Von der Idee zum fertigen Film - „Ratten“ von Volker Anding und Enno Hungerland


Magisterarbeit, 2002

190 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS:

1. EINLEITUNG

2. DIE FILMEMACHER
2.1. BUCH UND REGIE: VOLKER ANDING
2.2. BUCH UND REGIE: ENNO HUNGERLAND
2.3. KAMERA UND PRODUKTION: WERNER KUBNY
2.4. GEMEINSAME ZUSAMMENARBEIT AM FILM „RATTEN“

3. VON DER IDEE ZUM FERTIGEN FILM
3.1. DIE IDEENFINDUNG
3.2. DIE RECHERCHE
3.3. DIE AUSWAHL DES FILMSTOFFES
3.4. DIE DREHARBEITEN
3.5. ERWARTUNGEN AN DEN FILM
3.6. DER INHALT DER GESCHICHTE

4. ANALYSE DES FILMS „RATTEN“
4.1. DOKUMENTARISCH-FIKTIONALE MISCHFORM: DER ESSAYFILM
4.1.1. Die dokumentarische Konstruktion: Entstehung einer neuen Wirklichkeit
4.1.2. Dokumentarische Inszenierung
4.1.3. Die Besonderheit der Schwarzweißszenen
4.1.4. Elemente spielfilmähnlicher Inszenierung
4.1.5. Dokumentarische Beobachtung
4.2. DIE TIEFENSTRUKTUR DES FILMS
4.2.1. Die Struktur des Films
4.2.2. Das filmische Konzept
4.2.2.1. Ratte und Pest
4.2.2.2. Die Ratte - ihr größter Feind der Mensch
4.2.2.3. Die Ratte - Was die Zoologie an Fakten bietet
4.2.2.4. Die Ratte als Objekt der Forschung
4.2.2.5. Die Ratte - ihre Fans und Liebhaber
4.2.2.6. Die Ratte in Mythen und Legenden
4.2.2.7. Mensch und Ratte
4.2.2.8. Das Ende des Films
4.2.3. Leitmotive in „Ratten“
4.2.4. Der Rattenkönig als wichtiges Spannungselement
4.2.4.1. Betrachtungen zum dramaturgischen Aufbau
4.2.5. Backgroundstories und der Aspekt „Intuition und 73 Von der Idee zum fertigen Film: „Ratten“ von Volker Anding und Enno Hungerland Zufall“
4.3. DIE OBERFLÄCHENSTRUKTUR DES FILMS
4.3.1. Sujet, Requisite und Licht
4.3.2. Die Tonebene
4.3.3.Musik
4.3.4. Geräusche
4.4. KINEMATOGRAPHISCHE GESTALTUNGSTECHNIKEN
4.4.1. Kameraperspektive, Kameraführung und Nähe-Distanz-Relation
4.4.2. Schnitt, Montage und Mischung
4.4.3. Besondere visuelle Effekte
4.5. „RATTEN“ AUS DER DISTANZ BETRACHTET: WAS WÜRDEN ANDING UND HUNGERLAND HEUTE ANDERS MACHEN?

5. PREISWÜRDIGE RATTEN
5.1. ADOLF GRIMME PREIS FÜR DIE „RATTEN“

6. RESUMÉE

7. LITERATURVERZEICHNIS

8. ANHANG
8.1. EINSTELLUNGSPROTOKOLL ZU „RATTEN“
8.2. INTERVIEW I UND II (15. MÄRZ 2002)
8.3. INTERVIEW III

Danksagung:

Als Verfasserin danke ich allen, die zur Realisierung dieser Arbeit beigetragen haben. Dazu zählen in erster Linie die beiden Regisseure und Drehbuchautoren des Films „Ratten“ Volker Anding und Enno Hungerland, die mir umfangreiches Archivmaterial zur Verfügung gestellt und in mehreren Interviews unzählige Fragen beantwortet haben. Besonders danke ich auch meinem Vater für seinen kritischen Sachverstand und sein wachsames Auge als Lektor, sowie Friso Gentsch, Thea Haseleu und Ursula Esser für die qualvolle Beschäftigung mit „diesem Ungeziefer“ (Zitat Thea), den Ratten. Ein großes Dankeschön gilt auch Hendrik Schopp und seiner Familie, die mir während turbulenter Zeiten in meiner WG Asyl und eine First- Class- Versorgung gewährleistet haben, so dass ich ungestört an meiner Arbeit schreiben konnte. Des Weiteren danke ich auch meiner Familie und meinen Freunden, die mir immer wieder nette Worte und Aufmunterungen entgegen gebracht haben, durch die meine Zeit mit den „Ratten“ um ein Vielfaches versüßt wurde.

1. Einleitung

Durch die übermäßige Flut von Lehrfilmen und uninspirierten Fernsehdo- kumentationen ist der Ruf von Dokumentarfilmen ziemlich negativ be- einflusst worden. Kaum jemand erwartet von einer Dokumentation einen unterhaltsamen Kinoabend. Dass genau das Gegenteil der Fall sein kann, dass dokumentarische Filme nicht nur dokumentieren und informieren sondern auch unterhalten, mitreißen und mitfühlen lassen können, das zeigt der Film „Ratten“ von Volker Anding und Enno Hungerland.

Die beiden Regisseure und Drehbuchautoren haben sich dem unliebsa- men Nager mit ihrem collageartig montierten Essayfilm, einer dokumen- tarisch-fiktionalen Mischform, 90 Minuten polyperspektivisch genähert. Der Zuschauer wird nicht nur mit den unterschiedlichsten Assoziations- momenten rund um die Ratte konfrontiert, er wird darüber hinaus einem wahren Wechselbad der Gefühle ausgesetzt. Die Ratte ist zugleich Objekt der Angst und des Ekels, des Mitleids, der Neugierde und der Sympathie. Die unkonventionelle und experimentelle Form des Films, die durch den Wechsel von Bunt- zu Schwarzweißaufnahmen, von Normal- zu Zeitraffer- und Zeitlupeneinstellungen, von Foto- und Bilddokumenten zu Spielfilm- elementen geprägt ist, entspricht der thematischen Vielschichtigkeit und führt den Rezipienten, einem Musikclip ähnlich, von einer Impression zur nächsten.

Diese Arbeit setzt sich mit der Entstehung des Films „Ratten“, von der Ideenfindung bis hin zu seiner Realisierung, auseinander. Dabei bildet im Rahmen der Filmanalyse die Beziehung zwischen Mensch und Ratte ei- nen wichtigen Schwerpunkt der Ausführungen. Bevor jedoch genauer auf das Thema eingegangen wird, sollen Informationen über die Filmemacher und ihre Arbeit an dem Projekt einen Einblick in die facettenreiche Pro- duktion der „Ratten“ geben. Die anschließende ausführliche formale und inhaltliche Analyse des Films gibt Aufschluss über wichtige Strukturmerk- male, thematische Schwerpunkte rund um die Ratte und Besonderheiten des dramaturgischen Aufbaus. Die sich anschließende technische Film analyse beschreibt exemplarisch auffällige gestalterische Merkmale und ihre Wirkung auf die Gesamtintention von „Ratten“.

Da es zu „Ratten“ und seiner Produktion keine Sekundärliteratur gibt, stützt sich die Arbeit im Wesentlichen auf die Erkenntnisse, die durch In- terviews mit den beiden Regisseuren, aus dem Regiekonzept, dem Dreh- buch- und plan, dem Exposé und durch die mehrmalige Rezeption des Films und der Rohschnitte gewonnen werden konnten. Formal und inhalt- lich passt sich die Arbeit in weiten Teilen dem experimentellen und unkon- ventionellen Stil des Films an. Im essayistischen, durch viele Zitate ge- prägten Schreibstil wird wie in „Ratten“ manchmal ohne ausführliche Über- leitung das nächste Thema angeschnitten. Eingefügte Fotos, Story- boardelemente, Zeitungsartikel und der Venedig-Stadtplan erinnern dabei an die collageartige Struktur des Films.

2. Die Filmemacher

2.1. Buch und Regie: Volker Anding

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.: © by den Autoren 1

Volker Anding wurde 1950 im oberbergischen Radevormwald geboren. Er studierte von 1967 bis 1972 Diplom-Design an der Gesamthochschule Wuppertal (Abteilung Film), begann 1973 ein Studium an der Kunstakademie in Düsseldorf, bekam 1977/78 ein New York-Stipendium und schloss 1980 als Meisterschüler ab.

1984 nahm er seine Tätigkeit als Autor und Regisseur, bevorzugt für Do- kumentationen, Portraits und Comedy, auf. Anding ist Cineasten, die in den 80ern die deutsche Produktion verfolgten, ein Begriff. Mit seinem ers- ten halblangen Film „Fall des Elefanten“ schrieb er „Kleine Fernsehspiel- Geschichte“1 und erhielt 1987 den Grimme-Preis dafür. In der Düsseldor- fer Kunstszene verwurzelt, beteiligte er sich an dem neuen Medium Kunstvideo. Anfang der 90er bestückte er ein mitternächtliches Video- kunstmagazin auf Sat1/RTL.

Seine Dokumentarrecherchen richten sich zielstrebig auf leicht abseitige aber dennoch alltägliche Phänomene statt auf Brennpunkte oder globale Desaster. Er bleibt nah am Menschen oder Tier ohne einen fernen Blick zu verlieren.

