Zur Unterscheidung der Wortarten Adjektiv und Adverb in adverbialem Gebrauch


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

23 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Historische Entwicklung der Adjektivadverbien im Deutschen
2.1 Althochdeutsch
2.2 Mittelhochdeutsch und Neuhochdeutsch

3 Adverbendungen in anderen Sprachen

4 Zur Darstellung der Adverb-/ Adjektivproblematik in der deutschen Grammatik
4.1 Duden
4.2 Admoni – Der deutsche Sprachbau
4.3 Eisenberg – Grundriß der deutschen Grammatik
4.4 Helbig/ Buscha – Deutsche Grammatik

5 Zusammenfassung

6 Literatur

1 Einleitung

Im Rahmen des Seminars „Probleme der deutschen Grammatik: Indeklinabilia“ brachte ich in mein Referat zum Themenkomplex „Adverbien“ eine Definition nach Duden ein, die folgendermaßen aussah:

- Adverbien bestimmen Verben, Adjektive, Adverbien, Substantive (attributiv und prädikativ) oder einen ganzen Satz näher

Er rennt schnell. (Verb)

Das Haus ist besonders schön. (Adjektiv)

Ich melde mich sehr bald. (Adverb)

Das Wetter heute ist häßlich. (attributiv)

Das Buch ist dort. (prädikativ)

Ich kann leider nicht kommen (Satzadverb)

Diese Definition wurde von der Seminargruppe ohne Widerspruch angenommen. Bei der näheren Beschäftigung mit der Thematik „Adverb“ stößt man jedoch auf ein Problem, das sich innerhalb der linguistischen Diskussion rund um den Gebrauch der Wortart Adverb und ihrer Abgrenzung zur Wortart Adjektiv ergibt. Alle Grammatiken sind sich darin einig, daß das Wort schnell in der Nominalphrase der schnelle Mann ein Adjektiv in attributivem Gebrauch ist. Untersucht man die Einordnung des Wortes schnell im obigen Beispielsatz Er rennt schnell. näher, stellt man allerdings fest, daß es ganz unterschiedliche Ansichten darüber gibt, ob es sich um ein Adverb, ein Adjektivadverb oder ein Adjektiv handelt.

Dieser Problematik wird im Folgenden nachgegangen. Um einige der Ansätze der Diskussion verstehen zu können, ist es notwendig, die historische Entwicklung des sogenannten Adjektivadverbs darzustellen. Außerdem soll ein kurzer Blick in andere Sprachen erfolgen, der weitere Fragen beantworten bzw. auch aufwerfen kann. Dann werden verschiedene Ansätze aus gebräuchlichen Grammatiken untersucht und dargestellt.

Zum besseren Verständnis wird der Begriff ‚Adjektivadverb’ im historischen Zusammenhang, in dem er begründet ist, gebraucht. Im weiteren Verlauf soll er, insofern er nicht von den einzelnen Linguisten gebraucht wird, vermieden werden. Da viele Grammatiker unterschiedliche Bezeichnungen für ein und dieselbe Sache haben, meint ‚adverbiale Stellung’ das, was der Duden darunter versteht: die Verwendung eines (der äußeren Form nach) Adjektivs an der Stelle, an der ein ‚prototypisches’ Adverb zu finden sein kann (Er rennt schnell. – Er rennt heute. – Er rennt leider. usw.).

Der Duden ist nach wie vor das Standard-Nachschlagewerk an den Schulen. Deshalb wird seine Grammatik hier besonders beleuchtet. Weiterhin kommt die Grammatik von Eisenberg zur Bearbeitung, da es sich hierbei um eine in der Linguistik empfohlene und für die Lehrerausbildung benutzte Grammatik handelt. Admoni als Vertreter der funktionalen Grammatik soll ebenfalls Beachtung finden. Da sich Eisenberg in seiner Kritik direkt auf Admoni bezieht, ist diese Betrachtung besonders interessant. Die Grammatik von Helbig/ Buscha steht ebenfalls in der Reihe der „traditionellen“ Grammatik, hat aber die Besonderheit, „ein Handbuch für den Ausländerunterricht“ (so der Untertitel) zu sein.

