Anhand der geläufigsten Thesen und Begriffe des Konstruktivismus, möchte ich zunächst dieses breite Thema, das nicht nur für die Pädagogik und Andragogik relevant ist, sondern dessen Wurzeln, die sowohl in den Natur-, als auch in den Sozialwissenschaften und der Philosophie zu finden sind, so darlegen, dass die Interdisziplinarität erhalten bleibt.
Anschließend möchte ich die wichtigsten Begriffe ansprechen, die den Konstruktivismus als Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie ausmachen.
Danach werde ich Didaktikentwürfe und Ergebnisse aus der Lehr- und Lernforschung unterschiedlicher Bereiche heranziehen, um praxisnahen Konstruktivismus vorzustellen.
Im Rahmen dieser Arbeit beabsichtige ich, die Unterschiede zwischen traditionellen und konstruktivistischen Lernzielen herauszuarbeiten. Denn die Bedeutung von Wirklichkeit hat sich durch den Konstruktivismus und seine Vertreter gewandelt, und der Begriff der Objektivität ist für einen Konstruktivisten eine schlichte Illusion. Aber lässt sich denn immer an der Realität deuteln? Gibt es keine Tatsachen, die offenbaren was nicht abzustreiten ist? Warum gibt es dann keinen Wahrheitsanspruch mehr? Was ist neu oder anders an diesem Denken? Denn bereits der Vorsokratiker Xenophanes stellte fest:
„Und das Genaue freilich erblickt kein Mensch und es wird auch nie jemand sein, der es weiß (erblickt hat)… denn selbst wenn es einem im höchsten Maß gelänge, ein Vollendetes auszusprechen, so hat er selbst trotzdem kein Wissen davon: Schein (meinen) haftet an allem.“ (zit. n. von Glasersfeld 1994, 24)
Inhalt
1. Einleitung
2. Was ist Konstruktivismus?
2.1 Die Entstehung des Konstruktivismus
2.2 Konstruktivistische Positionen und Strömungen
3. Schlüsselbegriffe des Konstruktivismus
3.1 Autopoiesis
3.2 Viabilität
3.3 Wissen
3.4 Perturbation
4. Konstruktivistische Lehr- und Lernformen
4.1 Das Verhältnis des Lehrenden zum Lernenden
4.2 Die konstruktivistische Lernumgebung
5. Reflexion
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
D iese Hausarbeit steht im Rahmen des Gesamtseminarthemas „Theorien der Erwachsenenbildung“. Das Thema „Konstruktivismus“ wurde dabei auch als eine der Theorien behandelt, die Bedeutung für die erwachsenbildnerische Praxis haben.
Anhand der geläufigsten Thesen und Begriffe des Konstruktivismus, möchte ich zunächst dieses breite Thema, das nicht nur für die Pädagogik und Andragogik relevant ist, sondern dessen Wurzeln, die sowohl in den Natur-, als auch in den Sozialwissenschaften und der Philosophie zu finden sind, so darlegen, dass die Interdisziplinarität erhalten bleibt.
Anschließend möchte ich die wichtigsten Begriffe ansprechen, die den Konstruktivismus als Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie ausmachen.
Danach werde ich Didaktikentwürfe und Ergebnisse aus der Lehr- und Lernforschung unterschiedlicher Bereiche heranziehen, um praxisnahen Konstruktivismus vorzustellen.