Anding erhielt verschiedene Preise, unter anderem 1985 den Preis der 1. Viodeonale mit „Ever’ nd Sallad“, 1987 den Preis beim Internationalen Festival in Montbeliard für die „TV-Trilogie“ und 1991 den Adolf Grimme Preis "Donners´Tag bei Kanal 4".

2.2. Buch und Regie: Enno Hungerland

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.: © by den Autoren 2

Enno Hungerland, geboren 1949 in Wuppertal, arbeitet seit 1967 als Jour- nalist. Nach einem Zeitungsvolontariat war er als freier Autor und Fotograf für verschiedene Tageszeitungen und Agenturen tätig, ehe er 1971 als freier Mitarbeiter zum WDR kam. 1974 gründete er eine Kunstgalerie (70 Ausstellungen bis 1982). Seit 1976 ist er Redakteur beim WDR, zunächst im Hörfunk, seit 1984 beim Fernsehen (Landesspiegel, Feature NRW, seit 1997 Programmgruppe Inland Köln, „Menschen hautnah“). 1985 feierte er mit „Tod in der Emscher“, einem Nachruf auf Michael Holzbach („Deutsch- land umsonst“), sein Filmdebüt. Es folgten vor allem Dokumentationen und Portraits. 1999 erhielt Hungerland zusammen mit Volker Anding und Werner Kubny den Adolf Grimme Preis für die „Ratten“.

2.3. Kamera und Produktion: Werner Kubny

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.: © by den Autoren 3

Werner Kubny, geboren 1949 in Olpe, absolvierte nach dem Abitur eine Ausbildung als Papier- und Druckereikaufmann in Düsseldorf. Ab 1974 nahm er das Studium der Photographie des Films an der Folkwangschule auf sowie ein Studium der Erziehungswissenschaft, Medienpädagogik und Kunstgeschichte an der Universität Essen. Kubny drehte während der Studienzeit mehrere Filme und Videoproduktionen und beendete das Stu- dium 1980 mit der Diplomarbeit und der Projektleitung beim Medienprojekt Düsseldorfer Monatsschau, dem ersten lokalen Fernsehen in Düsseldorf. Kubny ist außerdem Gründungsmitglied und langjähriger Vorstandsmitar- beiter im Filmbüro NRW.

Seit 1983 realisierte Werner Kubny als Autor und Regisseur 42 Doku- mentarfilme, Kinderspielfilme sowie TV-Serien, die innerhalb der Werner Kubny Filmproduktion besonders für das Deutsche Fernsehen produziert worden sind. 1983 wurde Werner Kubny mit dem Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen für junge Künstler ausgezeichnet, 1996 erhielt er zu- sammen mit Axel Hofmann für den Dokumentarfilm „Taubenliebe“ und 1999 zusammen mit Volker Anding und Enno Hungerland für „Ratten“ den Grimmepreis.

2.4. Gemeinsame Zusammenarbeit am Film „Ratten“

„Werner Kubny ist als Kameramann und Produzent sehr professionell und erfahren“2 antwortet Enno Hungerland einleitend auf die Frage, wie es zu der gemeinsamen Zusammenarbeit mit Kubny und Anding am Ratten-Film kam. Hungerland und Kubny haben schon zahlreiche Filmprojekte für den WDR erfolgreich realisiert wie z.B. „Requiem“, ein Porträt von Hans-Wer- ner Henze, den Essayfilm „Der goldene Niet“ oder den Dokumentarfilm „Auf Ibachs Flügeln“.

Dadurch habe sich mit der Zeit eine gewisse Verständnis- und Vertrauensbasis entwickelt, von der auch die „Ratten“ profitieren konnten.

Volker Anding betont in dem Zusammenhang die Relevanz des „Dialog[s] zwischen Kameramann und Regisseur“3. Da der Regisseur die gesamte Verantwortung für den fertigen Film trägt, muss er genaue Instruktionen erteilen, um ein Produkt zu erhalten, das seiner Vorstellung entspricht. Der Regisseur ist in gewisser Weise die Kamera, er sieht vor seinem inne- ren Auge die Szene und gibt seine Vorstellung an den Kameramann wei- ter. Gleichzeitig hebt Anding jedoch Kubnys „Professionalität und Kreati- vität“4 hervor und erklärt, dass viele Szenen in dem Film nach einigen le- bendigen Diskussionen zwischen den beiden Regisseuren und Kubny, der seine Ideen und Änderungsvorschläge einfließen ließ, noch optimiert wer- den konnten. So war die Filmproduktion auch häufig eine Gradwanderung zwischen den Vorgaben des Drehbuchs und spontaner, intuitiver Verän- derung bestimmter Szenen, also ein ständiger Prozess, für dessen Gelin- gen die „funktionierende Kommunikation“ zwischen allen Instanzen das höchste Gebot war.

Die „Rollenverteilung“5 der Regisseur-Konstellation Anding-Hungerland war nach eigener Aussage günstig. Hungerland kommt aus „dem Journa- listischen mit gewissem filmischen Anspruch“ und Vorliebe für den „Natu- ralismus“6 während Anding über „große Fähigkeiten in der Inszenierung“7 verfügt. Die „Ratten“ vereinen diese Komponenten des Informativen, Do- kumentarischen und Spielfilmhaften auf eine interessante Art und Weise (s. Punkt 4).

Darüber hinaus hat Hungerland als Redakteur ein wesentlich entspannte- res Verhältnis zur Filmproduktion als Anding, der oft unter enormem Zeit- druck steht, um die vorgeschriebene Anzahl an Drehtagen einhalten zu können. Während Anding seinen „Film im Kopf haben“8 und schnell ent- scheiden muss, welche Sequenzen wegfallen und welche auf jeden Fall bleiben sollen, kann Hungerland eher „Sammler“ sein und „sich von der Situation und Intuition leiten lassen“9. Für Anding war die Ratten-Produk- tion daher auch eine neue Erfahrung, durch die er gelernt hat, „Mut zur Redundanz beim Dreh“10 zu entwickeln. So entstand auch das Motto „Kür- zen durch Verlängern“11, das im Laufe des Drehs zu einer festen Rede- wendung der beiden Regisseure geworden ist.

3. Von der Idee zum fertigen Film

3.1. Die Ideenfindung

„Jedes Filmprojekt ist wie eine Expedition ins Unbekannte. Wir stehen erst ganz am Anfang unserer Reise.“12

Die „Art der Bewegung ist“ laut Anding „mit einer Spirale zu vergleichen“. Am Anfang befinde man sich an ihrem äußeren Rand. Mit jedem Schritt ins Innere der Spirale werde alles weniger wage, „es wird nach und nach konkret […]“.

Vor einigen Jahren erwarb Enno Hungerland das Bild „Mann mit Ratte auf dem Kopf“ von Wolf Erlbruch. Bereits kurze Zeit später musste er es wie- der umtauschen, „weil ihm beim Anblick Ekelgefühle überkamen: die Pho bie des Menschen vor Ratten“13, sie beschäftigte ihn immer wieder und machte ihn schließlich neugierig auf diese angsteinflößenden Nagetiere.

„Die Idee, einen Film über Ratten zu drehen, entstand bereits um 1993“ so Enno Hungerland. Zu der Zeit war er noch im Dortmunder Landesstudio beim WDR beschäftigt, in dem die Filmreihe „Landesspiegel“, eine dreißigminütige Dokumentarsendung, gedreht wurde.

Im Rahmen dieser Filmreihe hatte Hungerland die Ratten als Thema vor- geschlagen. Damals faszinierte ihn besonders der Gedanke, ein Wesen sichtbar zu machen, das trotz seiner hohen Populationsdichte eigentlich kaum wahrgenommen wird. Für den Rattenphobiker Hungerland stellte das Vordringen zu den Nagern mit Kameras eine filmische Herausforde- rung dar. Es sollten verschiedene Lebensräume der Ratte, wie z.B. die Kanalisation, Papierverwertungsanlagen oder Müllkippen, durch fest in- stallierte Kameras beobachtet werden, um zu dokumentieren, „was die Tiere treiben, wenn der Mensch sie nicht sieht“14. Darüber hinaus wollte Hungerland die „Ratte als Haustier“ und die „Ratte als Labortier“ themati- sieren.

Es ist allerdings nur bei dem Themenvorschlag für den „Landesspiegel“ geblieben, da sich weder Redaktionskonferenz noch Abteilungsleiter mit den Ratten anfreunden konnten. Grund dafür war „die ganz normale Rattenphobie“15, die ein überschreiten der Ekelschwelle verhinderte.

Seit der Zeit hat Hungerland die Nagetiere gedanklich mit sich herumge- tragen und nach langer Vorbereitungszeit zusammen mit Volker Anding konnte er das Filmprojekt als Co-Regisseur und Autor realisieren. Durch die gemeinsame Arbeit wurden schließlich wesentlich mehr Themen rund um die Ratte bis hin zur Analogie von Mensch und Ratte umgesetzt. Und Kubny „plädierte“ während der Dreharbeiten „für eine Verlängerung der ursprünglich für 45 Minuten geplanten „Rattendoku“ auf 90 Minuten“16.

