Das menschliche Innenleben entzieht sich einer konkreten, unmittelbaren Anschaulichkeit. Was im Kopf eines Menschen vor sich geht, welche inneren Konflikte er durchmacht, kommt nur bedingt hinter der physischen Fassade zum Vorschein. Zwar können teilweise emotionale Stimmungen und Bewusstseinsinhalte jemandem „ins Gesicht geschrieben stehen“ oder auch anderweitig in der Körpersprache und in Verhaltensweisen andeutungsweise zum Ausdruck kommen, aber hauptsächlich und möglichst differenziert lassen sich Gedankengänge, Assoziationen, Gefühle und Erinnerungen nur dadurch vermitteln, indem man sie in Worte zu fassen versucht. Die Versprachlichung innerer Vorgänge wiederum setzt eine gewisse Selbstkenntnis voraus – bzw. eine Kenntnis des Mitmenschen, dessen Psyche man zu analysieren gedenkt. Weiterhin erfordert sie eine gewisse Artikulationsfähigkeit sowie das persönliche Interesse an einer ehrlichen Wiedergabe.
Welche vielfältigen Möglichkeiten dagegen das Theater besitzt, um subjektives Erleben anschaulich vorzuführen, beweist der große amerikanische Dramatiker Arthur Miller (*1915, †2005) in seinen Dramenwerken. Als Beispiele bieten sich vier seiner Bühnenstücke an, die sich aufgrund ihrer thematischen bzw. formalen Verwandtschaft besonders gut vergleichen lassen. Dazu gehören das realistisch-analytische Stück All my Sons, mit dem Miller 1947 seinen ersten Bühnenerfolg verzeichnete, die beiden Bewusstseinsdramen Death of a Salesman und After the Fall, und nicht zuletzt The Price, mit dem Miller 1968 wieder ein realistisches Drama auf die Bühne brachte. Während All my Sons innerhalb der Konventionen des Realismus nur indirekt auf Bewusstseinsprozesse eingehen kann, ist das spätere realistische Stück mit hohem Symbolgehalt bereichert, durch den innere Vorgänge auch assoziativ verdeutlicht werden. Die Bewusstseinsdramen verschaffen dem Zuschauer hingegen durch szenische Darstellung einen direkten Einblick in den Kopf des Protagonisten. So hieß das Stück Death of a Salesman vor der Uraufführung im Jahre 1949 auch zunächst The Inside of His Head. Aus welchen Gründen dieser Arbeitstitel am Ende verworfen wurde und inwiefern dieses „The Inside of His Head“ Motiv in dem 1964 uraufgeführten After the Fall eine konsequente Umsetzung findet, wird im weiteren Verlauf herauszustellen sein.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Millers dramentheoretische Position
- Millers Dramenverständnis, seine Grundthematik und seine Rolle als Autor
- Grundzüge des Realismus und des Expressionismus
- Einführung in die Thematik der Stücke: Vorstellung der Protagonisten
- Joe Keller in der Doppelrolle des uneinsichtigen Verbrechers und sympathischen Familienvaters, und Kate Keller als Komplizin und Mutter
- Fragwürdige Lebensträume eines Willy Loman
- Die Identitätskrise Quentins
- Die konträren Lebenswege der Brüder Franz
- Die dramaturgische Umsetzung innerer Konflikte und Bewusstseinsvorgänge
- Präsentation innerer Vorgänge in All my Sons
- Plot und Verhaltensmuster bei Joe Keller
- Sprache, Dialog und Gebärde
- Raumgestaltung
- Darstellung des Konflikts zwischen Illusion und Hellsichtigkeit bei Kate Keller
- Das „The Inside of His Head“ Motiv in Death of a Salesman
- Plot, Erinnerungsszenen und Halluzinationen
- Sprache, Dialog und szenische Bilder
- Raumgestaltung
- Geräuschkulisse und optische Signale
- Das „The Inside of His Head“ Motiv in After the Fall
- Fehlender Plot und dramatisierte Gedankengänge
- Monolog, Sprache und szenische Bilder
- Raumgestaltung
- Geräuschkulisse und optische Signale
- Präsentation innerer Vorgänge in The Price
- Der Plot und seine Symbolik
- Sprache, Dialog und Gebärde
- Raumgestaltung
- Präsentation innerer Vorgänge in All my Sons
- Bewertung der Dramenformen im Hinblick auf eine gelungene Darstellung des seelischen Dilemmas der Protagonisten
- Joe Kellers allzu plötzlicher Sinneswandel
- Der Einblick in den Kopf des geistig verwirrten Willy Loman
- Der Einblick in das hoch entwickelte Bewusstsein Quentins
- Die konträren Standpunkte der Brüder Franz im offenen Schlagabtausch
- Abschließendes Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit untersucht die dramaturgische Umsetzung innerer Konflikte und Bewusstseinsvorgänge in vier Dramen Arthur Millers, wobei sich der Fokus auf die Darstellung der jeweiligen Protagonisten richtet.
- Das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft
- Die Darstellung von Schuld und Verantwortung
- Der Einfluss der Vergangenheit auf die Gegenwart
- Die Rolle von Illusionen und Selbsttäuschung
- Die Auswirkungen innerer Konflikte auf die äußere Handlung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung skizziert die Problematik des menschlichen Innenlebens und führt in die Thematik der vier Dramen ein. Anschließend wird Millers dramentheoretische Position sowie die Merkmale des realistischen und expressionistischen Dramas vorgestellt.
Das dritte Kapitel stellt die Protagonisten von All my Sons, Death of a Salesman, After the Fall und The Price vor und erläutert deren jeweilige innere Krise.
Das vierte Kapitel untersucht die dramaturgischen Mittel, die Miller jeweils einsetzt, um die Gedankenwelt der Protagonisten und deren innere Erfahrungen auf der Bühne zu veranschaulichen.
Im fünften Kapitel werden die unterschiedlichen Dramenformen im Hinblick auf eine gelungene Darstellung der seelischen Dilemmata der Figuren bewertet.
Schlüsselwörter
Arthur Miller, All my Sons, Death of a Salesman, After the Fall, The Price, Realismus, Expressionismus, Bewusstseinsdrama, innerer Konflikt, Schuld, Verantwortung, Illusion, Selbsttäuschung.
- Arbeit zitieren
- Barbara Groß-Langenhoff (Autor:in), 2005, Die Darstellung innerer Konflikte und Bewusstseinsvorgänge in Arthur Millers Dramen am Beispiel von "All my Sons", "Death of a Salesman", "After the Fall" und "The Price", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76578