Die Entscheidung zur Endlösung der Judenfrage ist nicht in einem historischen Datum fassbar wie andere Entscheidungen zur Judenpolitik des nationalsozialistischen Deutschlands. Dieses Problem erwächst besonders aus der Tatsache, dass ein schriftlicher Befehl Hitlers, der die physische Vernichtung der Juden angeordnet hätte, fehlt.
Deshalb haben sich bisher verschiedenste Forschungspositionen ergeben, die von zwei Fragen geleitet wurden: Welche Rolle kommt der militärischen Lage Deutschlands zu und welche Rolle spielte Hitler bei der Entscheidung zur Endlösung oder auf dem Weg dorthin?
Christopher Browning stellt in seinem Buch „Der Weg zur Endlösung“ die verschiedenen Forschungspositionen nach einem Schema dar, das sich ursprünglich auf die gesamte nationalsozialistische Geschichte Deutschlands bezog: Auf der einen Seite stehen die „Funktionalisten“, welche sich prinzipiell auf die Strukturen und Institutionen des nationalsozialistischen Staates konzentrieren und diesen eine hohe Bedeutung zumessen. Auf der anderen Seite befinden sich die sogenannten „Intentionalisten“. Diese stellen Hitler und seine Ideologie in den Mittelpunkt ihrer Untersuchungen.
Auf die Betrachtung der Endlösung übertragen bedeutet dies folgende Positionierung: Die „Funktionalisten“ gehen davon aus, dass die Judenpolitik der Nationalsozialisten auf kein direktes Ziel zusteuerte, jedoch ein breiter Konsens über die Lösung der Judenfrage im Sinne der Vertreibung und Aussiedlung der Juden herrschte. Das Scheitern des gewünschten Blitzkrieges gegen die Sowjetunion führte dann zur Endlösung, die der Endpunkt einer „kumulativen Radikalisierung“ (Hans Mommsen) war.
Die „Intentionalisten“ sehen Hitler als die treibende und alles entscheidende Kraft hinter der Endlösung. Bereits in den 20er Jahren habe er beschloss, die Judenfrage durch die physische Ausrottung der Juden zu lösen und arbeitete von diesem Zeitpunkt an konsequent auf sein Ziel hin. Jedoch hing die endgültige Entscheidung zur Endlösung mit der Entwicklung der militärischen und politischen Bedingungen zusammen.
Zur Eingrenzung und Verdeutlichung der verschiedenen Forschungspositionen wurden für diese Arbeit zwei relativ typische Vertreter dieser Richtungen ausgewählt. „Relativ typisch“ deshalb, weil diese Positionen nicht so eindeutig vertreten werden, wie sie sich auf den ersten Blick darstellen. Jedoch sind sowohl bei Aly, wie auch bei Hartog die grundlegenden Kennzeichen der Positionen erhalten und nachvollziehbar.
Christopher Browning wird im dritten Abschnitt vorgestellt, da er für sich in Anspruch nimmt, eine Synthese der beiden grundlegenden Richtungen entwickelt zu haben. Dies ist ihm im Ansatz gelungen, jedoch in Anbetracht der nur theoretisch vorhandenen Einheitlichkeit der Grundpositionen zu relativieren.
Inhaltsverzeichnis
- Hinführung
- G. Aly als Vertreter der „Funktionalisten“
- L. J. Hartog als Vertreter der „Intentionalisten“
- C. R. Browning - eine Synthese der beiden vorherigen Positionen
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Entscheidung zur Endlösung der Judenfrage im nationalsozialistischen Deutschland. Sie analysiert die verschiedenen Forschungspositionen, die sich mit dieser Thematik auseinandersetzen, insbesondere die „Funktionalisten“ und die „Intentionalisten“. Die Analyse zielt darauf ab, die Rolle der militärischen Lage Deutschlands und die Rolle Hitlers in diesem Prozess zu untersuchen.
- Die Rolle der militärischen Lage Deutschlands
- Hitlers Rolle bei der Entscheidung zur Endlösung
- Die verschiedenen Forschungspositionen: „Funktionalisten“ und „Intentionalisten“
- Die Entwicklung des Prozesses zur Endlösung
- Die Motivationen und Aufgabenfelder der Beteiligten
Zusammenfassung der Kapitel
Hinführung
Die Entscheidung zur Endlösung der Judenfrage wird als komplexer Prozess dargestellt, der nicht auf ein bestimmtes Datum festgelegt werden kann. Die fehlende schriftliche Anordnung Hitlers für die physische Vernichtung der Juden stellt ein zentrales Problem der Forschung dar. Die Arbeit untersucht verschiedene Forschungspositionen, die sich mit der Rolle der militärischen Lage und der Rolle Hitlers im Zusammenhang mit der Endlösung befassen.
G. Aly als Vertreter der „Funktionalisten“
Aly sieht die Endlösung nicht an ein bestimmtes Datum gebunden. Er argumentiert, dass es keinen voluntaristischen Entschluss zum systematischen Mord an den europäischen Juden gab. Die Entscheidung sei stattdessen ein Ergebnis von verschiedenen Faktoren, wie dem Scheitern des Blitzkrieges gegen die Sowjetunion und der „kumulativen Radikalisierung“ der nationalsozialistischen Politik. Die „Funktionalisten“ konzentrieren sich auf die Strukturen und Institutionen des nationalsozialistischen Staates und dessen Einfluss auf die Entwicklung der Endlösung.
L. J. Hartog als Vertreter der „Intentionalisten“
Hartog hingegen betont Hitlers Rolle als treibende Kraft hinter der Endlösung. Er argumentiert, dass Hitler bereits in den 20er Jahren beschlossen habe, die Judenfrage durch physische Ausrottung zu lösen und konsequent auf dieses Ziel hingearbeitet habe. Die endgültige Entscheidung zur Endlösung sei jedoch mit der Entwicklung der militärischen und politischen Bedingungen verbunden gewesen.
C. R. Browning - eine Synthese der beiden vorherigen Positionen
Browning versucht in seinem Buch „Der Weg zur Endlösung“ eine Synthese der „Funktionalisten“ und „Intentionalisten“ zu entwickeln. Er argumentiert, dass die Entscheidung zur Endlösung sowohl durch strukturelle Faktoren als auch durch Hitlers Intentionen beeinflusst wurde.
Schlüsselwörter
Endlösung, Judenfrage, Nationalsozialismus, Funktionalismus, Intentionalismus, Hitler, Militär, Krieg, Strukturen, Institutionen, Radikalisierung, Vertreibung, Aussiedlung, Vernichtung, Motivationen, Aufgabenfelder, Prozess, Entscheidung, Forschung, Historiographie
- Arbeit zitieren
- Anni Neumann (Autor:in), 2005, Die Entscheidung zur Endlösung - eine Analyse zu den Forschungspositionen von G. Aly, L. J. Hartog und C. R. Browning, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/84680