Anding war zunächst wenig begeistert von der Idee, einen Film über diese Tiere zu drehen, „da Ratten nicht so [sein] Ding sind“ und er zunächst „fälschlicherweise davon ausging, dass man nur affirmativ einen Film machen kann“17. Seit der „Ratten“-Produktion weiß er, dass man auch über ein Thema drehen kann, dem man emotional negativ gegenübersteht. Wichtig sei nur, dass man überhaupt eine Emotion entwickeln kann, so Anding, denn „ohne Emotion kann man keinen Film machen“18.

„Die Idee der Analogie kam im Wesentlichen von Volker Anding“19 und war eigentlich das Produkt der zahlreichen Überlegungen, wie der Film am geschicktesten realisiert werden könne und welche „tiefenpsychologi- sche Intention“20 vermittelt werden solle. In diesem Zusammenhang bildet die Beziehung zwischen Mensch und Ratte, die durch starke Angst- und Ekelgefühle geprägt ist und daher viele Emotionen beim Rezipienten her- vorruft, eine wichtige Grundlage. Darüber hinaus erschien die Thematisie- rung der Ähnlichkeit zwischen Mensch und Ratte beiden Regisseuren als interessanter inhaltlicher Aspekt geeignet und wurde schließlich sogar zur eigentlichen Gesamtbotschaft des Films.

3.2. Die Recherche

Für die Recherche waren hauptsächlich Anding und Günther Bäcker, der auch die Aufnahmeleitung für die „Ratten“ gemacht hat, zuständig. Die beiden „sind durch die ganze Republik gereist und haben alles zum The- ma Ratten aufgetrieben“21. Günther Bäcker hat die umfangreiche Re- cherche übernommen, vom Sammeln passender Literatur bis hin zu Vor- besichtigungen, in Absprache oder gemeinsam mit Anding, von eventuell geeigneten Drehorten und Vorgesprächen mit Protagonisten für den Film, die zuvor gecastet wurden.

Darsteller:

Bei den Gesprächen war das Warten können, die Geduld, das Zuhören und Nachfragen, „das Zeitlassen für die Entfaltung eines Gedankens, aber auch die Neugier und die Offenheit für das, was sich ergibt, dass man ei- nen Raum schafft, in dem der andere sich entfalten kann“22 sehr wichtig und so stießen Anding und Bäcker z.B. während des Interviews mit der italienischen Professorin Andreina Zitelli über die Pest auf eine ganz neue und wichtige Erkenntnis zur Thematik der Analogie zwischen Mensch und Ratte (siehe unter Punkt 4.2.2.7.).

Außerdem sollen die Gespräche zeigen, „ob die Leute die [vorgesehene] Rolle auch tragen oder nicht, egal ob das jetzt Wissenschaftler“ sind oder „Normalsterbliche, die ihre Trivialrattengeschichten erzählt haben.“23 Nach welchen Kriterien die Darsteller schließlich ausgewählt wurden, richtete sich nach der Wichtigkeit der Information für die Aussage des Films und „hing auch immer mit dem Stoff zusammen, den sie zu erzählen hatten und auch mit ihrer Tätigkeit“24. Einen Spezialisten kann man beispiels- weise nicht ohne weiteres durch einen Laien ersetzen. Wenn der nieder- ländische Laborarzt „mit Gummiratten experimentiert, anstatt mit lebenden Tieren“, dann ist man natürlich auf diesen Fachmann angewiesen, unab- hängig davon, ob er optisch den Vorstellungen entspricht oder nicht. Aber natürlich muss während der Recherche überlegt werden, ob der Arzt für den Film von Bedeutung ist, oder ob es sich nur um „eine nette Ge- schichte“ handelt, bei der die Gummiratte an sich schon Thema genug ist.

Manchmal treffe man auch auf Menschen, die im persönlichen Gespräch sehr natürlich wirken, aber sobald eine Kamera läuft, „einfrieren“25 und an- fangen zu schauspielern und so für die vorgesehene Szene unbrauchbar werden. Doch selbst wenn die aufgezeichnete Sequenz hinterher gar nicht im fertigen Film auftaucht, ist es eine Methode, wichtige Informationen zu erhalten, die vielleicht als voice-over26 genutzt werden können.

Die Schädlingsbekämpferin Frau Holl war ein richtiger Glücksfall für das Rechercheteam. Unter den ca. 3.000 Schädlingsbekämpfern in Deutsch- land gibt es nur zwei Frauen, die diesen Beruf ausführen. Die in Wupper- tal amtierende Frau Holl ist „absolut gegen den Strich besetzt“. Sie ist „charmant, lebendig und sie lacht viel“. In einem der Vorgespräche schwärmt sie von ihrem Lieblingstier der Kakerlake und beschrieb mit leuchtenden Augen die faszinierende Prozedur der Häutung eines solchen Tieres. „Ich liebe meine Tiere“ erklärt sie Anding und Bäcker. Frau Holl er- zählt von ihren Einsätzen und von ihrem „Bestreben, angemessen mit den Bekämpfungsmitteln“ zu agieren. Sie verwendet so wenig Gift wie möglich und würde jeden Kollegen, der mit „Klebefallen“ arbeitet, anzeigen. „Tier- schutzgesetze müssen eingehalten werden“ lautet ihre Devise. So kann Frau Holl als sympathische „Tierschützerin unter den Schädlingsbe- kämpfern“27 angesehen werden und stellt dadurch auch eine interessante Person für den Film dar. Darüber hinaus unterstreicht sie durch den Wi- derspruch, den sie verkörpert, die Polarität des Verhältnisses vom Men- schen zur Ratte.

Drehort:

Für die Drehortauswahl musste für den Film nicht viel recherchiert wer- den. Hungerland „kennt sich sehr gut in Venedig aus“28 und wusste daher, welche Plätze und Orte am besten für den Dreh geeignet sind. In Paris haben Anding und Hungerland während der Kanalarbeiter-Recherche den Zooladen (Nr. 60 im Einstellungsprotokoll) aufgetrieben und das Sanmari- taine (Nr. 54 im EP) kannten sie bereits. Die meisten Szenen sind aber auch „eher spontan“ entstanden. Da für den Dreh weder in Paris noch in Venedig eine Genehmigung vorlag, mussten die Filmemacher stets vorsichtig sein und schnell reagieren können.

Richtiger Location-Scout wurde eigentlich nur in Köln betrieben. Dort musste ein Dach gefunden werden, von dem aus das Kölner Stadtpanorama mit Dom zu sehen war.

3.3. Die Auswahl des Filmstoffes

Während der Roman „die gesamte Informationsfülle einer Geschichte“ wiedergeben kann, beruhen beim Film „alle Informationen auf Selektion“29. Die Kamera kann lediglich Teile des Ganzen erfassen, wodurch schon ei- ne Informationsauswahl getroffen wird. Darüber hinaus müssen auch in- haltliche Schwerpunkte gesetzt werden. Der Film zieht aus der Vielzahl an Fakten einige Aspekte heraus, die er erzählen will, andere, die nur ange- deutet werden sollen und wieder andere, die unerwähnt bleiben.

Eine Sichtung der acht Rohschnitte des Films „Ratten“ verdeutlicht den Prozess der Filmstoffauswahl und der Informationsselektion. Zwischen den ersten Rohschnitten vom 17. März 1998, 26. März 1998 und 20. April 1998 und der endgültigen Fassung des Films vom 12. Juni 1998 lassen sich einige Veränderungen erkennen, von denen im Folgenden einige exemplarischen Beispiele heraus gegriffen werden.

Die vielen Rattenaufnahmen, die oft zur Auflockerung zwischen längere Sequenzen geschnitten sind oder als Übergänge zum nächsten Thema dienen, werden in der Endfassung des Films teilweise wesentlich kürzer gehalten oder ganz weg gelassen. Die Szenen dienen weniger dem Verständnis des Films und können daher ohne Folgen gekürzt werden. Dadurch wird „neuer Raum“30 für Informationen anderer Art geschaffen und die Rattenszenen werden nicht so „abgenutzt“.

Im Rohschnitt gibt es auch einige Sequenzen, die in der Endfassung gar nicht mehr vorkommen. So wurde z.B. die Geschichte mit der Niki Lauda- Plüschratte gestrichen. Die Firma Steiff fertigte dem verunglückten Renn- fahrer zu Ehren und als Symbol für seine Widerstandskraft und Überle- bensstärke den Nager in Rennanzug an. Durch die Szenen sollten die Ratteneigenschaften der Stärke und Robustheit noch einmal verdeutlicht werden. Da diese Thematik jedoch an mehreren Stellen des Films und am Ende sogar noch einmal ausführlich behandelt wird, wurde diese Szene heraus genommen. Auch die Sequenz im Kölner Kindergarten wurde nicht mit in die Endfassung genommen, da „Kinder“ auch schon „in Hameln vorkommen“31. „Durch die Reduzierung der gesamten Informationen auf das Wesentliche“32 wird der Film interessanter. Zu viele Informationen wir- ken sich dagegen negativ auf ihn aus.

„Eine Geschichte, die zu wenig Informationen enthüllt“, ist jedoch ebenso schlecht, da sie „niemals interessant, ergreifend oder dramatisch sein“33 kann. Der Zuschauer ist erst dann fähig, emotional zu reagieren, wenn er ein bestimmtes Pensum an Wissen erhalten hat. „Man sieht nur das, was man weiß.“34 Es muss also eine „Beständigkeit der Information“ gewähr- leistet sein, um die Anteilnahme und das Interesse des Rezipienten zu si- chern.