Natürlich hätten auch andere Grammatiken gewählt werden können. Aufgrund des eingeschränkten Umfangs der vorliegenden Arbeit muß relativ willkürlich eine Einschränkung vorgenommen werden.

2 Historische Entwicklung der Adjektivadverbien im Deutschen

Der Wortart Adverb wird seit jeher eine große Beweglichkeit zugeschrieben. Es entstanden und entstehen ständig neue Wörter der Kategorie Adverb, vor allem durch die Prinzipien der Wortbildung. Im historischen Kontext spielen bei den Adjektivadverbien Reduktion und Apokope eine wichtige Rolle. Sie veränderten die Kategorie nicht semantisch, sondern morphologisch. Aus ihnen entstanden die Schwierigkeiten zur kategorialen Einordnung adverbial (bzw. prädikativ) gebrauchter Adjektive und Adverbien. Im Folgenden soll diese Entwicklung kurz dargestellt werden.

Paraschkewoff hat zur Entwicklung der Adjektivadverbien eine umfangreiche Arbeit verfaßt. Diese liegt den Ausführungen hier zugrunde. Sie wird in (fast) allen sprachhistorischen Betrachtungen zur Adjektiv/Adverb-Problematik zitiert.[1]

Paraschkewoff definiert ‚Adjektivadverbien’ als alle Adverbien, „die auf irgendeinem Weg […] aus Adjektiven entstanden sind.“[2] Er unterteilt die Adverbien aller Sprachstufen in drei Gruppen, die er nach deren strukturellen Aufbau definiert. Adverbien haben allerdings zumeist mehrere Funktionen:

1. qualitative Adjektivadverbien: Diese Adverbien entstehen aus einer Verbindung von qualitativen Adjektiven[3] und einem Suffix.
2. erstarrte Kasusformen: Diese Adverbien sind erstarrte Genitiv- und Akkusativformen und haben zumeist ein –s als Suffix.
3. zusammengesetzte Adverbien: Diese Gruppe der Adverbien unterteilt Paraschkewoff in drei Untergruppen. Zusammengesetzte Adverbien mit adverbialer Funktion bestimmen das Prädikat näher und können qualitative, quantitative, lokale, temporale oder eine andere Funktion haben. In präzisierender Funktion modifizieren die zusammengesetzten Adverbien zu einem anderen Satzteil als zum Prädikat. In diese Gruppe fallen vor allem die Steigerungsadverbien. Hat ein zusammengesetztes Adverb modale Funktion, so hat es Einfluß auf die Satzaussage (freilich, leider usw.).

Zur Untersuchung der historischen Entwicklung dessen, was heute als Adjektivadverbien, aber auch als ‚Adjektive in adverbialer Funktion’ oder einfach Adverbien bezeichnet wird, wird im Folgenden nur die erste Kategorie untersucht. Sie bereitet, wie sich herausstellen wird, die größten Schwierigkeiten bei der Unterscheidung von Adjektiv und Adverb in prädikativer Stellung im Deutschen.

2.1 Althochdeutsch

Die Notwendigkeit der Unterscheidung von Adjektiv und Adverb ergibt sich daraus, daß im Althochdeutschen Adjektive sowohl attributiv als auch prädikativ verwendet werden und vor und hinter dem Bestimmungswort stehen konnten. Diese Unterscheidung erfolgte durch Suffigierung. Jedes qualitative Adjektiv kann durch das Anhängen der Endung –o zu einem Adverb gemacht werden. Das Suffix wird dazu direkt an die Wurzel angehängt.

Adj . gûot – Adv. gûoto

tiuri - tiuro

Die Herkunft des Suffixes -o erklärt sich sowohl aus dem Lateinischen als auch aus dem Indogermanischen, wo der Ablaut – ō (cert ō) bzw. – ōd den Ablativ markierte.

Bei Adjektiven mit umlautfähigen ja-Stämmen, i- und u- Stämmen erfolgte die Unterscheidung außerdem durch den nicht umlautenden Wurzelvokal im Adverb.

