Einflüsse der Psychoanalyse auf den literarischen Schaffensprozess von Arthur Schnitzler


Seminararbeit, 2007

18 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Gliederung

I. Vorwort

II. Verhältnis zwischen Psychoanalyse und moderner Literatur

III. Beziehung zwischen Arthur Schnitzler und Sigmund Freud

IV. Bedeutung psychoanalytischen Wissens für den kreativen Prozess von Arthur Schnitzler

V. Schlussbetrachtung

Vorbemerkung

Die in der Hausarbeit angeführten Zitate wurden aus dem jeweiligen Originaltext unverändert, demnach ohne grammatikalische oder die derzeit geltende Rechtschreibung betreffende Veränderungen, übernommen.

Sofern in den angeführten Zitaten eine Veränderung vorgenommen worden ist, wurde diese Veränderung in eckigen Klammern in folgender Form markiert:

[…, D.G.], wobei die Abkürzungen D.G. für die Initialen des Verfassers stehen.

I. Vorwort:

In meiner Hausarbeit werde ich mich ausführlich mit der Frage auseinander setzen, in welcher Art und Weise die Einflüsse der zur damaligen Zeit neu entstandenen Psychoanalyse auf den literarischen Schaffensprozess von Arthur Schnitzler gewirkt haben.

Im Verlauf meiner Ausarbeitung werde ich mich zuerst mit dem Verhältnis zwischen Literatur und Psychoanalyse im Allgemeinen auseinandersetzen, anschließend werde ich die Beziehung zwischen Arthur Schnitzler und Sigmund Freud erhellen, um nachfolgend der Frage nach der Bedeutung von psychoanalytischem Wissen für den kreativen Schreibprozess Schnitzlers auf den Grund zu gehen.

Abschließend werde ich meine Ausarbeitung mit einer Schlussbetrachtung zu Ende führen.

II. Verhältnis zwischen Psychoanalyse und moderner Literatur

Obgleich die Psychoanalyse heute, wie bereits zu ihrer Entstehungszeit um die Jahrhundertwende vom 19. ins 20. Jahrhundert, als umstritten galt, ist man sich über die von ihr ausgehende epochale Bedeutung einig.

,,Sigmund Freud, Schöpfer der Psychoanalyse, prägte das Jahrhundert wie kein anderer“, befand der Spiegel (15.6.1998) in einem ihn und sein Lebenswerk würdigenden Artikel.

Unter diesem Hintergrund betrachtet erscheint es als nicht verwunderlich, dass sich nahezu jeder bedeutende Autor der literarischen Moderne nach der Veröffentlichung von Freuds Traumdeutung, im Jahr 1900, mit der Psychoanalyse auseinander gesetzt hat und sich dadurch, sei es bewusst oder unbewusst, von ihr prägen ließ. Dabei kam es neben ergreifenden Lobreden, die Freud als Begründer einer neuen ,,Weltbewegung“ feierten, von der ,,alle möglichen Gebiete des Geistes und der Wissenschaft sich ergriffen zeigten“1, auch zu starken Ablehnungshaltungen gegenüber der Psychoanalyse, wie sie beispielsweise Karl Kraus seiner Zeit in seinem bekannten Bonmot äußerte:

,,[Die] Psychoanalyse ist jene Geisteskrankheit, für deren Therapie sie sich hält.“2

Robert Musil beschrieb die dramatischen Spannungen, die zwischen Psychoanalyse und moderner Literatur herrschten, sehr trefflich mit der Äußerung, dass die Psychoanalyse für den Dichter eine ,,finster drohende und [dennoch, D.G.] lockende Nachbarmacht“3 darstelle.

Diesen Ausspruch des zeitgenössischen Dichters zu Grunde legend, lässt sich analysierend herauslesen, dass sich das Verhältnis zwischen Psychoanalyse und moderner Literatur, um die Zeit der Jahrhundertwende, als ein Verhältnis von gegenseitiger Kooperation und Konkurrenz gestaltet hat.

Hierbei war die zum Teil hoch dramatische Beziehung sowohl durch gegenseitige Wertschätzung, als auch durch starke Rivalitäten und Prioritätsansprüche gekennzeichnet.

III. Beziehung zwischen Arthur Schnitzler und Sigmund Freud

Wenn es einen Schriftsteller gegeben hat, dessen literarische Werke sprichwörtlich in der unmittelbaren Nähe zu Freud und der Psychoanalyse

1 Thomas Mann, Freud und die Psychoanalyse: Reden, Briefe, Notizen, Betrachtungen,
hrsg. von Bernd Urban (1991), S. 48.
2 Karl Kraus, "Die Fackel," Nr. 376/277 (30.Mai 1913), 21.
3 Robert Musil, Prosa und Stü>

entstanden sind, so ist das Arthur Schnitzler gewesen. Die Beziehung zwischen den beiden herausragenden intellektuellen Größen der Jahrhundertwende ist von einer Vielzahl an Gemeinsamkeiten und Vorlieben geprägt, was die heutige Forschung, wie auch zeitgenössische Beobachter, dazu veranlasst hat, von Schnitzler gemeinhin als ,,Doppelgänger [Freuds, D.G.] auf dem Feld der Literatur“4 zu sprechen.