Im Rahmen dieser Arbeit beabsichtige ich, die Unterschiede zwischen traditionellen und konstruktivistischen Lernzielen herauszuarbeiten. Denn die Bedeutung von Wirklichkeit hat sich durch den Konstruktivismus und seine Vertreter gewandelt, und der Begriff der Objektivität ist für einen Konstruktivisten eine schlichte Illusion. Aber lässt sich denn immer an der Realität deuteln? Gibt es keine Tatsachen, die offenbaren was nicht abzustreiten ist? Warum gibt es dann keinen Wahrheitsanspruch mehr? Was ist neu oder anders an diesem Denken? Denn bereits der Vorsokratiker Xenophanes stellte fest:
„Und das Genaue freilich erblickt kein Mensch und es wird auch nie jemand sein, der es weiß (erblickt hat)… denn selbst wenn es einem im höchsten Maß gelänge, ein Vollendetes auszusprechen, so hat er selbst trotzdem kein Wissen davon: Schein (meinen) haftet an allem.“ (zit. n. von Glasersfeld 1994, 24)
Um eine Antwort auf diese Fragen zu finden, möchte ich im folgenden Kapitel auf die Definition des Konstruktivismus, seine Entstehung und seine Hauptströmungen und Vertreter eingehen.
2. Was ist Konstruktivismus?
Konstruktivismus ist ein erkenntnis-, systemtheoretischer, kognitionspsychologischer und wissenssoziologischer Begriff, der dem Menschen den unmittelbaren Zugang zur Wirklichkeit abspricht (vgl. Arnold 2001). Das bedeutet, dass nur das von einem Individuum erkannt wird, dass in seine Konstruktion der Wirklichkeit passt, und diese Konstruktion ist somit, das Produkt seines eigenen kognitiven Systems.
Ein Individuum ist ein geschlossenes System, welches autopoietisch (selbstorganisiert) funktioniert, und perturbiert (gestört) werden kann, um eine Veränderung im System auszulösen. Neues Wissen muss integriert werden, in das bereits vorhandene Wissen, und viabel (gangbar) gemacht werden, um in dieses System zu passen (Schlüssel-Schloss-Prinzip). Viables Wissen entspricht einem Schlüssel, der aber nur eine Möglichkeit – nicht die Möglichkeit – ist, um ein Problem (Schloss) zu lösen (s. von Glasersfeld 1994, 20). Dann muss ein neues Gleichgewicht geschaffen werden, zwischen den Deutungsmustern des Individuums und den neuen Anforderungen.
Für die Erwachsenenbildung bedeutet das, dass neue Inhalte und Ergebnisse des Lerners vor dem Hintergrund seines bereits vorhandenen Wissens selbst konstruiert bzw. rekonstruiert werden (vgl. Arnold 2001). Der Lehrende schafft dabei Voraussetzungen und Arrangements um die Erschließung des neuen Wissens zu ermöglichen. Ob und wie das Wissen vom Lernenden aufgenommen wird, ist von seiner kognitiven Struktur abhängig, und erfordert Aktivität seinerseits das Lernen „zuzulassen“.
Der Begriff des Konstruktivismus, der in der traditionellen Philosophie mit einer anderen Bedeutung behaftet ist, und außerdem eine Bewegung der Bildenden Kunst und der Architektur der UdSSR der frühen Zwanziger Jahre ist, die sich anschließend auch auf die Literatur des Landes ausweitete, ist bereits in anderem Zusammenhang bekannt.
Aber wie ist denn der Konstruktivismus, der eingangs beschrieben wurde, entstanden? Wo liegen seine Wurzeln, und wie ist er ausgeprägt? Dies möchte ich in diesem Kapitel darlegen.
2.1 Die Entstehung des Konstruktivismus
Aus Ernst von Glasersfelds „Einführung in den radikalen Konstruktivismus“ (1994) lässt sich die Geisteshaltung des Konstruktivismus auf ihre Ursprünge hin zurückverfolgen. Als erster „echter“ Konstruktivist gilt dabei Giambattista Vico im 18. Jahrhundert, dann Silvio Ceccato und Jean Piaget. (von Glasersfeld 1994, 16).
