Der Malinche Komplex in der feministischen Literatur Mexikos am Beispiel von Rosario Castellanos "El Eterno Femenino"


Seminararbeit, 2004

19 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Malinche als historische Figur

3. Der Malinche-Komplex

4. Malinche als Stereotyp und Symbol für ein mögliches Frauenbild in der mexikanischen und der Chicano-Kultur

5. “El eterno femenino” von Rosario Castellanos

6. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Als Malinche-Komplex wird ein Phänomen bezeichnet, welcher Bestandteil der mexikanischen/Chicano-Kultur[1] ist. Er ist keineswegs auf die weibliche Bevölkerung beschränkt, sondern beschreibt vielmehr die Empfänglichkeit und Unterwürfigkeit der Mexikaner gegenüber fremden Einflüssen und ihre ablehnende Haltung gegenüber ihrer eigenen Kultur.

Der Ursprung des sogenannten „Malinche-Komplexes“ liegt in der Eroberung Mexikos, welche die spanische Kultur über die indigene „Nicht-Kultur“ stellte und in den Mexikanern den besagten Komplex erzeugte. Malinche, eine India, die dem Eroberer Cortés während der Conquista als Übersetzerin zur Seite stand, verkörpert in den Augen der Mexikaner die Schwäche und Bereitschaft zur Erniedrigung der indigenen Bevölkerung, die aus eben diesem Fehlen der eigenen Kultur resultiert. Der Mexikaner erschafft sich mit der Eroberung und Kolonialisierung neu und nimmt sich des Komplexes an, den er seinerseits an seine Nachfahren weitergibt. Auf diese Weise reproduziert sich der Minderwertigkeitskomplex, ohne jemals aufgearbeitet worden zu sein.

Die vorliegende Arbeit stellt die Auswirkungen des Malinche-Komplexes auf die Chicana- und feministische mexikanische Literatur dar. Dafür ist es notwendig, zunächst das typische mexikanische bzw. Chicano-Frauenbild näher zu erklären. Mit der Erörterung der Figur Malinche und ihrem Wandel im Zuge bestimmter historischer Ereignisse, sollen die genannten Auswirkungen auf die weibliche mexikanische und Chicano-Kultur und Literatur aufgezeigt werden, beispielhaft anhand des Romans „El eterno femenino“ von Rosario Castellanos.

2. Malinche als historische Figur

Die Geschichtsschreibung liefert nur einige wenige Daten zur historischen Figur der Malinche. Erschwerend kommt hinzu, dass die wenigen Historiker, die sich mit ihr befasst haben, in vielerlei Hinsicht widersprüchliche Aussagen treffen. So sind z.B. ihre Lebensgeschichte vor ihrem Zusammentreffen mit den Spaniern sowie die Rolle, die ihr bei der Eroberung zukam, umstritten. Diese Lücken führen dazu, dass die Rekonstruktion der historischen Figur der Malinche nach heutigem Erkenntnistand nicht abschließend möglich ist. An die Stelle einer fest definierten Gestalt rückt eine Art Skizze, die ausreichend Fläche für Projektionen und Interpretationen bietet[2]. Folglich deuten die verschiedenen Varianten der Darstellungen um ihre Figur auf den jeweiligen zeitgenössischen Kontext, in dem sie verfasst wurden.

Die Daten zur Rekonstruktion von Malinches Biographie liefert in erster Linie die „Historia verdadera de la Conquista de la Nueva España“ von einem Offizier Hernán Cortés’ namens Bernal Díaz de Castillo. Seinen Angaben zu Folge, wurde Malinche ca. 1502 in der Gegend von Coatzacoalco, als Tochter einer Herrscherfamilie eines von Azteken unterworfenen Stammes geboren. Als ihr Vater starb, heiratete ihre Mutter erneut und gebar einen Sohn. Um die Herrschaftsansprüche des Sohnes zu sichern, übergaben ihre Mutter und ihr Stiefvater Malinche an Händler. Auf diese Weise gelangte Malinche nach Tabasco, wo sie für einige Zeit Sklavin eines Maya-Stammes war[3].

Malinches Eintritt in die Welt der Spanier wird auf April 1519 datiert. Es ist wahrscheinlich, wenn auch umstritten, dass ihr Name bis zu diesem Zeitpunkt Malinalli lautete. Sie wurde den Spaniern nach deren Ankunft in Tabasco, zusammen mit 19 weiteren Sklavinnen, als Geschenk überreicht. In Folge ihrer Taufe wurde ihr Name in Doña Marina geändert.

Im Anschluss daran wurde Malinche bzw. Marina dem Offizier Alonso Hernandéz de Puertocarrero zugeteilt. Erst nach dessen Abreise nach Spanien wurde sie zu Cortés’ ständiger Begleiterin.

