Die vorliegende Hausarbeit möchte sich mit der Darstellung der Verbrecher und Verbrechen des Nationalsozialismus in Heinar Kipphardts Drama Bruder Eichmann beschäftigen. Kipphardt begann sofort unter den Eindrücken des Eichmann-Prozesses 1961 mit der Konzeption des Dramas, beendete seine Arbeit daran allerdings erst im Jahr 1982 kurz vor seinem Tod. Bereits in dem 1965 erschienenen Stück Joel Brand. Die Geschichte eines Geschäfts taucht Adolf Eichmann als Antagonist der Hauptfigur auf. Kipphardt hat sich, besonders auch als Psychiater, über Jahrzehnte mit der Person Adolf Eichmann und dessen Charakter und Denkweise befasst. Dies ermöglichte es Kipphardt – je nach Zeitgeist – immer wieder neue Konzepte der Darstellung zu entwickeln. Während direkt nach dem Krieg Information und Aufklärung im Mittelpunkt stand, widmete sich die Holocaust-Dramatik mit der Zeit immer mehr ihrer Funktion als kulturelles Gedächtnis.
Im ersten Teil dieser Hausarbeit soll auf die Konzepte der Darstellbarkeit von Verbrechen und Verbrechern des Nationalsozialismus eingegangen werden, die Kipphardt bei seiner Arbeit an Bruder Eichmann beeinflussten, und es soll gezeigt werden, wie er diese modifizierte. Mit dieser theoretischen Grundlage kann dann am Text die Darstellungsabsicht Kipphardts herausgearbeitet werden, die sich in zwei Schlagworten zusammenfassen lässt: Entdämonisierung und Enthistorisierung. Durch die Zerstörung der Legende vom Monster und Sadisten und die Darstellung der gewöhnlichen Seite Eichmanns, wird dessen eigentliches Verbrechen offenbart: seine extreme Funktionalität. Diese kann der Zuschauer dann auf der Gegenwartsebene der Analogieszenen wieder erkennen. So wird gezeigt, dass die Verbrechen des Nationalsozialismus keineswegs der Vergangenheit zugeordnet werden dürfen, sondern dass sich bei einzelnen Aspekten dieser Eichmann-Haltung eine sehr deutliche Verbindungslinie bis in die aktuellste Gegenwart ziehen lässt. Die heftige Kritik an Bruder Eichmann zeigte, dass sich viele dieser besonders persönlichen Art von Vergangenheitsbewältigung und Selbstkritik nicht unterziehen wollten.
Mit dieser Erkenntnis wird deutlich, dass die Verhandlung und Darstellung des Holocausts nicht im Fokus des Stückes steht, auch wenn er in den Gesprächen als Thema stets präsent ist. Deshalb möchte ich zum Schluss nur kurz auf diesen Aspekt, der vor allen Dingen durch die Sprache transportiert wird, eingehen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Konzepte der Darstellung von Verbrechern des Nationalsozialismus
- 2.1 Thomas Mann: „Bruder Hitler“ – Distanz aufbrechen
- 2.2 Hannah Arendt: „Eichmann in Jerusalem“. Ein Bericht von der Banalität des Bösen - Eichmann als Durchschnittsmensch
- 3. Heinar Kipphardt: „Bruder Eichmann“
- 3.1 Die Bruder-These und die Eichmann-Haltung
- 3.2 Die Analogieebene und der Gegenwartsbezug
- 3.3 Die Darstellung des Holocausts
- 4. Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert Heinar Kipphardts Drama „Bruder Eichmann“ und untersucht dessen Darstellung von NS-Verbrechern und -Verbrechen. Das Hauptziel ist es, Kipphardts Konzepte der Entdämonisierung und Enthistorisierung zu beleuchten und deren Wirkung zu erörtern. Die Arbeit untersucht, wie Kipphardt gedankliche Vorbilder wie Thomas Mann und Hannah Arendt aufgreift und modifiziert.
- Darstellung von NS-Verbrechern in der Literatur und im Theater
- Kipphardts Konzept der Entdämonisierung und Enthistorisierung
- Die "Eichmann-Haltung" und ihre Relevanz für die Gegenwart
- Der Einfluss von Thomas Mann und Hannah Arendt auf Kipphardts Werk
- Die Darstellung des Holocaust in "Bruder Eichmann"
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in das Thema der Hausarbeit ein und beschreibt das Ziel, die Darstellung von NS-Verbrechern und -Verbrechen in Kipphardts Drama "Bruder Eichmann" zu analysieren. Sie erläutert Kipphardts Beschäftigung mit Adolf Eichmann über Jahrzehnte und die Entwicklung seiner Darstellungskonzepte im Kontext des sich wandelnden Zeitgeistes und der Funktion der Holocaust-Dramatik als kulturelles Gedächtnis. Es wird die zentrale These der Arbeit vorgestellt: Kipphardts Ansatz der Entdämonisierung und Enthistorisierung, der die extreme Funktionalität Eichmanns als eigentliches Verbrechen offenlegt und dessen Relevanz für die Gegenwart aufzeigt. Die erwartete Kritik an dieser Art der Vergangenheitsbewältigung wird bereits hier angedeutet.