Gestützt wird diese These in der Forschung durch Zuhilfenahme des nachfolgenden berühmten Zitats, welches Arthur Schnitzler 1930 in einem auf Englisch geführten Interview selbst äußerte:

,,In some respects I am the double of Professor Freud. Freud himself once called me his psychic twin. I tread in literature the same path which Freud explores with amazing audacity in science.”5

Allerdings wirft diese, lediglich die Oberfläche betrachtende Formulierung des Doppelgängers, ein trügerisches Bild auf die Beziehung zwischen Schnitzler und Freud, die trotz der räumlichen Nähe von einer ,,unheimlichen“ Mischung aus Nähe und Distanz, Interesse und Kritik geprägt war, was nachfolgend Gegenstand meiner Betrachtungen sein wird.

Ein Element gegenseitiger Verbundenheit lag im gemeinsamen konfessionellen Hintergrund verborgen. Als Erstgeborene jüdischer Eltern lehnten beide den Geist der jüdischen Religion ab, ohne ihn zu verraten. In Schnitzlers Autobiographie findet sich hierzu folgende Passage, die Auskunft über sein Verhältnis zum väterlichen Glauben gibt:

,,Alles Dogmatische, von welcher Kanzel es auch gepredigt und in welchen Schulen es gelehrt wurde, war mir durchaus widerwärtig […]. Und ich hatte zum sogenannten Glauben meiner Väter […] so wenig innere Beziehung als zu einem anderen.“6

Auch bei Freud, der seinen bei der Geburt erhaltenen hebräischen Namen Shlomo, sowie die jüdischen Rituale ablehnte, finden sich schriftliche Nachweise über sein angespanntes Verhältnis zum jüdischen Glauben.

Den hebräischen Lesern von Totum und Tabu offenbarte er, ,,der väterlichen Religion – wie jeder anderen – völlig entfremdet“7 zu sein.

Als Angehörige einer diskriminierten rassischen Minderheit blieb beiden die schmerzliche Erfahrung des Antisemitismus zur Zeit des zunehmenden Verfalls der k. und k. Monarchie nicht erspart, mit welcher sich Schnitzler mehrfach in

4 Thomas Anz, Psychoanalyse in der literarischen Moderne: Einleitung und Wiener Moderne (2006), S.129.
5 Georg S. Viereck, The World of Arthur Schnitzler (1930), MAL 5/3-4, 7-17, 10.
6 Arthur Schnitzler, Jugend in Wien: Eine Autobiographie, hrsg. von Therese Nickl und Heinrich Schnitzler (1981), S.84.
7 Sigmund Freud, Studienausgabe (1969-75), S.293.

seinen literarischen Werken auseinander gesetzt hat.

Trotz der Ablehnung des Glaubens, wobei die Loslösung vom jüdischen Glauben bei Schnitzler erheblich weiter ging als bei Freud, hielten beide am Judentum fest. Ein weiterer gegenseitiger Berührungspunkt bildete die von beiden durchlaufene medizinische Ausbildung an der berühmten Wiener medizinischen Schule. Schnitzler, der Sohn des bekannten Wiener Arztes und Leiter der Poliklinik Johann Schnitzler war, verschrieb sich ,,ohne wirkliche Begabung oder auch nur [mit] auffallende[m] Interesse nach der naturwissenschaftlichen Seite hin“8 nach dem Vorbild seines Vaters, der für ihn ,,Leitfigur und Trauma zugleich“9 darstellte, dem Studium der Medizin, welches er mit seiner Promotion 1885 erfolgreich beendete.

Bereits während der Studienzeit entdeckte Schnitzler nach und nach die tief in ihm schlummernde künstlerische Seite, deren Auslebung er sich immer stärker

widmete. Auch wenn Schnitzler den Beruf als Arzt nach dem Tod seines Vaters

1893 aufgibt um sich gänzlich der Literatur zuzuwenden, hat ihn seine langjährige medizinische Ausbildung, sowie die praktische Anwendung am Patienten, besonders in der Psychiatrie, in seinem literarischen Schaffensprozess fortwährend beeinflusst und geprägt. Dass seine naturwissenschaftliche Grundprägung zur Bildung seines Selbstverständnisses in erheblichem Maße beigetragen hat, offenbarte er selbst in folgendem Ausspruch:

,,Wer je Mediziner war, kann nie aufhören, es zu sein. Denn Medizin ist eine Weltanschauung.“10

Dass auch für den Psychoanalysen Freud in Schnitzlers Persönlichkeit immer wieder der Arzt durchschimmerte, macht jene Briefanrede deutlich, in der Freud Schnitzler einmal, unter Berufung auf sein Doktordiplom der Medizin, als ,,verehrte[n] Herr[n] College[n]“11 anspricht.

Gewohnt selbstkritisch reflektiert Schnitzler rückblickend in seiner Autobiographie sein Verhältnis zum Studium der Medizin wie folgt:

,,Nach wie vor blieb ich dem Studium der Medizin dankbar dafür, daß es mir den Blick geschärft und die Anschauung geklärt hatte; - daß ich sie aber als Beruf gewählt, sah ich vor allem mit Rücksicht auf meine hypochondrischen Anlagen als eine arge und leider nicht wiedergutzumachende Dummheit an.“12

[...]

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Einflüsse der Psychoanalyse auf den literarischen Schaffensprozess von Arthur Schnitzler
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Veranstaltung
NDL
Note
1,5
Autor
Jahr
2007
Seiten
18
Katalognummer
V79997
ISBN (eBook)
9783638857680
ISBN (Buch)
9783638855532
Dateigröße
492 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Einflüsse, Psychoanalyse, Schaffensprozess, Arthur, Schnitzler
Arbeit zitieren
Dominik Gerhard (Autor:in), 2007, Einflüsse der Psychoanalyse auf den literarischen Schaffensprozess von Arthur Schnitzler, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79997

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