In „Ratten“ werden auch viele Informationen über die Stimmung der Bilder transportiert. Wenn man die ersten Rohschnitte mit der Endfassung des Films vergleicht, fallen unter anderem zwei Szenen auf (Nr. 23 und 29 im Einstellungsprotokoll (EP): Paris/Katakomben und Nr. 113 und 115 im EP: Großer Heizungskeller- Interview mit Prof. Alfons Hamm, Angstforscher), die verändert wurden. Die Katakomben-Szenen waren in den ersten Roh- schnitten noch farbig und wurden dann in schwarzweiß umgewandelt, wo- durch sie wesentlich unbehaglicher wirken und sich so wiederum viel bes- ser mit der Pestthematik verbinden. Die Sequenz mit dem Angstforscher war bereits schwarzweiß, hatte jedoch durch die vielen Graustufen eine zu freundliche Atmosphäre für das Thema Angst. Daher wurde der Helldun- kelkontrast durch ganz hartes Licht so verstärkt, dass das Bild in der End- fassung passend zum Thema, eine bedrohliche Stimmung vermittelt.

Eine geschickte Auswahl des Filmstoffs kann eine Geschichte wesentlich „interessanter“35 machen. So werden dem Zuschauer bewusst Informatio- nen über den mystischen „Rattenkönig“ vorenthalten, „um die Geschichte“ spannender und „wirkungsvoller“ zu gestalten und Neugierde beim Publi- kum zu erwecken. An einer anderen Stelle des Films, bei der der nieder- ländische Professor Dr. René Remie ausführliche Vorbereitungen für eine Ratten-Operation trifft (Nr. 126 im EP), wird der Zuschauer absichtlich in dem falschen Glauben gelassen, dass eine echte Ratte aufgeschnitten wird. Die richtige Auskunft, dass es sich bei dem Operationsobjekt um ei- ne Gummiratte handelt, wird genau im passenden Moment enthüllt, so dass ein Überraschungseffekt entsteht.

Auch die Anordnung oder Verteilung der Informationen spielt eine wichtige Rolle für die Gesamtwirkung des Films. Dadurch, dass die Ratte zu Be- ginn des Films als Ekeltier, das in die Privatsphäre des Menschen ein- dringt und als Pestüberträger eingeführt wird, „erhält sie diese unheimliche Komponente“36. Erst im letzten Viertel des Films wird das Tier durch die Rattenfreunde aus Mannheim auch als sympathisches Haustier und treuer Weggefährte dargestellt. Die Ratte bekommt noch einmal ein ganz neues Gesicht, mit dem sich nach den vielen Negativassoziationen nicht jeder Zuschauer anfreunden kann. Hätte die Sequenz mit den Rattenliebhabern am Anfang des Films gestanden und wäre erst später auf die Pestthema- tik eingegangen worden, dann würde der Film eine ganz andere Ge- schichte erzählen.

Die collagenartige Montage des Films (s. 4.2.1. „Die Struktur des Films“ und 4.4.2. „Schnitt, Montage und Mischung“) ließ Anding und Hungerland während der Filmstoffauswahl und der Montage immer wieder zweifeln, „ob die einzelnen Geschichten und Sequenzen nicht beliebig austausch- bar“ seien oder „ob es nicht noch eine passendere Geschichte oder eine Von der Idee zum fertigen Film: „Ratten“ von Volker Anding und Enno Hungerland treffendere Szene für diese Stelle“37 gibt. Beide sind jedoch der Meinung, dass „der Film, so wie er dann schließlich geworden ist, perfekt“38 sei.

3.4. Die Dreharbeiten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.: © by den Autoren 4

Die Dreharbeiten für den Film begannen am 5. September 1997. Der Film entstand in 37 Drehtagen auf 4 Monate verteilt. Zur Strukturierung des Drehplans und zur Erleichterung der Postproduktion erhielten die einzel- nen Szenen bestimmte Kürzel, die das übergeordnete Thema der Szene oder den Ort des Drehs bezeichneten. DL steht für Deutschland Lebens- räume, DW für Deutschland Wissenschaft/ Zoologie/ Forschung, DR für Deutschland Rattenbekämpfung, DF für Deutschland Fans der Ratte, DM für Deutschland Mythen/ Legenden/ Kunst, A für Ausland, DS für Deutsch- land Ratten-Stories, S für Studio Tierparkgelände/ Harsch und SN für Stu- dio. Der erste Termin führte das Filmteam nach Remscheid, wo im ratten- verseuchten Keller das Interview mit der Schädlingsbekämpferin Frau Holl aufgenommen wurde (DR). Am 11. September, dem zweiten Drehtag, entstanden die Szenen in der Wuppertaler Fabrikhalle für Altpa- pierverwertung (DL). Eine Woche später reiste das Filmteam von Köln nach Lyon, um dort am 19. September auf der Biennale die überlebens- große Plastik mit dem Titel „Der Rattenkönig“ von Katharina Fritsch zu fil Von der Idee zum fertigen Film: „Ratten“ von Volker Anding und Enno Hungerland men (DM). Der 20. September diente der Weiterreise nach Montpellier und der Aufnahme des Rattencomiczeichners Pti’ Luc (A). In der Zeit vom 1. Oktober bis zum 3. Oktober entstanden die Szenen auf dem Kölner Hochhausdach, die Aufnahmen zwischen Regenrohr und Außenwand und des verlassenen Großmarktes (DL). Der 9. und 10. Drehtag wurde am 5. und 6. Oktober mit dem Dreh des Freilufttheaterstücks „Der Rattenfänger von Hameln“ in Hameln abgehandelt (DM). Außerdem haben Anding und Hungerland diverse Interviews durchgeführt, die jedoch in der Endfassung nicht verwendet wurden. In den folgenden fünf Tagen entstanden in Rhe- da-Wiedenbrück die Studio-Rattenszenen, am 7. und 8. Oktober diverse Aufnahmen zu „Rattenleben in Natur“, am 9. Oktober „Wasserauf- nahmen“, am 10. Oktober „Fallrohr“ und „Rattenverfütterung“ und am 11. Oktober „Scheune“ (S). Am 8. und am 9. Oktober wurde zusätzlich in der Naturanlage des Studios gedreht (SN). Den 16. bis 18. Drehtag ver- brachte das Filmteam mit den Paris-Aufnahmen. Am 21. Oktober wurden der Eiffelturm und das Kaufhaus Samaritaine gefilmt, am 22. Oktober die Tierkäfige in der Zoohandlung und die Kanalarbeiter und am 23. Oktober die Katakomben (A). Der 19. Drehtag wurde Herrn Hutterer vom Bonner Museum König gewidmet (DL + DW). Dem folgten am 21. und am 22. Ok- tober weitere Aufnahmen der Rattenbekämpferin Holl sowie neue Auf- nahmen eines Hinterhofes, eines dunklen Hinterhofes und des „Ratten- hauses“ in Wuppertal (DR + DL). Den 30. Oktober verbrachte das Film- team im Kölner Hauptbahnhof mit dem Dreh der U-Bahnszene und im Kölner Großmarkt, der diesmal zur Geschäftszeit gefilmt wurde (DL). Es folgten am 3. November Aufnahmen der Bayer AG in Monheim und des Rattenfallensammlers in Meerbusch (DR) und am 4. des Monats die La- borrattenzucht der Uni Düsseldorf (DW). Am 5. und 6. November entstan- den die Szenen des Rattenstammtischs und der Rattenliebhaber in Mannheim (RF). Der 27. Drehtag am 11. November war der Angst-Szene mit dem Psychologen Hamm und dem Düsseldorfer Aquazoo gewidmet (DW). Am 12. November wurden in Essen die Ultraschallszenen, die je- doch keine Verwendung im Film fanden, und diverse Rattengeschichten gedreht (DW + DS). Am 13. November entstanden die Szenen mit Profes- sor Huston in Düsseldorf (DW). Der 30. Drehtag diente den Aufnahmen Von der Idee zum fertigen Film: „Ratten“ von Volker Anding und Enno Hungerland des niederländischen Professors Dr. René Remie und seiner Gummiratte in Weesp (A). Am 20. November wurde die Szene mit Professor Koolhaas in Groningen gedreht (A) und noch ein Teil der Rattenszenen im Emme- ner Zoo, die am darauf folgenden Tag fortgeführt wurden (A). Am 33. Drehtag entstanden die Niki Lauda und Samy Molcho-Szenen in Wien (A), die jedoch letztendlich ebenfalls keine Verwendung im Film fanden.

Venedig

Die letzte Station des Drehs war Venedig. Dort wurde vom 1. bis zum 4. Dezember gefilmt. Auf diese Drehetappe soll nun im Folgenden genauer eingegangen werden, da die Venedig-Szenen einen wesentlichen Teil des Films ausmachen und durch die düstere und unbehagliche Stimmung der grauwinterlichen Stadt einen wichtigen Beitrag zur Gesamtatmosphäre des Films leisten.

