Zur Funktion von Sagen in Fontanes "Wanderungen durch die Mark Brandenburg"


Seminararbeit, 2003

16 Seiten, Note: 1.3


Leseprobe


Gliederung

1 Einleitung

2 Hauptteil
2.1 Zum Sagenbegriff
2.2 Die Sage zur Gründung des Klosters Lehnin
2.3 Die Sage vom „Räuberberg bei Krentzlin“
2.4 Die Sage über die Uchtenhagens bei Freienwalde
2.5 Die Sage vom Böttcher von Freienwalde
2.6 Die Sage von Falkenrehde
2.7 Die Sage der zwei „heimlich „Enthauptete[n]“

3 Ergebnis

1 Einleitung

Das literarische Werk Theodor Fontanes ist unerschöpflich. Die „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“, mit denen er den „liebenswürdigen Bewohnern ... zahlreiche Denkmäler errichtete“ (Metzler[b]: 295) machen dabei einen erheblichen Teil aus. Hierbei handelt es sich um Reisefeuilletons und historische Aufsätze, die in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht wurden (vgl. ebd.). Das Gesamtwerk dieser Kurzbeschreibungen, also die Wanderungen durch die Mark Brandenburg „ist das Ergebnis eingehender Überarbeitung, Erweiterung und kritischer Auswahl“ (Kindler, Bd. 5: 680). Eine Gemeinsamkeit der fünf Bände besteht darin, dass sie alle Sagen enthalten. Dass sich Fontane insgesamt viel mit Sagen aus der Mark Brandenburg beschäftigt hatte, kann wissenschaftlich belegt werden. In dem Aufsatz „Fontane und die Sage von Jarl Iron von Brandenburg“ verweist Heinz Gebhardt auf G. Mangelsdorf, der belegt, dass sich Fontane intensiv mit Sagen aus der Mark Brandenburg beschäftigt hat. Der 1819 in Neuruppin geborene Autor habe an einem Buch gearbeitet hatte, welches sich ausschließlich mit Geschichten aus der Region beschäftigen sollte. Für das erste Kapitel hatte der Autor die Heldensage von Jarl Iron von Brandenburg bestimmt, eine komplizierte Sage nach Art der Nibelungensage, zu der Fontane im Dezember 1888 bereits erste Aufzeichnungen erstellte (vgl. Gebhardt: 200). Dieses Buch wurde jedoch nie publiziert. Dafür finden sich Sagen der brandenburgischen Kulturgeschichte in Fontanes Wanderungen durch die Mark Brandenburg, die in vier Teilen zwischen 1862-1882 erschienen und „Reisefeuilletons sowie historische Aufsätze [enthält, die] für den Laien interessant und ansprechend [sein]...können“ (Kindler: 679).

Diese Arbeit wird sich im folgenden mit Sagen aus dem brandenburgischen Raum, die in Fontanes Texten verwendet wurden, auseinander setzen. Besonders interessant ist die Frage nach dem Verhältnis zwischen der besagten Gattung und den Texten, in denen sie eingebettet sind. Zu dieser Analyse sollen sechs Sagen vorgestellt, zusammengefasst, literatur-theoretisch untersucht und miteinander verglichen werden, sofern dieses möglich ist.

Da kaum Sekundärliteratur zu diesem Thema existiert, ist die Anzahl der Quellen begrenzt. Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung, der gleichzeitig auch den Vergleich unter den verschiedenen Sagen darstellt.

2 Hauptteil – Analyse

Im Folgenden sollen die Primärtexte vorgestellt und anschließend analysiert werden. Die Analyse beschränkt sich vorerst auf die Klassifizierung, d.h. es soll erarbeitet werden, um welche Art von Sage es sich hier handelt. Außerdem soll auch etwas zur Funktion der Sage in Fontanes Texten gesagt werden. Ein Vergleich wird erst im Kapitel 3 angestellt.

Im Vorfeld meiner literarischen Analyse wird ein theoretischer Teil zum Sagenbegriff stehen.