2. Konzepte der Darstellung von Verbrechern des Nationalsozialismus: Dieses Kapitel untersucht die Konzepte der Darstellbarkeit von NS-Verbrechern, die Kipphardt beeinflussten. Es analysiert Thomas Manns „Bruder Hitler“ und Hannah Arendts „Eichmann in Jerusalem“ als wichtige Vorbilder. Dabei geht es nicht um eine vollständige Darstellung dieser Werke, sondern um die Identifizierung der Elemente, die Kipphardt für seine Konzeption von Adolf Eichmann nutzte und veränderte. Der Fokus liegt auf der These, dass verschiedene Standpunkte zur Auseinandersetzung mit NS-Verbrechen vertretbar und kombinierbar sind.
3. Heinar Kipphardt: „Bruder Eichmann“: Dieses Kapitel analysiert Kipphardts Drama "Bruder Eichmann" im Detail. Es untersucht die "Bruder-These" und die "Eichmann-Haltung", die Analogieebene und deren Gegenwartsbezug, sowie die Darstellung des Holocausts. Die Zusammenfassung wird die zentralen Argumente des Dramas zusammenfassen und die besondere Darstellungsweise Kipphardts erklären. Es wird auf die verschiedenen Ebenen der Analyse eingegangen sein, um die komplexen Aspekte des Stücks zu verdeutlichen.
Schlüsselwörter
Heinar Kipphardt, Bruder Eichmann, Nationalsozialismus, Holocaust, Entdämonisierung, Enthistorisierung, Hannah Arendt, Thomas Mann, Banalität des Bösen, Funktionalität, Vergangenheitsbewältigung, Analogie, Gegenwartsbezug.
Häufig gestellte Fragen zu "Bruder Eichmann": Eine Analyse von Heinar Kipphardts Drama
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert Heinar Kipphardts Drama "Bruder Eichmann" und untersucht dessen Darstellung von NS-Verbrechern und -Verbrechen. Der Fokus liegt auf Kipphardts Konzepten der Entdämonisierung und Enthistorisierung sowie deren Wirkung. Die Arbeit beleuchtet, wie Kipphardt gedankliche Vorbilder wie Thomas Mann und Hannah Arendt aufgreift und modifiziert.
Welche Themen werden in der Arbeit behandelt?
Die Arbeit behandelt die Darstellung von NS-Verbrechern in Literatur und Theater, Kipphardts Konzept der Entdämonisierung und Enthistorisierung, die "Eichmann-Haltung" und ihre Relevanz für die Gegenwart, den Einfluss von Thomas Mann und Hannah Arendt auf Kipphardts Werk und die Darstellung des Holocausts in "Bruder Eichmann".
Welche Werke werden neben "Bruder Eichmann" analysiert?
Neben Kipphardts "Bruder Eichmann" werden Thomas Manns "Bruder Hitler" und Hannah Arendts "Eichmann in Jerusalem" analysiert. Diese dienen als wichtige Vorbilder und ermöglichen den Vergleich verschiedener Konzepte zur Darstellung von NS-Verbrechern.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Kapitel zu Konzepten der Darstellung von NS-Verbrechern (mit Fokus auf Mann und Arendt), ein Kapitel zur detaillierten Analyse von Kipphardts "Bruder Eichmann" und eine Zusammenfassung. Die Einleitung stellt die zentrale These vor: Kipphardts Ansatz der Entdämonisierung und Enthistorisierung, der die extreme Funktionalität Eichmanns als eigentliches Verbrechen offenlegt.
Was ist die zentrale These der Arbeit?
Die zentrale These ist, dass Kipphardts Ansatz der Entdämonisierung und Enthistorisierung in "Bruder Eichmann" die extreme Funktionalität Eichmanns als eigentliches Verbrechen offenlegt und dessen Relevanz für die Gegenwart aufzeigt. Die Arbeit diskutiert auch die damit verbundene Kritik an dieser Art der Vergangenheitsbewältigung.
Welche Schlüsselkonzepte werden in der Analyse verwendet?
Schlüsselkonzepte sind Entdämonisierung, Enthistorisierung, die "Eichmann-Haltung", Funktionalität, Vergangenheitsbewältigung, Analogie und Gegenwartsbezug. Die Arbeit untersucht, wie diese Konzepte in den analysierten Werken eingesetzt werden und welche Wirkung sie erzielen.
Wie wird der Holocaust in der Arbeit dargestellt?
Die Arbeit untersucht die Darstellung des Holocausts in "Bruder Eichmann" und analysiert, wie Kipphardt dieses Thema in seinem Drama behandelt. Es wird auf die verschiedenen Ebenen der Darstellung eingegangen, um die komplexen Aspekte des Stücks zu verdeutlichen.
Für wen ist diese Arbeit gedacht?
Diese Arbeit ist für Leser gedacht, die sich für die Literatur- und Theaterwissenschaft, die Geschichte des Nationalsozialismus und die Vergangenheitsbewältigung interessieren. Sie eignet sich insbesondere für akademische Zwecke und die Analyse von Themen im Kontext der Holocaust-Dramatik.
- Arbeit zitieren
- B.A. Yvonne Hoock (Autor:in), 2007, Heinar Kipphardt: "Bruder Eichmann" - Entdämonisierung der Verbrecher und Enthistorisierung der Verbrechen des Nationalsozialismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78013