Der Anfang des Films und die Szenen, in denen die Ratten nachts in den Gassen zu sehen sind (Nr.1 bis 3, Nr. 5 und 6, Nr. 135 und 138 im EP), entstanden alle am San Marco Platz und der näheren Umgebung. Die schwarzweiß gezogenen Ratten, die das Seil hochklettern (Nr. 17 und 27 im Einstellungsprotokoll (EP)), die Aufnahmen mit der Müllverladung (Nr. 41 im EP) und dem Mann, der mit seinem Kiosk halb im Wasser steht (Nr. 40 im EP), entstanden in Zattere. Die Szene, in der die Kamera parallel zu den verfallenen Häuserfassaden filmt (Nr. 20 im EP), entstand auf dem Rio del Palazzo, über den auch die Seufzerbrücke führt, also an der Rückseite des Dogenpalastes. An der Stelle wurde auch die Außenszene gedreht, in der im Vordergrund ein schwarz vermummter Bettler auf einer Bank kauert und im Hintergrund eine schwarze Gondel von rechts nach links vorbei fährt (Nr. 19 im EP). Die Sequenz mit Massimo Donadon, „dem Meister der Rattenbekämpfung“, in der er mit dem Fuß den Abfall berührt und dann über eine Brücke geht (Nr. 36 im EP), wurde an der Akademia aufgenommen. Der zweite O-Ton mit Donadon, bei dem er die ländertypischen Nahrungsmittel zeigt und stopptrickmäßig die kulinari- schen Vorlieben der Ratte nennt (Nr. 101 im EP), ist auf der Guidecca ge- dreht worden. Die Guidecca ist eine Insel, auf der eher ärmere Menschen Von der Idee zum fertigen Film: „Ratten“ von Volker Anding und Enno Hungerland wohnen, sie hat daher auch „so ein pures Ambiente“39. Im Hintergrund sieht man am anderen Ufer Zaterre. Die vorletzte Szene des Films, die zeigt wie einige Ratten an Land schwimmen und auf dem weißen Mar- morplatz umher laufen, wurde an der Kirche San Giorgio (Nr. 141 im EP) gefilmt. Im Hintergrund sieht man den Kanal und Venedig. Die End-Szene, in der Ratten zwischen gestrandeten Abfällen umher laufen (Nr. 142 im EP), entstand am Lido. Die Dreharbeiten zu „Ratten“ verliefen nahezu rei- bungslos. „Normalerweise sind Drehpläne dazu da, umgeworfen zu wer- den“40, erklärt Anding, doch die „Ratten“ standen unter einem günstigen Stern.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.5. Erwartungen an den Film

In seinem Regiekonzept vom 31. Mai 1997 beschreibt Anding einleitend wie der Film keinesfalls werden dürfe: er solle möglichst „keine verbrauchten Bilder zeigen“ und „kein konventionelles Feature“ werden. Anding will keine „eierlegende Wollmilchsau“ produzieren, „wir dürfen es nicht allen Recht machen wollen“.

Um diesen Ansprüchen zu genügen, fordert Anding schon vor Beginn der Dreharbeiten, in Anlehnung an das Sprichwort: „In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod”, Mut zum Experiment. Er ist der Überzeugung, dass „Mittelwege“ „Mittelmaß“ erzeugen und dass Qualität erst durch den „Mut zum Misserfolg“ zu Stande kommt. Nur so könne aus den „Ratten“ „etwas Außerordentliches“ entstehen.

Anding beruft sich dabei auf einen Trick. Wenn amerikanische Drehbuchautoren das Gefühl haben, dass eine Szene zu konventionell oder zu klischeehaft werden könnte, fragen sie sich einfach, wie „genau das Gegenteil von dieser Szene“ aussehen würde.

Anding hat außerdem den Anspruch, dass der Film am Ende durch einen unbenennbaren aber dennoch klaren filmischen Stil geprägt ist: „Stil darf man nicht wollen - man muss ihn haben“. Dabei stellt er sich „Ratten“ wie einen Film aus der „Schwarzen Serie” vor. Die „Schwarze Serie“ kam mit Beginn der 40er Jahre auf. Französische Filmkritiker entdeckten erst nach dem Zweiten Weltkrieg die Filme der „Schwarzen Serie“ und prägten den Begriff „Film Noir“. Die Namen stehen bezeichnend für die Atmosphäre dieser Filme, die alles andere als eine heile Welt repräsentiert. Seine Wurzeln hat die „Schwarze Serie“ in den Gangsterfilmen der 30er Jahre, in denen der „Gauner zum Mythos“ erhoben wurde. Die Grenzen zwi- schen Gut und Böse verschwammen zunehmend - in einer Gesellschaft, die in Folge des zweiten Weltkriegs in tiefster Depression steckte41. „Die Schwarze Serie bezeichnet die bislang radikalste Absage an den „Ameri- can Way of Life“ und den traditionellen Optimismus, die Hollywood her- vorgebracht hat.“42

Ohne dass Anding dabei an einen konkreten Film denkt, verbindet er mit dem Begriff „Schwarze Serie” eine ganz bestimmte Bild-, Licht- und Tonvorstellung. Zumeist in schwarzweiß gedreht, werden die Bilder von dunklen Tönen dominiert, die beim Zuschauer eine unerklärliche Beklemmung hervorrufen. Er vergleicht die Art dieser Vorstellung mit der Erinnerung an Musik: „Die Erinnerung hat etwas Gleichzeitiges, deshalb muss sie sich von dem Musikstück zwangsläufig unterscheiden“.

Musik könne sich, genau wie der Film, nur innerhalb der Zeit entfalten: „Wenn ich einen Film mache, habe ich zunächst ein Gefühl, eine Ahnung. Erst im zweiten Schritt versuche ich, eine Melodie zu summen.“ Die ge- summte Melodie ist dann wie eine Szene aus dem Drehbuch. Auch den „Rhythmus des Films“ vergleicht Anding mit einem Musikstück. Natürlich entsteht dieser hauptsächlich im Schnitt. Dennoch muss schon während des Drehs deutlich werden, wie der fertige Film sein soll. „Der Groove des Films muss klar sein“ so Anding. Alle Beteiligten sind „Band- mitglieder“ und überlegen, ob aus dem Film „ein Tango, Walzer, Freejazz oder etwas ganz anderes“ wird und ob es „Tempowechsel“ gibt oder ob der Film ein „fließender Fluss“ ist. Anding bevorzugt für die „Ratten“ „wechselnde Tempi, wie beim Spielfilm!“

Weiterhin verbindet Anding mit den „Ratten“ die Vorstellung von Nacht. Er erklärt das Phänomen wie folgt: „Wenn ich „Blade Runner” sehe, denke ich an Regen, Stadt und Nacht.“ Dabei fällt auch Blade Runner in die Tra- dition des Film Noir, des so genannten „Neo-Noir“. Seit den 80er Jahren taucht die expressionistische Filmästhetik wieder zunehmend in Film- und Fernsehproduktionen auf. Im Neo-Noir, der als die eigentliche Fortsetzung des Noir-Genres bezeichnet werden kann, orientieren sich die Regisseure wieder an typischen Motiven wie Low-Key-Beleuchtung, zwielichtigen Handlungsorten, Schatten und verregneten Großstädten in nächtlicher Atmosphäre. So taucht das Element der monumentalen Architektur der Großstadt des Films „Metropolis“ (1926) von Fritz Lang z.B. als Zitat in dem zeitgenössischen Werk Blade Runner (Regie: Ridley Scott; 1982) auf. Auch wenn „Ratten“ ein vorrangig dokumentarischer Film sei, dürfe man genauso emotional an ihn herangehen.

So stellt Anding sich die „Ratten“ „trotz aller Tagszenen“ als „Nacht-Film“ vor. Fernsehen sei bunt und beliebig. Die „Ratten“ aber müssen in „Bild und Ton eine durchgängige dichte Atmosphäre“ transportieren. Der Film behandelt das „Angst-Tier-Nummer-Eins“ des Menschen. Die Ängste aber sind, laut Freud, bei der Nacht und dem Dunkel angesiedelt. Verstärkend kommt hinzu, dass die Ratte zu den nachtaktiven Tieren gehört.

Anding würde außerdem begrüßen, dass jeder Rezipient im Laufe des Abends mindestens eine Halluzination hat: „Da - eine Ratte! Nein es war nur der Schatten eines Blattes.”

Der Film soll erreichen, dass sich die selektive Wahrnehmung der Macher auf den Betrachter überträgt.

Für Anding besteht das höchste Ziel des Filmemachens darin, dass „ein Film so wirkt, wie eine Erfahrung“, da „eine einzige Erfahrung“ „ein ganzes Leben verändern“ „kann“. So wäre für ihn die folgende Situation eine wünschenswerte Reaktion des Publikums auf die „Ratten“:

„Der Film wird im Kino gezeigt, der Abspann läuft - alle bleiben sitzen. Bei guten Filmen ist das eine Art, dem Film Reverenz zu erweisen. Die Musik klebt die Leute noch zusätzlich an die Sitze. Alle achten darauf, ob man den Soundtrack kaufen kann. Alle sind froh, dass man noch ein wenig Zeit hat, um das Bewusstsein wieder sanft an die Wirklichkeit zu gewöhnen.“43

3.6. Der Inhalt der Geschichte

„Ratten in Venedig. Ratten in Köln. Ratten in Paris. Ratten in New York, Ratten im Museum, in der Forschung, in der Mythologie. Ratten als Parasiten, als Zeichen der chinesischen Astrologie, als Haustiere... Unmöglich, alle Aspekte aufzuzählen, aus denen der Film neunzig Minuten lang äußerst kurzweilig das Thema „Ratten” beleuchtet“44.

