Die Eucharistie und das Totenmahl der Penthesilea


Hausarbeit, 2007

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhalt

1. Einleitung

2. Die Eucharistie
2.1 Das Wesen der Eucharistie
2.2 Die Eucharistie und ihre „bedenkliche Nähe zur Anthropophagie”

3. Penthesilea
3.1 Die Vergötterung Achills
3.2 Die Anspielungen auf die Eucharistie
3.3 Zwischen Inversion und Parodie

4. „Irreligiös bis zur Feindseligkeit“?

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, dem Zusammenhang zwischen dem christlichen Sakrament der Eucharistie und dem „Totenmahl“ in Kleists „Penthesilea“ nachzugehen.

Zu diesem Zwecke wird zunächst das Prinzip der Eucharistie näher erläutert und ihre Verwandtschaft zur Anthropophagie kurz dargestellt.

Im Anschluss prüfe ich, inwieweit sich in Kleists Beschreibung der Tötung Achills durch Penthesilea Anlehnungen an die Eucharistie finden; ferner wird zu untersuchen sein, wie diese beschaffen sind.

Entscheidend ist dabei für mich die Frage, ob es Sinn ergibt, bei der Kleistschen Adaption der Eucharistie-Symbolik von einer spöttischen Inversion des christlichen Sakraments zu sprechen. Um dies zu ermitteln, werden auch biographische Fakten Kleists miteinbezogen.

2. Die Eucharistie

2.1 Das Wesen der Eucharistie

Das Abendmahl respektive die Eucharistie[1] ist ein Sakrament der katholischen und evangelischen Kirche. Durch eine im Rahmen des Gottesdienstes abgehaltene Mahlzeit soll an das letzte Abendmahl Jesu und seiner Jünger angeknüpft und so an den Tod Christi erinnert werden.

Die Bibel weist zahlreiche verschiedene Texte auf, die sich mit dem letzten Abendmahl in direkter oder indirekter Weise auseinandersetzen. Für die folgende Arbeit ist neben den drei synoptischen Einsetzungsberichten (Mt 26,17-29; Mk 14,12-26; Lk 22,14-20) eine verwandte Stelle im Johannes-Evangelium, in welchem sich die ausdrückliche Schilderung des Abendmahls ansonsten nicht findet, relevant (Joh 6, 48-59).

Grundsätzlich wird die historische Authentizität der (synoptischen) Schilderungen des letzten Abendmahls angezweifelt – man sieht in ihnen bisweilen eher eine Anleitung zur liturgischen Praxis. Die sogenannten Einsetzungsworte, mit welchen Jesus die Verwandlung des Brotes in seinen Leib und des Weines in sein Blut bewirkt, gelten gemeinhin als rekonstruiert und spiegeln wohl nicht den eigentlichen Wortlaut wider.[2] Der Inhalt der Einsetzungsworte divergiert ferner innerhalb der drei synoptischen Berichte ‑ welcher der ursprüngliche ist, ist umstritten[3] ; ich gehe zunächst von der lukanischen Fassung aus:

Und er nahm das Brot, sprach das Dankgebet, brach es und gab es ihnen mit den Worten: „Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ Ebenso nahm er nach dem Mahl auch den Kelch und sprach: „Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird.“ [...][4]

Das Abendmahl kann aus verschiedenen Perspektiven heraus verstanden werden:

Die meisten Quellen sind sich darin einig, dass es im Rahmen des Passahmahls abgehalten wurde.[5] Deutlich ist, dass Jesus sich darüber hinaus selbst als Passalamm sieht, welches geschlachtet und zum genüsslichen Verzehr dargeboten wird. Es wird damit an die rettende Wirkung geschlachteter Lämmer in Ägypten und auf diese Weise indirekt an den Bund Gottes mit Israel erinnert.[6]

Der Opfergedanke ist freilich markant: Jesus sieht sich als den stellvertretend für die Menschheit sterbenden Gottesknecht, als Opfer und Märtyrer, der sein Blut „für viele“[7] vergießt.[8]

Auch der Gedanke der Sühne spielt eine Rolle: Zumindest im Matthäus-Evangelium[9] ist von der Vergebung der Sünden durch den Tod Jesu ausdrücklich die Rede.

Das Mahl kann gleichfalls zum Zwecke der Bundeserneuerung verstanden werden.[10] Jesus bindet auf diese Weise die Tafelgäste an Gott und einander. Es lässt sich folglich von einer „kirchenbildenden Wirkung“ sprechen.[11]

Darüber hinaus beinhalten die Einsetzungsworte im Lukas- und Matthäus-Evangelium den sogenannten Anamnesis-Befehl[12]: Das Mal soll in der Praxis der Christen das Passamahl ablösen, damit die Menschen sich Jesu Todes und des von ihm geschlossenen Bundes erinnern.[13]

Ferner hat das Abendmahl eschatologische Bedeutung. Jesus deutet voraus auf den Bund, den die Jünger mit ihm im vollendeten Reich Gottes eingehen werden.[14]

Von Belang ist abschließend die Frage der Präsenz Christi. Die katholische Lehre geht von der Transsubstantation des Brotes und Weines aus: Das Akzidentielle, also die äußere Beschaffenheit der Speisen, bleibt erhalten, während sich die Substanz, das Wesen, vollständig in den Leib und das Blut Christi verwandelt. Im Protestantismus hingegen lehnt man jene Realpräsenz Jesu zugunsten einer bloßen symbolischen Repräsentation in den Zeichen und Worten des Abendmahls ab.[15]

