Die böhmischen Länder waren unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wie kaum ein anderes europäisches Gebiet von ausserordentlich tiefgreifenden Bevölkerungsmigrationen betroffen. Nicht nur wurde bis Ende 1946 mit der Vertreibung und Zwangsaussiedlung von rund drei Millionen Deutschen eine durch Jahrhunderte bestehende Lebensgemeinschaft zwischen deutsch- und tschechischsprachigen Landesbewohnern zerstört. Mit der Wanderung von etwa zwei Millionen Neusiedlern in die bisherigen Heimatgebiete der Deutschen (dem ehemaligen „Sudetenland“) und in die „Sprachinseln“ im Landesinnern wurde auch unter der tschechischen Bevölkerung die Existenz fast jedes vierten Einwohners vom Faktor Migration beeinflusst.
Ebenfalls ihren Schwerpunkt in den ersten Jahren nach 1945 besass die Rückkehr von an die 200 000 Tschechen und Slowaken ins Land ihrer Vorfahren und deren teilweise Ansiedlung in den Sudetengebieten. Dazu gestellten sich nicht nur freiwillig verlaufende binnenstaatliche Umsiedlungen von Minderheitengruppen in und aus den Grenzgebieten, zu denen auch die im Lande verbliebenen Sudetendeutschen gehörten.
Zwar beschäftigte sich die deutschsprachige und tschechische Forschung in den vergangenen Jahrzehnten mit vielen Teilaspekten der Thematik, doch entstanden auch in der Tschechoslowakei bzw. Tschechien keine monographischen Überblickswerke, die die vielen verstreuten Erkenntnisse und Daten sammelten und verglichen. Mit der vorliegenden Arbeit wurde eine erste synthetische Darstellung der tschechischen Wiederbesiedlung der Sudetengebiete nach 1945 geschaffen.
Details zu Struktur und Inhalt des Buches:
203 Seiten Darstellung, daneben 171 Seiten Anhangsteil (davon u.a. 5 Tabellen, 10 Karten, 4 Fotografien und bisher ausführlichste Arbeitsbibliographie zur Thematik der Wiederbesiedlung und Vertreibung/Zwangsaussiedlung der Deutschen im Umfang von 141 S., mit thematisch geordneter Verzeichnung der tschechischen, deutschsprachigen und übrigen Literatur), wissenschaftlicher Anmerkungsapparat.
Ausführlich dargestellt werden u.a. folgende Aspekte:
- aktueller Forschungsstand
- staatliche Organisation der Neubesiedlung, rechtliche Grundlagen und statistische Übersicht
- Zusammensetzung und gegenseitiges Verhältnis der Neusiedler der neuen Bevölkerung
- Reemigration von Tschechen u. Slowaken aus dem Ausland und deren Ansiedlung in der Tschechoslowakei
- Transformation von politischen und wirtschaftlichen Strukturen in den Siedlungsgebieten
Inhaltsverzeichnis
- A. EINLEITENDE VORBEMERKUNGEN
- A.1 Die Kehrseite von Vertreibung und Aussiedlung
- A.2 Ziele der Arbeit / Methodologie
- A.3 Terminologie
- A.4 Territoriale Absteckung
- B. LITERATUR UND FORSCHUNGSLAGE
- B.1 Historische Literatur
- B.2 Ethnographische Literatur
- B.3 Internationaler und historischer Vergleich
- C. INVOLVIERTE ORGANE
- C.1 Zentrale Organe
- C.2 Dezentrale Organe
- C.3 Parteien und Verbände
- D. BESIEDLUNGSRECHT
- D.1 Gesetzessammlungen
- D.2 Rechtliche Voraussetzungen des Besiedlungsprozesses
- E. LANDWIRTSCHAFTLICHE BESIEDLUNG
- F. NICHT-LANDWIRTSCHAFTLICHE BESIEDLUNG
- F.1 Nationalverwaltung, Konfiskation, Zuteilung
- F.2 Arbeitskräftemangel
- G. BESIEDLUNGSPROZESS UND SIEDLER
- G.1 Staatliche Besiedlungsmaximen
- G.2 Etappen
- G.3 Siedlergruppen
- a) Deutsche
- b) Tschechen
- c) Slowaken