Adj. engi - Adv. ango

festi - fasto

Das Suffix –o wurde auch an Adjektive mit dem Suffix –lîch angehängt. Auf diese Besonderheit wird im Vergleich zu anderen Sprachen zurückzukommen sein.

Im Vergleich zum Neuhochdeutschen konnten die Adverbien im Althochdeutschen noch kompariert werden. Dies geschah ebenfalls durch Suffigierung.[4]

Adj. kleiniro - Adv. kleinor (Komparativ)

Im Althochdeutschen war die Unterscheidung von Adjektiv und Adverb durch den Suffix bzw. die Umlautung des Wurzelvokals also eindeutig.

Allerdings bildete sich neben der pronominalen Form des Adjektivs auch eine unflektierte Form heraus. Diese wurde im Laufe der Zeit öfter prädikativ eingesetzt als die flektierte. Die funktionale Differenzierung zwischen attributivem und prädikativem Einsatz der flektierten bzw. unflektierten Adjektivform führten im Mittelhochdeutschen zur formalen Angleichung von Adjektiv und Adverb.

2.2 Mittelhochdeutsch und Neuhochdeutsch

Im Mittelhochdeutschen wurde das Suffix –o abgeschwächt und zu einem –e reduziert. Bei Adverbien mit den Ableitungssilben –el, -en und -er wurde das –e schon in der Zeit des Mittelhochdeutschen vollständig apokopiert. Ebenso änderte sich die Umlautung bei den ja- Stämmen dahingehend, daß sie formal nicht mehr von den Adjektiven unterscheidbar waren.

Die Abschwächung des Suffixes bei Adjektivadverbien geschah im Zusammenhang mit der allgemein einsetzenden Abschwächung der Auslaute zum Ende der althochdeutschen Periode. Am Ende der mittelhochdeutschen Sprachepoche ging die Suffixkomplexheit verloren, sodaß bereits bei Luther die Apokope des Adverbsuffixes –e vollkommen abgeschlossen war.[5] Im heutigen Sprachgebrauch finden sich nur noch wenige Beispiele, die auf das Vorhandensein einer Adverbendung in früheren Sprachstufen hinweisen. Paul nennt u.a. trübe, mürbe, feige, flügge, träge oder weise bei adverbialem und prädikativem Gebrauch.[6] Gerade das Wort weise zeigt, wie unvollständig die morphologische Anpassung vonstatten gegangen ist: Bei naseweis ist das Suffix vollständig apokopiert worden.

[...]


[1] Siehe dazu: Paraschkewoff, Bors (1967): Entwicklung der Adjektivadverbien im Ostmitteldeutschen vom Beginn der Überlieferung bis Luther. Leipzig.

[2] Paraschkewoff (1967): 1

[3] Bei Paraschkewoff wird nicht deutlich, nach welchen Kriterien er ‚qualitativ’ definiert.

[4] vgl. Meineke, Ekehard (2001): Einführung in das Althochdeutsche. Paderborn, München: Schöningh (UTB 2167): 257

[5] Vgl. Härd, John Evert (1976): Adjektivadverb oder adverbiales Adjektiv? Ein Beitrag zur Forschungsgeschichte der deutschen Grammatik. Åbo Akademi: Acta Academiae Aboensis, 54,1: 14

[6] Vgl. Paul, Hermann (1917): Deutsche Grammatik. Band II: 165

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Details

Titel
Zur Unterscheidung der Wortarten Adjektiv und Adverb in adverbialem Gebrauch
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
Probleme der deutschen Grammatik: Indeklinabilia
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
23
Katalognummer
V83449
ISBN (eBook)
9783638899819
Dateigröße
562 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Unterscheidung, Wortarten, Adjektiv, Adverb, Gebrauch, Probleme, Grammatik, Indeklinabilia
Arbeit zitieren
Lydia Brandl (Autor:in), 2007, Zur Unterscheidung der Wortarten Adjektiv und Adverb in adverbialem Gebrauch, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83449

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