2.1 Zum Sagenbegriff

Die Definition der Gattung Sage hat sich in den letzten zwei Jahrhunderten einem Wandel unterzogen. Galt sie noch bis ins 18. Jahrhundert als ein „Synonym für Bericht, Erzählung, Kunde, Gerücht“ (Metzler: 405) begrenzt sich die moderne Definition „auf volkstümliche, knappe Erzählungen, die bestimmte Örtlichkeiten, Personen, Ereignisse,(Natur-) Erscheinungen usw. meist mit magischen, numinosen oder mythischen Elementen verknüpfen“ (ebd.). Es scheint, als wären Sagen und Märchen sehr eng miteinander verwandt, da beide Formen nicht nur gleiche Themen und Motive aufgreifen, sondern auch eine orale Tradition voraussetzen. Der erhebliche Unterschied zwischen Märchen und Sage besteht jedoch in der Tatsache, dass die Sage „an reale Orte und historische Personen anknüpft und geglaubt sein will.“ (Goldmann Lexikon: 8452).

Was die Sagenentstehung betrifft, geht die Literaturwissenschaft von verschiedenen Ansätzen aus. So kann zum Beispiel eine subjektive Wahrnehmung (nach Bausinger) Anlass für die Entstehung und die Verbreitung einer Sage sein, d.h., dass eine selbst erlebte, außergewöhnliche Begegnung (vgl. Metzler) „veröffentlicht“ wird und dann ihren Umlauf nimmt. Ähnlich geschieht die Sagenentstehung beim objektiven Geschehen, wobei es sich hier um historische (regionale und lokale) Ereignisse handelt, die nicht entschlüsselt werden können. Mit gegenständlicher Realität oder sog. Objektivationen meint Bausinger solche Sagentypen, die sich mit Sachgegenständen wie z.B. seltsamen Namen oder Naturerscheinungen auseinandersetzen, die den Anlass für die Sagenentstehung darstellen. Ob es möglich ist, dass eine Sage aus einem Konglomerat der benannten Ansätze besteht, ist meiner Quelle nicht zu entnehmen, was heißen könnte, dass es generell nicht als unmöglich erscheint.

Die Definition, die sich bis in das 18. Jahrhundert gehalten hat, nämlich, dass eine Sage ein Synonym für Gerüchte seien, wäre für viele Sagen wohl zutreffend, wie sich auch im Verlauf dieser Arbeit herausstellen wird.

Was alle Sagen gemeinsam haben, ist ein sehr einfacher Erzählstil, der auf literarische Feinheiten verzichtet. Im Mittelpunkt steht nicht die literarische Raffinesse, sondern die Geschichte, das Ereignis, das durch die mündliche Weitergabe immer wieder ein wenig anders inszeniert wird. So passiert es z.B. auch, dass sich eine Sage durch die Überlieferung einem Wanderungsprozess unterzieht und schließlich an einem anderen Ort heimisch wird als an dem, wo sie ursprünglich entstand.

Sagen haben im Allgemeinen vor allem die Funktion, eine Erklärung für „eine übernatürliche Begründung für auffällige Erscheinungen“ (Goldmann: 8452) zu geben. So kommt es häufig zu Erzählungen mit mythisch-dämonischem Inhalt. (Der höhere Realitätsanspruch der Sagen bleibt trotzdem bewahrt durch meist wirklich existierende Orte, Naturerscheinungen etc.).

2.2 Die Sage zur Gründung des Klosters Lehnin

Die erste Sage, mit der ich mich befassen möchte, betrifft die Gründung des Klosters Lehnin. Zu finden ist sie im Havelland-Band, dessen erster Teil den Titel Die Wenden und die Kolonisation der Mark durch die Zisterzienser trägt. Das Unterkapitel Kloster Lehnin ist in drei Abschnitte geteilt, von denen sich lediglich der erste mit der Gründung des Klosters, also mit der Sage darüber, befasst. Als Quelle für die Sage nennt Fontane den böhmischen Schriftsteller Pulkava. Dieser wiederum führt die Erbauung des Klosters Lehnin auf den Markgraf „Otto I., der Sohn Albrechts des Bären“ (Fontane: 541) zurück und erzählt, dass Otto I. sich nach einem langen Tag der Jagd auf einem Waldstück niederließ, „eben [an] der Stelle..., wo später Kloster Lehnin erbaut wurde“ (ebd.). Im Traum begegnete ihm eine Hirschkuh, die ihn so lange belästigte, bis er sie tötete. Da der Markgraf von seinem Traum erzählte und seine Anhänger die Hirschkuh „als Sinnbild des Heidentums“ (ebd.) erkannten, drangen sie Otto I., „eine Burg gegen die heidnischen Slawen“ (ebd.) zu errichten. Der wiederum hatte die Vorstellung von einer „geistlichen“ Burg, die ihn vor seinen Feinden schützen sollte, woraufhin die Erbauung des Klosters Lehnin, das man laut dem Geschichtsschreiber auf das slawische Wort Lanye für Hirschkuh zurückführen könne, 1180 beschlossen und in Auftrag gegeben wurde.