Der Film behandelt schwerpunktmäßig die Frage, inwieweit sich Ratte und Mensch ähneln und worin die tiefe Abneigung der Zweibeiner gegenüber dem pelzigen Nagetier begründet sein könnte.

Es wird dabei die Rolle der Ratte als Krankheitsüberträger und Todesbote in Zeiten der Pest dargestellt. Weiterhin kommt der außergewöhnliche Nager in zahlreichen Legenden und Mythen nachhaltig und einprägsam vor. Auch die moderne Bekämpfung der Ratte durch verschiedene Giftkö- der oder ausgefallene Rattenfallen wird thematisiert. Der Zuschauer er- fährt außerdem Verschiedenes über die Biologie des Nagers, ihre Lebens- räume und ihr soziales Verhalten. Natürlich darf auch die Ratte als For- schungsobjekt „mit Negativ-Image und ohne Lobby“45 und demgegenüber die Ratte als Kultobjekt nicht fehlen. Durch die immer wiederkehrende Thematik des geheimnisvollen „Rattenkönigs“ und der Analogie zwischen Mensch und Ratte werden die vielen, collageartig aneinander gereihten Elemente des Films inhaltlich zusammengehalten. Am Ende des Films wird der Zuschauer mit der überspitzten Endzeitvision entlassen, „dass die Ratte dereinst der intelligenteste Organismus auf der Erde sein wird“46, wenn der Mensch sich schon längst selbst unter die Erde gebracht hat.

4. Analyse des Films „Ratten“

4.1. Dokumentarisch-fiktionale Mischform: Der Essayfilm

Nachdem im letzten Abschnitt die Entstehung der „Ratten“ thematisiert wurde, soll nun im Folgenden auf die Besonderheiten der dokumenta- risch-fiktionalen Mischform des Films eingegangen werden. In diesem Zu- sammenhang ist es interessant, die drei vorherrschenden Konzeptionen der „spielfilmähnlichen Inszenierung“, der „dokumentarischen Inszenie- rung“ und der „dokumentarischen Beobachtung“47 in „Ratten“ genauer zu untersuchen.

Als Dokumentarfilm definiert ein Standardwerk der Filmliteratur48 einen nichtfiktionalen Film, der sich der Aufzeichnung von Außenrealität widmet. Dabei nutzen Dokumentarfilme verschiedene spezifische Erzählprinzipien, die Glaubwürdigkeit und einen Realismuseindruck vermitteln sollen. Ein- fach gesagt nimmt die Kamera als beobachtende und registrierende In- stanz nichtinszenierte Bilder von realen Ereignissen auf, die anschließend vom Dokumentarfilmer sinnvoll geordnet und miteinander verbunden wer- den.

Die Inszenierung eines Geschehens vor der Kamera, die beim Spielfilm selbstverständlich scheint, ist aber auch häufig im Dokumentarfilm zu fin- den.

Fiktion und Dokumentation sind oft schwer voneinander abzugrenzen. So können z.B. Elemente der Wirklichkeit wie reale Orte oder Menschen in fiktionalen Filmen vorkommen49. Andererseits sind Dokumentarfilme nicht gleichbedeutend mit der Realität, da das Geschehen - wie bei einem fiktiven Film - vor der Kamera inszeniert, arrangiert und nach bestimmten Erzählprinzipien aufgebaut wird50.

Bei dem Film „Ratten“ handelt es sich auch um eine dokumentarisch-fikti- onale Mischform oder kurz um einen Essayfilm.

Wie bereits erwähnt, gibt es mittlerweile Dokumentarfilme, die eine Fortentwicklung des rein abbildenden Dokuments und der analysierenden Beschreibung darstellen. Diese Filme wollen nicht die Wirklichkeit abbilden sondern Bilder im Kopf der Zuschauer entstehen lassen. Bilder wecken Gefühle und Assoziationen, die mit dem abgefilmten Sujet unmittelbar nichts mehr zu tun haben müssen.

Ein Essayfilm hat zwar meistens ein Thema und verwendet manchmal „konventionelle“ Dokumente wie Filmausschnitte, Gesprächsfetzen, Land- schaftsaufnahmen oder Fotografien, aber er hat nicht mehr den „themen- orientierten Duktus eines Faktenfilms“51 oder einer Beschreibung. Der Es- sayfilm ist subjektiv und möchte Gedanken und Gefühle visualisieren. Das Dokument wird dabei den Gedanken der Autoren untergeordnet. Zahlrei- che formale Merkmale, die viele Dokumentarfilme auf den ersten Blick er- kennbar machen, fehlen oder fallen nicht ins Gewicht: statische, realis- tisch wirkende Aufnahmen, ordnende Kommentare, lineare Abfolgen zu- sammenhängender Dokumente. Charakteristisch für den Essayfilm ist ne- ben der eher assoziativen Verarbeitung von Thema oder Idee ein hohes Maß an Ästhetik und Formenbewusstsein.

Bei dem Film „Ratten“ wird dem Publikum das Objekt des Films, die Ratte, nicht ausschließlich über informative zoologische Details aus dem Biologiebuch nahe gebracht, sondern über ihre vielfältigen Assoziationsmomente wie Ekel, Angst, Menschlichkeit oder Hingabe und Fürsorge sowie einer außergewöhnlichen Kameraführung, die dem Zuschauer ermöglicht, die Welt der Ratte aus der Sicht der Ratte zu erleben.

Collageartig reiht der Film hektische und wackelige Kamerafahrten, expe- rimentelle Stadtansichten, Fotos, Schwarzweißsequenzen und Statements aneinander und unterlegt diese Bilder mit einer Musik- und Geräuschku- lisse, die die vielfältigen Eindrücke noch weiter verschwimmen lässt. Vie- les wird stilisiert und in Szene gesetzt wie in einem Spielfilm. Anding und Hungerland zeigen nicht die „Wirklichkeit“ sondern ihre Gedanken wenn diese Wirklichkeit auf sie wirkt. Dies macht, wie bereits erwähnt, im Prinzip jeder Dokumentarfilm aber im Essayfilm ist dieser Prozess inhaltlich und formal zu Ende gebracht.

4.1.1. Die dokumentarische Konstruktion: Entstehung einer neuen Wirklichkeit

Der Film hat mehr als alle anderen Medien die Hoffnung auf Objektivität bestärkt: „Der Zuschauer vor dem Bildschirm erliegt […] besonders leicht der Illusion, dass ihm das Fernsehen ein zuverlässiges Bild der Wirklich- keit vermittelt und dass er nicht in Zweifel ziehen muss, was er mit eige- nen Augen sehen kann.“52 Getäuscht durch die Technik, übersah man, dass das menschliche Auge trotz allem die Aufnahme lenkt und montiert. Sowohl der Blick durch die Kamera, als auch der Blick auf die Leinwand wird beeinflusst, und verändert das Gesehene. Wissen, Vorurteile, Moral- vorstellungen, persönliche Anteilnahme und allgemeines Verständnis des Themas verändern die filmische Einstellung und Rezension.

Für Anding und Hungerland existiert nur der „Mythos des Authenti- schen“53. Es gebe immer jemanden der für ein gutes Bild kämpfe, so An- ding.

„Man muss die Realität neu erschaffen, denn sie läuft davon; die Realität leugnet die Realität. Man muss sie zuerst interpretieren, neu kreieren. [...] Wenn ich einen Dokumentarfilm mache, versuche ich dem Realismus ei- nen künstlichen Aspekt zu geben. [...] Meiner Meinung nach kommt die Ästhetik eines Dokuments aus seinem künstlichen Aspekt [...] es muss schöner als Realismus und daher komponiert sein, [...] um ihm einen an- deren Sinn zu geben.“54

Der Essayfilm „Ratten“ ist sich seiner eigenen Künstlichkeit bewusst und bleibt dadurch empfindsam für den „Fluss zwischen Fakt und Fiktion“55. Er bemüht sich nicht darum, das zu verbergen und auszuschließen, was normalerweise als „nicht-faktisch“ gilt, weil er die wechselseitige Abhän- gigkeit von Realismus und Künstlichkeit begreift. Er erkennt die Notwen Von der Idee zum fertigen Film: „Ratten“ von Volker Anding und Enno digkeit, „dem Leben im Leben und in seiner Darstellung eine Gestalt zu geben“56.

In dem Zusammenhang erklärt Anding, dass im Film „Ratten“ „die Identität eines jeden Ortes inszeniert“ sei, so entstehe eine „neue Medienwirklich- keit“57. Der Keller, in dem die Schädlingsbekämpferin über die Ratten- plage und ihre „schonende Beseitigung“ aufklärt (siehe Nr. 87 bis 97 im Einstellungsprotokoll (EP)), ist z.B. eine Fusion aus zwei verschiedenen Kellern. Der Eine wurde in Remscheid aufgenommen und bei dem Ande- ren handelt es sich um einen inszenierten Raum in Wuppertal. Es wurden also „zwei verschiedene Orte“ zu einem „Superkeller“ verbunden, wodurch die Location etwas „Archetypisches, Kellermäßiges“58 erhält. Durch diesen Zusammenschluss konnte außerdem der Eindruck des „ekligen“, ver- dreckten Kellers verstärkt werden, es ist „im Grunde genommen nichts anderes als das, was man Verdichtung nennt“59.