Ihre Fähigkeiten als Dolmetscherin stellte sie in San Juan de Ulua unter Beweis, als der bisherige Übersetzer Aguilar, der nur Maya beherrschte, die dortigen Bewohner nicht verstand. Malinche, die aufgrund ihrer Vorgeschichte sowohl Maya als auch Nahuátl sprach, wurde daraufhin beauftragt, Cortés’ Anweisungen über die Maya Übersetzung von Aguilar in das für die Bewohner verständliche Nahuátl zu übertragen. Diese Dreierkonstellation blieb bestehen, bis Malinche das Spanische erlernt hatte und wurde dann, durch ihre Stellung als alleinige Übersetzerin, abgelöst. Ihre Aufgabe beschränkte sich jedoch nicht auf die einfache Wiedergabe dessen, was Cortés sagte, sondern beinhaltete vielmehr die Übertragung kultureller Ausdrücke, deren Inhalt in der Zielsprache nicht existierten. Folglich kann es zu Bedeutungsverschiebungen, bzw. zu Anpassungen an die kulturelle Umgebung durch Malinche gekommen sein. Diese Fähigkeit als Mediatorin wurde ihr allerdings nur seitens der Indios zugesprochen, während sie die spanischen Chronisten nur indirekt zu Wort kommen lassen[4].

Über ihre sprachlichen Fähigkeiten hinaus war Malinche für die Spanier noch in anderer Hinsicht von Bedeutung. Sie besaß, aufgrund ihrer indigenen Herkunft, Kenntnisse über die geographischen Gegebenheiten des Landes sowie über die Traditionen und Gesellschaftsstrukturen der Azteken; Informationen, die den Eroberern bei ihrer Conquista sehr hilfreich waren. Es kann auch angenommen werden, dass Malinches Wissen um mögliche Verfeindungen verschiedener Stämme dazu genutzt wurde um durch diplomatisches Geschick zahlreiche Verbündete im Kampf gegen Moctezuma zu gewinnen.

Malinche war ebenso bei der Verbreitung des Christentums maßgeblich beteiligt. Sie vermittelte den christlichen Glauben an der Seite des spanischen Priesters Padre Olmedo und leistete dadurch einen bedeutenden Beitrag bei der Bekehrung der Indios. Gleichwohl erfuhr sie von der Kirche bis heute keinerlei Anerkennung[5].

Ihre Loyalität gegenüber den Spaniern bewies Malinche in Cholula, als sie sie angeblich über einen geplanten Überfall informierte, vor dem sie zuvor von der Frau eines Kaziken gewarnt worden war. Bei der Auseinandersetzung mit ihrer Figur im 19. Jahrhundert bildet dieses Verhalten den ausschlaggebenden Grund für den Vorwurf des Verrats an ihrem eigenen Volk. Dem ist entgegenzusetzen, dass die Spanier zuvor keinerlei Anlass gegeben hatten, einen derart heftigen Gegenschlag erwarten zu lassen, somit kann Malinche einer bewussten Mitschuld am daraus resultierenden Blutbad nicht angeklagt werden[6]. Zu diesem historischen Abschnitt existieren außerdem unterschiedliche Versionen, so dass eine abschließende Klärung der Ereignisse in Cholula nicht möglich ist[7].

Für eine emotionale Bindung zwischen Malinche und Cortés existieren keinerlei Hinweise, so dass angenommen werden kann, dass ihre Beziehung zueinander, trotz Malinches Stellung als Übersetzerin, weiterhin vom Besitzverhältnis geprägt war. Gleichwohl brachte sie im Jahr 1522 seinen Sohn Martín zur Welt, den er im April 1529, zusammen mit einer Vielzahl weiterer unehelicher Kinder, vom Papst legitimieren ließ.

Kurze Zeit nach der Geburt von Martín, wurde sie mit dem Indio Juan Jaramillo verheiratet. Gemeinsam mit ihm hatte sie noch eine Tochter namens María.

Um Malinches Verbleib nach 1526 häufen sich eine Vielzahl von Gerüchten und Legenden. Es existieren jedoch keinerlei verlässliche Quellen, die etwas über ihr Fortleben oder Ableben berichten. Somit verschwindet sie genauso plötzlich aus der Geschichte, wie sie erschienen war.

[...]


[1] ‚Chicano’ bezeichnet eine in den USA lebende Person mexikanischer Abstammung. Etymologisch ist der Begriff auf eine verkürzte Form von ‚mexicano’ zurückzurühren.

[2] Dröscher, La Malinche. S. 19.

[3] Peters, Weibsbilder. S. 47.

[4] Glantz, La Malinche, sus padres y sus hijos. S. 86.

[5] Wurm, Doña Marina, La Malinche. S. 27.

[6] ebd. S. 27ff.

[7] ebd.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Der Malinche Komplex in der feministischen Literatur Mexikos am Beispiel von Rosario Castellanos "El Eterno Femenino"
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Philosophie und Geisteswissenschaften)
Veranstaltung
Die Eroberung Mexikos im Widerstreit der Schriften von gestern bis heute
Note
1,3
Jahr
2004
Seiten
19
Katalognummer
V83970
ISBN (eBook)
9783638004428
Dateigröße
428 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Malinche, Komplex, Literatur, Mexikos, Beispiel, Rosario, Castellanos, Eterno, Femenino, Eroberung, Mexikos, Widerstreit, Schriften
Arbeit zitieren
Anonym, 2004, Der Malinche Komplex in der feministischen Literatur Mexikos am Beispiel von Rosario Castellanos "El Eterno Femenino", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83970

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