Die Bedeutung von Personalisierung im Wahlkampf
- Methodische Herausforderungen der Zeitreihenanalyse
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die die Problemstellung erläutert und den Aufbau der Arbeit skizziert. Anschließend folgt eine umfassende theoretische Verortung und Einordnung des Forschungsstandes.
- Das erste Kapitel befasst sich mit der politischen Kommunikation, wobei die Beziehungen zwischen Medien und Politik sowie der Einfluss von Medien im Wahlkampf analysiert werden.
- Das zweite Kapitel beleuchtet relevante Ansätze der Medienwirkungsforschung und diskutiert verschiedene Erklärungsmodelle des Wahlverhaltens.
- Das dritte Kapitel untersucht die Personalisierung der Politik, insbesondere die Auswirkungen auf Wahlkampf, Medienberichterstattung und Wählerverhalten.
- Das vierte Kapitel analysiert die Determinanten der Kandidatenorientierung, wobei der Einfluss von Fernsehsendungen und der Wirtschaftslage im Fokus steht.
- Das fünfte Kapitel präsentiert das RAS-Modell von Zaller und diskutiert dessen Relevanz für die Untersuchung von Medieneffekten in der politischen Kommunikation.
- Das sechste Kapitel fasst die Ergebnisse der theoretischen Analyse zusammen und leitet zur empirischen Untersuchung über.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den zentralen Themen der politischen Kommunikation, Medienwirkungsforschung und Wahlverhalten. Im Fokus stehen die Kandidatenpräferenz, Fernsehnachrichten, Wirtschaftslage, Zeitreihenanalyse, Personalisierung, Agenda-Setting, Framing, und das RAS-Modell von Zaller.
- Arbeit zitieren
- Andreas Dams (Autor:in), 2003, Zweitstimme ist Kanzlerstimme - Die Abhängigkeit der Kanzlerpräferenz von Fernsehnachrichten und Wirtschaftslage, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75646