Anding und Hungerland „konnten“ auch an anderen Stellen des „doku- mentarischen Teils“ durch kleinere Inszenierungen „nachhelfen“60. So er- hält z.B. auch die Sequenz mit dem italienischen Schädlingsbekämpfer Massimo Donadon (siehe Nr. 35 bis 41 im EP) oder die Sequenz in der Wuppertaler Fabrikhalle für Altpapierverwertung (siehe Nr. 65 im EP) durch die Zwischenschnitte von, im Studio inszenierten, typisch italieni- schem Müll bzw. Altpapierbergen einen „Kick von Dichte“61. Die beiden Szenen, die in den Pariser Katakomben gedreht wurden (Nr. 23 im EP: Paris/Katakomben- Skelette, Totenschädel und Ratten; Nr. 29: Pa- ris/Katakomben-Skelette), verlieren durch ihre Integration in die Venedig- Szenen ihre ursprüngliche Identität des Ortes. So verbinden sich hier für den Zuschauer Szenarien zweier weit voneinander entfernter Städte zu einem Ort.

Anding betont, dass im Bezug auf die Ratten „nichts übertrieben oder er- funden“ sei, denn „die Spuren der Tiere, wie angenagte Lebensmittel oder Rattenkot, waren überall zu sehen“62. Es wurden allerdings inszenierte Rattensequenzen eingefügt, um Szenen, die die Tiere in ihren Lebens- räumen zeigen, zu verdichten und um dem Rezipienten einen Eindruck davon zu vermitteln, von wie vielen Nagern sie unbemerkt umgeben sind (z.B. „Kölner Großmarkt“ (siehe Nr. 42, 43 im Einstellungsprotokoll, „Pa- pierverwertungsanlage“ Nr. 65 oder „Wuppertal/ Fußgängerunterführung“, Nr. 77). Hierbei handele es sich jedoch mehr um das „Sichtbarmachen ei- ner vorhandenen, verborgenen Welt“ der Ratten, so Anding, wobei die scheue Natur der Tiere den Griff zu bestimmten filmischen Hilfsmitteln er- forderte.

4.1.2. Dokumentarische Inszenierung

In dem Film „Ratten“ muss zwischen drei verschiedenen Formen der Filmgestaltung unterschieden werden: der dokumentarischen Inszenie- rung, der spielfilmähnlichen Inszenierung (s. Punkt 4.1.3.) und der doku- mentarischen Beobachtung (s. Punkt 4.1.4.). Eine besondere Form der dokumentarischen Inszenierung sind die Schwarzweißszenen, die wie Ar- chivmaterial wirken (s. punkt 4.1.2.). Im Folgenden sollen nun exempla- risch einige Beispiele für die dokumentarische Inszenierung angeführt werden. Auch hierbei kann noch mal in zwei verschiedene Kategorien un- terschieden werden. Normalerweise meint dokumentarische Inszenierung die Anweisung der zu interviewenden und filmenden Fachleute, wie es z.B. bei Herrn Hutterer vom Museum König oder bei Dr. Gettmann ge- macht wurde. Ihnen wird dann gesagt, „wann sie was hoch zeigen oder wo sie wann hingehen und was sie zu welchem Zeitpunkt sagen sollen“63. Anding und Hungerland haben mit Hutterer „richtig geprobt“. Da „er ein Profi ist“ und durch die Museumsführungen versiert, war es „für ihn kein Problem“64, nach den Vorgaben zu handeln. Dokumentarische Inszenie rung kann aber auch mit „Spielfilmelementen arbeiten“, um „eine Bildtape- te für die historischen Dimensionen“65 zu schaffen, wie es z.B. bei der Pestdoktor- (s. Nr. 16 und 28 im EP) und bei der Hamelnsequenz (s. Nr. 74 bis 76 im EP) der Fall ist. Hameln soll jedoch wegen der Verfrem- dungselemente unter dem Punkt „Besondere visuelle Effekte“ behandelt werden.

Die Pestdoktorsequenz besteht aus zwei Teilen. Zwischen den beiden Szenen „Venedig/Lagune - Pestdoktor steht auf Gondel“ (Nr. 16 im EP) und „Pestdoktor geht durch Gassen“ (Nr. 28 im EP) liegen 12 Einstellun- gen und Szenen. Trotzdem verbinden sie sich durch die auffällige Figur des Pestdoktors zu einer Sequenz. In der ersten Szene sieht man zu- nächst nur einen Gondolieri, der am Heck stehend, langsam eine altmodi- sche Gondel vorwärts bewegt. Die untergehende Sonne wirft einen wei- ßen Kegel auf das Wasser und erzeugt gleißendes Gegenlicht, wodurch die Silhouetten der Gondel und des Gondolieri und später des Pestarztes stark hervorgehoben werden. Gegenlicht wird auch oft in Spielfilmen ein- gesetzt, um Personen oder Gegenstände hervorzuheben oder zu unter- drücken66. Das helle Licht reduziert die Farbpalette gewaltig und erzeugt dadurch einen starken Helldunkelkontrast, so dass es fast wie eine Schwarzweißszene wirkt. Auch dies ist ein Assoziationsmoment zu der Szene „Pestdoktor geht durch Gassen“, da diese in schwarzweiß gedreht wurde. Der Gondoliere dreht die Gondel um 180 Grad, so dass sie sich in die entgegengesetzte Richtung bewegt. Erst während die Gondel sich dreht, wird auch die Silhouette des am Buck stehenden, seltsam geklei- deten Pestdoktors sichtbar. Passend zu dem Szenario zitiert der Erzähler aus dem Off das 1656 verfasste Gedicht Matthäus Rembolds über die „Pest-Doctores“, die eine „Tracht“ „aus gewachster Leinwand“ tragen und „in die Kappen“ „Brillen“ „machen“ „und in die Schnäbel“ „Sachen und Düf- te, zur Abwehr der bösen Lüfte“ „einfüllen“, „auf dass die Pest sie nicht vergifte“67. Die Gondel gleitet langsam vorüber, der Pestarzt verschwindet wieder von der Bildfläche und der altmodisch gekleidete Gondoliere bringt die Gondel mit ausholenden Bewegungen vorwärts. Während der ge- samten Szene sorgen helle Glasharfentöne für einen sphärischen Klang- teppich, der durch das Geräusch der leise schlagenden Wellen noch wei- ter differenziert wird.

Die Szene „Pestdoktor geht durch Gassen“ (Nr. 28 im EP) ist schwarz- weiß und in Zeitlupe gedreht. Mit großen Schritten und wehendem Um- hang schreitet der Pestarzt, dem Betrachter sein Profil zukehrend, über einen kleinen, menschenleeren Platz in Venedig. Dabei spielt auch die Bewegung eine wichtige Rolle. Der Kameramann verfolgt den Gang des Pestarztes an den Häuserfronten entlang. Dem Bildausschnitt wird in der Laufrichtung der Person, also im linken Bildrand, etwas mehr Platz einge- räumt. Die fliegenden Tauben, oder „Ratten der Luft“68, die den vorderen Bildrand richtungsgleich mit dem Pestarzt durchqueren und deren Kontu- ren durch den Flügelschlag teilweise verschwimmen, verstärken die Dy- namik des Bildes. Während der Pestdoktor bei seinem Gang über den Platz aus der Normalperspektive gedreht wurde, wird in der nächsten Ein- stellung, in der der Arzt durch eine enge Gasse schreitet, aus der Frosch- perspektive und von hinten gefilmt. Die dramaturgische Wirkung von Per- sonen hängt im Wesentlichen von der Kameraperspektive ab. Die Nor- malperspektive, die dem Blick aus Augenhöhe entspricht, erzeugt eher ein neutrales Bild, während die Froschperspektive einen Eindruck von Höhe suggeriert und den Pestarzt durch die ungewohnte Schau von unten und hinten gewaltig, mächtig und erhaben wirken lässt. Des Weiteren geht von dem Bild des Gangs durch die enge Gasse mehr Schwung aus als von dem zuvor, da die Bewegung von der Kamera weg mehr Dynamik erzeugt als eine Bewegung quer zur Kamera69. Durch das Filmen aus der Frosch- perspektive bilden die beiden säumenden Häuserfassaden nach unten deutende diagonale Linien, die die Gasse wesentlich enger und bedrü- ckender erscheinen lassen. Die Zeitlupe betont die ausholenden Bewe- gungen des Pestdoktors und verleiht der Szene damit mehr Schwere, In tensität und Dramatik, was durch den kontrastreichen Schwarzweißdreh noch verstärkt wird. Die düstere Stimmung der Szene spiegelt sich auch in dem Off-Text wider, in dem vom kläglichen Versagen der „offizielle[n] Medizin“ gegenüber der Pest berichtet wird.

4.1.3. Die Besonderheit der Schwarzweißszenen

Die zuvor beschriebene Szene (Nr. 28 im EP) erinnert an Archivmaterial. Sowohl die altertümliche Kostümierung des Pestarztes als auch die zeit- lose Location des Platzes und der Gasse, bei denen wie in Tagen der Pest alle Fenster der säumenden Häuserfassaden fest verschlossen sind, vermitteln Bilder und Impressionen einer längst vergangenen Zeit. Da die Szene in schwarzweiß gedreht wurde, wird der Eindruck, dass es sich um altes Filmmaterial handelt, noch verstärkt. Dabei spielt die Tatsache, dass es zu Zeiten der Pest noch keine Kameras gab, kaum eine Rolle. Wichtig ist nur das Assoziationsmoment „Vergangenheit“, das es dem Rezipienten erleichtert, sich in „diese Zeit“ und die Pestthematik „hinein zu denken“70. Dies gilt auch für den ersten Teil der Sequenz, in der die altertümliche Gondel und die Kostüme des Gondolieri und des Pestarztes die Zeit der verheerenden Seuche viel fassbarer erscheinen lassen. Der sphärische Klangteppich aus Glasharfe und Wellenschlagen sensibilisiert den Zu- schauer zusätzlich für ungewohnte Impressionen.

