Robert Braunagel versteht Hartmann von Aues Erstlingsepos Erec als einen Roman, der sich in seinem Kern lediglich auf Erec und seine Entwicklung konzentriere – im Gegensatz zur Romanvorlage Chrétien de Troyes, der einen Roman über ein Paar verfasste. Die Ausgestaltung der Enite-Figur fiele, so Braunagel, im direkten Vergleich zwangsläufig zu Ungunsten Hartmanns aus; Enite sei dem Hauptprotagonisten Erec lediglich „als Epitheton, als elfenhaftes, vollkommenes Wesen beigestellt“ . Einen Hinweis auf diese Verlagerung gibt die Reduzierung des Romantitels von Erec et Enide bei Chrétien zu Hartmanns Erec. Michel Huby hingegen verdeutlicht anhand einer überwiegend quantitierenden Vergleichsanalyse, dass diese angenommene Verdrängung Enitens „höchst fragwürdig“ sei. Nach seinen Ausführungen nehme Hartmanns Enite im Text einen gleichwertigen, wenn nicht sogar bedeutenderen Platz ein als Chrétiens Enide. Ich werde in dieser Arbeit den Standpunkt vertreten, dass die Gestalt Erecs, den Ausführungen Braunagels folgend, tatsächlich die Mitte ist, nach der Hartmann seinen Roman ausgerichtet hat. In erster Linie ist es seine Entwicklung, die in Hartmanns Roman thematisiert wird. Enite ist ihm von Anfang bis Ende untergeordnet und durchläuft keinerlei persönliche Entwicklung; ihre moralische Wertigkeit bleibt konstant.
Dies alles soll aber nicht heißen, dass ihre Rolle im Erec von geringer Bedeutung wäre. Vielmehr erfüllt Enite eine wichtige Funktion für den Fortgang der Handlung im Erec, sie ist also weitaus mehr als ein „Epitheton“. Zwar bekommt sie im Gegensatz zu Erec zweifellos den passiven Teil der Partnerschaft zugesprochen, doch sind es vordergründig ihr Wesen als „Mittlerin zwischen Mann und Umwelt“ und ihre Bereitschaft zur grenzenlosen triuwe, die Erec auf ihrer gemeinsamen Aventiurenfahrt auf den richtigen Weg zur vollkommenen Ehe- und Minnegemeinschaft führen. Der zu erreichenden Idealeigenschaften, die notwendig sind für eben diese Gemeinschaft, ist Enite bereits von Anfang an teilhaftig, doch bezogen auf ihren gesellschaftlichen Status ist ihre eigene Entwicklung zwangsläufig mit der Erecs verbunden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Erster Handlungszyklus
- Sperberkampf
- Hochzeit und Hochzeitsturnier
- Zweiter Handlungszyklus
- Ehrverlust durch verligen in Karnant
- Die Schuldproblematik
- Aventiurenfahrt
- Verhältnis von Mann und Frau in der frühscholastischen Ehelehre
- Trennung von Tisch und Bett
- Versöhnung
- Joie de la curt
- Ehrverlust durch verligen in Karnant
- Konklusion
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Entwicklung des Protagonisten Erec im Epos „Erec“ von Hartmann von Aue. Es wird untersucht, wie Erec vom unvollkommenen Jüngling zum idealen Ritter und Ehemann heranwächst und welche Rolle seine Gemahlin Enite in diesem Prozess spielt.
- Die Entwicklung von Erecs Persönlichkeit und seine Reifung zu einem idealen Ritter und Herrscher
- Die Rolle Enites als Mittlerin zwischen Erec und seiner Umwelt sowie ihre Bedeutung für die Ausbildung einer idealen Partnerschaft
- Die Bedeutung von Treue und Minne in der mittelalterlichen Ehe
- Die Darstellung der frühscholastischen Ehelehre und ihre Auswirkung auf die Beziehung von Erec und Enite
- Die Herausforderungen und Prüfungen, denen Erec auf seiner Aventiurenfahrt gegenübersteht
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Relevanz der Figur Erecs für den Roman und die unterschiedlichen Interpretationen seiner Entwicklung dar. Im ersten Handlungszyklus wird Erecs unvollkommener Charakter deutlich, der durch seine jugendliche Überheblichkeit und sein ungenügendes höfisches Verhalten gekennzeichnet ist. Der Sperberkampf dient als Ausgangspunkt für Erecs Suche nach Ehre und die Heirat mit Enite. Der zweite Handlungszyklus widmet sich Erecs Aventiurenfahrt, die seine Entwicklung zu einem idealen Ritter und Ehemann markiert. Erec muss lernen, seine Pflichten als Ritter und Herrscher mit seinen Gefühlen für Enite in Einklang zu bringen. Er durchlebt Phasen des Ehrverlustes, Trennung von seiner Frau und schließlich Versöhnung.
Schlüsselwörter
Hartmann von Aue, Erec, Enite, höfisches Verhalten, idealer Ritter, Minne, Ehe, Treue, Aventiurenfahrt, frühscholastische Ehelehre, Ehre, Entwicklung, Persönlichkeit, Beziehung, gesellschaftlicher Rahmen.
- Quote paper
- Davina Ruthmann (Author), 2007, Die Entwicklung Erecs vom jungelinc zum wunderære und ihre Bedeutung für die Ausbildung einer idealen Partnerschaft bei Hartmann von Aue, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79351