- d) Magyaren
- e) Roma
- f) Andere ethnische Siedlergruppen
- G.4 Repatriation und Reemigration
- G.5 Motive und soziale Zusammensetzung der Siedler
- G.6 Statistische Bilanz des Besiedlungsprozesses
- H. WAHLEN 1946
- H.1 Ausgangslage
- H.2 Ergebnisse in den Grenzgebieten
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit bietet eine umfassende Übersicht über den Forschungsstand zur Neubesiedlung der Grenzgebiete der böhmischen Länder zwischen 1945 und 1950. Sie fokussiert auf die zentrale Rolle der tschechischen und slowakischen Neusiedler im Prozess der Neubesiedlung, der nach der Vertreibung und Aussiedlung der deutschen Bevölkerung stattfand. Neben einer kritischen Analyse des Forschungsstandes stellt die Arbeit auch die wichtigsten Akteure und Institutionen vor, die an der Neubesiedlung beteiligt waren. Darüber hinaus werden die rechtlichen Grundlagen sowie die politischen und sozialen Implikationen des Besiedlungsprozesses beleuchtet.
- Die Neubesiedlung der Grenzgebiete nach der Vertreibung und Aussiedlung der Deutschen als Massenmigration
- Die Rolle des tschechischen und slowakischen Staates bei der Organisation der Neubesiedlung
- Die verschiedenen ethnischen Gruppen der Neusiedler und deren Ansiedlung in den Grenzgebieten
- Die rechtlichen Grundlagen der Neubesiedlung, insbesondere die Konfiskation und Zuteilung von Grundbesitz
- Der Einfluss der Neubesiedlung auf die soziale und politische Landschaft der Grenzgebiete
Zusammenfassung der Kapitel
Der Text beginnt mit einer Einleitung, in der die Bedeutung der Neubesiedlung im Kontext der Vertreibung und Aussiedlung der Deutschen hervorgehoben wird. Anschließend werden die Ziele und die Methodologie der Arbeit erläutert. In einem weiteren Kapitel wird der Forschungsstand zur Neubesiedlung der Grenzgebiete analysiert, wobei sich die Arbeit sowohl auf die deutsche als auch die tschechische Geschichtsschreibung konzentriert. Es folgt ein Abschnitt über die zentralen und dezentralen Organe, die für die Organisation der Neubesiedlung verantwortlich waren, sowie eine Darstellung der Rolle der verschiedenen Parteien und Verbände im Kontext der Neubesiedlungspolitik. Anschließend werden die rechtlichen Grundlagen der Neubesiedlung erörtert. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird der Besiedlungsprozess genauer beleuchtet, indem die Schwerpunkte auf der landwirtschaftlichen sowie der nicht-landwirtschaftlichen Besiedlung liegen. Im letzten Kapitel werden die Ergebnisse der Parlamentswahlen von 1946 und 1948 in den Grenzgebieten beleuchtet, um die politische Relevanz der Neubesiedlung zu beleuchten.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit der Neubesiedlung der Grenzgebiete der böhmischen Länder nach dem Zweiten Weltkrieg. Wichtige Schlüsselbegriffe sind: Vertreibung, Aussiedlung, Neubesiedlung, Konfiskation, Zuteilung, Nationalverwaltung, Nationale Front, Kommunistische Partei, Agrarpolitik, Bodenreform, Landwirtschaft, Industrie, Arbeitskräftemangel, Repatriation, Reemigranten, Wolhynien-Tschechen, Slowaken, Magyaren, Roma, Hultschiner Ländchen, ethnische Gruppen, soziale Struktur, politische Landschaft.
- Quote paper
- Adrian von Arburg (Author), 2001, Die Besiedlung der Grenzgebiete der böhmischen Länder 1945-1950 , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86086