Es gibt noch weitere Schwarzweißszenen, die in die Pestsequenz einge- flochten sind und den Eindruck von Archivmaterial vermitteln, wie z.B. die beiden Szenen in den Pariser Katakomben (Nr. 23 und Nr. 29 im EP), die Hamelner „Rattenfänger“-Geschichte (Nr. 74 und 76 im EP), die getigerte Katze hinter den Brettern (Nr. 25 im EP) oder die Ratten, die an einem Schiffstau hochklettern (Nr. 26 im EP). Auch hier wurde eine „Bildinsze- nierung für den Ton, den Text im Off“71 geschaffen, um dem Zuschauer die historischen Ereignisse näher zu bringen und die düstere Stimmung in Zeiten der Pest zu verdeutlichen. „Es“ handelt sich dabei um „fiktives Archivmaterial, da es wie Archivaufnahmen wirken soll“72.

Die Szene, in der sich eine Ratte im Rahmen der Rattenbekämpfungsfor- schung der Bayer AG in Monheim zwischen verschiedenen Futterange- boten entscheiden soll, ist ebenfalls in schwarzweiß gedreht (Nr. 85 im EP). In der Versuchsanordnung stehen der Ratte mehrere Schälchen mit verschiedenen Getreidearten zur Verfügung, die durch Nummern gekenn- zeichnet sind. Der Zuschauer weiß, dass das bevorzugte Korn später als Basis für den Rattengiftköder verwendet wird und empfindet daher Mitleid für das ahnungslose Tier. Die Szene ist inszeniert und in schwarzweiß gedreht, „um das Ganze noch fieser zu gestalten“73. Durch die schlechte Bildqualität und die weiß eingeblendeten, schnell wechselnden Zahlen, erhält die Szene den Charakter eines Films aus einer Überwachungska- mera. Die Aufnahmen sollen „nicht inszeniert und vorgeführt wirken“, son- dern so, als stammten sie „aus dem Stock von Belegen oder Archiven ei- ner großen Firma wie Bayer“74.

Auch die ersten beiden Rattenköniggeschichten (Nr. 32 + 33 und 63) sind in schwarzweiß gedreht. Die erste Sequenz beginnt mit einer Inszenie- rung, in der zunächst mehrere ganz eng aneinander gedrängte Ratten und im nächsten Moment die miteinander zu einem Knäuel verbundenen Rat- tenschwänze gezeigt werden. Darauf folgen, wie auch in der zweiten Se- quenz, diverse Stiche von Rattenkönigen in schwarzweiß, von denen im- mer erst ein Detail und dann durch Überblendung das ganze Bild gezeigt wird. So ist die erste Sequenz eine Kombination aus fiktivem und wirkli- chem Archivmaterial und die zweite Sequenz zeigt wirkliche Belege wie Fotos und Stiche. Die Bilder dienen auch hier einem besseren Verständ- nis und der Untermalung des Off-Textes, der über Rattenkönigfunde aus dem 17. und 18. Jahrhundert aufklärt.

[...]


1 www.freiburger- medienfo- rum.de/kino/0302/anding.html+Ratten%2BAnding%2BFall+des+Elefanten&hl=de&ie=UTF-8.

2 Enno Hungerland im Interview vom 15. März 2002.

3 Volker Anding im Interview vom 15. März 2002.

4 ebenda

5 Enno Hungerland im Interview vom 15. März 2002.

6 ebenda

7 ebenda

8 Volker Anding im Interview vom 15. März 2002.

9 Enno Hungerland im Interview vom 15. März 2002.

10 Volker Anding im Interview vom 15. März 2002.

11 ebenda

12 Volker Anding: Regiekonzept. Stand:31.05.97: „Vom Ordnen der Gedanken durch Schreiben“

13 Frank Scurla in: Westdeutsche Zeitung, 25.11.1998

14 Enno Hungerland im Interview vom 15. März 2002.

15 ebenda

16 Westdeutsche Zeitung vom 23.3.1999: Roland Brokop: Grimme-Preis für die „Rattenstory“.

17 Volker Anding im Interview vom 15. März 2002.

18 ebenda

19 Enno Hungerland im Interview vom 15. März 2002.

20 ebenda

21 ebenda

22 Voss, Peter: Wirtschaft im Fernsehen: informedia-Preis für Wirtschaft-Journalismus/ [aus Anlass der vierten Verleihung des informedia-Preises für Wirtschafts-Journalismus am 18. Juni 1996 in Köln hielt Peter Voss den Vortrag ...], Köln: informedia-Stiftung, c 1996. S.9.

23 ebenda

24 ebenda

25 Volker Anding im Interview vom 10. August 2002

26 Verwendung einer Kommentarstimme, die über den eigentlichen Filmton gelegt wird, zum Bei- spiel zur Übersetzung von fremdsprachigen Interviews. (James Monaco: Film verstehen. S. 580.)

27 Volker Anding: Notizen zur Recherche; Montag, 21. Juli 1998.

28 Volker Anding im Interview vom 10. August 2002

29 Eugene Vale: Die Technik des Drehbuchschreibens für Film und Fernsehen. Hrsg. Von Jürgen Bretzinger. München: TR-Verlagsunion, 1987. S. 79.

30 ebenda, S. 82

31 Volkers Ratten-Memo vom 15. August 1997

32 ebenda

33 ebenda

34 Volker Anding im Interview vom 10. August 2002

35 ebenda, S. 84

36 Volker Anding im Interview vom 10. August 2002

37 Enno Hungerland im Interview vom 15. März 2002

38 Volker Anding im Interview vom 15. März 2002

39 Volker Anding im Interview vom 10. August 2002

40 ebenda

41 Ulrich Gregor und Enno Patalas: Geschichte des Films. Bertelsmann Verlag. München, Juli 1989.

42 ebenda

43 Volker Anding: Regiekonzept. Stand:31.05.97: „Vom Ordnen der Gedanken durch Schreiben“

44 www.grimme-institut.de/scripts/preis/agp1999/grund.html+Ratten%2BWDR&hl-de

45 Exposé: Die Ratten: Ein tierischer Film von Enno Hungerland und Volker Anding.

46 Süddeutsche Zeitung vom 27.11.1998: Fritz Wolf: Bruder Nager, Schwester Ratte.

47 Volker Anding im Interview vom 10. August 2002

48 James Monaco: Film verstehen. Rohwolt Taschenbuch Verlag GmbH. Reinbeck bei Hamburg, 1980. S. 550.

49 Knut Hickethier: Film- und Fernsehanalyse. Zweite Auflage. Stuttgart; Weimar: Metzler, 1996.

S. 181.

50 vgl. Heller (1990), S. 180.

51 Volker Anding: Regiekonzept. Stand:31.05.97: „Vom Ordnen der Gedanken durch Schreiben“ 27

52 Helmut Greulich 1975, S.163. In: Knut Hickethier: Film- und Fernsehanalyse. Stuttgart; Weimar: Metzler, 1996. S. 18.

53 Volker Anding im Interview vom 15. März 2002.

54 Georges Franju, in G. Roy Levin, Documentary Explorations: Fifteen Interviews with FilmMakers, Garden City, NY 1971, S.121, 128.

55 ebenda

56 ebenda

57 Telefonat mit Volker Anding, März 2001.

58 Volker Anding im Interview vom 15. März 2002.

59 ebenda

60 Enno Hungerland im Interview vom 15. März 2002.

61 Volker Anding im Interview vom 15. März 2002.

62 Telefonat mit Volker Anding, März 2001.

63 Volker Anding im Interview vom 10. August 2002

64 ebenda

65 ebenda

66 James, Monaco: Film verstehen: Kunst Technik, Sprache, Geschichte und Theorie des Films und der Medien. Mit einer Einführung in Multimedia. Rohwolt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbeck bei Hamburg., November 1997. S. 199.

67 Nr. 16 im Einstellungsprotokoll.

68 Volker Anding im Interview vom 15. März 2002

69 „Mach einen Super-8- oder Videofilm“, hrsg. vom SHB-Medienzentrum des Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Sport sowie der AFÖ - Aktion Film Österreich, o.J.

70 Enno Hungerland im Interview vom 15. März 2002

71 ebenda

72 Volker Anding im Interview vom 10. August 2002

73 ebenda

74 ebenda

Ende der Leseprobe aus 190 Seiten

Details

Titel
Von der Idee zum fertigen Film - „Ratten“ von Volker Anding und Enno Hungerland
Hochschule
Universität Osnabrück
Note
1,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
190
Katalognummer
V84096
ISBN (eBook)
9783640099795
ISBN (Buch)
9783640111671
Dateigröße
3714 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Idee, Film, Volker, Anding, Enno, Hungerland
Arbeit zitieren
Magistra Artium Julia Schröder (Autor:in), 2002, Von der Idee zum fertigen Film - „Ratten“ von Volker Anding und Enno Hungerland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84096

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