Eine Rolle spielt hier gewiss die Übersetzung der Einsetzungsworte aus dem Griechischen: Es ist unklar, ob Jesus verkündet „Das ist mein Leib“ oder „Das bedeutet meinen Leib“.[16]

2.2 Die Eucharistie und ihre „bedenkliche Nähe zur Anthropophagie”

Daniel Fulda bescheinigt der Eucharistie eine „bedenkliche Nähe zur Anthropohagie“[17] und auch Justus Fetscher sieht eine „Strukturverwandtschaft [...] mit kannibalischen Riten“[18]

So aufsehenerregend wie diese Ähnlichkeit auf den ersten Blick wirken mag, ist sie nicht: Die Verknüpfung des Essens und Tötens ist keineswegs eine Seltenheit in der Zeichenlehre verschiedener Kulturen. Das Essen ist Bestandteil zahlreicher religiöser Riten. Ist es in einer Religion verboten, sich in einer bestimmten Form zu ernähren, so beinhaltet dieses Verbot eine Aussage über das Verhältnis des Menschen zu Gott:

Schließlich ist das Essen Teil der den Menschen durch Gott auferlegten kulturellen Ordnung.[19] Überdies finden sich in traditionellen Bräuchen häufig Gewaltmotive - deswegen, weil diese Riten aus Zeiten stammen, in welchen rohe Gewalt als legitimes und übliches Mittel galt.[20]

Dass Kleist diesen Aspekt in seiner 1807 vollendeten Penthesilea aufgreift, mag vor dem zeitgeschichtlichen, insbesondere philosophisch-medizinschen Hintergrund verstanden werden. Noch im 17. Jahrhundert berufen sich Mediziner und Apotheker auf die paracelsische Annahme, die Parallele zwischen Mikro- und Makrokosmos bedeute, jede von uns verzehrte Speise enthalte etwas Menschliches.

[...]


[1] Der Begriff ist griechisch-lateinischen Ursprungs und bedeutet Dankbarkeit oder Danksagung. Vgl. Bettine Menke: Eucharistie. In: Nicolas Pethes, Jens Ruchatz [Hrsg.]: Gedächtnis und Erinnerung. Ein interdisziplinäres Lexikon. Hamburg: Rowohlt 2001. S. 158.

[2] Vgl. Bibeltheologisches Wörterbuch. Herausgegeben von Johannes B. Bauer. Band 1. Graz, Wien, Köln: Styria 1994. S. 153.

[3] Vgl. Das große Bibellexikon. Herausgegeben von Helmut Burkhardt et. al. Band 1. Wuppertal: Brockhaus Verlag 1987. S. 3.

[4] Die Bibel. Augsburg: Weltbild Verlag 1994. Lk 22, 19-20.

[5] Vgl. Bibeltheologisches Wörterbuch. S. 153.

[6] Vgl. Bibellexikon. S. 3f.

[7] Die Bibel. Mt 26, 28.

[8] Vgl. Bibellexikon. S. 5.

[9] Vgl. Die Bibel. Mt 26, 28.

[10] Vgl. Die Bibel. Lk, 22, 20.

[11] Vgl. Bibeltheologisches Wörterbuch. S. 156.

[12] Vgl. Bibellexikon. S. 5.

[13] Vgl. Die Bibel. Lk 22, 20.

[14] Vgl. Bibeltheologisches Wörterbuch. S. 153-156.

[15] Vgl. Meinke. S. 158 f.

[16] Vgl. Bibellexikon. S. 5f.

[17] Daniel Fulda: Unbehagen in der Kultur, Behagen in der Unkultur. Ästhetische und wissenschaftliche Faszination der Anthropophagie. In: Daniel Fulda; Walter Pape [Hrsg.]: Das andere Essen. Kannibalismus als Motiv und Metapher in der Literatur. Freiburg im Breisgau: Rombach 2001. S. 14.

[18] Justus Fetscher: „Ach, dieser Kranz von Wunden um sein Haupt!“. Zur erotisierten Christus-Imago der „Penthesilea“. In: Beiträge zur Kleistforschung 17. Frankfurt (Oder): Kleist-Gedenk-und-Forschungsstätte 2004. S. 100.

[19] Vgl. Fulda. S. 14.

[20] Vgl. Doris Claudia Borelbach: Mythos-Rezeption in Heinrich von Kleists Dramen. Würzburg: Königshausen und Neumann 1998. S. 107.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die Eucharistie und das Totenmahl der Penthesilea
Hochschule
Universität zu Köln  (Institut für deutsche Sprache und Literatur)
Veranstaltung
Einführungsseminar: Neue deutsche Literatur II - Heinrich von Kleist
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
20
Katalognummer
V76374
ISBN (eBook)
9783638817233
Dateigröße
430 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Eucharistie, Totenmahl, Penthesilea, Einführungsseminar, Neue, Literatur, Heinrich, Kleist
Arbeit zitieren
Lukas Haberland (Autor:in), 2007, Die Eucharistie und das Totenmahl der Penthesilea, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76374

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