„Vicos Schlagwort, Verum ipsum factum – das Wahre ist dasselbe wie das Gemachte“ (ebd., 26), wird zunächst mit Gottes Schöpfung erklärt, die nur der Schöpfer selbst kennt, weil er sie so geschaffen hat. Auf den Menschen übertragen bedeutet das, dass der Mensch nur die Beschaffenheit von den Dingen kennen kann, die er selbst zusammengestellt hat, wegen der Kenntnis des Baumaterials und der Bauart. Eine Folgerung dessen ist: „Wenn wahr ist, was gemacht ist, dann heißt, etwas durch seine Ursache beweisen, das gleiche wie, es bewirken“(Vico zit. n. von Glasersfeld, 28). Nach Vico sind es nicht Deutungsmuster, die das Konstruieren bestimmen, sondern die Geschichte des Konstruierenden selbst, weil das jeweils bereits Gemachte die Schranken seines Tuns vorgibt (ebd., 29). Das bedeutet, dass die gewählten Bausteine einer Konstruktion die Grenzen des Erbauers bestimmen, und ein Scheitern ihm nichts über die richtige Art zu bauen aussagt, sondern nur wie es falsch ist – sozusagen, Erfahrungen nach dem „Ausschlussprinzip“.
Jean Piaget war Biologe, Erkenntnistheoretiker und Psychologe. “Piaget bezeichnet auch eine Gewohnheit als ein Schema, das – im konstruktivistischen Sinn – als ein `in sich selbst geschlossenes System´ anzusehen ist“(Arnold/ Siebert 1999, 45). Nicht nur die Idee der Autopoiesis, sondern auch die Zirkularität des Erkennens („Subjekt-Objekt-Zirkel“) geht auf ihn zurück. Grundlegend für Lernprozesse ist bei ihm die Vorstellung, dass Organismen danach streben Inkonsistenzen abzubauen und einen Gleichgewichtszustand zu erreichen (Äquilibration)(ebd., 49).
Niklas Luhmanns Systemtheorie baut auf Autopoiesis als zentrales Konzept auf. Die Selektion fortsetzbarer Autopoiesis, nicht die Anpassung an Umweltbedingungen führt zur Weiterentwicklung autopoietischer Systeme. Damit versteht Luhmann Sozialisation systemtheoretisch als „Selbstsozialisation“ (vgl. Arnold/ Siebert 1999, 69).
Auch in Biographieansätzen und im Deutungsmusteransatz sind deutliche konstruktivistische Züge zu erkennen. Denn die Biographie eines Menschen entspricht meist der Interpretation seiner Lebensgeschichte oder der Selektion seiner Vergangenheit – also einer Konstruktion:
„Jeder Mensch erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er für sein Leben hält“(Frisch 1971, zit. n. Arnold/ Siebert 1999, 75).
Alfred Mann (1881-1937) führte den Begriff des „Ich-Gesichtswinkels“ ein, und damit gewannen auch Perspektivität, Standpunktabhängigkeit und relative Geschlossenheit von Denkstrukturen und Wirklichkeitskonstrukten an Bedeutung. Diese finden sich sowohl in den Deutungsmusteransätzen, als auch im Konstruktivismus.
Der Deutungsmusteransatz befasst sich mit der Frage,
„wie der einzelne im Verlaufe seines Lebens zu einem Bewusstsein von dem gelangt, was er für wirklich hält, wie er mit diesem Bewußtsein in seiner sozialen Umgebung umgeht, mit welchen Deutungsmustern er dieses Bewußtsein artikuliert und mit welchen Interpretationen er sich bemüht, das, was er einmal für wirklich erkannt hat, zu konservieren oder mit sich verändernden Sichtweisen in Einklang zu bringen“ (Arnold 1985, 20).
Hierbei sieht man schon deutliche gemeinsame Züge zum Konstruktivismus, und es verwundert auch nicht, dass Rolf Arnold, den ich hier zu den Deutungsmustern in der Erwachsenenbildung zitiere, sich einige Jahre später ausgiebig mit konstruktivistischen Ansätzen in der Erwachsenenbildung beschäftigt hat.
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- Arbeit zitieren
- Ursula Ebenhöh (Autor:in), 2004, Zum Konstruktivismus in der Praxis der Erwachsenenbildung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86007
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