Es ist nicht ganz einfach, die Lehnin-Sage einer bestimmten Sagenform, wie sie in 2.1 erklärt wurden, zuzuordnen. Zumal stellt sich die Frage, ob hier überhaupt eine Sage vorliegt, wenn man davon ausgeht, dass „die Entstehung von Sagen [...] eine orale Erzähltradition voraus[setzt]“ (Metzler: 405). Schließlich ist die Entstehungsgeschichte des Klosters in erster Linie durch Pulkava nur schriftlich tradiert. Es gibt aber andere Merkmale, die darauf schließen lassen, dass hier eine Sage, genauer: eine Lokalsage vorliegt. Zum einen wird hier ein Ereignis der Lokalgeschichte beschrieben, nämlich die Entstehung des Klosters Lehnin. Damit fällt die Sagenentstehung in die Kategorie des objektiven Geschehens. Zum anderen kann man sie auch der Kategorie der gegenständlichen Realität zuordnen, denn schließlich besteht die Möglichkeit, dass der Name des Klosters ein ethymologischer Entstehungsgrund für die Sage war. Es ist also naheliegend, dass Die Gründung des Klosters eine Erklärungssage ist, die den Namen Lehnin erläutern soll.

Beschäftigt man sich nun mit der Funktion der Kloster-Sage in Fontanes Wanderungen, so muss noch einmal erläutert werden, dass die Geschichte und Entwicklung des Klosters in drei Teile gegliedert ist und die Entstehung nur den ersten ausmacht. Dieser ist sehr kurz und wäre es wahrscheinlich noch viel mehr, wenn der Autor sich auf die bloße Nennung der Abtei beschränkt hätte. Die Überlieferung des Traumes des Otto I. erklärt nicht nur die Existenz von Kloster Lehnin, sondern macht die Entstehungsgeschichte auch um ein Vielfaches interessanter.

Fontane setzt sein Unterkapitel über das Kloster Lehnin mit der Aufzählung der Äbte fort, die mit dem ersten Abt, Abt Sibold, der von 1180 bis 1190 tätig war, befindet. Auch über ihn existiert eine Sage, die in ihren Einzelheiten nun nicht dargestellt werden soll. Wesentlich ist der Fakt, dass der Geistliche von „umwohnenden Wenden“ (Fontane: 543) erschlagen wurde. Fontane weist schon zu Beginn seines Abschnitts über die Äbte darauf hin, dass die näheren Umstände Mordes an dem Abt, von denen die Sage erzählt, historisch nicht belegbar sind. Zum Schluss bezweifelt der Autor sehr stark die Authentizität der Legende: „Sie schien mir nicht den Charakter des zwölften Jahrhunderts zu tragen, in welchem das Mönchtum, gehoben und miterfüllt von den großen Ideen jener Zeit, auch seinerseits ideeler, geheiligter, reiner dastand als zu irgendeiner Zeit“ (Fontane: 544). Hier erkennt man schon den wissenschaftlichen Aufklärungscharakter, der sich zeitweilig durch Fontanes Texte zieht.

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Zur Funktion von Sagen in Fontanes "Wanderungen durch die Mark Brandenburg"
Hochschule
Universität Potsdam
Note
1.3
Autor
Jahr
2003
Seiten
16
Katalognummer
V80694
ISBN (eBook)
9783638872058
Dateigröße
425 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Funktion, Sagen, Fontanes, Wanderungen, Mark, Brandenburg
Arbeit zitieren
Christiane Grammel (Autor:in), 2003, Zur Funktion von Sagen in Fontanes "Wanderungen durch die Mark Brandenburg", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/80694

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Zur Funktion von Sagen in Fontanes "Wanderungen durch die Mark Brandenburg"



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden